Schlagwort-Archive: Oper Dortmund

Puccinis La Bohème als kontrastreiches Erlebnis

Zu Beginn der neuen Spielzeit stand im Dortmunder Opernhaus am 02.09.2023 als Premiere Giacomo Puccinis (1858 – 1924) Oper in vier Bildern „La Bohème“ (Libretto: Luigi Illica und Giuseppe Giacosa) unter der Regie von Gil Mehnert auf dem Programm. Mehmert ist schon für seine besonderen und opulenten Musical-Inszenierungen bekannt.

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Cabaret – wenn die Welt aus den Fugen gerät

Wir leben heute in einer Zeit, die in vieler Hinsicht bedrohlich und aus den Fugen geraten zu sein schein.

Mit dem Musical „Cabaret“ (Buch von Joe Masteroff nach dem Stück „Ich bin eine Kamera“ von John  van Druten, Gesangtexte: Fred Ebb, Musik: John Kander, Deutsch von Robert Gilbert) hat Regisseur Gil Mehmert eine moderne Fassung dieser hochaktuellen Parabel auf die Bühne des Dortmunder Opernhauses gebracht. Die Premiere war am 24.09.2022.

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Fernand Cortez – eine politische Oper

Am 07. April 2022 hatte die Oper „Fernand Cortez oder die Eroberung von Mexiko“ von Gaspare Spontini Premiere im Opernhaus Dortmund. Regisseurin Eva-Maria Höckmayr stellte in ihrer Inszenierung die Figur der Amazily, gesungen von Melody Louledjian, in den Vordergrund.

Die Oper dreht sich zwar um Cortez und seinen Mexikofeldzug (1519-1521), doch der Komponist Spontini hatte etwas anderes im Sinn. Napoleon wollte seinen Spanienfeldzug propagandistisch vorbereiten und sollte in der Figur des Cortez repräsentiert werden, während die Azteken die Spanier waren, die sich nach heldenhaften Kampf von Franzosen besiegt werden sollten.

Fernand Cortez wird in Mexiko sehr zwiespältig gesehen. Das hängt mit dem Erbe der Azteken zusammen, denen sich die Mexikaner durchaus verbunden fühlen. Zumal vor allem durch eingeschleppte Krankheiten etwa 15 Millionen Ureinwohner ums Leben kamen. Doch die Azteken selbst waren wegen ihrer Blutopfer bei den anderen indigenen Völkern weniger beliebt, Stichwort Blumenkriege. Ohne die Unterstützung der anderen indigenen Völker, hätte Cortez es vermutlich nicht geschafft.

Cortez ist obenauf. Mirko Roschkowski (Fernand Cortez), James Lee (Télasco), Morgan Moody (Moralès), Ensemble. (Foto: (c) Björn Hickmann, Stage Picture)
Cortez ist obenauf. Mirko Roschkowski (Fernand Cortez), James Lee (Télasco), Morgan Moody (Moralès), Ensemble. (Foto: (c) Björn Hickmann, Stage Picture)

Wie schon erwähnt, eigentlich sollte die Oper „Amazily“ heißen, nicht nur für Höckmayr ist sie die eigentliche Hauptfigur, denn sie singt vier Arien, Cortez dagegen nur eine. Amazily (eigentlich Maniche oder Doña Marina), die mexikanische Pocahontas, steht zwischen Montezuma und Cortez, den sie liebt. Hin- und hergerissen zwischen ihrem Volk und ihrer Liebe zu den Fremden. Cortez (Mirko Roschewsky) wirkt als guter Motivator für seine Leute, aber er wird von den Ereignissen eher mitgerissen, als sie aktiv zu gestalten. Bezeichnend, dass er im dritten Akt auf dem Boden liegt.

Spontinis Musik kombiniert italienische Melodik mit französischem Pathos. Kein Wunder, ist der Komponist (1774-1851) doch in Italien geboren und hat lange in Frankreich gearbeitet. Das Bühnenbild von Ralph Zeger bestand aus einen großen goldenen Raum, der den Reichtum der Azteken symbolisieren sollte, aber auch die Gier nach dem Edelmetall der Spanier.

Verständlich, dass Louledjian verdientermaßen den größten Applaus bekam, aber auch Roschewsky machte eine gute Figur. Positiv war, dass die Oper bis in die kleineren Rollen gut besetzt war. In der Premiere sangen noch Sungho Kim (Alvar, Bruder von Cortez), Mandla Mndebele (Montezuma), James Lee (Télasco, Bruder von Amazily), Morgan Moody (Moralès, Vertrauter von Cortez) und Denis Velev als böser Oberpriester der Azteken.

Weitere Infos zur Oper unter www.theaterdo.de

Sehnsucht – ein barockes Schwelgen

Am 09. Oktober 2021 feierte „Sehnsucht – ein barockes Pasticcio“ in der Oper Premiere. Mit dem Begriff „Pasticcio“ nennt man einen Zusammenschnitt aus verschiedenen Opern. In diesem Fall wurden überwiegend Arien aus Opern von Händel , aber auch von Purcell oder anderen Komponisten der Barockzeit gespielt.

Um die verschiedenen Arien wurde eine kleine Geschichte gesponnen, in dessen Zentrum ein Mann stand, der von Erinnerungen an die Vergangenheit gequält wird. In der Rolle dieses Mannes sehen wir den Countertenor David DQ Lee, während sein Vergangenheits-Ich vom Sopranist Bruno de Sá dargestellt wird. Warum die geplante Verlobung mit dem Sopran (Sooyeon Lee) nicht zustande kam, wird auf der Bühne in gespielten Rückblenden erzählt. Ob nun seine sexuelle Orientierung den Ausschlag gab, wie bei der „Weihnachtsfeier“ angedeutet wurde oder andere Dinge, jedenfalls bleibt eine Sehnsucht für die eventuell verpassten Chancen. Auch von der Enttäuschung der Eltern musste er sich lösen.

Eine Weihnachtsfeier, die schiefging.  (links Bruno de Sá, rechts Denis Velev) Foto: © Björn Hickmann, Stage Picture
Eine Weihnachtsfeier, die schiefging. (links Bruno de Sá, rechts Denis Velev) Foto: © Björn Hickmann, Stage Picture

Das alles wurde auf der Bühne in opulenter Weise dargestellt. Alle Beteiligten waren Meister ihres Faches und hatten auch sehr viel Freude an der Aufführung. Neben den erwähnten Lees waren noch die Mezzosopranistin Hyona Kim und der Bass Denis Velev zu hören. Doch was Sopranist (ja, ohne „in“) de Sá sang, war enorm beeindruckend. Seine Stimme erreichte Höhen, die unglaublich waren. Dazu noch die Begleitung der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Philipp Armbruster und der Abend war perfekt.

Leider ließ der Zuspruch des Dortmunder Publikums zu wünschen übrig, es bleibt zu hoffen, dass die weiteren Termine besser besucht werden.

Mehr Informationen unter www.theaterdo.de

Der Hetzer – ein modernes Musiktheater mit aktueller Brisanz

Im Opernhaus Dortmund hatte am 26.09.2021 „Der Hetzer“ (Oper in vier Akten) vom Österreicher Bernhard Lang unter der Regie von Kai Anne Schuhmacher seine Uraufführung.

Nein, das war keine der üblichen Opern mit oft harmonischen, emotional-dramatischen Arien, wie es das Publikum kennt. Bernhard Lang nutzt in seiner Komposition Mittel, die in der elektronischen Musik zum Einsatz kommen. Samples werden geloopt, verkürzt und verfremdet. Seine Musik ist von verschiedenen Elementen wie Jazz, Rap, Hip-Hop, Pop-Rock oder aber Barock (Purcell) beeinflusst.

Für die musikalische Leitung von Dirigent Philipp Armbruster und die Dortmunder Philharmoniker eine große Herausforderung. Orchester und Chor spielten nicht live, sondern wurden coronabedingt und als künstlerische Weiterentwicklung vorab aufgenommen. Es wurde zu Playback live gesungen. Die einzelnen Spuren aus den Orchesteraufnahmen des Hetzers wurde gezielt gefiltert und abgemischt und dann im Raum positioniert. Dabei half dem Dirigenten für die schwierige Aufgabe ein Kopfhörer.

Jack Natas (David DQ Lee) beobachtet im Hintergrund, wie die Beziehung zwischen Desirée (Álfheiður Erla Guðmundsdóttir) und Joe Coltello (Mandla Mndebele) kriselt. (Foto: © Thomas Jauk, Stage Picture)
Jack Natas (David DQ Lee) beobachtet im Hintergrund, wie die Beziehung zwischen Desirée (Álfheiður Erla Guðmundsdóttir) und Joe Coltello (Mandla Mndebele) kriselt. (Foto: © Thomas Jauk, Stage Picture)

Die Geschehen auf der Bühne wurde zur emotionalen Verstärkung live von einer Kamera begleitet und auf Leinwände projiziert. Für die eindrucksvollen Video-Projektionen war Stephan Kosmitsch verantwortlich.

Lang hat die bekannte Oper „Otello“ (1887) von Giuseppe Verdi überschrieben und sowohl textlich wie musikalisch in die Jetztzeit transformiert (Text nach William Shakespeare (1564 – 1616) und Arrigo Boito (1842 – 1918)). Zusätzlich wurde er durch standortbezogene Einschübe von Dortmunder Jugendlicher erweitert.

Die Texteinschübe um Bosheit, Liebe und Eifersucht wurden im Rahmen eines Schreibworkshops des Planerladen e. V. (Jugendforum Nordstadt) von jungen Menschen aus unserer Stadt entwickelt. Direkt und aktuell aus unserer Stadtgesellschaft.

Der Rapper IndiRekt und sein Kollege S.Castro brachten die Ergebnisse als Rap eindringlich auf die Bühne.

Als analytisches Werkzeug, um unsere Vorgefassten Meinungen und die Ereignisse auf der Bühne zu überdenken, nutzt der Komponist auch Loops im Text. Außerdem wechselt er während der Aufführung je nach dem vom teils deftiger deutscher, zur romantischem italienisch bis hin zur britischen Sprache. Dabei ist der Verdi-Kontext immer präsent.

Wie der Titel „Der Hetzer“ (hier wegen des Machtaspekts im Polizeimilieu verortet) schon nahe legt, stand bei dieser Inszenierung der intrigante, von rassistischen Vorurteilen und Neid getrieben Bösewicht, hier der kleine Polizeibeamte Jack Natas, im Mittelpunkt. Seine Kleidung wie aus einem SM-Studio hat einen leicht erotischen Touch und mit einem roten Schleier am Hinterkörper wirkt er optisch wie ein „Teufel“. Die Wirkung wird durch den starken Countertenor von David DQ Lee verstärkt.

Er verabscheut den als schwarzen Flüchtling schnell zum Hauptkommissar aufgestiegenen Joe Coltello und will ihn vernichten. Dazu ist ihm jedes Mittel recht. Den Anti-Helden Coltello singt und stellt überzeugend Mandla Mndebele dar.

Natas manipuliert alle Personen nach Belieben. Seine arglosen Kollegen Mark Kessler (Fritz Steinbacher), Rodriguez (Morgan Moody), Erich Berger (Denis Velev) und vor allem Coltello. Da hat es Joes Frau Desirée (Álfheiður Erla Guðmundsdóttir) schwer, ihre Treue zu beweisen und den eifersüchtigen traumatisierten Ehemann zu beruhigen. Er hört Stimmen, die ihn in den Wahnsinn treiben.

Der Opernchor Theater Dortmund unter der Leitung von Fabio Mancini hat hier in ihren weißen, leicht blutverschmierten Brautkleidern ganze Arbeit geleistet. Er fungierte zudem wieder als Volkes stimme. Zum Schluss klärt Desirées Freundin Emily (Hyona Kim) das Spiel des Hetzers auf. Entgegen der Vorurteile wird Coltello nun nicht zum gewalttätigen Mörder, sondern setzt seinem Leben durch Freitod ein Ende. Es gibt für ihn keine Gerechtigkeit.

Ein gerade in der Gegenwart wichtiger theatraler Weckruf gegenüber schnellen Vorurteilen, Rassismus und der Instrumentalisierung von Menschen.

Weiter Vorstellungstermine und Karten unter: www.theaterdo.de oder Tel: 0231/ 50 27 222

Oper Tosca als brisant-melodramatischer Psycho-Thriller

Giacomo Puccinis (1858 – 1924) fünfte Oper „Tosca“ unter der Regie von Nikolaus Habjan (Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica) feierte am 11.09.2021 in der Oper Dortmund vor noch mit freien Zwischenplätzen (Schattenplätzen) nicht voll besetzten Rängen seine Premiere. Zur großen Freude des Hauses konnte die Dortmunder Philharmoniker unter der sensiblen Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz das Geschehen in voller Besetzung begleiten.

Obwohl die Oper ursprünglich um 1800 (Napoleonisches Zeitalter) in Rom verortet ist, macht die Inszenierung ihren zeitlosen Charakter deutlich. In diesem Psychothriller geht es neben einer Liebesgeschichte samt Eifersucht zwischen Tosca und dem freiheitsliebenden Maler Mario Cavaradossi auch um persönliche und politische Machtspiele. Das Volk steht unter dem Diktat von Religion und Staatsgewalt. Kontraste und Konflikt werden musikalisch und szenisch auf die Bühne und die Charaktere dem Publikum nahegebracht.

Inga Kalna (Floria Tosca), James Lee (Mario Cavaradossi) Foto: Björn Hickmann, Stage Picture
Inga Kalna (Floria Tosca), James Lee (Mario Cavaradossi) Foto: Björn Hickmann, Stage Picture

Schon das düstere Bühnenbild von Heike Vollmer mit der zerstörten Kirchenstruktur weist auf die Folgen der kriegerischen Handlungen („Kirchenstaat“ gegen „Römische Republik“) hin. Als Kontrast ist auf der Bühne auch ein großes Gemälde von Maria Magdalena von Hugues Merle (1886), das mich etwas an Maria Furtwängler erinnerte. Sie strahlt eine gewisse Erotik aus und es gab in der Religion viele Spekulationen und Aufregung um sie. Eine Art kleine Provokation. Zusätzlich arbeitet die Inszenierung geschickt mit unterschiedlicher Beleuchtung.

In der Handlung steht Tosca, leidenschaftlich und emotional gesungen von Gastsängerin Inga Kalna, als starke, aber verletzliche Frau im Mittelpunkt. Cavaradossi, mit starker Stimme von James Lee verkörpert, wird durch seinen alten Freund Cesare Angelotti, ehemaliger Republikanischer Konsul zum Handel und Stellung beziehen gezwungen. Baron Scarpia, von Gastsänger Noel Bouley gesungen, spielt den Typus skrupelloser Politiker und Intriganten mit vollen Einsatz. Triumphale Gesten und Grisen als er sich seiner Sache mit Tosca sicher ist.Morgan Moody verkörpert den Aktivisten Angelotti mit fester Haltung und Stimme. Der Mesner (Denis Veles), Polizeiagent Spoletta (Fritz Steinbrecher) oder Kerkermeister Sciarrone (Carl Kaiser) spielen teilweise aus Angst wie Marionetten Werkzeuge ihres brutalen Chefs.

Scarpias „Schutzgarde“ ist nach Vorbild der Schweizer Garde gekleidet und tritt martialisch auf.Stimmungsvolle Bereicherung waren der Opernchor Theater Dortmund, Knabenchor der Chorakademie Dortmund und die Kinderstatisterie Theater Dortmund.

Eine eindrucksvolle Premiere für alle Opernfreund*innen nach der langen Pause.

Die nächsten Vorstellungen sind mit voller Publikumszahl (1000 Personen) geplant. Informationen über weitere Aufführungstermine erhalten Sie unter www.theaterdo.de

Musical-Revue um Menschen vor lebensverändernden Entscheidungen

Das Musical „Songs For A New World“ unter der Regie von hatte am 27.09.2020 in der Oper Dortmund unter der Regie von „Musical-Spezialist“ Gil Mehmert seine Premiere.

Als Grundlage diente die Originalproduktion durch das WPA in New York City 1995 (Kyle Renick, Artistic Director). Die Originalorchestrierung war von Brian Besterman und Jason Robert Brown. (Deutsch von Wolfgang Adenberg).

Es wurden 19 revueartig aneinandergereihte Songs und Szenen mit voneinander unabhängigen Geschichten verknüpft. Gemein ist allen, dass Menschen vor Entscheidungen stehen, die ihr Leben verändern werden. Ein aktuelles Thema, besonders in Krisenzeiten.

Mitglieder der Dortmunder Philharmoniker unter der routinierten Leitung von Christoph JK Müller begleiteten die Geschichten musikalisch einfühlsam.

Die vier Musical-Künstler*innen Sybille Lambrich, Bettina Mönch, David Jacobs und Rob Pelzer schlüpften mit emotionaler Intensität in die unterschiedlichste Kostüme und Charaktere. Mit ihren wie für Musical gemachten Stimmen konnten sie das Publikum überzeugen und bewegen.

Die Darstellerinnen und Darsteller wie Rob Pelzer und Bettina Mönch überzeugten durch ihren gesang. (Foto:  (c) Björn Hickmann, Stage Picture)

Der Zuschauer konnte die verschiedensten Gemütslagen, Ängste, Hoffnungen, Träume aber auch Enttäuschungen der Protagonisten mit durchleben. Waren einige Songs und Szenen dramatisch, nachdenklich oder witzig-ironisch, so durchströmte anderen für meinen Geschmack zu viel (religiöser) Pathos. Dieser wurde auch von den Sänger*innen mit Inbrunst vermittelt. Dass es sich um eine amerikanische Produktion handelt, ist unverkennbar.

Ob Flüchtlinge auf einem spanischen Segelschiff 1492 den „Heiland“ um eine gute Überfahrt in das gelobte Land bitten, oder beim „Wiegenlied zu Weihnacht“, wo eine wenig beachtete arme schwangere Frau auf einen „höheren Plan“ vertraut und glaubt (wie Maria) die Zukunft in sich zu tragen. Zum Schluss verbreitet „Hör mein Lied“ die Botschaft „Glaube an die Zukunft“.

Wer sich sich im Augenblick der Entscheidung etwas traut, wird mit einer schönen und unerforschten neuen Welt belohnt. Allerdings mit Risiko.

Wahre Musical-Fans kommen auf jeden Fall auf ihre Kosten.

Informationen zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie unter: https://www.theaterdo.de/produktionen/detail/songs-for-a-new-world/

Die Entführung aus dem Serail als märchenhaftes Puppenspiel

Zur Eröffnung der Saison zeigte die Dortmunder Oper eine gekürzte Fassung Mozarts „Entführung aus dem Serail“. Um den Corona bedingten Auflagen zu genügen, erzählten die Sänger*Innen und Regisseur Nikolaus Habjan die abenteuerliche Geschichte als 80-minütiges Puppenspiel.

Auch der musikalische Leiter Motonori Kobayashi musste sich mit einem elfköpfigen Ensemble der Dortmunder Philharmoniker begnügen. Die Ouverture klang noch ein wenig ungewohnt, aber schon nach kurzer Zeit hatte man sich auf die kleinere Orchestrierung eingestellt.

Die Oper erzählt wie die Spanierin Konstanze (Irina Simmes), ihre Zofe Blonde (Sooyeon Lee) und deren Freund Pedrillo (Fritz Steinbacher) nach einem Piratenüberfall auf einem Sklavenmarkt verkauft werden und so in die Hände des Bassa Selim fallen. Der Verlobte der Konstanze, Belmonte versucht alles um die Geliebte aus den Fängen des Herrschers und seines Aufsehers Osmin (Denis Velev) zu befreien.

Im Zentrum der Inszenierung steht ein Himmelbett mittig auf einer Drehbühne platziert. Dort sitzen Vater und Sohn auf dem Bett und da der Kleine noch mit einer spannenden Geschichte beschäftigt ist und nicht einschlafen will, entwickeln die Beiden die Entführung in Form einer Gute-Nacht-Geschichte. So erzählen und kommentieren sie die Rahmenhandlung der Oper. Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan spielt und spricht den Sohn, der verkörpert durch eine große Klappmaulpuppe. Er spielt dies mit großer Hingabe, Witz und ein gewissen Zärtlichkeit. Um das Himmelbett herum sind die Protagonisten als 1 Meter große Tischpuppen arrangiert. Geschickt werden sie durch Habjan immer wieder in die Entwicklung der Geschichte integriert. Im Hintergrund werden die Puppen auch von Manuela Linshalm gespielt.

Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan entführte die Zuschauer in eine märchenhafte Atmosphäre. V.l.n.r. Sungho Kim (Belmonte), Irina Simmes (Konstanze), Nikolaus Habjan (Puppenspiel), Sooyeon Kim (Blonde), Fritz Steinbacher (Pedrillo) (Foto: © Björn Hickmann)
Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan entführte die Zuschauer in eine märchenhafte Atmosphäre. V.l.n.r. Sungho Kim (Belmonte), Irina Simmes (Konstanze), Nikolaus Habjan (Puppenspiel), Sooyeon Kim (Blonde), Fritz Steinbacher (Pedrillo) (Foto: © Björn Hickmann)

Schwarz gekleidet stehen die Sänger*Innen mit großem Abstand auf den Außenseiten der Bühne, vor oder hinter einem schwarzen Vorhang , wo zum Teil nur die beleuchteten Gesichter zu sehen sind. Mit Livecam Projektionen der Sänger und Puppen gelingt es Handlung und Gesang in Einklang zu bringen und die Geschichte packend zu erzählen.

Einen starken Eindruck hinterläßt Denis Velev mit einem wunderbaren Bass. Er verkörpert den bedrohlichen und etwas tumben Aufseher des Bassas immer auch mit einer gewissen Komik. Sooyeon Lee als Blonde besticht in der Arie „Welche Freude , welche Lust“, als sie erfährt, dass Belmonte zu Ihrer Rettung naht. Eine etwas klarere Artikulation würde den Genuss noch erhöhen. In der Arie „Martern aller Art“, wird der dramatische Ausdruck der Irina Simmes Stimme verschmilzt bei der Arie „Martern aller Art“ mit dem verzweifelten Gesichtsausdruck der Puppe, als Konstanze sich entscheidet, sich nicht dem Bassa Selim zu ergeben.

Zum Ende der gekürzten Fassung scheinen beide Paare, anders als im Original, dem Henker zum Opfer zu fallen.

Weitere Vorstellungstermine sind: 3., 23., 24., 29., 30. Oktober, 1. Und 21. November