tt#14 5. Tag – Warum ist es am Rhein so schön?

Regisseur Nurkan Erpulat vom Düsseldorfer Schauspiel nimmt einen Ortswechsel vor: Er verlegt Ödön von Horváths Stück „Kasimir und Karoline“ passenderweise nach Düsseldorf. Statt beim Oktoberfest spielt die Handlung auf der Kirmes in den Rheinwiesen und aus einem Zuschneider wird ein Marketingmitarbeiter. Zu Horváths Zeiten hätte man sicher noch von einem Konflikt zwischen Klassen geredet, heute scheint der Begriff aus der Mode gekommen zu sein.

 

Die da oben gegen wir da unten. Oberschicht und Prekariat. Zwei Schichten, die nicht mehr miteinander, sondern nur noch übereinander reden. Wobei mit reden eher beschimpfen gemeint ist. Auf der einen Seite Unternehmer und Oberbürgermeister Rauch, der mit seinem Freund Staatsanwalt Speer die Oberschicht verkörpert. Rainer Galke spielt mit wahrer Freude den Rauch als rheinischen Sugardaddy, der überzeugt ist, mit Geld alles kaufen zu können. Brillant ist auch seine Kirmes-Eröffnungsrede, bei der er in echter Politikermanier über Sicherheit und Schuldenfreiheit seiner schönen Stadt schwadroniert.

 

Die Hauptfiguren Kasimir und Karoline gehen neben Rauch und Kasimirs Freund Merkl Franz (Taner Sahintürk) ein wenig unter, obwohl sie eigentlich den Kern der Handlung ausmachen. Denn es geht darum, dass die beiden einen schönen Tag auf der Kirmes verbringen wollen, Kasimir aber gerade seinen Job verloren hat. So empfindet er sich als minderwertig, kann seine Ängste aber nicht ausdrücken und verärgert so Karoline, die sich erst vom Marketingmitarbeiter Stürzinger und dann von Rauch und Speer aushalten lässt.

 

Karoline hat sichtbare Angst, dass sie Kasimir (vor allem durch seinen kriminellen Freund Merkl Franz) ins Prekariat zieht. Sie sucht ihren Platz in der Gesellschaft. Den kann ihr Kasimir nicht bieten, aber Karoline muss auch feststellen, dass die Oberschicht auch kein platz für sie ist. Zu steht am ende des Stückes ein Happy-End für Karoline und Störzinger.

 

Und Kasimir? Er erkennt, dass er Karoline das Leben, das sie führen möchte, nicht bieten kann, und lässt sie gehen. Mehr noch: Er schließt sich Erna, der Verlobten von Merkl Franz an.

 

Zum Bühnenbild: Das Stück beginnt vor einem reliefartigen metallenen Vorhang, vor dem die Eröffnungsrede stattfindet, danach gibt sie den Blick frei auf eine große Anzahl von Bierbänken, die eher nach München oder auf ein Dorffest passen, als auf die Düsseldorfer Kirmes. Zwischendurch hat Regisseur Erpulat die seltsame Idee, eine Art Kuriositätenkabinett auf die Bühne zu stellen. Kirmesboxer ok, aber warum die Schauspieler eine Ultrakurzversion von Hamlet auf die Bühne bringen müssen, bleibt unklar (vermutlich ist das eine interne Düsseldorfer Geschichte).

 

Musikalisch wurde einiges geboten, meist begleitet von einer Mini-Schützenkapelle (Bass, Trompete und Akkordeon). Christian Ehrich brillierte als Sänger(in).

 

Wie in Düsseldorf fiel Taner Sahintürk in der Mitte des Stückes aus seiner Rolle und ging ins Publikum. Waren die Fragen erst allgemein „Wie hat es Ihnen gefallen?“ oder „War es etwas zu brutal?“, ging es danach ans Eingemachte „Wieviel verdienen Sie?“ „Ist hier jemand arbeitslos?“ Sahintürk sammelte noch etwa 25 € ein und das Stück ging weiter.

 

Horváths Stück über die Angst vor dem Abstieg und dem Wunsch nach gesellschaftlicher Sicherheit ist immer noch aktuell wie eh und je.

Musikvielfalt im Opernhaus

Die Bigband der TU Dortmund (groove m.b.h.) spielte zusammen mit den Dortmunder Philharmonikern. (Foto: © Anneliese Schürer)
Die Bigband der TU Dortmund (groove m.b.h.) spielte zusammen mit den Dortmunder Philharmonikern. (Foto: © Anneliese Schürer)

Das 3 Konzert für junge Leute lud am 18. Juni 2014 nicht in das Konzerthaus, sondern unter dem Motto „Open Stage – Lieder mit ohne Worte und Orchester“ zu einem spannenden „Crossover-Mini-Festival“ vom Feinsten. Musikschaffende aus unserer Stadt und Region hatten die einmalige Gelegenheit, zusammen mit der Dortmunder Philharmoniker auf der Opernbühne zu musizieren.

Das breite Spektrum reichte dabei von Steeldrum, Klassik, Folklore. a-cappella-Gesang bis zum Bigband-Sound. Das ganze mal mit, mal ohne Orchester.Durch das Programm führte für den ausgefallenen Christoph Jöde Andreas Beck vom Dortmunder Schauspiel-Ensemble mit Charme und Humor.

 

Teil 1 vor der Pause dirigierte engagiert Philipp Armbruster, danach mit Schwung der erste Kapellmeister Motonori Kobayashi. Schon mit der ersten Nummer „Also sprach Zarathustra“ von Richard Strauß sorgte das „Bäng Bäng Steeldrumorchester“ unter der Leitung von Martin Buschmann nach der Begrüßung durch Orchestermanager Rainer Neumann mit ihren satten Steeldrum-Klängen zusammen mit der Philharmoniker für ausgelassene Partystimmung.

Danach konnte das Publikum den Künsten des jungen Pianisten Max Janßen-Müller beim melancholisch-stimmungsvollen ersten Satz des 1. Klavierkonzert in a-Moll, von Edvard Grieg lauschen.

Mit türkischer Musik und schöner Stimme bezauberte die Sängerin und Leiterin des türkischen Bildungszentrums Nuran Özdemir Asan, während die Tamilische Gruppe „Ilap Prya“  das Publikum mit einem eigens komponierten Raga berührte, der die friedlich-hoffnungsvolle Stimmung der Tamilen vor ihrer systematischen Vernichtung widerspiegelte.

Weltmusik im wahren Sinne des Wortes boten der aus Chile stammende Musiker Enrique Plazaola & Band. Sie brachten inspiriert von einem Besuch der Osterinseln und angetan von der Kultur der Rapa Nui einen selbst geschaffenen Moai.

Als Knaller heizten dann die „Green Onions“, eine Big Band des Clara Schumann Gymnasiums, die Stimmung unter Leitung von Jochen Weichert zusammen mit der Dortmunder Philharmoniker besonders mit Michael Jacksons „Billy Jean“ ordentlich an. Zur besonderer Freude des Publikums tanzte ein elfjähriger Junge als „Mini-Jacko“ mit viel Ausdruck dazu den „Moon Walk“. Zwei Dirigenten gleichzeitig auf der Bühne agieren. Wann sieht man das als Zuschauer?

 

Nach der Pause zeigte der siebzehnjährige Wuppertaler Pianist Maximilian Kliem mit seinem virtuosen und sensiblen Spiel des ersten Satzes von Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr.1, zum ersten Mal gemeinsam mit einem großen Orchester sein Können.

Die vier Sängerinnen der Band „Chantik“ begeisterten dann mit „a-cappella-Gesang“ vom Feinsten und eigener Interpretation von altem Liedgut.

Eine Mischung aus Funk, Jazz, Pop Rock, R&B und Reggae macht die Musik der Band „What Ever Works“ um Gitarrist und Tontechniker des Theaters Günther Holtmann aus. Mit „Voulez Vous“ von ABBA und „Freak You“ machten sie Appetit auf mehr bei der „After-Show-Party „ nach dem Konzert.

Als krönender Abschluss gab es „Jazz“ in hoher Qualität von der Dortmunder Bigband „Groove m.b.H.“ der TU Dortmund unter der Leitung von Michael Kröger. Er dirigiert mit Elan sowohl die Bigband wie auch die Dortmunder Philharmoniker.

 

Ein gelungenes Experiment und besonderes Erlebnis für alle Beteiligten. Es bewies wieder einmal: Die oft propagierte Trennung von „E“ und „U“-Musik ist reine Makulatur. Es gibt nur (qualitativ) gute oder schlechte Musik.

tt#14 4. Tag – It’s the economy, stupid!

Zurück in die 80er Jahre, in die goldene Zeit der Börsenspekulanten, Yuppies und als es modern wurde, mit allen Tricks Kohle zu machen. Wer erinnert sich nicht an Michael Douglas in dem Film „Wall Street“? Der Roman „JR“ von William Gaddis“ treibt diese Gier nach Geld auf die Spitze und lässt einen 11-jährigen Jungen zum Finanzmogul werden. Auf der Hinterbühne des Dortmunder Schauspielhauses inszenierten die Wuppertaler Bühnen am 16. Juni 2014 eine spannende Abrechnung mit dem Kapitalismus.

 

Was lernen wir? Selber arbeiten ist blöd, besser wäre es, wenn Geld für einen arbeiten würde, aber am besten ist es, wenn das Geld anderer Leute für einen selbst Profit abwirft. Nach dieser Logik Arbeit unser Anti-Held JR, der jede sich bietende Gelegenheit ausnutzt. Ein Schnäppchenjäger der übelsten Sorte und schon früh ein guter Manipulator. Er hätte es vermutlich auch in der Politik sehr weit gebracht. Die meiste Zeit des Stückes wirkt er ein wenig wie ein kindlicher Gustav Gans, dem der Erfolg quasi zufliegt.

 

Aber In dem Stück geht es nicht nur um die Perversion des „American Dreams“, der mit Leichtigkeit alteingesessene Unternehmen aufkauft, sie zerpflückt und die Reste gewinnbringend wieder verkauft. Ob die Arbeiter, die nicht mehr gebraucht werden, auf der Strecke bleiben, interessiert niemanden. Obskure Finanzpraktiken wie „Sale & Lease back“, die vermutlich kaum jemand durchschaut, werden in dem Stück ebenfalls thematisiert. Dieser Mechanismus der Wirtschaft, die völlig ohne Bewusstsein für ihr Tun agiert, ist das Hauptthema.

 

Doch bei „JR“ geht es auch um die Korrumpierung der Künstlergilde. Da unser JR mit 11 Jahren noch nicht geschäftsfähig ist, braucht er einen Strohmann. Den findet er im erfolglosen Komponisten Edward Bast, der sich erst wehrt, dann aber dem Glanz des Geldes nicht widerstehen kann. Auch ein erfolgloser Schriftsteller wird als PR-Mann engagiert. Erst zum Schluss, als sich das Finanzimperium von JR wieder in Wohlgefallen auflöst, versucht Bast JR die Schönheit der Musik anhand von Bachs Kantate zu vermitteln. „Muss es für alles eine Millionen geben“, wird einmal im Stück gefragt.

 

Marcus Lobbes, der für die Inszenierung verantwortlich ist, präsentierte einen alten Indianer „Smokey Bear“ als Erzähler, der natürlich auch alte Indianer-Weisheiten zum Besten gab wie beispielsweise die „Weissagung der Cree“, die angeblich von Häuptling Seattle stammen soll.

 

Beim Bühnenbild griffen die Wuppertaler in die Trickkiste. Eine Gazewand und eine weitere Wand boten dem Ensemble vielfältige Möglichkeiten. Zudem konnten Bilder projiziert werden und aus den Schauspielern wurden manchmal Schattenspieler.

 

Siegt am Ende die Kunst, wenn Bach ertönt? Nein, das wäre auch völlig platt. Am Ende wächst aber die Erkenntnis, dass die Kunst Werte erschaffen kann, die nicht mit Geld zu bezahlen sind. Ob JR daraus etwas gelernt hat? Wenn ich mir die Wirtschaftsnachrichten durchlese, fürchte ich, dass es eher noch mehr JRs gibt.

tt#14 3. Tag Ente trifft Tod und Josef K. wird der Prozess gemacht

Am Sonntag, den 15. Juni gastierte um 12:00 Uhr im Rahmen des NRW Theatertreffen 2014 das Junge Schauspiel Düsseldorf (Westwind-Gewinner) mit ihrem Stück „Ente, Tod und Tulpe“ für Kinder ab 4 Jahren im Theater Dortmund. Im Studio des Dortmunder Schauspiels setzten sich drei junge Schauspieler unter der Regie von Franziska Henschel sensibel und behutsam mit dem Thema Tod und Leben auseinander.

In der Mitte des Studios war ein flaches, viereckiges mit Wasser gefülltes und erst durch eine weiße Plane abgedeckte Becken als Art Ententeich zu sehen. Dass Ente, Tod und Leben zusammen gehören, war auch optisch zu sehen. Die drei Schauspieler (Moritz Löwe, Taner Şahintürk und Elena Schmidt) trugen alle über ihrer Kleidung die selben langen, gehäkelte Pullover mit überlangen Ärmeln. Die „Ente“ in in der Farbe rot, der „Tod“ in blau und die „Tulpe“(Symbol für Leben) in grün.

Zunächst erschrickt die Ente und hat Angst vor dem Tod, doch nähert sich langsam dem „ständigen Begleiter“und sie verlieren die Berührungsängste.

Die Inszenierung hat geht offen mit dem Thema um und hat natürlich nachdenklichen Momenten. So wird die Frage gestellt, was mit uns nach dem Tod passiert. Erfreulich ehrlich wird nicht so getan, als gäbe es darauf eine wahre Antwort.
Daneben ist ist das Stück aber hauptsächlich eine Hommage an das Leben, dass man auch im Bewusstsein der Endlichkeit auskosten und so gut wie möglich genießen und gestalten sollte.
Geschickt werden Wandprojektionen, Lichteffekte, Musik (Mundharmonika) und Bewegung eingesetzt. Alltagsgegenstände werden zur Erzeugung von Geräuschen in die Aufführung mit einbezogen.

Von der Lebensfreude bekam das Publikum in Form von dem durch die Schauspieler verspritzten Wasser ganz direkt etwas am eigenen Körper zu spüren.

Sensibel wird am Ende der Tod der Ente inszeniert. Der Tod wird zum Erzähler, und das Leben wird zum Tod. Eine gelungene Inszenierung, die kindgerecht und ohne unnötig Angst zu verbreiten ein Thema behandelt, was in unserer Gesellschaft gerne ausgeblendet und verdrängt wird.

Am Abend wurde im Dortmunder Schauspielhaus mit dem „Prozess“ von Franz Kafka ein Stück des Schauspiel Essen gezeigt, das auch schon hier in dieser Spielzeit im Studio inszeniert wurde.
Es ist die Geschichte des Bank-Prokuristen Josef K., dem kurz vor seinem 31. Geburtstag einen Haftbefehl von zwei Wächtern zugestellt wird, ohne zu wissen und zu erfahren, wessen er sich schuldig gemacht hat. Sein verzweifelten Versuche, die Dinge klarzustellen, enden mit seiner Hinrichtung.

Die Dortmunder Inszenierung von Carlos Manuel hatte natürlich schon durch das kleine, Publikums nahe Studio ganz andere äußere Rahmenbedingungen. Manuel ging es im „Prozess“ vor allem darum, herauszustellen, das mit dem „Gesetz“ Spielregeln gemeint sind, an der sich der Prokurist als Teil des Systems zu halten hatte.

Als Handlungszentrum für die Essener Inszenierung von Moritz Peters am Sonntag diente – wie bei der Bielefelder Inszenierung von „Minna von Barnhelm“ – allein ein „schräges Bühnengerüst“, das zunächst mit 30 abnehmbaren quadratischen Platten bedeckt war. Diese ließen sich bei Bedarf öffnen und dienten den fünf Schauspielern als effektvolle Möglichkeit des Ortswechsels und als Spielball für das Stück.

Wie bei der Dortmunder Aufführung entstand hier der Eindruck, als wenn die Orte auf Josef K. zukommen. Die Schauspieler spielten nicht nur mehre Rollen, sondern übernahmen auch abwechselnd die Funktion des begleitenden Erzählers. Die Inszenierung hat ähnlich wie die Dortmunder viel ironische und komische Momente.

Das Ensemble bot eine engagierte und eindrucksvolle Leistung. Floriane Kleinpaß in den beiden Frauenrollen, Thomas Büchel mit vielen komischen Momenten als Wächter oder enttäuschter „Onkel“, Jörg Malcho als Josef K., Johann David Talinski als gedemütigter Kaufmann Block und nicht zu vergessen das ehemalige Dortmunder Ensemble-Mitglied Axel Holst als beleidigter Advokaten.
Auch körperlich wurde ihnen alles abverlangt. Manchmal hatte das Publikum schon ein wenig Angst, das einer der Schauspiel eventuell vom Gerüst stürzen könnte.

Die moderne Inszenierung des jungen Regisseurs beeindruckte auch durch spezielle Effekte und den geschickten Einsatz von Videoeinspielungen wie etwa Josef K.’s an die Wand projizierte „Trickfilm-Traumfrequenz“ vom eigenen Tod und dem Fall in das schwarze Loch.

tt#14 2.Tag – ostwestfälischer Doppelpack

Der Samstag, der zweite Tag des NRW Theatertreffens in Dortmund, stellte die beiden ostwestfälischen Theater Paderborn und Bielefeld vor. Beide überzeugten mit spannenden Inszenierungen.
Der Samstag war auch der Beginn der Panels. Um 16 Uhr diskutierten Stefan Keim mit Anna Bromley und Ulf Otto über Theater und Rollenspiele. Ulf Otto widersprach ein wenig den Thesen von Ulf Schmidt, der bei der Eröffnung des Theatertreffens eine stärkere Ausrichtung der Theater an die technisierte Netzgesellschaft forderte. Schmidt benutzte dabei das Bild von Kolumbus als Entdecker einer neuen Welt. Genau dieses Bild kritisierte Ulf Otto. Denn nach der Entdeckung der neuen Welt kam es zur Eroberung derselbigen. Auch Jefferson, der dritte Präsident der USA, und Autor der Unabhängigkeitserklärung war ein Sklavenhalter. Die Hervorhebung von Technologie ohne ihre Problematik anzusprechen,nennt Ulf Otto die „kalifornische Ideologie“. Denn wer denkt beim Kauf eines Handys an die Herstellungsbedingungen. Hier fällt mir sofort das Stück „Die Agonie und Ektase des Steve Jobs“ ein, das vor zwei Spielzeiten im Schauspiel Dortmund Premiere feierte.
Das Theater Paderborn präsentierte mit „wohnen.unter Glas“ ein Stück über die Generation 30+. Nicht wissend, ob man (oder Frau) ihren Zenit noch erreichen wird oder ob man schon auf dem absteigenden Ast ist.
Die Geschichte: Drei ehemalige WG-Bewohner (zwei Frauen und ein Mann) treffen sich nach einigen Jahren in einem Hotel wieder. Schnell werden aus den Nettigkeiten Vorwürfe.
Schon das Bühnenbild zeigt das Dilemma der Thirty-Somethings. Überall lagen Umzugskartons herum, so als ob jeder auf dem Weg zu einem neuen Projekt oder einer neuen Vision ist. Hinzu kommt diese unerträgliche Marketingsprache, die ständig irgendwelche Möglichkeiten optimieren will.So wirkt das Private durchökonomisiert. Am Ende steht eine Wand.
Die Dreiecksgeschichte zwischen Max, Babsi und Jeani zeichnet ein tragisches Bild einer Generation die erkennt, dass sich Lebensentwürfe ändern und die Angst hat, zu einem „roten Riese „, einem sterbenden Stern, zu werden. Hoffnungen, die man früher hatte, sind geplatzt, individuelle Entwürfe stehen im Mittelpunkt und Wunden werden geleckt.
Wenn die Visionen, die man sich steckt, immer unerreichbarer werden, muss man halt,die Visionen anpassen. das heißt herunterschrauben. Bis der Zenit sich als Glasdecke entpuppt, die dicht über einem schwebt.
Natascha Heimes (Babsi), Kirsten Potthoff (Jeani) und David Lukowczyk als Max zeigten im Studio eine engagierte Leistung.
Der Klassiker Minna von Barnhelm von Lessing am Abend als dritte Inszenierung im Wettbewerb wurde vom Theater Bielefeld kräftig gegen den Strich gebürstet. Minna und ihre Kammerzofe Franziska wurden als It-Girls eingeführt, während Major von Tellheim und sein Diener Just ein klein wenig wie Frodo und sein Gefährte Sam in Herr der Ringe wirkten. Ob Tolkien sich von Lessing hat inspirieren lassen?
Das Bühnenbild war eine riesige schräge Fläche mit einigen Klappen, aus dem die Schauspieler urplötzlich auftauchten. man,konnte sie aber auch einfach nur herunterrutschen.
Die Inszenierung von Mareike Mikat konzentriert sich neben dem Major und Minni auf Franziska, Just, dem Wirt und Paul Werner, dem Freund vom Major. Von Minnas Oheim wird nur berichtet.
Dafür zeigten die Bielefelder wie sich Lessing und E-Gitarren miteinander kreuzen lassen. Viele kleine Gags wie das Betteln von Just beim Publikum um Pausenbrot oder wenn sich ein Koffer voller Geld in einen imaginären Fußball verwandelt, brachte das Schauspielhaus zum Lachen. Lessings Sprache gemixt mit modernen Elementen, das hat was. Chapeau Theater Bielefeld.
Das Ende ist zwar etwas verwirrend, wenn der Zuschauer die Orientierung verliert, wer nun wessen Ring eingelöst und wieder beschafft hat, aber die Schauspieler machten einen Riesenjob und der gute alte Lessing wurde ordentlich entstaubt. Sehr zur Begeisterung des Publikums. Jedenfalls vergingen die drei Stunden wie im Flug. Großes Lob an alle Beteiligten.

Faune, Feuervögel und archaische Riten

In eine wildromantische slawische Welt entführte uns die niederländische Tanzcompagnie „Introdans“ am 12. Juni im Opernhaus Dortmund mit dem Titel „Russisch Rumoer“. Zur Musik von Debussy und Strawinsky erlebten die Zuschauer Tanzkunst auf einem hohen Niveau.

„Introdans“ ist in Dortmund nicht unbekannt. Schon zu Beginn des Jahres 2013 waren sie zu Gast und präsentierten spanische Klänge. Nun ging es nach Rußland.

Den Beginn machte Debussys „L’après-midi d’un faune“. Nach der Choreografie von Thierry Malandain tanzte der Solotänzer einen Faun voller Energie, Lebensfreude und Erotik.

Das Bühnenbild war spärlich, hatte aber ein außergewöhnlich komisches Element: Unser Faun lag auf einer Art überdimensionalem Papiertaschentuch-Spender. Er zog aber statt eines Taschentuches seine Decke heraus.

Tänzerisch wurde die Suche nach Nahrung und Erfrischung ebenso dargestellt wie die Jagd nach Nymphen. Die angedeutete Sexszene am Ende führte 1912 zu einem großen Skandal, 2014 gab es für unseren Faun einen Riesenapplaus.

Märchenhafter ging es in der „Feuervogel Suite“ von Igor Strawinsky zu. Prinz Iwan gelingt es, den Feuervogel zu fangen, der ihm dafür eine Feder schenkt. Mit dieser Feder kann Iwan den bösen Zauberer Kastschej besiegen und dreizehn Jungfrauen befreien, darunter Prinzessin Zarewna.

Beeindruckend war vor allem das Bühnenbild. Wie ein abstraktes Gemälde, stark geometrisch geformt, brachte es die Zuschauer durch die verschiedene Beleuchtung in unterschiedliche Stimmungen. Dunkel und bedrohlich beim Zauberer Kasteschej oder rot wie flammen beim Versuch von Iwan, den Feuervogel zu fangen.

Die Choreografie von Stijn Celis hat durchaus auch eine politische Komponente: Waren die Jungfrauen zu Beginn unter dem Einfluss des bösen Zauberers noch verhüllt, werfen sie die engen Kleidungsstücke am Ende weg. Bemerkenswert waren die Sprünge und Figuren in dieser Choreografie, die sicher der Neo-Klassik zuzuordnen ist.

„Le sacre du Printemps“ nach der Musik von Strawinsky führte uns zurück in die archaische, heidnische Welt der Slawen. Dem Frühlingsgott brachte man eine Jungfrau zum Opfer, um auf eine gute Ernte zu hoffen. 17 Tänzerinnen und Tänzer zeigten auf famose Weise die rivalisierenden Kämpfe der einzelnen Stämme. Akrobatik und Tanzkunst bildeten eine Einheit. Im zweiten Teil gerät das ausgesuchte Opfer immer mehr in den Mittelpunkt. Berührend als sie versucht zu fliehen, aber von der Gemeinschaft immer wieder zurückgestoßen wird.

Insgesamt eine sehr gute Leistung eines sehr guten Tanzensembles.

tt#14 1. Tag – Tragik-komisches Sozialdrama

Auch Uwe Schmieder eröffnete das NRW Theatertreffen mit dem Dortmunder Sprechchor und gab einen kurzen Ausschnitt aus dem Stück "Die Hamletmaschine" zum besten.
Auch Uwe Schmieder eröffnete das NRW Theatertreffen mit dem Dortmunder Sprechchor und gab einen kurzen Ausschnitt aus dem Stück „Die Hamletmaschine“ zum Besten.

Nach der feierlichen Eröffnung des NRW Theatertreffen 2014 am 13. Juni im Dortmunder Schauspiel erwartete das Publikum mit „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ nach dem gleichnamigen Film des Finnischen Regisseurs Aki Kaurismäki zum Anfang ein Beitrag des Bochumer Schauspielhauses.

Die Bühne wurde zu einer tristen, düsteren Streichholzfabrik mit Holzkisten als Sitzgelegenheiten und einfacher Schlafgelegenheit im Hintergrund.

Die Fabrikarbeiterin Iris führt neben ihrer eintönigen Arbeit in der Streichholzfabrik ein trostloses Leben bei einer im Morgenmantel mit Lockenwickler herumlaufenden Mutter und einem schweigend vor dem Fernseher sitzenden, mürrischen Stiefvater. Diese Geschichte könnte könnte auch einer der „Prekariatsfamilien“ zum Beispiel im Ruhrgebiet spielen. Iris lebt nur in der Traumwelt ihrer Groschenromane und sehnt sich nach der wahren Liebe mit der Hoffnung, dem trostlosen Leben zu entkommen. Sie erkämpft sich ein schönes rotes Kleid, lernt einen Mann (Aarne) kennen und lieben, der sie aber nur als Abenteuer betrachtet und sie im Stich lässt, als sie ein Kind erwartet. Enttäuscht von Aarne verliert sie auch noch ihr Kind bei einem Unfall und wird von ihren Eltern aus dem Haus geworfen. Verzweifelt vergiftet sie den ehemaligen Geliebten und die Eltern.

Bei dieser Geschichte wird nicht viel gesprochen. Es herrscht das Schweigen, wie es wohl in vielen Familien in prekären Familien üblich ist. Viel läuft über die nonverbale Schiene. Das ist auch die besondere Stärke der Inszenierung von David Bösch und seinen vier Schauspielern. Allen voran beeindruckt Maja Beckmann als Iris mit starker und vielseitiger Ausdrucksfähigkeit. Ob sie fröhlich verliebt ist, von einem besseren Leben träumt, oder aber verschüchtert, traurig und ängstlich ist.

In gleich drei Rollen, als Erzähler, Iris Bruder Simo und als ihr geliebter Aarne überzeugt Daniel Stock als ihr kongenialer Schauspielpartner.

Anne Knaak als Iris Mutter und Matthias Redlhammer spielen zwar mehr im Hintergrund, aber mit ausdrucksstarken Gesten.

Eine bedeutende Rolle spielte die passende gut ausgewählte Musik wie zum Beispiel Elvis Presleys „Love me tender“ und die die Accessoires wie das T-Shirt mit dem Aufdruck vom Titelbild aus „Vom Winde verweht“. Sie zeigen die Sehnsüchte von Iris. Schöne Effekte wie Golregen und passende Beleuchtung rundeten das positive Gesamtbild ab.

Ein gelungener Auftakt für das NRW-Theatertreffen.

Hochkarätig besetzte Ballettgala

Am 28. Juni 2014 um 19.30 Uhr und am 29. Juni 2014 um 18.00 Uhr findet die, nicht nur in Fachkreisen angesehene, Internationale Ballettgala in der Dortmunder Oper schon zum neunzehnten Mal statt.

Ballettmanager Tobias Ehinger erklärte: „Wir bieten dem Publikum viele hochkarätige Ballettstars aus dem In-und Ausland. Neben unserer Kompanie , die den Gala-Anfang und das Ende den Rahmen bilden, kommen nationale und internationale Spitzentänzer aus Stuttgart, München , Berlin, Paris und aus Washington. Sie zeigen Ballett mit einer auf die Spitze getriebenen Perfektion. Die Internationale Ballettgala in Dortmund zeichnet sich nicht nur durch ihre Vielfalt aus, sondern steht immer unter einem Schwerpunkt und will das Publikum auf eine Reise mitnehmen. „In diesem Jahr widmen wir uns den großen Choreographen, die Tanzgeschichte geschrieben und das Ballett im 20. Jahrhundert vorangetrieben und entwickelt haben“, so Ehinger.

Nachdem die Dortmunder Ballett-Kompanie mit einem Ausschnitt aus der aktuellen Neubearbeitung von „Krieg und Frieden“ unter der Choreografie von Ballettdirektor Xin Peng Wang machen, zeigen Iana Salenko und Rainer Krenstetter (Staatsballett Berlin) mit „Stars and Strips“ des Choreographen George Balanchine die von der Revue geprägten Beginn der Tanzgeschichte das 20. Jahrhunderts.

In der Folge zeigt die Gala die weitere Entwicklung über den neoklassische Balletttanz um des Tanzes will in den 60iger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts , der vollen klassischen Eleganz wie beispielsweise bei „Three Predudes“ unter der Choreographie von Ben Stevenson, oder in dem heutigen modernen Ausdrucks-Ballett mit dem schwindelerregendem Nervenkitzel der Genauigkeit.

Das zeigt zum Schluss vor allem „The Vertiginous Thrill of Exactitude“ unter der Choreographie von William Forsythe aus den „Drei Farben Tanz“.

Das Publikum bekommt an den Gala-Abenden so auch einen allgemeinen Überblick von den verschiedenen „Ballett-Schulen“ aus Russland, Frankreich, den Niederlanden oder den USA.

Die wegweisenden Choreographen für das Ballett des 20. Jahrhunderts werden hier gewürdigt.

Ein besonderes Highlight erwartet die Zuschauer übrigens mit dem Auftritt des afroamerikanischen Tänzers und „Show man“ Brooklyn Mack vom Washington Ballet . Zusammen mit Hyo-Jung Kang vom Stuttgarter Ballett führt er uns in „Diana und Aceon“ (Choreographie Agrippina Vaganova) mit Technik auf höchsten Niveau „Back to the roots“.

Achtung! Im September gibt es mit der 20. Internationalen Ballettgala eine Jubiläums-Gala. Karten möglichst schon in der ersten Juli.Woche kurz vor dem Spielzeitende in dieser Saison sichern.

Durch das mit etwa 17 Punkten umfangreiche Programm führt wieder der beliebte Kammersänger Hannes Brock.

Genaue Informationen über das gesamte Programm und Karten und Preise erhalten sie telefonisch unter. 0231/ 50 27 222 oder unter www.theaterdo.de , sowie an allen bekannten Vorverkaufsstellen.

Wenn Prachtstücke auf Ornamente treffen

Ein "Prachtstück" von Andrea Maria Bresson.
Ein „Prachtstück“ von Andrea Maria Bresson.

Bunt und farbenfroh ist die aktuelle Ausstellung in der Galerie Dieter Fischer im Depot. Unter dem Titel „Prachtstücke/Ornamente“ zeigen AndreaMaria Bresson und Mo Hadjimir vom 13.06. bis zum 20.07.2014 ihre Kunst. Als Gast dabei ist der junge iranische Künstler Oham, der Graffiti Kunst präsentiert.

Kennen Sie die Venus von Willendorf? So ähnlich gebaut wirken auch die „Prachtstücke“ von Andrea Maria Bresson. Aber Bressons Frauenbilder sind farbenfroher, sie enthalten eine Vielzahl an Symbolik und Mystik. Beinahe ist der Betrachter geneigt, jedem Prachtstück ein Volks zuzuordnen. Passt die Frau mit dem Elchgeweih vielleicht in den hohen Norden?

Wer die Arbeiten des persischen Künstlers Mo Hadjimir sieht, begreift, warum die Kunst der Ornamentik aus dem arabischen Raum zur hohen Kunst getrieben wurde. Daher stammt auch der Begriff Arabeske. Hadjimir Benutzen florale Ornamente und arabische Schriftzeichen, um seine Bilder zu einem Kunstwerk werden zu lassen. Seine Farbgebung wechselt von dezent, über knallige Farben bis hin zu schwarzen mystischen Arbeiten.

Sind Tags von Graffiti-Künstlern die neue Ornamentik? Bei den Arbeiten von Ohan könnte man drauf schließen. Seine Graffiti-Art ist ebenso farbenreich.

Galerie Dieter Fischer
Im Depot Dortmund
Immermannstraße 29
44147 Dortmund

Öffnungszeiten: donnerstags von 16 bis 20 Uhr und nach telefonischer Vereinbarung unter 0171 / 264 7972 (Kurator Hartmut Gloger)

Weitere Öffnungszeiten: zur ExtraSchicht, 28.06.2014 von 18 bis 24 Uhr

Eintritt:frei

Bewegung und Leben

Vier Damen und zwei Herren des Seniorenprojekts am Schauspiel Dortmund setzten sich unter der Regie von Sarah Jasinszczak am 12. Juni 2014 in der Jungen Oper unter dem Titel „MOVING-STILL-MOVING“ mit dem Thema Bewegung auseinander.

Unterstützt von Video-Projektionen durch Jan Voges wurde die Vorstellung mit einer Mischung von literarischen (Rilke) und eigenen Texten, wie die „Senioren-Gebote“ sowie Gesang und Choreografien. Dabei wurde das Augenmerk vor allem auf die Füße, Hände, -Herz, Kopf und Augen gelegt.

Schon beim Einlass waren die fitten Theater-Senioren beim spaßigen Durchlaufen der Theater-Tiefgarage auf der Leinwand zu sehen. Die sechs Beteiligten wurden dann zunächst von der Leinwand aus durch den „Dirigenten“ Niels Beck humorvoll-ernsthaft zum gemeinsamen Sprechen eines DADA -Textes animiert. Sozusagen: Gemeinsamkeit im Chaos schaffen.
Eine der beteiligten Seniorinnen macht klar, wie wichtig Offenheit und eine gewisse Mobilität gerade auch im Alter ist, um neben den Einschränkungen auch Momente der Hoffnung und Freiheit zu erleben.
Dafür sind die „Gebote für Senioren“ von unerlässlich. Um nur zwei zu nennen: „Du sollst nicht immer von Krankheiten reden“ oder „Du sollst dir einen ‚gefährlichen Menschen‘ zum Kaffee einladen“.
Füße sind für Bewegung in jedem Alter von essenziellem Belang. Effektvoll plantschten fünf der Akteure in mit Wasser gefüllten Schüsseln, während auf der Leinwand die Füße der Senioren zu sehen waren.
Als „Putze“ half Regie-Assistentin Janine Janßen als junge Frau beim Aufwischen. Sie hatte auch einen musikalischen Auftritt und sang „I am pretty“ aus der West-Side-Story.
Musikalisch besungen wurde mit dem „Forellen-Quintett“ von Schubert die „Forelle“, passenderweise geangelt von Senior Heinrich Fischer. Dann wurde gemeinsam nach altem Rezept „Forelle Blau“ zubereitet.
Eine besondere Stimmung kam auf, als die sechs Senioren fröhlich sowohl auf der Leinwand rund um das Schauspiel, wie auch live auf der Bühne tanzten,
Wie wichtig der Blickkontakt mit Augen und die Berührung mit den Händen für das Wohlbefinden und die Kontaktaufnahme zu jeder Zeit sind, wurde anschaulich zum Teil mit entsprechendem Videos dargestellt.

Wer dieses bewegende Seniorenprojekt erleben will, hat dazu noch während des Theaterfestes am 30.08. 2014 die Gelegenheit.

Rezensionen und Berichte über Dortmunder Kunst und Kultur