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Wiener Abend beim Philharmonischen Konzert

Im Städteprogramm des Konzerthauses entführten die Dortmunder Philharmoniker im 4. Philharmonisches Konzert ihr Publikum nach Wien. Aus dem vielfältigen Repertoire der mit Wien verbundenen Komponisten fiel die Wahl auf Werke von Johann Strauß (Sohn), Joseph Haydn und Johannes Brahms. Ars tremonia besuchte das Philharmonische Konzert am 22. Januar 2020.

Naheliegend für Musik der Donaumetropole eröffneten die Musiker den Abend mit den „Geschichten aus dem Wienerwald“ von Johann Strauß (Sohn). Der Konzertwalzer, bestehend aus fünf Walzerstücken, nahm das Publikum mit in das vom Tanzen beseelte Wien des 19. Jahrhunderts. Verstärkt wurde diese fröhlich, beschwingte, zeitweilig melancholische Stimmung durch das überzeugende Zithersolo von Wolfgang Hubert.

Für das Konzert für Violoncello und Orchester C-Dur Hob. VIIb:1 von Joseph Haydn verkleinerte sich das Ensemble auf 26 Musiker. Als Solistin des teilweise Barock angelegten Konzertes brillierte die junge niederländische Cellistin Harriet Krijgh.

Die 29-jährige Musikerin ist eine der vielversprechendsten jungen Cellistinnen der Gegenwart. Sie spielte auf einem Violoncello von Giovanni Paolo Maggini aus dem Jahre 1620, das ihr von einem privaten Sammler zur Verfügung gestellt wird.

Zeigte ihr Können beim Konzert für Violoncello und Orchester in C-Dur von Haydn: Harriet Krijgh (Foto: © Marco Borggreve)
Zeigte ihr Können beim Konzert für Violoncello und Orchester in C-Dur von Haydn: Harriet Krijgh (Foto: © Marco Borggreve)

Die einleitende Melodie des ersten Satzes spielte das Orchester mit großer Klarheit, bevor Harriet Krijgh die Melodie aufnimmt. Alle drei Sätze des Werkes kennzeichnete der stetige Wechsel zwischen Soli und Tutti. Die Übergänge gelangen hier fließend. Die schnellen und hoch gespielten Läufe besonders im 2. Satz stellten höchste Ansprüche an die Virtuosität der Solistin, die sie brillant meisterte. Nach anhaltendem Applaus des begeisterten Publikum spielte sie am Mittwoch als Zugabe eine Sarabande von Bach.

Das Klavierquartett g-moll op. 25 von Brahms spielte das Orchester, hier wieder in voller Besetzung, nach einer Orchesterfassung von Arnold Schönberg. Dem wuchtigen Hauptthema des ersten Satzes, folgte ein sanfter, träumerischer zweiter Satz, getragen von Flöten und Oboenklängen. Nach einem etwas getragenen dritten Satz, der zwischenzeitlich durch donnernde Paukenschläge und einem marschähnlichen Rhythmus etwas martialisch daher kam, folgte ein rasanter vierter Satz. Das wild wirbelnde Rondo alla Zingarese verlangte den Musikern und auch dem Dirigenten höchste Aufmerksamkeit und Präzision ab. Das „Presto“ gespielte Stück war ein leidenschaftliches Bekenntnis Johannes Brahms’ zu seiner Begeisterung für ungarische Zigeunermusik und den Cardaskapellen. Durch die hohe Kennerschaft des Werkes von Brahms ist es Schönberg gelungen, aus einem Kammermusikstück ein berauschendes und doch in Teilen auch zartes Orchesterwerk zu schaffen.

Mit Bravour meisterte Dirigent Motonori Kobayashi die Herausforderung seine Musiker durch die so unterschiedlich gearteten Kompositionen zu führen. Im 5. Philharmonischen Konzert am 11. und 12. Februar 2020, geben die Philharmoniker die Messa da Requiem von Guiseppe Verdi.

Nabucco – Fundamentalismus sorgt für fehlendes Happy End

Die Intendanz von Jens-Daniel Herzog an der Dortmunder Oper neigt sich so langsam dem Ende zu. Als letzte Oper unter seiner Regie hatte am Samstag, den 10.03.2018 die Oper „Nabucco“ von Giuseppe Verdi (1813-1901) mit dem Libretto von Temistocle Solera hier vor Ort Premiere.

Es ist ein dramatisches und leidenschaftliches lyrisches Drama (Uraufführung 1842) um Macht, Fundamentalismus, Liebe, und der Sehnsucht nach Freiheit, Einheit und Selbstbestimmung. Inspirieren ließ sich Herzog bei seiner Inszenierung von der 444 Tage andauernden Geiselnahme in der in der US-Botschaft in Teheran (1979-1981) durch fanatische Khomeini-Anhänger.

Die Herrschaft wankt. Nabucco (Sangim lee) mit seiner Tochter Fenena (Almerija Delic) und seinem Getreuen Abdallo (Fritz Steinbacher). Foto: © Thonas Jauk, Stage Picture
Die Herrschaft wankt. Nabucco (Sangim lee) mit seiner Tochter Fenena (Almerija Delic) und seinem Getreuen Abdallo (Fritz Steinbacher). Foto: © Thonas Jauk, Stage Picture

In diese Zeit wurde auch diese Operninszenierung verlegt, wie das Publikum auch an Kleidung erkennen konnte. Eine Drehbühne führte in verschiedene Räumlichkeiten. Je nach Bedarf in den Königspalast, einem religiösen Schulungsraum, einem „Krankenzimmer“ für den zeitweise „wahnsinnigen“ babylonischen König Nabucco (bibl. Nebukadnezar) oder eben als bedrückendes Gefängnis für die unterdrückten Israeliten.

Babylon mit den Götzen Baal gegen den Gott Jahwe, König Nabucco gegen den jüdischen jüdischen Hohepriester Zaccaria. Inmitten dieser politischen Feinschaft als Katalysator der Eskalation ein Dreieck von Liebenden. Nabuccos vergötterte sanfte jüngere Tochter Fenena und die ältere Adoptivtochter Abigaille lieben beide den Israeli Ismaele. Eine brisante Mischung aus Gefühlen und politischem Kalkül entwickelt sich, als Ismaele seine Gunst Fenena schenkt. Abigaille ist gleich doppelt getroffen. Zurückgesetzt durch die Affenliebe seines Vaters zu seiner leiblichen Tochter und verschmäht von Ismael. In ihrer Rachsucht wendet sie sich gegen alle, die sie als ihre Feinde sieht. Fenena, Ismaele, ihren Vater und ganz Israel. Das ist die Stunde der Fundamentalisten, die diese Gemengelage für ihre Zwecke instrumentalisieren. Der Oberpriester des Baal befeuert den Konflikt geschickt und bestärkt Abigaille in ihrer Rachsucht. Auf der anderen Seite gießt der jüdische Hohepriester Öl ins Feuer und beeinflusst das jüdische Volk mit religiösen Fundamentalismus. Das kann für alle nicht gut ausgehen. Ein Happy End scheint es nur im Jenseits zu geben….

Eine großartige Leistung bot der Chor und Extrachor des Theaters Dortmund unter der Leitung von Manuel Pujol sowie die Statisterie. Interessant war zu sehen, wie sich die Kostümauswahl (Sibylle Gädeke) s den Einfluss der religiösen Fundamentalisten im Lauf der Aufführung veränderte.

Als Nabucco konnte der scheidende beliebte Bariton Sangmin Lee nicht nur sein gesangliches Können beweisen. Stark auch in seiner Zerrissenheit zwischen Staatssaison und der großen Liebe zu seiner leiblichen Tochter, die ihm so ähnlich war. Diese Rolle füllte Almerija Delic wunderbar aus. Thomas Paul wusste mit seiner starken Stimme zu gefallen. Gastsängerin Gabriele Mouhlen berührte mit starker Stimme und Empathie in ihrer Rolle als tragische Person Abigaille. Morgan Moody hatte als Oberpriester des Baal eine zurückgezogenere ,aber wichtige Rolle im Hintergrund. Es lohnt sich, ihn bei seiner „Hintergrund-Arbeit“ zu beobachten. Charismatisch und mit seinem warmen tiefen Bassbariton Karl-Heinz Lehner.

In kleinen aber feinen Nebenrollen gefielen Enny Kim (Anna) und Fritz Steinbrecher (Abdallo).

Was wär „Nabucco“ ohne die eindringlich-emotionale Musik von Guiseppe Verdi? Die Dortmunder Philharmoniker unter der sensiblen Leitung von Motonori Kobayashi ließ sie für die Inszenierung für das Publikum lebendig werden.

Eine moderne und aktuelle Inszenierung in einer Zeit, wo Fundamentalisten jeglicher Art in den Startlöchern sitzen, um immer mehr Einfluss auf das Weltgeschehen zu nehmen.

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Starke Tonbilder aus der Wiener Klassik

Wie wir wissen, kann Musik zuweilen Bilder beim zuhörenden Publikum erzeugen.

Mit dem 1. Konzert Wiener Klassik am 06.11.2017 im hiesigen Konzerthaus schufen die Dortmunder Philharmoniker unter der engagierten Leitung des 1. Kapellmeisters Motonori Kobayashi mit Werken dreier Meister der Wiener Klassik assoziative „ton_bilder“.

Als erstes stand die Ouvertüre zu „Der Wasserträger“ (Uraufführung: 1800) von Luigi Maria Cherubini (1760 – 1842).

Beeinflusst wurde die Oper durch die Eindrücken der französischen Revolution. Der Name steht als Sinnbild für den einfachen Wasserträger. Dieser rettet dem Parlamentspräsidenten Graf Armand und seiner Frau bei einem Überfall reaktionärer klerikaler Kräfte das Leben. Der „Rettungscharakter“ spiegelt sich auch in der Ouvertüre wieder.

Es beginnt mit einem mit einem aufrüttelnden Fortissimo-Akkord, dem ein verhalten Piamissimo-Linie der Streicher folgt. Streicher und Blechbläser treiben sich zunehmend bis zu einem an. Eine freudige und vorwärts strebende Stimmung entfaltet sich und steigert sich hin zu einem furiosen Presto-Finale.

Auch bei dem folgenden eher lyrischen als heroischen 4. Klavierkonzert G-Dur von Ludwig van Beethoven (1770-1827) nur wenige Jahre später entstanden, lassen assoziative Bilder, etwa zum Mythos von Orpheus und Eurydice. Musikal gehalten Spannungsfeld zwischen den Mächten der Finsternis (Orchester) und dem Sänger der Liebe ( Piano).

Am Klavier glänzte der renommierte Pianist Volodymyr Lavrynenko (Ukraine). Schon von Beginn an tastet er sich alleine und vorsichtig mit einer Solo-Kadenz in die Musik hinein. Noch antworten die Streicher ruhig und unaufgeregt Es entwickelt sich im folgenden Satz ein wechselseitiges Antwortspiel mit dem Streichern mit Steigerungen. Für Robert Schumann ist es da „große-geheimnisvolle Adagio“.

Beethivens 4. Klavierkonzert stand im Mittelpunktes des 1. Wiener Klassik Konzertes. (Foto: U. Herbert / pixelio.de)
Beethovens 4. Klavierkonzert stand im Mittelpunktes des Programms. (Foto: U. Herbert / pixelio.de)

Beim dritten Satz, der als Rondo klassisch traditionell gestaltet ist, konnte der Pianist noch einmal so richtig seine Virtuosität am Klavier unter Beweis zu stellen. Die hinzu kommenden Pauken und Trompeten sorgten mit für einen triumphale und beschwingte Stimmung. Am Ende steht ein grandioses finales Tutti.

Nach der Pause endete der Abend mit der 4. Sinfonie c-Moll D 417, „Tragische“ von Franz Schubert (1797-1828).

Tragisch klingt allerdings vor allem nur der Anfang mit Tutti-Akkorden im fortissimo und einer Musik, die sich schleppend und pochend vor. In das Allegro vivace Satz führen die ersten Violinen und spielen lyrisch-cantable Linien. Im Folgenden entfachen Violinen und Oboe melodischen Wechselspiel und unterschiedlichen Instrumentengruppen. Mit der Verschiebung der rhythmischen Akzente und Änderung der Tonarten kreierte Schubert eine Sinfonie in seinem eigenen Stil.

Durch Modulation von c-Moll nach c-Dur wird die Musik voran getrieben und das strahlende C-Dur kündigt das Finale an. Mit drei Tutti-Akkorden endet die Vierte eindrucksvoll.

Der Frosch als Erklärbär

[fruitful_alert type=“alert-success“]Fritz Eckenga (im Vordergrund) führte in seiner gewohnten Art durch die Operette. (Foto: © Oper Dortmund)[/fruitful_alert]

Für viele (jüngere) Menschen gelten Operetten als altbacken und angestaubt. Dass es auch anders sein kann, zeigte die Premiere der halb konzertanten Operettenaufführung der „Fledermaus“ von Johann Strauss (Sohn) in der Oper Dortmund am 05.03.2017. Die szenische Einrichtung kamen von Jens-Daniel Herzog und Alexander Becker.

Die Idee, Operette mit Kabarett zu verbinden war ein guter Schachzug. In der Geschichte wird betrogen und getrickst, gesoffen und gefeiert. Sie eignet sich also für die Kombination eines bekannten Ruhrgebiets-Kabarettisten wie Fritz Eckenga mit seinem lakonisch-trockenen Humor, der als lockerer Erzähler und Erklärer Frosch durch das Programm führt, mit den wunderbaren SängerInnen des Dortmunder Ensembles. Auf der Bühne im Hintergrund spielte die Dortmunder Philharmoniker unter der schwungvollen Leitung des stellvertretenden GMD Motonori Kobayashi. Sie mussten sich nicht nur auf die Musik Johann Strauss (Sohn) konzentrieren, sondern wurden von Eckenga als Hausmeister Frosch schon zu Anfang „angemacht“. Wie man es von Eckenga gewohnt ist, wurde das Publikum, einzelne Personen aus dem Publikum oder die SängerInnen die Performance humorvoll-ironisch einbezogen. Das trug zur Auflockerung der Atmosphäre bei. Er scheute sich auch nicht, im Laufe des Abends hintergründige politische Spitzen mit aktuellem Bezug auszusenden.

Zu Beginn der Aufführung schleppte er als Hausmeister einige Requisiten in den vorderen Bereich der Bühne, darunter auch einen alten staubigen Sessel. Dieser wurde sinnbildlich vor den Augen des Publikums entstaubt.

Kammersänger Hannes Brock hatte in der Person des amourösen Abenteuern und guten Feiern nicht abgeneigten Gabriel von Eisenstein wieder mal eine Paraderolle gefunden. Emily Newton als seine Frau Rosalinde, ebenfalls untreu, stand ihm stimmlich und mit ihrem komödiantischen Talent in nichts nach. Diese Qualitäten waren auch bei den anderen Beteiligten, dem Gefängnisdirektor Frank (Luke Stoker), Alfred ( Joshua Whitener), dem rachsüchtigen Notar Dr. Falke (Gerado Graciacano), dem Kammermädchen Adele (Ashley Thouret) mit ihren Künstlerträumen und die sie begleitende Schwester Ida (Enny Kim) gefordert. Ileana Mateescu konnte wieder einmal in einer „Hosenrolle“ als Prinz Orlofsky überzeugen.

Bekannten Ohrwürmer wie etwa „Mein Herr Marquis“, das bezeichnende „Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist“ oder die beliebte Ode an den Champagner „Im Feuerstrom der Reben“ und die festlichen Kostüme sorgten für den Glamour-Faktor der Operette, geerdet durch das Kabarett.

Wenn die Welt schon Richtung Abgrund taumelt, dann bitte nicht nüchtern. Der Alkohol spielte also auch eine große Rolle an diesem Abend. Nicht nur im Hintergrund auf der Leinwand perlte der Champagner, sondern auf der linken Seite der Bühne wartete eine Kiste Bier darauf, dass der Inhalt getrunken wird.

Der entstaubte Operettenspaß wurde mit viel Beifall vom Publikum belohnt.

Informationen zu weiteren Terminen erhalten sie unter: www.theaterdo.de

Musikalische Glanzlichter im Konzerthaus

Gleich drei Glanzlichter aus dem musikalischen Repertoire von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) bekam das Publikum beim 1. Konzert Wiener Klassik 2016 am 28.11.2016 im Konzerthaus von der Dortmunder Philharmoniker unter schwungvoller Leitung des 1. Kapellmeisters Motonori Kobayashi zu hören. Die ausgewählten Kompositionen entstanden alle auf großen Reisen aber unterschiedlichen Schaffenszeiten Mozarts.

Zu Anfang stand die Ouvertüre zu „Mitridate, Re di Ponto“ KV 87 (1770), Mozarts erster Opernauftrag im jugendlichen Alter von vierzehn Jahren in Mailand, auf dem Programm.

Grundlage für das Libretto war das gleichnamige Drama des Franzosen Jean Racine.

Eine dramatische Geschichte einer erbitterten Bruderrivalität um die Liebe zu der Verlobten ihres Vaters und das Verhältnis zu ihm. Diese konfliktgeladenen Irrungen und Wirrungen finden schon zu Beginn der Ouvertüre ihren kraftvollen und stürmischen Ausdruck. Der Mittelteil (Andante grazioso) bringt etwas andächtige Ruhe durch die Leitung der Flöte und der ersten Geige. Ein auf brausendes Presto beendet die Idylle.

Das folgende Flötenkonzert G-Dur KV 313 entstand mehr als sieben Jahre später (1778) während einer Reise nach Paris. Der jetzt erwachsene Mozart schrieb es für den jungen niederländischen Musikliebhaber und Amateur-Flötisten Ferdinand Dejean.

Felix Reimann konnte hier sein Können auf der Querflöte unter Beweis stellen. Das vom Orchester im Allegro maestoso zu Beginn schwungvoll vorgegebene Thema greift er locker auf um es dann weiter aus zu zieren.

Der dreigeteilte ,romantische-melodische zweite Satz Adagio non troppo erlaubte dem Flötisten sein ganzes technisches und musikalisches Vermögen mit zwei anspruchsvollen Solo-Kadenzen zu zeigen. Das abschließende Rondo ist sehr kontrastreich mit wechselnden Sechzehntel-Kaskaden und ruhigeren Passagen gestaltet.

Nach der Pause folgte als drittes Glanzlicht mit Mozarts Sinfonie Nr.36 C-Dur „Linzer Sinfonie“ KV 425 (1783). Graf Thun hatte den noch frisch verheirateten Wiener Komponisten bei ein Aufenthalt auf einer Rückreise in Linz kurzfristig zu einem Konzert genötigt. In nur vier Tagen entstand die sogenannte „Linzer-Sinfonie“.

Dies ist nicht nur Mozarts bis dahin längste Sinfonie, sondern hat Überraschenderweise eine langsame Einleitung und punktiertem Rhythmus des Orchesters im ersten Satz Adagio -Allegro spirituoso. Den feierlich-behutsamen Charakter des zweiten Satzes Andante unterstreichen die Trompeten und Pauken. Das folgende Menuetto fällt gegensätzlich aus. Der freche, eher ruppige Rahmenteil steht im Kontrast zum eleganten Trio-Teil.

Der vierte Satz führt das Publikum schließlich zum furiosen Finale hin.

Ein Abend, der nicht nur Mozarts Musik lebendig werden ließ, sondern auch einen kleinen Eindruck von der Entwicklung seiner Schaffenskraft bot.

Emotionale Achterbahn in der neutralen Zone

Rinaldo (Ileana Mateescu) zwischen Almirena (Tamara Weimerich links) und Armida (Eleonore Marguerre rechts). Foto: ©Thomas M. Jauk / Stage Picture
Rinaldo (Ileana Mateescu) zwischen Almirena (Tamara Weimerich links) und Armida (Eleonore Marguerre rechts). Foto: ©Thomas M. Jauk / Stage Picture

Mit der Übernahme seiner erfolgreichen Produktion in der Oper Zürich in Kooperation mit dem Theater Bonn von Georg Friedrich Händels „Rinaldo“ brachte Opernintendant Jens-Daniel Herzog und das Dortmunder Ensemble am 09.01.2016 (Premiere) eine weitere Barockoper auf die heimische Bühne. Ein wenig Lokalkolorit spielte mit, denn „Rinaldo“ besitzt auch Bezüge zu Ritter Rinaldo (Reinoldus) von Montauban, dem Schutzpatron unserer Stadt, aus den Heldensagen von Kaiser Karl den Großen kommen.

Herzog transferierte das Geschehen der Geschichte, basierend auf der Legende über die Schlacht um Jerusalem (1099) in moderne Transit-Räume, einem Flughafen und einer Hotellobby. In dieser neutralen Zone treffen sich die beiden Parteien: Die christliche Fraktion um Goffredo und seinem Bruder Eustazio und die islamischen Fraktion um Argante und der Zauberin Armida. Um den Sieg zu erringen, benötigt Goffredo unbedingt die Hilfe von Rinaldo. Der leidet aber an einem „Burn-out“ und will eigentlich nur mit Goffredos Tochter Almirena ein ruhiges Leben führen. Doch erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Die Gegenseite entdeckt den schwachen Punkt bei Rinaldo und entführt Almirena und Armida bekommt auch Rinaldo in ihre Fänge. Selber eher an ihrem persönlichen Glück interessiert, verliebt sich Armida aber in den schönen Rinaldo und kann ihn nicht töten. Argante wiederum ist emotional zu der sanften Almirena hingezogen. Das bleibt vor der rach-und eifersüchtigen Armida nicht verborgen. Nachdem Almirena und Rinaldo von Goffredo und Eustazio mit Hilf eines Magiers befreien können, raufen sich auch Argante und Almirena wieder für den Kampf um Jerusalem zusammen. Nachdem die christlichen Kreuzritter die entscheidende Schlacht gewinnen, arrangieren sich alle Parteien notgedrungen.

„Eine Hauptfigur hasst zu Beginn eine andere und stellt erst später fest, dass sie ihn liebt.“ Allein darüber haben spätere Komponisten ganze Opern verfasst. In der Zeit von Händel ging das alles noch schnell. Keine Psychologisierungen, kein langsamer Gefühlswandel über vier Arien, von „Ich werde dich töten“ zu „Ach, ist der hübsch. Ich bin verliebt“ dauert es bei Armida nur wenige Sekunden. Ebenso schnell wird der „Beziehungsstreit“ zwischen Argante und Armida beendet.

Dabei half Herzog auch die geniale Bühne von Christian Schmidt. Die geschickt ausgewählte drehbare Bühnenvorrichtung mit ihren verschiedenen Ebene bot eine geniale Spielwiese für spezielle Effekte und die Möglichkeit, verschieden emotionale Zustände wie Wut, Eifersucht, Liebe und Traurigkeit aber auch humorvolle Ironie auf die Bühne zu zaubern. Rinaldos (Ileana Mateescu) Verzweiflung wird zum Beispiel noch deutlicher, dass sich die Personen um ihn herum in Zeitlupe bewegen. Ein im Schockzustand bekanntes Phänomen. Der Höhepunkt war die Arie von Rinaldo „Venti, turbini, prestate“ kurz vor Ende des ersten Aktes, als Rinaldo die Kraft des Windes beschwor und sich alle dem Sturm beugen mussten. Vom Winde verweht auf die komischste Art.

Die Barockoper stellt besondere Anforderungen an die Stimmlagen der Sänger/innen. So sind bei „Ronaldo“ auch die Männerrollen zumeist von Frauen oder besetzt. Sozusagen Frauen-Power.
Als Rinaldo bewies die in „Hosenrollen“ (zum Beispiel „Rosenkavalier“) erfahrene Ileana Mateescu wieder einmal mehr ihr gesangliches und darstellerisches Können. Das gleich gilt für Eleonore Marguerre als Armida in all ihren Facetten. Mal erotisch-frivol, mal wütend eifersüchtig voller Rache. Tamara Weimerich als liebreizende Almirena begeisterte vor allem bei der schönsten und bekanntesten Arie der Oper „Lascia ch’io pianga“. Gelungen war auch ihr erster Auftritt als Art weiblicher James Bond. Als Gast aus Bonn gefiel Kathrin Leidig als Goffredo. Obwohl er am Anfang mit der Lautstärke zu kämpfen hatte, machte Jakob Huppmann als Eustazio die besondere Faszinazion einer Kauntertenor-Stimme deutlich, zudem hatte er es beim Publikum nicht leicht, nachdem er in der ersten Szene die Zukunft aus einer frischen Katzenleber lesen musste. Tierfreunde brauchen jedoch keine Panik zu bekommen, es wurde alles nur gespielt. Ist schließlich auch eine Oper. Mit viel Humor und Stimmgewalt füllte Gerardo Garciacano seine Rolle als Argante.

Das Tanzensemble bereicherte die Inszenierung mit schönen Choreografien, denn sie waren weit mehr als nur Statisten. Ihre Tanzeinlagen passten wunderbar zur Inszenierung, mit Aktenkoffer und Business-Anzug, als Unterhändler, die mehr mit den Akten als mit dem Schwert kämpften.

Die Inszenierung war bis in die Nebenrollen gut besetzt. Sei es die verführerischen Sirenen (im Stewardessen-Look) oder der Magier (Maria Hiefinger) als Reinigungskraft.

Die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Motonori Kobayashi waren passend in Barockorchester-Stärke zu hören. Dafür waren sie etwas erhöht, so dass sie für das Publikum als sichtbarer Teil der Inszenierung zu erkennen waren. Das musikalische Fazit: Sie können auch Barockmusik.

Es war ein begeisternder Barockopern-Abend. Wo so viel auf verschiedenen Ebenen passiert, ist es schwer, all die vielen Details mit zu bekommen. Da hilft nur, noch mal ansehen und anhören. Denn die Inszenierung kennt keine Langeweile, ist ist mit viel Augenzwinkern gemacht worden, ohne die Sängerinnen und Sänger in irgendeiner Form bloß zustellen. Die Beziehung zwischen Christen und Muslimen steht nicht im Mittelpunkt, sie ist noch nicht einmal ein Randthema. Es geht in dieser Inszenierung nicht um Religion, sondern um die Wirren und Fallen der Liebe.

Berührendes Melodrama in der Oper

Keine Chance für die Zukunft haben Violetta  (Eleonore Marguerre) und Alfredo (Ovidiu Purcel). Foto: © Thomas Jauk.
Keine Chance für die Zukunft haben Violetta (Eleonore Marguerre) und Alfredo (Ovidiu Purcel). Foto: © Thomas Jauk.

Am 28. November 2015 war Premiere von Giuseppe Verdis berühmten „La Traviata“ (Die vom Weg Abgekommene) nach der „Kameliendame“ „Alexandre Dumas fils) in der Oper Dortmund.

Die junge Regisseurin Tina Lanik legte den Schwerpunkt ihrer Inszenierung auf die Darstellung der Pariser Edelprostituierten Violetta Valéry als Einsame, oberflächlich lebende aber sensiblen Frau mit weichem Herz, die alles was sie macht, radikal bis zum Ende durchzieht. Die tödliche Krankheit Tuberkulose liegt dabei immer wie ein Schatten über ihr Leben.

Violetta lässt sich von den Liebesbekundungen Alfredo Germont, seinem hartnäckigen Werben berühren und wagt eine radikale Änderung ihres bisherigen Lebenswandels. Sie zieht mit Alfredo in ein Landhaus und erlebt ein kurzes Glück als dessen treue Lebensgefährtin. Diese scheinbare Idylle wird jedoch abrupt durch Alfredos Vater, dem Geschäftsmann Giorgio Germont, gestört. Der herrische Patriarch der aufkommenden Bourgeoisie verlangt von ihr, sich von seinem Sohn zu trennen, um die „Ehre“ seiner Familie wieder herzustellen. Überrascht erkennt Giorgio, dass Violetta so gar nicht in die Schablone der „ausgebufften Betrügerin und raffgierigen Prostituierten“ entspricht, sondern eine liebende Frau ist, die für den gemeinsamen Lebensunterhalt selber aufkommt. Trotz seiner Zuneigung für Violetta, setzt Alfredos Vater gnadenlos seine Interessen durch. Nun beginnt die nächste Wandlung der Violetta, zu einer Verzichtenden. Nach anfänglichen Zögern willigt sie ein, sich radikal von Alfredo zu trennen, wenn sein Vater ihm nur nach ihrem Tod von ihrem großen Opfer aus Liebe erzählt. Sie macht Alfredo vor, einen anderen zu lieben. Der ist voll rasender Eifersucht und wie ein trotziges Kind wirft ihr das beim Spiel gewonnen Geld vor die Füße verschwindet später ins Ausland. Kurz vor ihrem Tod erfährt er die ganze Wahrheit über Violettas Verzicht, kommt zu ihr und möchte krampfhaft an eine gemeinsame Zukunft glauben. Es ist aber zu spät. Wie sein herbeigeeilter Vater, die treue Freundin und Haushälterin Annina und der Doktor können sie nur zusehen, wie sie stirbt.

Eleonore Marguerre, bekannt aus verschiedenen Produktionen (wie beispielsweise Don Giovanni), überzeugte nicht nur bei der Bewältigung der hohen gesanglichen Herausforderung, sondern auch durch ihre intensive und sensiblen Darstellung der Violetta Valéry in ihrer Verzweiflung, Sehnsüchten, Radikalität und Einsamkeit. Drastisch zum Beispiel, als sie ihre blonde Perücke und Kleidung als Zeichen für das Ende ihres Leben als Edelprostituierte ablegt. Als Vertretung für den erkrankten Tenor Lucian Krasznec sprang Ovidiu Purcel von der Rheinoper als Alfredo Germont. Mit weichem Timbre und viel Emotionen stellte er www.theaterdo.desowohl den verliebten als auch eifersüchtig-beleidigten Alfredo dar. Mit großer Bariton-Stimme und Präsenz auf der Bühne begeisterte Sangmin Lee als Giorgio Germont.

Ein großes Kompliment dem Opernchor des Theaters Dortmund unter der Leitung von Manel Pujol. Die Damen und Herren hatten ihren großen Auftritt im zweiten Akt als „Zigeunerinnen“ und „Matadore“. Zusammen mit Natascha Valentin als Flora Bervoix und Morgan Moody als Marquis d’Obigny sorgten sie für ordentlich Feierstimmung. Die weiteren Nebenrollen in „La Traviata“ fügten sich mit ihren Leistungen in das gelungene Gesamtbild ein.

Die Kostüme waren zeitgenössisch, raffiniert und bei der Farbauswahl mit Bedacht ausgewählt.

Die Bühnenausstattung war mit wenigen, stimmungsvollen Elementen wie zum Beispiel ein loderndes Feuer dezent ausgewählt.

Die Dortmunder Philharmoniker begleiteten das Geschehen musikalisch unter der Leitung von Motonori Kobayashi mit Sicherheit und Gespür für die jeweilige Stimmungslage. Die Inszenierung zeigte nicht nur das Schablonendenken der sogenannten „besseren Gesellschaft“, die Violetta keine Chance gibt, auf, sondern entlarvt auch deren gnadenlose Heuchelei und verbreiteten Voyeurismus. Ein leider immer (noch) aktuelles Thema.

Ein gelungener und begeistert gefeierte Abend für alle Opernfans.

Infos und Termine unter www.theaterdo.de

 

Am Volkswillen zerbrochen

Wenn Saul (Christian Sist) wütend wird, muss David (Ileana Mateescu) Angst haben. (Foto: © Björn Hickmann / Stage Picture GmbH)
Wenn Saul (Christian Sist) wütend wird, muss David (Ileana Mateescu) Angst haben. (Foto: © Björn Hickmann / Stage Picture GmbH)

Nach „Elias“ (Mendelssohn-Bartholdy) und die „Schöpfung“ (Haydn) konnte das Publikum in der Oper Dortmund am 25.04.2015 mit der Premiere von „Saul“ (Georg Friedrich Händel) zum dritten Mal ein szenisches Oratorium erleben. Die Koproduktion mit dem Staatstheater Kassel wurde unter der Regie von der Regisseurin Katharina Thoma, den Opern-Fans durch schon sieben Produktionen auch als Spezialistin für barocke Stoffe, wie zum Beispiel „Eliogabalo“ (Cavalli) bekannt, für die Dortmunder Bühne bearbeitet.

Das Libretto von „Saul“ Charles Jennens hat als biblische Grundlage das Buch Samuel.

Unter der punktgenauen und lockeren musikalischen Leitung des 1. Kapellmeisters Motonori Kobayashi spielte ein kleines Ensemble der Dortmunder Philharmoniker: Cembalo/Orgel: Wallewei Witten, Luca Di Marchi und an der Theorbe Andreas Nachtsheim.

Thoma legte bei ihrer Inszenierung ein besonderes Augenmerk auf die Wirkung der „Volksmasse“ auf das Individuum und auf dessen Umgebung. Das gibt dem Opernchor des Theaters Dortmund unter der Leitung des „reaktivierten“ Granville Walker eine große Bedeutung und Chance, sein Können zu zeigen und einmal im Vordergrund zu stehen.

Das Bühnenbild von Sibylle Pfeiffer war minimalistisch aber praktisch gestaltet. Ein großes transparentes Plateau auf der Bühne und ein Zweites von der Decke hängend, dienten als Tempel oder Königshof. Das Deckenplateau war multifunktional verwendbar und diente als Symbol für eine höhere Macht.

Das Libretto orientiert sich überwiegend an die biblische Geschichte. Saul wird per Los zum König der Stämme Israels gewählt. Doch mit der Bürde kommt er schlecht zurecht. Schon gar nicht, als ein junger Kriegsheld, namens David, ihm die Sympathie des Volkes streitig macht. Saul verheiratet David zwar mit seiner Tochter Michal, nachdem ihm die ältere Tochter Merab abgelehnt hatte, aber plant nichtsdestotrotz Davids Tod. Saul fühlt sich von Allen verlassen und sucht in seiner Verzweiflung Rat bei den Mächten der Unterwelt. Der Geist Samuels erklärt, das Saul wegen der nicht Befolgung eines Gottesbefehls seine Herrschaft an David abtreten muss und mit seinem Sohn Jonathan auf dem Schlachtfeld ums Leben kommen wird.

Thoma legt in ihrer Inszenierung einen deutlichen Fokus auf die Psychologie der Protagonisten. Saul treibt die gefühlte Ablehnung des Volkes in eine Art bipolarer Störung. Erst sehr freundlich, dann einen Tag später zum Mord gegen David entschlossen. Saul Wahnsinn führt letztendlich zu seinen eigenen Tod. Interessant ist auch die Beziehung zwischen David und Jonathan, Sauls Sohn. Wenn beide sich treffen, ist eine deutliche homoerotische Beziehung erkennbar, die durch Jonathans Tod abrupt beendet wird. Auch Davids Trauer um Jonathan spricht Bände: „Great was the pleasure I enjoy’d in thee, And more than woman’s love thy wondrous love to me!“(Groß war die Wonne, die mir ward von dir, und mehr als Frauenlieb‘ war deine Liebe mir!)“.

Christian Sist, mit seiner überragenden Körpergröße und Stimme eine passende Besetzung für Saul,

Er zeigt die wachsende Verzweiflung, Neid und Eifersucht auf den neuen Günstling des Volkes überzeugend. Mit ihrem klaren Mezzosopran und viel Empathie spielte und sang Ileana Mateescu, schon fast spezialisiert auf „Hosenrollen“, zuletzt im „Rosenkavalier (Richard Strauss), den David.

Tamara Weimerich als zunächst hochmütige Merab, gelang auch spielerisch den Haltungswechsel gegenüber David überzeugend darzustellen. Als kongenialer Gegenpart spielte Julia Amos die sanfte Michal, der oberflächlicher Standesdünkel fremd ist.

Eine besondere Herausforderung gab es für Lucian Krasznec als Jonathan. Neben dem Vater-Sohn Konflikt gab es noch die besondere Freundschaft zu David. Die Darstellung der unterschwelligen homoerotischen Tendenz der Beziehung von David und Jonathan, wurde mit Feingefühl gemeistert.

Als vielseitiger Mann für skurrile Rolle zeigte sich wieder einmal Kammersänger Hannes Brock. Neben den Hohepriester fungierte er als Abner und als Hexe von Endor aus der Unterwelt.

Den kürzesten Auftritt hatte Min Lee. Als ein Amalekiter, der die traurige Botschaft vom Tod Sauls und Jonathans überbringt, wird er bald von David ermordet.

In der Rolle des Doeg sowie als eindrucksvolle Projektion und Stimme von Samuels Geist war Morgan Moody zu erleben.

Besonders bewegend war der Chor. Er symbolisierte die Volksmasse. Die Masse, die sich leicht formen lässt und (blind) dem nächsten „Superstar“ folgt. Frei nach dem Motto: Vox populi, vox dei – Die Stimme des Volkes ist die Stimme Gottes. Thoma schuf mit dem Chor wunderbare Bilder, beispielsweise als sie David mit ihren Händen vor der Wut und dem Zorn Sauls schützten.

Ein großes Kompliment geht auch an die Kostümabteilung unter Irina Bartels. Sie zeigte verschiedenste epochenübergreifende Kostüme. Ob bunt barock-höfisch, einheitliches schwarz des Chores, mal ohne oder mal mit Verschleierung, oder zeitgenössische Bekleidung der Sängerinnen und Sänger. Das unterstreicht die Zeitlosigkeit des Themas. Es gibt genug Beispiele in der Gegenwart, wie schnell sich die Gunst der Bevölkerung zum Beispiel bei Politikern wenden kann.

Ein eindrucksvolles Zeichen, als am Ende bei der Ernennung Davids zum König bei der Übergabe eines Schwertes Blut am Hemd von David zu sehen ist. Symbolhaft für das Blut der Opfer der kommenden Kriege.

Ein gelungener Abend, der mit viel Beifall honoriert wurde. Die Entscheidung von Jens-Daniel Herzog, in Dortmund Oratorien auch szenisch aufzuführen, zahlt sich aus. Händels Musik passte ideal zu einer „Veroperung“, denn Händel verknüpfte in „Saul“ große Chormusik mit Arien, die mehr in Richtung der italienischen „Opera seria“ gingen. Nicht nur für Barockfreunde empfehlenswert.

Weitere Termine: Fr, 08. Mai 2015, So, 17. Mai 2015, So, 24. Mai 2015, Do, 18. Juni 2015, Sa, 20. Juni 2015 und Fr, 26. Juni 2015.

Virtuose Klassik

Mit Werken von Haydn und Mozart zeigte sich das 2. Wiener Klassikkonzert am 16. Februar 2015 im Konzerthaus von seiner virtuosen Seite. Von Mozart wurde Musik aus „Idomeneo“ und seine Sinfonie Nr. 39 gespielt. Franziska Batzdorf, die bei den Dortmunder Philharmonikern das Cello spielt, zeigte sich an diesem Abend mit dem Violoncello-Konzert in D-Dur von Joseph Haydn als virtuose Solistin.

Zu Beginn stand Mozart auf dem Programm. Zu hören war die Ouvertüre und die Ballettmusik zu seiner Oper „Idomeneo“. Mit diesen fünf kurzen Tanzstücken endet die Oper. Doch auch ohne Tänzer hat man als Zuhörer an Mozarts Musik ein Vergnügen, zumal die Philharmoniker unter der Leitung von Motonori Kobayashi in guter Stimmung sind.

Danach konnten die Zuhörer wohl eines der anspruchsvollsten Cellokonzerte genießen. Franziska Batzdorf spielte Haydns Violoncello-Konzert in D-Dur mit Bravour. Vor allem ihre Solo-Kadenz am Ende des ersten Satzes war eine beeindruckende musikalische Leistung, zumal Batzdorf auch die sensible Seite des Konzertes herausgearbeitet hat.

Nach der Pause war es wieder Zeit für Mozart. Die Sinfonie Nr. 39 gehört zu seinen letzten Sinfonien und überrascht mit seinem Ende. Sie trägt auch den Titel „Schwanengesang“ als eine Art Allegorie auf den kommenden Tod von Mozart, doch in der Musik ist eher Freude und Glück zu spüren. Dann erklingt der vierte Satz: Typische Mozartsche Ideen erklingen, die ein wenig an die Ouvertüre von „Hochzeit des Figaro“ erinnern. Doch dann endet der Satz etwas überraschend, als ob man in einen Teig eine Nadel steckt, der dann in sich zusammensackt.

Wenn der Atem langsam ausgeht

Hans Castorp (Dimitry Semionov) umtanzt den einen Stuhl, auf dem Madame Chauchat) saß. (Foto: © Bettina Stöß)
Hans Castorp (Dimitry Semionov) umtanzt den einen Stuhl, auf dem Madame Chauchat) saß. (Foto: © Bettina Stöß)

Mit dem „Zauberberg“ nach Motiven von Thomas Mann hat sich Ballettdirektor Xin Peng Wang einen vielschichtigen, epochalen Roman ausgewählt. Dieses wortgewaltige Zeitdokument der Gefühlslage des so genannten „Fin de siècle“ kurz vor dem ersten Weltkrieg tänzerisch atmosphärisch umzusetzen, ist eine große Herausforderung.

Da braucht es neben einem hochklassigen Ballett-Ensemble auch die Unterstützung eines guten Videodesigners in Form von Knut Geng von der Semperoper Dresden, eines beeindruckenden Bühnenbildes von Frank Fellmann und nicht zu vergessen, die geschickte Lichtgestaltung eines Carlo Cerri.

Der Ballettdirektor und sein sein musikalisches Team um den stellvertretenden GMD Motonori Kobayashi und die Dortmunder Philharmoniker hatten ein gutes Händchen bei der Auswahl der Musik. Die minimalistische Musik des estnischen Komponisten Lepo Sumera (1950 – 2000) mit einer sich nach und nach steigernden Frequenz sorgte für eine atmosphärische Einheitlichkeit.

Die Musiker unter der Leitung ihres Dirigenten lösten die anspruchsvolle Umsetzung bravourös.

Das Premieren-Publikum am 8. November 2014 wurde von Beginn an in die besondere, abgeschiedene Welt des internationalen Schweizer Lungensanatorium hineingezogen.

Mit der Ankunft vom jungen Schiffsingenieur Hans Castorp (Dimitry Semionov) am Bahnhof von Davos und der Begrüßung durch seinen Cousin Joachim Ziemßen (Dann Wilkinson vom NRW Juniorballett), einem Offizier, der schon längere Zeit Lungenkrank im Sanatorium weilt, entfaltet sich langsam eine virtuelle Bergwelt im Hintergrund. Schon jetzt wird Castorp mit dem Tod konfrontiert, als er zwei Bauern mit einem Schlitten sieht, die die Toten aus dem Sanatorium in das Tal bringen.

Die einzelnen Charaktere der wesentlichen Patienten und die gleichbleibenden Ritual im Sanatorium werden eingeführt. Beeindruckend umgesetzt wurde zum Beispiel das Ritual des spezielle „Decken einschlagen“ der Patienten vom Ballett-Ensemble, wobei die Decken an Leichentücher erinnerten.

Charakteristische Bewegungsmuster und Eigenheiten der Hauptpersonen wurden sensibel eingebaut. Monica Fotescu-Uta als die von Castorp verehrte Madame Clawdia Chauchat aus Kirgisien zum Beispiel mit ihrer Angewohnheit, sich kokett an den Haarknoten im Nacken zu greifen. Auch das Geräusch, wenn sie beim Eintreten in den Esssaal die Tür zuknallen lässt, ist deutlich zu hören.

Weitere Akteure sind die von Joachim Ziemßen verehrte Nelly mit ihrer Angewohnheit, immer zu Lachen. Doch das Lachen geht auch in Weinen über. Eine große Herausforderung für Jelena Ana Stupar, die neben dem Lachen auch noch husten und lautes Atmen punktgenau auf die Bühne bringen musste.

Daneben spielten die unheilbar kranken Mentoren von Castorp eine wichtige Rolle. Der Freimaurer Ludovico Settembrini (Giuseppe Ragona) und der Jesuit Naphta (Arsen Azatyan., die sich um den richtigen politischen Weg und die Zukunft einer Welt im „Flachland“ streiten und duellieren, die sie selber nicht mehr betreten werden.

Madame Chauchats geliebter Mynher Pieter Peppercorn, ein charismatischer „Kaffeekönig“, macht einen großen Eindruck auf Hans Castorp, nimmt sich aber das Leben, als er fürchtet, seine Lebens-und Manneskraft durch seine Tropenkrankheit zu verlieren.

Ein besonderes berührendes Highlight des Abends war sicherlich der „Todestanz“ des Joachim Ziemßen zu der Musik von Franz Schuberts „Lindenbaum“-Lied. Er stirbt, nachdem er sich zunächst selbst aus dem Sanatorium entlassen hatte, um dann doch todkrank von seinem Regiment zurückzukehren.

Xin Peng Wang widmete auch dem berühmten „Schneetraum“ des Hans Castorp eine Szene. Castorp träumt unter anderem von paradiesischen Gefilden und von Schreckensbildern wie im Hades.

Gegen Ende wird aus der Schneelandschaft ein Leichentuch. Denn der Erste Weltkrieg zerstört diese Gesellschaft fundamental. Bilder aus dem Krieg flackern im Hintergrund der Bühne auf. Zum Schluss geht Castorp alleine durch die Schneehügel. Was mit ihm passiert? Wir wissen es nicht.

Neben den Tänzern gehört auch dem Bühnenbild ein großes Lob. Mit simplen, aber effektvollen Mitteln wurde eine schweizerische Berglandschaft dargestellt. Ein kleines Miniaturmassiv stand immer auf der Bühne. Auch die Videoeinblendungen während der Duette zwischen Castorp und Madame Chauchat passten sich dem Stück an und brachten dem Stück eine weitere Tiefe.

Xin Peng Wang setzte den „Zauberberg“ in ein berührendes Tanzerlebnis um, einfach atemberaubend und ein in unsere Zeit passend.

Weitere Termine: FR, 14. NOVEMBER 2014, SA, 22. NOVEMBER 2014, FR, 28. NOVEMBER 2014, SA, 06. DEZEMBER 2014, FR, 12. DEZEMBER 2014, SO, 28. DEZEMBER 2014, SO, 04. JANUAR 2015, MI, 07. JANUAR 2015, SO, 01. FEBRUAR 2015, FR, 06. FEBRUAR 2015, DO, 12. MÄRZ 2015, FR, 20. MÄRZ 2015, SA, 11. APRIL 2015, FR, 17. APRIL 2015 und SO, 26. APRIL 2015.

Infos unter www.theaterdo.de oder 2012 50 27222.