Houellebecq als Live-Animationsfilm

Isabelle und Daniel auf der großen Leinwand. Bettina Lieder, Andreas Beck, Frank Genser und Merle Wasmuth drum herum. (Foto: ©Birgit Hupfeld)
Isabelle und Daniel auf der großen Leinwand. Bettina Lieder, Andreas Beck, Frank Genser und Merle Wasmuth drum herum. (Foto: ©Birgit Hupfeld)

Dortmund überrascht. Dich. So lautet das neue Motto der Stadt. Was die Stadt kann, kann das Schauspielhaus schon lange. Allein in dieser Spielzeit gab es eine Punk-Operette, eine herrliche Umsetzung des Hollywoodfilms „Minority Report“, Nosferatu in Stummfilm-Optik und -mimik sowie ein „Moby Dick“ mit Puppen und Menschen. Die Premiere von „Die Möglichkeit einer Insel“ setzte noch mal einen drauf. Es wurde von den vier Schauspielern live ein Animationsfilm erstellt. Ein Premierenbericht vom 28. März 2015.

Als ratternd die starre Bühnenwand hoch gezogen wurde, hatte man zunächst das Gefühl auf einem Konzert der Gruppe Kraftwerk gelandet zu sein. Vier gleich gekleidete Menschen standen vor vier Tischen. Doch auf dem Tischen waren keine Synthesizer, sondern hier wurden die einzelnen Platten für den Animationsfilm aufgelegt. Doch auf der Bühne tat sich noch mehr. Es gab Kameraroboter, die Bilder für den Hintergrund lieferten, auch die Hintergrundbilder waren zu sehen.

Regisseur Nils Voges vom Künstlerkollektiv „sputnic“ erzählt den Roman vom Houellebecq mit Rückblenden und springt zwischen 2005 und 4005. In 4005 bilden die sogenannten Neo-Menschen eine neue hoch gezüchtete Form des Menschen. Sie werden geklont und bekommen das Bewusstsein ihres Vorgängers eingepflanzt. Im Stück erleben wir den Übergang von Daniel24 zu Daniel25. Im Laufe dieser Entwicklung wurden Lachen, Weinen und andere Emotionen herausgemendelt. Die Nachfolger müssen sich aber mit dem Leben ihres Urahns beschäftigen. Diese Aufzeichnungen sind als Rückblenden im Stück zu sehen. Daniel24/25 erfährt von einer Gruppe von Abtrünnigen, die auf Lanzarote leben soll und macht sich auf den Weg.

Vielleicht klingt die nüchterne Beschreibung ein wenig abstrakt, doch was die Schauspieler Andreas Beck, Frank Genser, Bettina Lieder und Merle Wasmuth zusammen mit der Technik auf die Bühne gebracht haben, war große Klasse. Denn sie mussten die jeweiligen Platten zum exakten Zeitpunkt auflegen und dabei den Animationsfilm vertonen. Wobei Animationsfilm nicht im Sinne von Disney oder den anderen Animationsfilmen zu verstehen ist, die Grafik erinnerte eher ein wenig an „Sin City“. Sie war dunkel, düster und reduziert.

In „Die Möglichkeit einer Insel“ geht es um die Suche nach dem Glück. Sind sie Menschen in der Zukunft glücklicher, nachdem sie versucht haben, die Emotionen durch Klonen auszumerzen? Dieses Vorgehen ähnelt ein wenig dem Buddhismus, bei dem Menschen durch Wiedergeburt versuchen, das nach ihrer Meinung leidhafte Dasein zu überwinden. Aber anstelle des spirituellen Weges wird mit dem Klonen ein wissenschaftlicher weg eingeschlagen.

Doch das Thema in der Jetzt-zeit ist das Altern, bzw. die Angst vor dem Altern. Houellebecq beschreibt den Urahn Daniel als egozentrisches, zynisches Arschloch. Die Liebe zur Chefredakteurin Isabelle gibt ihm Halt. Doch Isabelle kann sich mit ihrem Altern nicht abfinden und verlässt Daniel, nachdem ihre Ehe zu einer Einsamkeit zu zweit verkommen ist. Daniels Beziehung mit der über 20 Jahre jüngeren Schauspielerin Esther ging unromantisch per SMS in die Brüche.

Den ideologischen Überbau bei Houellebecq übernehmen die Elohimiten. Die Elohimiten haben tatsächlich eine Entsprechung in der realen Welt. Die Raëlianer vertreten eine Weltanschauung, die Wissenschaft mit biblischen Geschichten mischt. Nach ihrer Meinung sind die Götter Außerirdische. Zudem propagieren sie das Klonen. Zusammen mit dem Meditieren wollen sie dann ein höheres Bewusstsein erlangen.

Es ist unglaublich, was die drei Schauspieler mit ihren Folien zaubern (Andreas Beck steht am Soundpult), man starrt gebannt auf die große Leinwand und sieht in Echtzeit einen Animationsfilm entstehen. Zusammen mit der modernen Technik entsteht im Theater etwas überaus Faszinierendes. Puristen möglichen vielleicht einwenden: Im Theater wollen wir Schauspieler agieren sehen. Doch Nils Voges hat dieses Werk von Houellebecq in einer besonderen Weise umgesetzt.

Allen Beteiligten auf und hinter der Bühne und natürlich den Zeichnern der unzähligen Folien gehört ein großes Lob für ein überraschenden, berührenden und faszinierenden Theaterabend.

Weitere Termine: Sa, 04. April 2015, Do, 16. April 2015, So, 10. Mai 2015, Mi, 20. Mai 2015, Sa, 30. Mai 2015, Fr, 05. Juni 2015 und Fr, 19. Juni 2015.

[fruitful_dbox] Das schreiben die anderen:

WAZ

Westdeutsche Zeitung

WA

Literaturundfeuilleton[/fruitful_dbox]

Walfang mit politischer Dimension

Welche Mechanismen müssen greifen, damit Menschen für den Anführer oder seine Ideen bereits sind, alles zu tun? Zu sehen sind: Sebastian Graf, Johannes Hubert und Franziska Dittrich. (Foto: ©Birgit Hupfeld)
Welche Mechanismen müssen greifen, damit Menschen für den Anführer oder seine Ideen bereits sind, alles zu tun? Zu sehen sind: Sebastian Graf, Johannes Hubert und Franziska Dittrich. (Foto: ©Birgit Hupfeld)

Wie wird jemand zu einem Terroristen? Welche Mechanismen gehören dazu? Fragen, die zu Zeiten von IS, NSU und anderen Gruppen eine besondere Aktualität bekommen. In „Moby Dick vs. A.H.A.B – All Heroes Are Bastards“ in der Regie von Roscha A. Säidow gingen Puppen und Menschen gemeinsam auf einen Rachefeldzug. Ein Premierenbericht aus dem Studio des Schauspielhauses vom 27. März 2015.

Ein Mann – im Roman Ismael genannt – bricht alle Brücken hinter sich ab und schließt sich einer Gruppe von Menschen an, die nur ein bestimmtes Ziel hat: „Tod dem Wal – tötet Moby Dick“. Erst eine Katastrophe, die alle seine Kameraden tötet, bringt ihn zur Vernunft. Ja, „Moby Dick“ ist mehr als ein Abenteuerroman mit Walfangambiente.

Regisseurin Säidow ist Mitglied in der Gruppe „Retrofuturisten“, die ein freies Theater- und Puppenspielkollektiv aus Berlin sind. Sie kombinieren in ihren Arbeiten Puppen- und Schauspieltheater, was auch in der Inszenierung von „Moby Dick“ zum Tragen kam. Der erste Teil des Stückes bestand aus einem Puppentheater, das die bekannte Geschichte der Hauptfigur Ismael, Kapitän Ahab und Moby Dick erzählte. Dabei wurden Figuren auch ironisch umgesetzt, so war die „Puppe“ von Ahab ein Tischbein, denn bekanntermaßen hatte Ahab beim Kampf mit Moby Dick sein Bein verloren.

Konnte das Publikum beim ersten Teil vor allem wegen der gut gemachten Puppen noch häufig lachen, wurde es zu Beginn des zweiten Teils ernster. Denn hier ging es um die Motivation von Ismael. Hier agierten die fünf Schauspieler auch vor dem Publikum.
Ismael bricht alle seine Brücken ab. „Ich will mein Leben zurück“, sagte er. „Ich will einen Ausstieg aus der Comfort Zone.“ Hier wird die persönliche Unzufriedenheit, die Leere zu einem Grund, sich auf das Schiff von Ahab zu flüchten. Aus einem Ich wird ein Wir. „Wir sind AHAB“, skandiert die Gruppe, die in Schwarz uniformiert auf der Bühne steht. Und das Wir lässt sich vom Anführer manipulieren. Schon bei Melville war Moby Dick ein Symbol für eine dämonische Naturkraft, in der Inszenierung benutzt Säidow die Analogie zu „Leviathan“. Das biblische Monster wird in Thomas Hobbes gleichnamigen Werk zu einem Symbol für den absolutistischen Staat, den es zu bekämpfen gilt. Doch der Hass auf den weißen Wal lässt sich nicht nur auf eine Staatsform oder auf den Staat transformieren, es geht im Prinzip nur darum einen gemeinsamen Feind zu haben. Ob Staat, Ungläubige, Fremde, ist egal. Es müsse alles getan werden, „um die Welt vom Weiß zu befreien“, so Ahab in dem Stück. Und „alles“ bedeutet wirklich „alles“. „Heute Nacht wurde gemordet“, erzählt Ismael und konstatiert „noch nie ist das Schiff so rein, wie nach einem Blutbad“.

Doch welche Motive hat der Anführer Ahab? Diese Frage wurde in einer witzigen Form vom „literarischen Quartett“ versucht zu beantworten. Drei Schauspieler mit Riesenköpfen von Marcel Reich-Ranicki, Sigrid Löffler und Hellmuth Karasek standen auf der Bühne und versuchten mit dem Anführer zu diskutieren. Kommt der Hass von Ahab daher, weil er nur ein Spielball der „Walfangmafia“ ist oder hat er seinen persönlichen Hass durch den Verlust seines Beines zu einem politischen Hass gemacht?

Gibt es einen Weg zurück? Am Ende bleibt Hoffnung: „Ich bin nicht Ismael“, so die vier Gruppenmitglieder am Ende des Stückes.

Der Erfolg des Stückes lag auch an der exzellenten Zusammenarbeit von Retrofuturisten um Franziska Dittrich, Johannes Hubert und Magdalena Roth sowie den beiden Schauspielern Sebastian Graf und Uwe Schmieder vom Dortmunder Ensemble.
„Moby Dick vs. A.H.A.B.“ lässt kaum einen Zuschauer kalt. Endgültige Antworten über das Warum und Wieso jemand zum Terroristen wird, gibt das Theaterstück nicht, es lädt aber zum Diskutieren ein. Absolute Empfehlung!

Weitere Termine und Karten unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27222.

Gala voll Power und Swing

Am Samstag, den 28. März 2015 lud Kammersänger Hannes Brock zusammen mit der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Philipp Armbruster und drei Gästen zu seiner großen Gala „My Way“.

Für die Arrangements und Einrichtung an diesem Abend war der Bassklarinettist Matthias Grimminger ( Dortmunder Philharmoniker) verantwortlich. Dieser konnte unter anderem auch mit einem Klarinettensolo glänzen.

Neben einer „Big-Band-Auswahl“ der Philharmoniker standen dem Kammersänger auf der Bühne auch noch eine kleine, aber erfahrene Band mit Peter Autschbach (Gitarre), Axel Riesenweber (Lead-Trompete), Petra Riesenweber (Keyboard), Jan Rohlfing (Drums), Simone Witt (Piano) und Bernd Zinsius (Bass) zu Seite. Hannes Brock wollte sein Publikum, darunter wohl viele langjährige Fans, besonders überraschen. So gab es vorab kein Programmheft.

Mit der Ouvertüre aus dem Musical „Sunset Boulevard“ von Andrew Lloyd Webber wurde Brock begrüßt und kam über eine kleine rote Treppe auf die Bühne.Der Galaabend bot ein breites Musik-Spektrum. Von „Every time you say good by“ (L.Bernstein), über die Beatles „When I’m sixty-four“, bis hin zu „Forever young“ (Bob Dylan) vor der Pause zeigte der Kammersänger seine vielfältige Gesangs-Kunst.Danach begeisterte er das Publikum mit einer temperamentvollen und stimmgewaltige Interpretation von „The Man of La mancha“ (Don Quixote). Broadwayhits wie „New York, New York..“ oder der Sinatra Evergreen „und Gala-Titel „My Way“ sowie „I am what I am“ aus „Ein Käfig voller Narren“ durften natürlich nicht fehlen.

Eingeladen hatte er zudem drei hochkarätige Opernstars. Emily Newton, seit dieser Spielzeit festes Ensemble-Mitglied in der Dortmunder Oper und spätestens nach ihrem Erfolg als Anna Nicole in dem gleichnamigen Musical im letzten Jahr auch in dieser Stadt ein Begriff, zeigte ihre starke Stimme und Vielseitigkeit unter anderem mit dem Song „The Girl in 14G“(Edward Lein). Darin geht es um eine junge Frau, die eine neue Wohnung bezieht und von ihrer Nachbarschaft mit verschiedensten Musikrichtungen beschallt wird.

Der aus dem „Rosenkavalier“ (Richard Strauß) aus dieser Spielzeit bekannte Karl-Heinz Lehner überzeugte mit seiner dunklen, warmen Stimme, so etwa zu hören bei dem Song „So in Love“( aus dem Musical „Kiss me Kate“). Eleonore Marguerre begeistert zur Zeit in der Oper „Don Giovanni“ von Mozart als Donna Anna. Bei der Gala stellte sie wieder ihr gewaltiges Stimmvolumen unter Beweis. Als Krönung sang sie zusammen mit Hannes Brock ein Duett aus dem „Phantom der Oper“(Andrew Lloyd Webber).. Neben dem bekannten Titellied sangen sie auch „The Music of the night“.

Hannes Brock zeigte während der Gala wieder einmal seine Entertainer-Qualitäten. Mit Humor und verschämter Selbstironie führte er souverän durch den Abend. Auch die Kostümwahl, vor allem für die Frauen, war einer Gala würdig. Die Kleider waren raffiniert geschnitten, blendend und die Frisuren passend. Brock und seine drei Gäste verabschiedeten sich mit ihrer Version „Thank you for the Music“ (ABBA). Als Dank für das Publikum sang der Kammersänger noch „Your Song“ (Elton John) und zum Schluss noch „Bird on the wire“ (Leonard Cohen).

Das Publikum bedankte sich für gelungenen Abend mit Standing Ovations.

Ein klein wenig Urlaubsfeeling

Woran denken Sie, wenn Sie an Urlaub denken? An Sonne, Meer, Berge, gutes Essen, Erholung? Sicher nicht an ein Krankenhaus. Schauspieler und Autor Rolf Dennemann hat diese Analogie zu seinem Programm „Unterwegs mit meinem Körper“ gemacht. Am Mittwoch, den 25. März 2015 hatte die szenische Lesung Premiere im Theater im Depot.

Rolf Dennemann kam nicht alleine, er hatte die Schauspielerin Elisabeth Pleß mitgebracht, die ihn nicht nur literarisch, sondern auch musikalisch unterstützte.

Doch zu Beginn stand eine gefilmte Autofahrt im Vordergrund, die über die Leinwand flimmerte. Die letzten Bilder eines eigenständigen Menschen, bevor er sich in die Hände einer Anstalt übergab? Die Erfahrungen, die Dennemann in den Krankenhäusern machte und literarisch verarbeitete, lassen sich in zwei Bereiche unterteilen: Die Organisation in Krankenhäusern und das Essen. Während Dennemann vom Mittagessen in manchen Häusern durchaus angetan war, war für ihn das Frühstück und das Abendbrot eine Reise in die Vergangenheit, als sein Vater noch im Krankenhaus war. „Das nenne ich Tradition“, so Dennemann in seiner süffisanten-ironischen Art.

Auch den Tagesablauf im Krankenhaus nimmt Dennemann auf Korn. Das frühe Aufstehen, die leicht chaotische Organisation. „Eine Schwester fragte mich nach der OP, ob ich eine Patientenverfügung hätte“, erzählte Dennemann. Vor allem das Warten im Krankenzimmer auf der Bettkante auf die Dinge, die vielleicht kommen würden (oder nicht) nahm er auf Korn. Nicht nur literarisch, sondern auch musikalisch und visuell. Zu der Musik von „Waiting for the sun“ von den „Doors“ gab es eine Diashow von Menschen, die auf Bettkanten saßen (oder lagen).

Nach der Pause wurden die Tische zusammengerückt, ein Strandbild auf den Beamer geworfen, eine Art Pepita-Hut aufgesetzt und weiter ging es in Dennemanns Tour durch die Krankenhäuser. Dem Betrieb der Krankenanstalten setzt Dennemann die ambulante Medizin in Form von niedergelassenen Ärzten, Apothekern und Optikern entgegen. Inwieweit der Autor das ernst meint oder Ironie hineinmischt, bleibt jedem selber überlassen.

„Unterwegs mit meinem Körper“ ist sicherlich nichts für Liegend kranke oder Menschen, die sich nicht mehr selber helfen können. Ansonsten wird jeder, der zumindest für ein paar Tage im Krankenhaus war, die Geschichten wiedererkennen. Sei es der Kampf um die Fernbedienung im Krankenzimmer oder die verwinkelten Gänge und Flure zu den jeweiligen Abteilungen, gegen die das Labyrinth des Minotaurus wie ein simpler Kreisverkehr anmutet.

Ob sich bei den Zuhörern jetzt trotz Koffer, Rezeption, Zimmerservice und „all-inklusive“ ein Urlaubsgefühl einstellt, wenn sie an Krankenhäuser denken, ist wohl nicht anzunehmen. Dennoch war es ein gelungener Abend aus dem Innenleben verschiedenen Krankenanstalten.

Lesung mit bekannten Stimmen

Als Kooperation mit dem Theater im Depot wurde von „Affen.Auf.Ruhr“ die Prima Vista Lesung der Lauscherlounge mit zwei bekannten Synchronsprechern am 26. März 2015 wieder mal nach Dortmund gebracht. Oliver Rohrbeck, etwa als Synchronstimme von Ben Stiller und Detlef Bierstedt, vielen Menschen als deutsche Stimme für George Clooney vertraut, lasen aus Texten und Büchern, ausgesucht vom vorwiegend jüngere Publikum im ausverkauften Haus.

Das Konzept der Prima Vista Lesung ist ja gerade, dass die beiden Sprecher ohne Vorbereitung alles lesen, was die Zuhörer ihnen anbieten. Ob es sich um Wunschzettel, Klatschpresse oder zeitlose Klassiker ist egal. Dabei bringen sie ihren speziellen Humor, Persönlichkeit ein und werfen sich gekonnt gegenseitig die Bälle zu. Interessant an einer solchen Lesung ist sicherlich, dass die Zuhörer, wenn sie die Augen schließen, tatsächlich ein wenig das Gefühl haben, Ben Stiller oder George Clooney lesen ihnen etwas vor.

Ein gewisses Risiko besteht jedoch darin, dass trotz aller Bemühungen der Sprecher bei der Auswahl der Texte manchmal das Niveau in Richtung Altherrenwitze geht. Begann der Abend noch hoch philosophisch mit einem Textauszug aus Milan Kunderas „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“, wurden auch die unergründlichen Tiefen der Literatur ausgelotet. Das müssen Publikum und vor allen die beiden Künstler vorne aushalten. Denn seien wir ehrlich, ein müder alter Witz, den sich schon die Ägypter beim Pyramidenbau erzählt haben, bleibt ein müder alter Witz, auch wenn ihn George Clooney erzählt. Und mancher Gag funktioniert vielleicht eher, wenn er als Sketch gespielt wird. Beispielsweise der langatmige „Witz“ mit der Politesse gegen Ende der Vorstellung. Hier wäre das Vorlesen des Telefonbuches von Wanne-Eickel lustiger gewesen. Glücklicherweise waren nicht alle Texte grottig. Höhepunkte waren „Der Fönig“ von Walter Moers und „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“ von Werner Holzwarth.

Aber das ist eben das angesprochene Risiko bei so einem Abend. Natürlich war auch ein Text darunter, der mit seinen vielen Zungenbrechern eine Herausforderung darstellte. Oliver Rohrbeck hatte es getroffen und er musste den Text über den „Schneesee“ lesen, der in dem schönen Wort „Schneeseekleerehfeedrehzehwehvergehtee“ gipfelte. Den Text meisterte Rohrbeck souverän. Ebenso wechselten Rohrbeck und Bierstedt gekonnt ihre Sprache in die verschiedenen Dialekte wie Berlinerisch oder Schweizerdeutsch.

Insgesamt hatten an diesem Abend alle Beteiligten ihren Spaß, das Publikum und die beiden Synchronsprecher.

Menschen und Tiere im Mittelpunkt

Das Bild von Susanne Schütz zeigt kein Fabelwesen, sondern symbolisiert eine bockige Frau.
Das Bild von Susanne Schütz zeigt kein Fabelwesen, sondern symbolisiert eine bockige Frau.

Vom 27. März bis zum 19. April 2015 präsentiert die Galerie Dieter Fischer im Depot Dortmund die erste Einzelausstellung der Depot-Künstlerin Susanne Schütz. Neben ihren Öl- und Acrylbilder zeigt sie auch noch vier Plastiken. Die Vernissage ist am 27. März von 19 bis 21 Uhr.

„Ich lade in meinen Kopf ein“, erklärt Susanne Schütz und ergänzt, „es ist eine intime und persönliche Ausstellung.“ Ihre Bilder zeigen teils Alltagsszenen, teils haben die Bilder eine allegorische oder symbolische Bedeutung. Eine Wand ist Tier- und Menschenkindern gewidmet.

Die alten Meister bewundert Susanne Schütz. „Darüber hinaus bin ich Fan vom Symbolismus und vom Fin de siècle“, erklärt sie. Beides waren Kunstrichtungen, die zwischen 1880 und 1910 ihren Höhepunkt hatten.

In manchen Bildern finden sich Elemente wieder, die durchaus im Fantasy-Genre spielen könnten. So zeigt ein Bild eine Frau mit einem Bockshorn. Doch es steht nicht für eine Fantasy-Figur, sondern für eine Visualisierung des Begriffes „bockig“.

Ihre Bilder sind in unterschiedlichen Formaten. Ebenfalls eine bewusste Entscheidung der Künstlerin. „Ich spiele mit den Formaten.“

Neben den Bildern und den Plastiken bespielt Susanne Schütz den gesamten Ausstellungsraum. Dazu gehört ein Blumenarrangement, wie es niederländische Meister als Motiv für ihre Bilder benutzt haben sowie der Herzschlag der Künstlerin als akustische Begleitung.

Galerie Dieter Fischer

Immermannstraße 29

44147 Dortmund

Geöffnet Mittwoch, Freitag und Sonntag 12 bis 18 Uhr.

Live Zeichentrickfilm im Schauspielhaus

Bettina Lieder, Andreas Beck, Frank Genser und Merle Wasmuth erstellen live einen Animations-Film. (©Birgit Hupfeld)
Bettina Lieder, Andreas Beck, Frank Genser und Merle Wasmuth erstellen live einen Animations-Film. (©Birgit Hupfeld)

Am Samstag, den 28. März zeigt das Schauspielhaus Dortmund „Die Möglichkeit einer Insel“, eine live-animierte Dystopie von Michel Houellebecq. Nach einem Live-Film bei „Das Fest“ wird nun ein Zeichentrickfilm live erstellt. Die Regie hat Nils Voges.

Im Buch von Michel Houellebecq ist der Protagonist Daniel25 auf der Suche nach dem Glück. In seiner Zeit, im 5. Jahrtausend, haben sich die Menschen zu sogenannten „Neo-Menschen“ weiterentwickelt. Sie sind Klone ihrer Vorgänger, aber zu dem Preis, dass sie weder Liebe noch Hass kennen. Daniel25 arbeitet sich durch die Aufzeichnungen seines Urahns Daniel. Ist dort das Geheimnis des Glücks zu finden?

Premiere im Schauspielhaus der besonderen Art: Zum ersten Mal werden zwei bildende Künstler eine tragende Rolle haben. Denn Julia Zejn und Julia Praschma haben die Folien gestaltet, auf der die Zeichentrickfiguren animiert werden. Dazu Regisseur Nils Voges: „Es gibt drei Tische auf denen etwas passiert, die Schauspieler entscheiden mittels eines Buzzers, ob ‚ihr‘ Tisch auf der großen Leinwand gezeigt wird.“ Es wird quasi live geschnitten. Dazu gibt es ein Soundtisch sowie zwei Kameraroboter.

Um eine grobe Vorstellung zu haben: Es ist ein klein wenig ähnlich wie ein Schattenspiel, nur dass die Figuren horizontal bewegt werden und es keine Silhouetten sind.

Das künstliche Klonen (das natürliche Klonen gibt es schon vermutlich seit Urzeiten, z.B. eineiige Zwillige) hat in der Science-Fiction-Literatur Tradition. Schon in Aldous Huxleys Roman „Schöne Neue Welt“ kommt das Thema vor. Die von Houellebecq im Roman beschriebene Sekte der „Elohimiten“ ist in ihren Glaubensvorstellungen angelehnt an die Sekte der Raëlianer. Die Raëlianer sind eine sogenannte neue Religionsgemeinschaft, die davon ausgeht, dass Außerirdische für die Schöpfungsgeschichte verantwortlich waren. Zudem glauben sie an eine Art Unsterblichkeit durch Klonen. Die Sekte ist in den Medien dadurch bekannt geworden, dass sie Jesus oder Adolf Hitler klonen wollten.

Neben der Premiere am 28. März 2015, gibt es weitere Termine am 04. und 16. April sowie am 10. und 20.Mai und am 05. und 19. Juni.

Gefühlvoll in den Frühling

Das dritte Kammerkonzert in der Spielzeit 14/15 bot im Orchesterzentrum Dortmund gleich zwei Klassiker der Kammermusik. Zu Beginn erklang Schuberts Streichquintett C-Dur und Brahms Streichquintett in F-Dur op.88, das sogenannte „Frühlingsquintett“. Gespielt wurden beide Werke vom Johannes-Quintett, bestehend aus drei Musikern der Dortmunder Philharmoniker und zwei befreundeten Mitmusikern.

Der Abend begann mit Schuberts Streichquintett. Bekennt sicherlich durch den langsamen zweiten Satz, der in einigen Filmen als Hintergrundmusik benutzt wurde. Das Johannes-Quintett schaffte es, die unendliche Traurigkeit, die das „Adagio“ verströmt, durch ihre Instrumente auszudrücken. Generell waren die Musiker bei den ruhigen Stellen sehr präsent, auch in den langsamen Stellen des dritten Satzes, hier hatte man manchmal das Gefühl, dass die Musik und die Zeit stillstand.

Nach der Pause spielten die Musiker das Frühlingsquintett von Brahms in einer leicht geänderten Fassung. Da das Johannes-Quintett mit zwei Cellisten spielt, musste ein Cello den Part der zweiten Viola übernehmen. Das klang sehr gut. Sehr spannend war der zweite Satz des Quintetts, denn der Komponist hatte ihn quasi in fünf Teile gespalten. Neben drei langsamen Passagen fügte der Brahms zwei schnellere Teile ein. Die fünf Musiker schafften es trotz der Komplexität der Musik, wie eine organische Einheit aufzutreten, bei der kein Instrument irgendwelche Sonderrollen innehatte.

Nach zwei Zugaben von Luigi Boccherini (das bekannte Menuett aus dem Quintett op. 11 Nr. 5 sowie das Fandango im Streichquintett op. 40 Nr. 2, G. 341) war der Kammermusikabend zu Ende.

Es gab langen und verdienten Applaus für Branca Weller (Violine), Maurice Maurer (Violine), Armin Behr (Viola), Hauke Hack (Violoncello) und Christiane Schröder (Violoncello) für ein gelungenes Konzert.

Moby Dick – mehr als ein Abenteuerroman

Das literarische Quartett? Hinter den Köpfen verbergen sich: Franziska Dittrich, Magdalena Roth, Uwe Schmieder und Johannes Hubert. (Foto: ©Birgit Hupfeld)
Das literarische Quartett? Hinter den Köpfen verbergen sich: Franziska Dittrich, Magdalena Roth, Uwe Schmieder und Johannes Hubert. (Foto: ©Birgit Hupfeld)

Herman Melvilles Roman „Moby Dick“ aus dem Jahre 1851 ist sicher einer der bekanntesten Romane der Weltliteratur. Die Jagd von Kapitän Ahab auf den weißen Wal „Moby Dick“ ist nicht nur eine Abenteuergeschichte oder gar ein Kinderbuch, an dem Buch lässt sich auch sehr gut darstellen, wie Gruppendynamik funktioniert und wohin solch eine Dynamik führen kann. Das zeigt Regisseurin Roscha A. Säidow mit ihrer Gruppe Retrofuturisten sowie zwei Schauspielern des Dortmunder Ensembles am 27. März um 20 Uhr im Studio des Schauspielhauses.

Eigentlich ist „Moby Dick“ schnell erzählt: Die Hauptfigur („Nennt mich Ismael“) heuert eher aus Langeweile auf dem Schiff von Kapitän Ahab an. Walfang ist das Ziel. Doch schnell merkt Ismael, dass es Ahab gar nicht um irgendwelche Wale geht, sondern nur um ein spezielles Exemplar, den weißen Wal Moby Dick. Durch Moby Dick hatte Ahab ein Bein verloren. Letztendlich geht die Jagd schief und Ismael überlebt als einzige Person den Untergang des Schiffes.

Das Theaterstück hat gleich zwei Besonderheiten. Zu den beiden Schauspielern werden sich auch Puppen gesellen, die hauptsächlich von drei Akteuren der Retrofuturisten, aber auch von Uwe Schmieder und Sebastian Graf gelenkt werden. Dazu gibt es auch Szenen mit Riesenköpfen.

Dann gibt es im Stück einen zweiten Teil. „Hier haben wir uns gefragt, wie funktioniert Gruppendynamik oder Rache“, erzählt Dramaturg Dirk Baumann. „Wie weit sind wir bereit, radikale Dinge zu tun?“ Wichtig dazu gehört ein Feindbild und ein Anführer. Im Roman ist der Anführer Ahab und das Feindbild Moby Dick. Moby Dick wird so stark erhöht, dass er zu einem Dämon wird. In anderen Zusammenhängen könnte Moby Dick durchaus als Symbol für den „Staat“, die „Ungläubigen“ oder die „Untermenschen“ stehen, den man mit allen Mitteln bekämpfen muss.

Der Jazzmusiker Bernhard Range hat extra für dieses Stück die Musik komponiert. Dazu werden Overhead-Projektoren Räume an die Wand werfen.

Die Premiere am 27. März ist bereits ausverkauft, die zweite so gut wie, aber für die dritte Vorstellung am 16. April und für die Termine im Mai gibt es noch Karten. Infos unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27 222.

Kein Programm für Liegendkranke

Im Jahr 2014 war der Autor, Rolf Dennemann, in sechs verschiedenen Krankenhäusern zu Gast – als Patient und als Beobachter. Es zeigte sich das ganze Dilemma des „Systems Krankenhaus“. Er schildert zusammen mit seinem Gast Elisabeth Pleß ebenso tragische wie komische Momente und nennt dies Krankenhausreport. Die Premiere von „UNTERWEGS MIT MEINEM KÖRPER – DER KRANKENHAUSREPORT“ ist am 25. März 2015 im Theater im Depot. Ars tremonia sprach mit Rolf Dennemann.

Ars tremonia: „Unterwegs mit meinem Körper“ klingt ja ein wenig distanziert, als wenn der Körper getrennt vom Ich ist.

Dennemann: Es war für mich noch nie ein Problem, über mich in der dritten Person zu sprechen. Dann gibt es die Weisheit, dass man nur über etwas mit einem gewissen Abstand schreiben soll. Liebesgedichte ihm Wahn der Liebe zu schreiben, das ist ganz schlecht. Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen.

Ars tremonia: Sie haben im Laufe der Zeit verschiedene Krankenhäuser besucht. Waren Sie als Patient oder Besucher dort?

Dennemann: Man kann es ruhig sagen, der Hauptgrund war Rheuma,. Genauer gesagt, um Herauszufinden, was es für eine Art Rheuma ist. Da war ich in dieser Zeit innerhalb von einem halben Jahr aus unterschiedlichen Gründen in sechs verschiedenen Kliniken. Schon beim ersten Besuch habe ich gedacht, wie vertreibe ich hier meine Zeit? Ich vertreibe sie nicht, sondern verbringe sie damit, mir Notizen zu machen, von dem, was ich hier so sehe und erlebe. Später habe ich mir gedacht, daraus ein Programm zu machen.

Ars tremonia: Was ist ihnen am Betrieb der sechs Krankenhäuser aufgefallen? Gibt es irgendwelche Gemeinsamkeiten?

Dennemann: Ich weiß aus Schilderungen meines Vaters und meinem Krankenhausaufenthalt in den 70ern: Es hat sich nichts verändert. Die Technik ist auf einem höheren Stand, die Ärzte sind komplizierter, die Vorgänge umfangreicher, aber das Prinzip, dass man sich einer Anstalt annähern muss, um zu überleben, ist das Gleiche. Das heißt, die Essenszeiten sind für einen Südeuropäer eine Katastrophe, wenn der um 17 Uhr das letzte Essen kriegt, sitzt der um 20 Uhr auf der Bettkante und wartet auf den Stockfisch, aber es kommt nichts.

Organisatorische Abläufe sind ebenfalls gleich geblieben. Im ersten Viertel des Tages finden die Aktivitäten statt und der Rest ist Dasein. Und wenn man das Pech hat in einer Dreierkabine zu liegen, auch noch das unvorbereitete Miteinander mit Menschen die man nicht kennt und deren Leiden. Alles noch so wie vor Jahrzehnten.

Ars tremonia: Was erwartete den Zuschauer am Mittwoch? Wird auch eine Krankenhausatmosphäre verströmt?

Dennemann: Das wird ganz simpel. Zwei Leute auf der Bühne, die ihre Texte lesen. Mit Unterstützung modernster Technik, nämlich Video und Computer. Das ganze ist kein lockeres Kabarettprogramm, sondern ist sozusagen durch-komponiert. Deshalb machen das auch zwei Schauspieler und nicht zwei Schriftsteller. Es sind Reportagen aus verschiedenen Häusern unter Einstreuung von Wahnvorstellungen.

Ars tremonia: Es hat also einen roten Faden.

Dennemann: Der rote Faden ist quasi ein Abschnitt von mehreren Monaten und im Hintergrund steht eigentlich immer der Gedanke: Eigentlich bin ich ja im Urlaub. Man weist sich ein, hat ein Köfferchen dabei und steht an der Rezeption. Dann wartet man auf die Nennung des Zimmers, wo man für die Dauer des Aufenthalts untergebracht ist. Bis dahin ist alles Urlaub.

Dann kommt der Zimmerservice und der sieht ganz anders aus als erwartet.

Ars tremonia: Ist das Essen denn vergleichbar mit den „All inclusive“-Hotels?

Dennemann: Ich habe noch nie Urlaub „All inclusive“ gebucht. Von daher weiß ich nicht, wie das Essen in diesen Masseneinrichtungen ist. Das Essen in Krankenhäusern hat sich mit Ausnahmen auch nicht verändert. Das ist ein Hauptthema des ganzen Stückes, weil mich das beschäftigt. Was soll man machen in einem Krankenhaus, wenn man noch Herr seiner Sinne ist? Man wartet auf das Essen.

Das Frühstück und das Abendbrot ist unverändert geblieben. In einem Krankenhaus war jedes Stück Käsescheibchen einzeln eingepackt. Aus Hygienegründen. Und die Käsescheiben sind aus diesem Presskäse. Das ist wie im Hotel. Da hat sich nichts verändert. Beim Mittagsessen war ich hoch überrascht. Da gab es doch einige kulinarische Leckereien. Der Nachtisch hingegen war so wie früher.