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Walfang mit politischer Dimension

Welche Mechanismen müssen greifen, damit Menschen für den Anführer oder seine Ideen bereits sind, alles zu tun? Zu sehen sind: Sebastian Graf, Johannes Hubert und Franziska Dittrich. (Foto: ©Birgit Hupfeld)
Welche Mechanismen müssen greifen, damit Menschen für den Anführer oder seine Ideen bereits sind, alles zu tun? Zu sehen sind: Sebastian Graf, Johannes Hubert und Franziska Dittrich. (Foto: ©Birgit Hupfeld)

Wie wird jemand zu einem Terroristen? Welche Mechanismen gehören dazu? Fragen, die zu Zeiten von IS, NSU und anderen Gruppen eine besondere Aktualität bekommen. In „Moby Dick vs. A.H.A.B – All Heroes Are Bastards“ in der Regie von Roscha A. Säidow gingen Puppen und Menschen gemeinsam auf einen Rachefeldzug. Ein Premierenbericht aus dem Studio des Schauspielhauses vom 27. März 2015.

Ein Mann – im Roman Ismael genannt – bricht alle Brücken hinter sich ab und schließt sich einer Gruppe von Menschen an, die nur ein bestimmtes Ziel hat: „Tod dem Wal – tötet Moby Dick“. Erst eine Katastrophe, die alle seine Kameraden tötet, bringt ihn zur Vernunft. Ja, „Moby Dick“ ist mehr als ein Abenteuerroman mit Walfangambiente.

Regisseurin Säidow ist Mitglied in der Gruppe „Retrofuturisten“, die ein freies Theater- und Puppenspielkollektiv aus Berlin sind. Sie kombinieren in ihren Arbeiten Puppen- und Schauspieltheater, was auch in der Inszenierung von „Moby Dick“ zum Tragen kam. Der erste Teil des Stückes bestand aus einem Puppentheater, das die bekannte Geschichte der Hauptfigur Ismael, Kapitän Ahab und Moby Dick erzählte. Dabei wurden Figuren auch ironisch umgesetzt, so war die „Puppe“ von Ahab ein Tischbein, denn bekanntermaßen hatte Ahab beim Kampf mit Moby Dick sein Bein verloren.

Konnte das Publikum beim ersten Teil vor allem wegen der gut gemachten Puppen noch häufig lachen, wurde es zu Beginn des zweiten Teils ernster. Denn hier ging es um die Motivation von Ismael. Hier agierten die fünf Schauspieler auch vor dem Publikum.
Ismael bricht alle seine Brücken ab. „Ich will mein Leben zurück“, sagte er. „Ich will einen Ausstieg aus der Comfort Zone.“ Hier wird die persönliche Unzufriedenheit, die Leere zu einem Grund, sich auf das Schiff von Ahab zu flüchten. Aus einem Ich wird ein Wir. „Wir sind AHAB“, skandiert die Gruppe, die in Schwarz uniformiert auf der Bühne steht. Und das Wir lässt sich vom Anführer manipulieren. Schon bei Melville war Moby Dick ein Symbol für eine dämonische Naturkraft, in der Inszenierung benutzt Säidow die Analogie zu „Leviathan“. Das biblische Monster wird in Thomas Hobbes gleichnamigen Werk zu einem Symbol für den absolutistischen Staat, den es zu bekämpfen gilt. Doch der Hass auf den weißen Wal lässt sich nicht nur auf eine Staatsform oder auf den Staat transformieren, es geht im Prinzip nur darum einen gemeinsamen Feind zu haben. Ob Staat, Ungläubige, Fremde, ist egal. Es müsse alles getan werden, „um die Welt vom Weiß zu befreien“, so Ahab in dem Stück. Und „alles“ bedeutet wirklich „alles“. „Heute Nacht wurde gemordet“, erzählt Ismael und konstatiert „noch nie ist das Schiff so rein, wie nach einem Blutbad“.

Doch welche Motive hat der Anführer Ahab? Diese Frage wurde in einer witzigen Form vom „literarischen Quartett“ versucht zu beantworten. Drei Schauspieler mit Riesenköpfen von Marcel Reich-Ranicki, Sigrid Löffler und Hellmuth Karasek standen auf der Bühne und versuchten mit dem Anführer zu diskutieren. Kommt der Hass von Ahab daher, weil er nur ein Spielball der „Walfangmafia“ ist oder hat er seinen persönlichen Hass durch den Verlust seines Beines zu einem politischen Hass gemacht?

Gibt es einen Weg zurück? Am Ende bleibt Hoffnung: „Ich bin nicht Ismael“, so die vier Gruppenmitglieder am Ende des Stückes.

Der Erfolg des Stückes lag auch an der exzellenten Zusammenarbeit von Retrofuturisten um Franziska Dittrich, Johannes Hubert und Magdalena Roth sowie den beiden Schauspielern Sebastian Graf und Uwe Schmieder vom Dortmunder Ensemble.
„Moby Dick vs. A.H.A.B.“ lässt kaum einen Zuschauer kalt. Endgültige Antworten über das Warum und Wieso jemand zum Terroristen wird, gibt das Theaterstück nicht, es lädt aber zum Diskutieren ein. Absolute Empfehlung!

Weitere Termine und Karten unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27222.

Moby Dick – mehr als ein Abenteuerroman

Das literarische Quartett? Hinter den Köpfen verbergen sich: Franziska Dittrich, Magdalena Roth, Uwe Schmieder und Johannes Hubert. (Foto: ©Birgit Hupfeld)
Das literarische Quartett? Hinter den Köpfen verbergen sich: Franziska Dittrich, Magdalena Roth, Uwe Schmieder und Johannes Hubert. (Foto: ©Birgit Hupfeld)

Herman Melvilles Roman „Moby Dick“ aus dem Jahre 1851 ist sicher einer der bekanntesten Romane der Weltliteratur. Die Jagd von Kapitän Ahab auf den weißen Wal „Moby Dick“ ist nicht nur eine Abenteuergeschichte oder gar ein Kinderbuch, an dem Buch lässt sich auch sehr gut darstellen, wie Gruppendynamik funktioniert und wohin solch eine Dynamik führen kann. Das zeigt Regisseurin Roscha A. Säidow mit ihrer Gruppe Retrofuturisten sowie zwei Schauspielern des Dortmunder Ensembles am 27. März um 20 Uhr im Studio des Schauspielhauses.

Eigentlich ist „Moby Dick“ schnell erzählt: Die Hauptfigur („Nennt mich Ismael“) heuert eher aus Langeweile auf dem Schiff von Kapitän Ahab an. Walfang ist das Ziel. Doch schnell merkt Ismael, dass es Ahab gar nicht um irgendwelche Wale geht, sondern nur um ein spezielles Exemplar, den weißen Wal Moby Dick. Durch Moby Dick hatte Ahab ein Bein verloren. Letztendlich geht die Jagd schief und Ismael überlebt als einzige Person den Untergang des Schiffes.

Das Theaterstück hat gleich zwei Besonderheiten. Zu den beiden Schauspielern werden sich auch Puppen gesellen, die hauptsächlich von drei Akteuren der Retrofuturisten, aber auch von Uwe Schmieder und Sebastian Graf gelenkt werden. Dazu gibt es auch Szenen mit Riesenköpfen.

Dann gibt es im Stück einen zweiten Teil. „Hier haben wir uns gefragt, wie funktioniert Gruppendynamik oder Rache“, erzählt Dramaturg Dirk Baumann. „Wie weit sind wir bereit, radikale Dinge zu tun?“ Wichtig dazu gehört ein Feindbild und ein Anführer. Im Roman ist der Anführer Ahab und das Feindbild Moby Dick. Moby Dick wird so stark erhöht, dass er zu einem Dämon wird. In anderen Zusammenhängen könnte Moby Dick durchaus als Symbol für den „Staat“, die „Ungläubigen“ oder die „Untermenschen“ stehen, den man mit allen Mitteln bekämpfen muss.

Der Jazzmusiker Bernhard Range hat extra für dieses Stück die Musik komponiert. Dazu werden Overhead-Projektoren Räume an die Wand werfen.

Die Premiere am 27. März ist bereits ausverkauft, die zweite so gut wie, aber für die dritte Vorstellung am 16. April und für die Termine im Mai gibt es noch Karten. Infos unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27 222.