Schlagwort-Archive: Kasimir und Karoline

Liebe oder gesellschaftlicher Aufstieg?

Auch in der Liebe gilt: Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. (v.l.n.r. Bettina Lieder,  Frank Genser, Julia Schubert, Christoph Jöde und Max Thommes) Foto: © Birgit Hupfeld.
Auch in der Liebe gilt: Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. (v.l.n.r. Bettina Lieder,
Frank Genser, Julia Schubert, Christoph Jöde und Max Thommes) Foto: © Birgit Hupfeld.

Immerhin geht es trotz Krise den Friseuren anscheinend prima, zumindest in der Inszenierung von „Kasimir und Karoline“ in der Regie von Gordon Kämmerer, die am 18. September im Megastore Premiere hatte. Die Kostüme und Frisuren wirkten leicht skurril und hatten einen leichten Comic-Touch. Hinzu kamen choreografische Elemente, die aus dem tragikomischen Stück eine flotte Unterhaltungspartie machte. Eben wie auf dem Rummel, Glück und Elend liegen eng beieinander und manchmal ist der Partner auf dem Nachhauseweg ein anderer als auf dem Hinweg.

„Kasimir und Karoline“ von Ödön von Horváth spielt in den Jahren der Weltwirtschaftskrise des 20. Jahrhunderts. Aber das Stück kann problemlos in die Jetztzeit verlegt werden, denn Wirtschaftskrise ist immer noch aktuell. Passend zur Jahreszeit spielt das Stück auf dem Oktoberfest. Kämmerer verzichtete – anders als die Düsseldorfer beim Theatertreffen 2014 – auf eine Verortung in heimische Gefilde.

Kämmerer beginnt mit einer Szene aus einem anderen Stück von von Horváth nämlich „GlaubeLiebeHoffnung“, in der eine Frau ihren Körper an die Anatomie verkaufen möchte. Diese Idee ist nicht neu, denn Jette Steckel hat es 2015 im Thalia Theater ähnlich gemacht. Glücklicherweise geht Kämmerer direkt danach straff zum eigentlich Stück über: Kasimir (Ekkehard Freye) und Karoline (Julia Schubert) möchten einen Abend auf dem Oktoberfest verbringen. Die Stimmung ist getrübt, denn Kasimir hat vor einem Tag seinen Job verloren. Kasimirs depressive Stimmung vertreibt Karoline, die mit dem Zuschneider Schürzinger (Frank Genser) eine passende Begleitung kennenlernt. Kasimir hingegen trifft seinen kriminell gewordenen Freund Merkl Franz (Christoph Jöde) mit seiner Freundin Erna (Bettina Lieder). Doch auch das aufkeimende Glück von Karoline wird gestört, als zwei Herren der gehobenen Gesellschaft, Kommerzienrat Rauch (Carlos Lobo) und Landgerichtsdirektor Speer (Max Thommes) ein Auge auf Karoline werfen.

Trotz der leicht schrillen Inszenierung (Jugendlichen wird‘s vermutlich gefallen), strahlt dieses Stück eine melancholische Stimmung aus. Kasimir, auch wenn er am Schluss mit Erna möglicherweise sein Glück und seine Bestimmung findet, muss den Verlust seiner Liebe Karoline verwinden. Karoline ist in gewisser Weise berechnend, denn sie will auf gesellschaftlicher Ebene aufsteigen und schafft es mit Schürzinger. Denn auch Schürzinger tauscht Liebe für Karriere, er überlässt Karoline seinem Chef Rauch für eine Beförderung. So gesehen passen beide gut zusammen.

Kämmerer inszeniert sein Stück passend für einen Rummelplatz. Schrill, laut, rasant (die umgebauten Carts sind ein Hingucker) und strafft den Horváth. So lässt er beispielsweise die menschlichen Kuriositäten wegfallen. Zwar ist der Beginn aus „GlaubeLiebeHoffnung“ in meinen Augen etwas merkwürdig, der zweite eingebaute Text von Horváth, der kleine Monolog „Die Wiesenbraut“ über die Rolle von manchen Mädchen auf dem Oktoberfest, ist aber sehr passend.

Das Ensemble macht einen guten Job, es harmonisiert sehr und es macht Spaß, ihnen beim der Handlung durch das Festzelt mit den riesigen Weißwürsten zu folgen. Musik gibt es in zwei Varianten: Hauptsächlich durch den Elektronik-Musiker Max Thommes, der passende Rummelplatz-Musik einstreut und dem Fanfaren-Corps 1974 Dortmund-Wickede, der für die entsprechende Bierzelt-Atmosphäre sorgt.

Auf dem Rummelplatz sind alle gleich, sagt Kommerzienrat Rauch einmal. Auf den ersten Blick vielleicht, aber es macht schon einen Unterschied, ob man einmal die teure Achterbahn fahren kann oder öfters. Das Stück und die Inszenierung ist eine absolute Empfehlung, vor allem für junges Publikum.

Mehr Infos: www.theaterdo.de

 

Auf dem Rummelplatz sind alle gleich

Kasimir (Ekkehard Freye) in schlechter Gesellschaft mit Merkl Franz (Christoph Jöde) und Dem Merkl Franz seine Erna (Bettina Lieder). (Foto: © Birgit Hupfeld)
Kasimir (Ekkehard Freye) in schlechter Gesellschaft mit Merkl Franz (Christoph Jöde) und Dem Merkl Franz seine Erna (Bettina Lieder). (Foto: © Birgit Hupfeld)

Oder auch nicht. In Ödön von Horváths Drama „Kasimir und Karoline“ geht es für die Protagonisten um die Frage, welchen Platz sie in der Gesellschaft einnehmen und ob die Liebe die Unterschiede ausgleichen kann. Premiere des Stückes in der Regie von Gordon Kämmerer ist am 18. September 2016 um 18 Uhr im Megastore.

Kasimir hat seinen Job als Chauffeur verloren, aber seine Verlobte Karoline möchte gerne auf den Rummelplatz, um für einen Abend die Sorgen des Alltags zu vergessen. Doch geht das überhaupt? Der Rummelplatz ist zwar ein Ort, bei dem die Standesunterschiede verwischen, ähnlich vielleicht wie im Fußballstadion, aber ganz verschwinden sie nicht.

Von Horváth hat das Stück kurz nach der Weltwirtschaftskrise geschrieben, es wurde 1932 aufgeführt. Doch von seiner Aktualität hat es bis heute nichts verloren.

Freuen können sich die Zuschauer auf den Musiker Max Thommes, der auch eine Rolle im Stück übernimmt und den Fanfaren-Corps 1974 Dortmund-Wickede, der für die entsprechende Rummelplatz-Musik sorgen wird.

Neben der Premiere am 18. September gibt es weitere Vorstellungen am 25. September, 01., 15. und 26. Oktober, 03., 11. und 18. November, 08. Januar 2017, 26. Februar 2017 und 05. Mai 2017. mehr Informationen unter www.theaterdo.de

tt#14 5. Tag – Warum ist es am Rhein so schön?

Regisseur Nurkan Erpulat vom Düsseldorfer Schauspiel nimmt einen Ortswechsel vor: Er verlegt Ödön von Horváths Stück „Kasimir und Karoline“ passenderweise nach Düsseldorf. Statt beim Oktoberfest spielt die Handlung auf der Kirmes in den Rheinwiesen und aus einem Zuschneider wird ein Marketingmitarbeiter. Zu Horváths Zeiten hätte man sicher noch von einem Konflikt zwischen Klassen geredet, heute scheint der Begriff aus der Mode gekommen zu sein.

 

Die da oben gegen wir da unten. Oberschicht und Prekariat. Zwei Schichten, die nicht mehr miteinander, sondern nur noch übereinander reden. Wobei mit reden eher beschimpfen gemeint ist. Auf der einen Seite Unternehmer und Oberbürgermeister Rauch, der mit seinem Freund Staatsanwalt Speer die Oberschicht verkörpert. Rainer Galke spielt mit wahrer Freude den Rauch als rheinischen Sugardaddy, der überzeugt ist, mit Geld alles kaufen zu können. Brillant ist auch seine Kirmes-Eröffnungsrede, bei der er in echter Politikermanier über Sicherheit und Schuldenfreiheit seiner schönen Stadt schwadroniert.

 

Die Hauptfiguren Kasimir und Karoline gehen neben Rauch und Kasimirs Freund Merkl Franz (Taner Sahintürk) ein wenig unter, obwohl sie eigentlich den Kern der Handlung ausmachen. Denn es geht darum, dass die beiden einen schönen Tag auf der Kirmes verbringen wollen, Kasimir aber gerade seinen Job verloren hat. So empfindet er sich als minderwertig, kann seine Ängste aber nicht ausdrücken und verärgert so Karoline, die sich erst vom Marketingmitarbeiter Stürzinger und dann von Rauch und Speer aushalten lässt.

 

Karoline hat sichtbare Angst, dass sie Kasimir (vor allem durch seinen kriminellen Freund Merkl Franz) ins Prekariat zieht. Sie sucht ihren Platz in der Gesellschaft. Den kann ihr Kasimir nicht bieten, aber Karoline muss auch feststellen, dass die Oberschicht auch kein platz für sie ist. Zu steht am ende des Stückes ein Happy-End für Karoline und Störzinger.

 

Und Kasimir? Er erkennt, dass er Karoline das Leben, das sie führen möchte, nicht bieten kann, und lässt sie gehen. Mehr noch: Er schließt sich Erna, der Verlobten von Merkl Franz an.

 

Zum Bühnenbild: Das Stück beginnt vor einem reliefartigen metallenen Vorhang, vor dem die Eröffnungsrede stattfindet, danach gibt sie den Blick frei auf eine große Anzahl von Bierbänken, die eher nach München oder auf ein Dorffest passen, als auf die Düsseldorfer Kirmes. Zwischendurch hat Regisseur Erpulat die seltsame Idee, eine Art Kuriositätenkabinett auf die Bühne zu stellen. Kirmesboxer ok, aber warum die Schauspieler eine Ultrakurzversion von Hamlet auf die Bühne bringen müssen, bleibt unklar (vermutlich ist das eine interne Düsseldorfer Geschichte).

 

Musikalisch wurde einiges geboten, meist begleitet von einer Mini-Schützenkapelle (Bass, Trompete und Akkordeon). Christian Ehrich brillierte als Sänger(in).

 

Wie in Düsseldorf fiel Taner Sahintürk in der Mitte des Stückes aus seiner Rolle und ging ins Publikum. Waren die Fragen erst allgemein „Wie hat es Ihnen gefallen?“ oder „War es etwas zu brutal?“, ging es danach ans Eingemachte „Wieviel verdienen Sie?“ „Ist hier jemand arbeitslos?“ Sahintürk sammelte noch etwa 25 € ein und das Stück ging weiter.

 

Horváths Stück über die Angst vor dem Abstieg und dem Wunsch nach gesellschaftlicher Sicherheit ist immer noch aktuell wie eh und je.