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tt#14 3. Tag Ente trifft Tod und Josef K. wird der Prozess gemacht

Am Sonntag, den 15. Juni gastierte um 12:00 Uhr im Rahmen des NRW Theatertreffen 2014 das Junge Schauspiel Düsseldorf (Westwind-Gewinner) mit ihrem Stück „Ente, Tod und Tulpe“ für Kinder ab 4 Jahren im Theater Dortmund. Im Studio des Dortmunder Schauspiels setzten sich drei junge Schauspieler unter der Regie von Franziska Henschel sensibel und behutsam mit dem Thema Tod und Leben auseinander.

In der Mitte des Studios war ein flaches, viereckiges mit Wasser gefülltes und erst durch eine weiße Plane abgedeckte Becken als Art Ententeich zu sehen. Dass Ente, Tod und Leben zusammen gehören, war auch optisch zu sehen. Die drei Schauspieler (Moritz Löwe, Taner Şahintürk und Elena Schmidt) trugen alle über ihrer Kleidung die selben langen, gehäkelte Pullover mit überlangen Ärmeln. Die „Ente“ in in der Farbe rot, der „Tod“ in blau und die „Tulpe“(Symbol für Leben) in grün.

Zunächst erschrickt die Ente und hat Angst vor dem Tod, doch nähert sich langsam dem „ständigen Begleiter“und sie verlieren die Berührungsängste.

Die Inszenierung hat geht offen mit dem Thema um und hat natürlich nachdenklichen Momenten. So wird die Frage gestellt, was mit uns nach dem Tod passiert. Erfreulich ehrlich wird nicht so getan, als gäbe es darauf eine wahre Antwort.
Daneben ist ist das Stück aber hauptsächlich eine Hommage an das Leben, dass man auch im Bewusstsein der Endlichkeit auskosten und so gut wie möglich genießen und gestalten sollte.
Geschickt werden Wandprojektionen, Lichteffekte, Musik (Mundharmonika) und Bewegung eingesetzt. Alltagsgegenstände werden zur Erzeugung von Geräuschen in die Aufführung mit einbezogen.

Von der Lebensfreude bekam das Publikum in Form von dem durch die Schauspieler verspritzten Wasser ganz direkt etwas am eigenen Körper zu spüren.

Sensibel wird am Ende der Tod der Ente inszeniert. Der Tod wird zum Erzähler, und das Leben wird zum Tod. Eine gelungene Inszenierung, die kindgerecht und ohne unnötig Angst zu verbreiten ein Thema behandelt, was in unserer Gesellschaft gerne ausgeblendet und verdrängt wird.

Am Abend wurde im Dortmunder Schauspielhaus mit dem „Prozess“ von Franz Kafka ein Stück des Schauspiel Essen gezeigt, das auch schon hier in dieser Spielzeit im Studio inszeniert wurde.
Es ist die Geschichte des Bank-Prokuristen Josef K., dem kurz vor seinem 31. Geburtstag einen Haftbefehl von zwei Wächtern zugestellt wird, ohne zu wissen und zu erfahren, wessen er sich schuldig gemacht hat. Sein verzweifelten Versuche, die Dinge klarzustellen, enden mit seiner Hinrichtung.

Die Dortmunder Inszenierung von Carlos Manuel hatte natürlich schon durch das kleine, Publikums nahe Studio ganz andere äußere Rahmenbedingungen. Manuel ging es im „Prozess“ vor allem darum, herauszustellen, das mit dem „Gesetz“ Spielregeln gemeint sind, an der sich der Prokurist als Teil des Systems zu halten hatte.

Als Handlungszentrum für die Essener Inszenierung von Moritz Peters am Sonntag diente – wie bei der Bielefelder Inszenierung von „Minna von Barnhelm“ – allein ein „schräges Bühnengerüst“, das zunächst mit 30 abnehmbaren quadratischen Platten bedeckt war. Diese ließen sich bei Bedarf öffnen und dienten den fünf Schauspielern als effektvolle Möglichkeit des Ortswechsels und als Spielball für das Stück.

Wie bei der Dortmunder Aufführung entstand hier der Eindruck, als wenn die Orte auf Josef K. zukommen. Die Schauspieler spielten nicht nur mehre Rollen, sondern übernahmen auch abwechselnd die Funktion des begleitenden Erzählers. Die Inszenierung hat ähnlich wie die Dortmunder viel ironische und komische Momente.

Das Ensemble bot eine engagierte und eindrucksvolle Leistung. Floriane Kleinpaß in den beiden Frauenrollen, Thomas Büchel mit vielen komischen Momenten als Wächter oder enttäuschter „Onkel“, Jörg Malcho als Josef K., Johann David Talinski als gedemütigter Kaufmann Block und nicht zu vergessen das ehemalige Dortmunder Ensemble-Mitglied Axel Holst als beleidigter Advokaten.
Auch körperlich wurde ihnen alles abverlangt. Manchmal hatte das Publikum schon ein wenig Angst, das einer der Schauspiel eventuell vom Gerüst stürzen könnte.

Die moderne Inszenierung des jungen Regisseurs beeindruckte auch durch spezielle Effekte und den geschickten Einsatz von Videoeinspielungen wie etwa Josef K.’s an die Wand projizierte „Trickfilm-Traumfrequenz“ vom eigenen Tod und dem Fall in das schwarze Loch.

Kafkas „Prozess“ als Kammerspiel

Kurz vor der Hinrichtung scheint Josef K. (Björn Gabriel) das Unheil zu ahnen. Im Hintergrund: Andreas Beck und Sebastian Graf. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Kurz vor der Hinrichtung scheint Josef K. (Björn Gabriel) das Unheil zu ahnen. Im Hintergrund: Andreas Beck (links) und Sebastian Graf. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Nach „Peer Gynt“ von Henrik Ibsen zeigte das Schauspielhaus Dortmund Franz Kafkas „Der Prozess“ in einer konzentrierten Form. Die Premiere am 14. Februar im Studio dauerte etwa 90 Minuten. Regisseur Carlos Manuel präsentierte das Stück vor allem zu Beginn auch mit einer guten Prise Humor.

 

Zum Stück: Die Hauptfigur, Josef K., wird an seinem 30. Geburtstag verhaftet. Im Verlauf einer immer bizarrer werdenden Handlung versucht Josef K. herauszufinden, wer und vor allem weswegen er angeklagt wird. Trotz anwaltlicher Hilfe bekommt er keine Antworten. Nach einem Jahr wird er unvermittelt hingerichtet.

 

Die bis dahin allgemeine Lesart des Stückes war der aussichtslose Kampf des Individuum gegen eine übermächtige Bürokratie. Die Bilder des Films von Orson Welles aus dem Jahre 1962 verstärken diese Sichtweise noch. Carlos Manuel hat einen anderen Zugang gewählt. Zum einen betont er die durchaus komischen Aspekte des Stückes. Beispielsweise als Josef K. in der Vorstadt geht und die Frau des Gerichtsdieners beim Wäscheaufhängen antrifft. Manuel geht es im „Prozess“ auch darum , dass mit dem „Gesetz“ Spielregeln gemeint sind. Auch von Josef K, der ein Teil dieses Systems ist wird erwartet, dass er sich daran hält. Schon in der Anfangsszene wird dies deutlich: Die beiden Wächter (Uwe Rohbeck und Andreas Beck) sind nach ihrer Ansicht überaus freundlich zu dem Verhafteten, während Josef K. (Björn Gabriel) das Verhalten der beiden Beamten anmaßend findet. Er begreift nicht, dass er nicht die Spielregeln gestaltet. Im weiteren Verlauf des Stückes versucht Josef K. immer wieder, sich kleine Vorteile zu verschaffen, macht dabei aber den Fehler, den sirenenhaften Frauen wie Leni, der Frau des Gerichtsdieners oder Frau Bürstner (alle Merle Wasmuth) zu vertrauen.

Eine wichtige Rolle spielen die Begriffe wie Scham, Dominanz und Erniedrigung als Mittel der (Selbst-)Kontrolle und. Besonders deutlich wird es, wenn Sebastian Graf als kaufmann Brock die Hände des Advokaten (Uwe Rohbeck) die Hände küsst und sich wie ein Hund benehmen muss. Dazu passt der letzte Satz, der in der Inszenierung vom sterbenden Josef K. gesprochen wird. „Wie ein Hund! Als sollte mich die Scham überleben.“

 

Die Bühnenwand ist auf der rechten Seite eingerissen, und es schaut nur ein Augenpaar neugierig als Symbol für „Kontrolle“ heraus. Auf der gegenüberliegenden Seite ist die Wand mit einigen Postern beklebt, die eine leicht bekleidete Frau zeigen, deren Augen abgeschnittenen sind. Für den Maler Titorelli (Andreas Beck) die Vorlage für die „Justitia“. Inder Mitte der Bühne ist eine gutbürgerliche Tapetenwand zu sehen. Die Bühne ändert sich nicht, wenn der Ort der Handlung wechselt. Es hat eher den Eindruck, die Orte kämen auf Josef K. zu.

 

Björn Gabriel spielt den Josef K. in all seinen Facetten. Erst belustigt, weil er es für einen Scherz hält, dann immer fassungsloser werdend. Er bleibt fast immer beherrscht, auch wenn um ihn herum der Wahnsinn tobt. Eine beeindruckende Vorstellung von Gabriel.

Andreas Beck, Sebastian Graf und Uwe Rohbeck spielen mehrere Rollen. So spielt Graf unter anderem den arrogant wirkenden Direktor-Stellvertreter und den devoten Kaufmann Block. Uwe Rohbeck hat als Aufseher Franz einen komischen Auftritt und zeigt als Advokat die kalte, abweisende Seite eines Menschen, der über Macht verfügt und sie huldvoll gewährt oder nicht.

Andreas Beck spielt bis auf die Rolle des Gerichtsdieners Personen, die es eher gut mit Josef K. meinen wie seinen Onkel oder den Maler Titorelli.

Merle Wasmuth spielt ebenfalls mehrere Rollen: Sie ist sehr oft als verführerische Frau zu sehen (Frau Bürstner, Leni), aber auch das Sadomaso-Domina in der Rolle der Prüglerin.

Wenn sie dem „Prozess“ beiwohnen möchten, haben Sie ab April wieder die Möglichkeit dazu. Mehr Infos unter www.theaterdo.de

Wer bestimmt die Regeln?

Josef K. (Björn Gabriel) wird in die Zange genommen von Andreas Beck (links) und Uwe Rohbeck.
Josef K. (Björn Gabriel) wird in die Zange genommen von Andreas Beck (links) und Uwe Rohbeck. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Am 14. Februar 2014 um 20 Uhr wird im Studio des Schauspiel der „Prozess“ von Franz Kafka eröffnet. Neben der „Verwandlung“ ist der „Prozess“ das wohl bekannteste Werk des Schriftstellers. Allgemein hin gilt „Der Prozess“ als eine Art der Auseinandersetzung mit einer unmenschlich agierenden Bürokratie.

 

Kurz zur Handlung: Der Bankangestellte Josef K. wird verhaftet, weiß aber nicht, welches Verbrechen er eigentlich beschuldigt wird oder wer hinter der Anklage steht. Da er zwar verhaftet, aber nicht eingesperrt wurde, versucht er vergeblich die Hintergründe herauszubekommen. Inzwischen wird Josef K. verurteilt und am Ende hingerichtet.

 

Für Dortmund haben sich Dramaturg Thorsten Bihegue und Regisseur Carlos Manuel eine Neuinterpretation ausgedacht. Stellt man sich den „Prozess“ als Art Anklage gegen den Bürokratismus vor , mit lauter Menschen in grauen Anzügen, geht es dem Regisseur eher um die Frage: Was ist privat und was ist öffentlich? Und vor allem: Wer bestimmt die Regeln?

 

Schon der Ablauf des Stückes von Kafka macht den Wechsel von Privat zu Öffentlichkeit deutlich: Beginnt das Stück im Zimmer von Josef K., werden die Orte immer öffentlicher: Erst sein Wohnzimmer, dann das Zimmer der Nachbarin, sein Büro in der Bank und letztendlich die Vorstadt. Josef K. muss erkennen, dass er nach den Regeln der anderen Akteure spielen muss. Die öffentliche und private Ebene vermischen sich.

 

Kann der „Prozess“ auch eine Komödie sein. Nach einer Anekdote soll sich Kafka bei einer Lesung von „Der Prozess“ unter Freunden amüsiert haben. Wahrheit oder Mythos? Jedenfalls nicht für Regisseur Carlos Manuel. Für ihn hat die Kritik gegen ein System, von dem man selber ein Teil ist, etwas komisches.

 

In der Inszenierung wird die Figur des Josef K. (gespielt von Björn Gabriel) immer im Mittelpunkt der Bühne stehen, das heißt alle Figuren drehen sich quasi um ihn.

 

Die ersten drei Vorstellungen sind schon ausverkauft, weitere Termine (ab April) folgen. Infos unter www.theaterdo.de