Ode an die Südtribüne

War es nun ein unglücklicher Zeitpunkt als die Autorennationalmannschaft den BVB in der Saison 14/15 bei den Heimspielen begleitete oder ein guter? Denn es gab eine katastrophale Hinrunde mit Tabellenplatz 18, eine enorme Aufholjagd in der Rückrunde, ein DFB-Pokalendspiel und ein Abschied von Erfolgstrainer Jürgen Klopp. Was aber an den Geschichten von Moritz Rinke und seinen Mitautoren auffällt, ist die Bewunderung für die Südtribüne. „Man muss ein Spiel auch Lesen können“ präsentiert die Geschichten, die in Zusammenarbeit mit dem BVB-Hauptsponsor Evonik zustande kamen.

Die Idee war einfach: Man schickt zu jedem Heimspiel von Borussia Dortmund und zu den wichtigen Pokalspielen einen Autoren der Autorennationalmannschaft und schaut, was dabei herauskommt. Trotz der sehr schwachen Hinrunde war in den Kurzgeschichten keine Häme zu lesen. Was fast überall auftaucht ist die Faszination für die Südtribüne oder die Dortmunder Stadionbesucher generell. „Es gibt Stadien da wird ein Spiel beobachtet. In Dortmund dagegen wird es gelebt“, schreibt Benedict Wells, seines Zeichens Bayern-Fan, in seiner Geschichte „Das Experiment“. Lucas Vogelsang widmet ihr sogar ein eigenes Gedicht in „In der Wand“. „Die Wand ist ein Klangmonster, wenn sie freudvoll Ballett tanzt, wankt das Stadion“, beschreibt Frank Willmann das Phänomen beim 1-0 Sieg gegen Hoffenheim in „Feldforschungen im Kloppland“.

Doch es gibt auch andere Geschichten. Berührende Liebesgeschichten wie bei Gregor Sander „Echte Liebe“ oder einen kleinen Trivialroman von Andreas Merkel unter dem Titel „Die Geschichte der Null“. Und was noch? Joachim Król erinnert sich mit „Schönis Geschichte“ an den DFB-Pokalsieg von 1989. Dazu haben Sebastian Kehl und Oliver Kirch Gastbeiträge geliefert. Doch zu den Höhepunkten gehört sicher das Interview von Rinke mit Jürgen Klopp. Nicht zu vergessen sind die wirklich schönen Illustrationen von Tim Dinter, die beispielsweise entscheidende Szenen der Spielzeit zeigen, wie den verschossenen Elfmeter von Mario Götze im Halbfinale des DFB-Pokal gegen Bayern. Das besagte Elfmeterschießen, bei dem vier Bayernspieler den Ball nicht in Tor versenken konnten, ist mittlerweile eine Legende.

Gut, wer sich jetzt nicht für Borussia Dortmund, die Südtribüne und das ganze Drumherum interessiert, gehört sicherlich nicht zur Zielgruppe dieses Buches. Der Rest wird viel Spaß beim Lesen haben und sich nochmals an eine sehr emotionale Saison mit vielen Achterbahnfahrten zurück erinnern. Das Buch eine runde Sache.

Man muss ein Spiel auch Lesen können

Moritz Rinke (Hrsg.)

Illustriert von Tim Dinter
Gebunden, 240 Seiten
Blumenbar, 14,95 €
978-3-351-05025-2

Bilder, die Geschichten erzählen

kallert
Ulla Kallert neben ihrem Bild „Wintertage in der Nordstadt“

Fotos erzählen Geschichten. Familienfotos erzählen Familiengeschichten, sie zeigen aber auch den Zeitgeist der Zeit, in der sie aufgenommen wurden. Die Künstlerin Ulla Kallert ist einen Schritt weiter gegangen und hat einige Familienfotos malerisch neu interpretiert. Es sind keine 1:1 Kopien, sondern Sichtweisen der Malerin. Die Ausstellung „212 Schritte hinter’m Bahnhof“ im Torhaus Rombergpark ist vom 30. August bis zum 20. September 2015 zu sehen.

Wohin kommt man, wenn man 212 Schritte hinter’m Bahnhof geht? In die Lessingstraße 76. Nicht nur das Geburtshaus von Ulla Kallert, sondern auch ihres Vaters. Doch die Inspiration, eine Serie mit Bildern von Familienfotos zu machen, stammt von ganz woanders her. Von einem Horrorfilm. „Angefangen hat es mit dem Film „Die Vögel“ von Hitchcock. Die Spannung in den Szenen hat mich dermaßen angekickt, dass ich vor dem Fernseher fotografiert habe. Die ersten drei Bilder sind nach dem Film entstanden. Bei einem Bild habe ich gedacht: Das ist wie in einem Familienbild von mir. Und dann habe ich mir meine Familienfotos angesehen“, erzählt die Künstlerin.

Die Bilder zeigen überwiegend Familienszenen aus den 60er Jahren, nur eins ist älter und erzählt eine besondere Geschichte: Das Kommunionsbild von Kallerts Vater mit dem Titel „Das Oberhaupt war auch mal klein.“ Dieses Bild berührt die Künstlerin sehr: „Ich war sehr betroffen, als ich das Foto jetzt nochmal betrachtet habe, weil ich gesehen habe, was für liebe Züge in dem Jungengesicht sind. Mein Vater war im Weltkrieg in russischer Gefangenschaft und der Krieg hat ihn so verändert, dass die ganze Familie darunter zu leiden hatte. Er war natürlich schwer traumatisiert.“

Fotos aus dieser Zeit sind in der Regel Schwarz-Weiß. Doch Kallerts Bilder haben leuchtende Farben. „Das ist für mich überhaupt kein Problem, da ich seit 25 Jahren eher Farbmalerin bin. Ich mache auch Ausflüge ins Figürliche, aber mein Schwerpunkt war immer Farbe, Komposition und Farbstimmung“, so die Künstlerin über ihre Arbeitsweise. Zudem ist für Kallert die Atmosphäre eines Bildes wichtiger als die originalgetreue Wiedergabe. „Da habe ich manchmal ein wenig gemogelt. Beispielsweise in einem Bild, auf der meine Schwester mit ihren Freundinnen zu sehen ist, habe ich meiner Schwester Ernst ein-gehaucht. Auf dem Foto lacht sie wie die anderen, aber es war mir nicht möglich sie so zu malen. Das wäre für mich nicht stimmig gewesen“, verdeutlicht Kallert.

Zwei Jahre hat die Künstlerin an dieser Serie gearbeitet, von denen 16 Werke in der Ausstellung zu sehen sind. Dadurch, dass die Gesichter nicht fotografisch genau ausgemalt sind, sind die Personen auf den Bildern nicht mehr allein Familienmitglieder, sondern erzählen vom Zeitgeist der 60er Jahre wie den ersten Urlauben oder Familienfesten.

Ulla Kallert

212 Schritte hinter’m Bahnhof

30. August bis 20. September 2015

Torhaus Rombergpark

Öffnungszeiten;

dienstags bis samstags 14 bis 18 Uhr

sonntags und feiertags 10 bis 18 Uhr

Ausweglose Situationen im Künstlerhaus

Eine Arbeit von Christian Loenhoff.
Eine Arbeit von Christian Loenhoff.

Ein Schwitzkasten ist einerseits ein Holzkasten für Schwitzbäder, andererseits aber auch ein Würgegriff. Schwitzkasten steht für eine ausweglose Situation, aus der man nicht mehr hinauskommt. Zehn Künstlerinnen und Künstler zeigen vom 29. August bis zum 05. Oktober 2015 im Künstlerhaus Dortmund ihre Arbeiten zu diesem Thema. Kuratiert hat die Ausstellung Jörg Daniel mit Barbara Koch und Marco Wittkowski.

Zwangslage, Notlage, Gefängnis, Folter, Guantanamo. Das amerikanische Gefängnis in Kuba hat vor allem zwei Künstler zu ihren Arbeiten inspiriert. Die Installation von Frank Klöttgen heißt auch „Guantanamo“. Klöttgen hat das Gefängnis mit 1001 Büchern nachgebaut. Dazu benutzte er aber Exemplare seiner eigenen Werke.

Ein Problem in Guantanamo ist Folter. Kurt Fleckenstein hat sich künstlerisch damit auseinandergesetzt. In seiner Installation wird eine Person nackt hinter einer Glaswand anderthalb Stunden eingeklemmt. Durch die Aktion „No exit“ soll auf die Erniedrigung von Menschen hingewiesen werden. Jeden Sonntag findet eine Livepräsentation der Arbeit „No Exit“ statt.

Kate hers RHEE arbeitet in ihrer Performance, die per Video zu sehen ist, mit einer Maske, die im S/M-Bereich zu Hause ist. In dem Video dominiert ein schwarzer Darsteller seine asiatische Darstellerin und scheint ihr die Maske aufzunötigen und verlangt von ihr 10 Küsse. Der Künstlerin geht es hier und das Spiel mit Identitäten und wie Minderheiten gegeneinander ausgespielt werden.

Margund Smolka zeigt in ihrem Videoobjekt „Funnel“ (dt. Trichter) wie eine Bilderflut endlos in den Kopf hinein dringen. Dieser Bilderflut, die man nicht steuern kann, ist man hilflos ausgeliefert.

Fasziniert von Tanz und Theater ist Ilona Ottenbreit. In ihren teils großformatigen Arbeiten zeigt sie Bewegungsabläufe von Tänzern. Sie möchte in ihren Bildern zeigen wie Menschen sich verteilen, sich verschmelzen oder sich auf Zwangslagen lösen.

Hildegard Skowasch ist eines der Gründungsmitglieder des Dortmunder Künstlerhauses, lebt und arbeitet aber schon länger in Berlin. Sie zeigt figurative und abstrakte Elemente in ihren Installationen und anderen Arbeiten. Eine Faszination scheinen Münder auf die Künstlerin auszuüben. „Zähne sind natürliche Waffen“, so Skowasch. „Beim Lachen zeigt man die Zähne.“ Vielleicht kann man sich auch mit Zähnen aus so mancher Zwangslage befreien.

Mit der Spannung zwischen der Innen- und Außenwelt beschäftigt sich die Videoinstallation „Come to your Senses“ von Karin Kerkmann. Die Sinnesorgane sind in vier verschiedenen Monitoren zu sehen und alle in ungewöhnlicher Nahaufnahme.

Die Kunst der Augentäuscherei beherrscht die Pariser Künstlerin Dominique Ghesquiere. In ihrer Arbeit „Bios dormant“ (dt. Der schlafende Wald) präsentiert sie eine echte Efeupflanze. Doch der Efeu ist nicht mehr wiederzuerkennen. Er ist in seinem Wachstum gehemmt und wächst blattlos über zwei Etagen hinweg wie „im Schwitzkasten“.

Trotz seines Verstandes bringt sich der Mensch immer noch durch seine Entscheidungen in „Schwitzkästen“. Sei es im privaten Bereich oder auf globaler Ebene. Diese Widersprüchlichkeit behandelt Christian Loenhoff in seinen Arbeiten.

Die Videoarbeit „Outside Projection“ von Funda Özgünaydin behandelt das Thema Gentrifizierung. Das Video zeigt die Sprengung des Gebäudeturms der Goethe-Universität, die die Fachbereiche Pädagogik, Sozialwissenschaften und Psychologie beheimatete. Der Thinktank der „Frankfurter Schule“ musste einem Bau des Kapitalismus weichen.

Schwitzkästen – Ausweglosigkeiten und andere Zwangslagen
Künstlerhaus Dortmund
Sunderweg 1
Öffnungszeiten Donnerstag bis Sonntag 16 bis 19 Uhr

Holz in Beziehung gesetzt

Waltraud Schroll hinter ihren beiden Schweben.
Waltraud Schroll hinter ihren beiden Schweben.

Bei ihren Holzskulpturen zeigt die Hagener Künstlerin Waltraud Schroll wie vielfältig das Material das Thema „Verbindungen“ umsetzen kann. Die Galerie Dieter Fischer im Depot zeigt eine Auswahl ihrer Skulpturen sowie einige Zeichnungen.

Schroll arbeitet sowohl figürlich als auch abstrakt. Ihre Paare sind zwar reduziert, das heißt man erkennt beispielsweise keine Gesichter, doch sind die beiden zusammenhängenden Figuren sind als zwei Personen zu erkennen. Durch die Natürlichkeit des Materials Holz entstehen auch Risse. Das macht die Skulptur noch spannender, denn es gibt wohl in jeder Paarbeziehung den einen oder anderen Riss im Laufe der Zeit.

Auch in ihren abstrakten Skulpturen ist eine deutliche Verbindung zu erkennen, die anders in Beziehung gesetzt wird als bei den Paaren. „Verbindung kann man auf viele Felder übertragen“, so die Künstlerin. Beim Objekt „ST -1 /14“ sieht es sogar so aus, als wenn die beiden Enden auseinander streben und irgendwann die Verbindung dahin ist.

Neu sind die sogenannten „Schweben“. Sie sehen ein klein wenig aus wie Bumerangs und bewegen sich beim Windhauch. Schroll dazu: „Man denkt, dass sie aneinander gearbeitet oder geklebt sind, aber sie sind eine lockere Verbindung.“

„Normalerweise arbeite ich in einem Stück, da ist nicht geleimt oder geklebt“, beschreibt die Künstlerin ihre Arbeitsweise. Doch bei zwei Skulpturen hat sie eine Ausnahme gemacht, denn hier bestehen die Verbindungen aus unterschiedlichen Hölzern, so dass ein interessanter Farbeffekt entsteht.

Die Künstlerin arbeitet ausschließlich mit einheimischen Hölzern, gerne mit Obsthölzern wie Birne, Pflaume oder Wildkirsche.

Zu den Holzobjekten sind noch einige Zeichnungen zu sehen. „Das sind im Grunde ausgearbeitete Skizzen. Zu meinen Objekten mache ich erst ganz viel Skizzen bevor ich anfange. Die habe ich mal etwas sortiert und aufgehübscht“, erklärte die Künstlerin.

Waltraud Schroll „Beziehungen“

Galerie Dieter Fischer im Depot

Immermannstraße 29

Öffnungszeiten: Donnerstag von 16 bis 20 Uhr.

Westfalens Wurzeln auf der Spur

Ein Motorrad, wie es für Steherrennen beim Sechs-Tage-Rennen benutzt wurde.
Ein Motorrad, wie es für Steherrennen beim Sechs-Tage-Rennen benutzt wurde.

Zweihundert Jahre Westfalen sind ein guter Anlass für eine große Ausstellung im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte. Rund 800 Exponate werden hier vom 28.08.2015 bis zum 28.02.2016 auf einer Fläche von 1.800 Quadratmetern mit großer Sorgfalt und hohem Aufwand zusammengetragen und platziert. Diese Ausstellung entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und dem westfälischen Heimatbund unter der Schirmherrschaft von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Der Heimatbund feiert zudem in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen.

Bei einer Ausstellung über Westfalen geht es natürlich auch über die Bewohner. Was zeichnet einen Westfalen aus? Ein Heimspiel für Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau. „Wir Westfalen sind für unsere Dickschädel, Bodenständigkeit und Nachhaltigkeit bekannt“, so Sierau.

Auf die Frage nach den preußischen Tugenden der Westfalen ergänzte Harry Kurt Voigtsberger, Präsident der Nordrhein-Westfalen-Stiftung, mit „Bescheidenheit, tiefe Verwurzelung und Sparsamkeit.“ Ob die Westfalen Verwandte der Schwaben sind?

Agrarland und Industriegebiet. Westfalen war schon immer reich von Kontrasten. Matthias Löb, LWL-Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe bemerkte: „Mit dieser Ausstellung gehen wir auf westfälische Identitätssuche. Westfalen war immer ein Land voller Gegensätze und Vielfalt. Daraus schöpfen wir Kraft.“

Die Ausstellung hat drei Schwerpunkte, die sich im Laufe der Zeit verändern. Das erste Territorium steht unter dem Motto „Aufbruch in die Moderne“. Die Eisenbahn, der Bergbau und die Stahlerzeugung sind natürlich sehr bedeutsam gewesen für die weitere Entwicklung Westfalens. Dieser Schwerpunkt wird bis zum 01. November zu sehen sein. Danach wird gewechselt und die „Wasserkraft“ steht im Mittelpunkt, bis sie von der „Toleranz“ abgelöst wird.

Für die Ausstellung wurden Objekte und Relikte zusammengetragen, die Veränderungen zeigen, Meilensteine markieren oder wichtig für die Menschen in Westfalen sind.

Zu dieser Ausstellung gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm. Nähere Informationen unter www.mkk-westfalen.dortmund.de oder www.200jahrewestfalen.jetzt

Einen kleinen Einblick in die Ausstellung bietet dieses Video: [vsw id=“hIosc0VON0c“ source=“youtube“ width=“425″ height=“344″ autoplay=“no“]

Task Force Hamm im Einsatz

Der erste Fall für Kommissar Scholz in seiner neuen Zwangsheimat Hamm. (Cover: © grafit-Verlag)
Der erste Fall für Kommissar Scholz in seiner neuen Zwangsheimat Hamm. (Cover: © grafit-Verlag)

Dirk Schmidt, geboren 1964 in Essen, ist als Autor für Kriminalhörspiele für den WDR den Krimi-Liebhabern sicher ein Begriff. Jetzt hat er die einen Kriminalroman über die liebenswert chaotische Truppe der „Task Force Hamm“ mit dem Titel „Ertränkt, Erhängt, Erschossen“ im grafit-Verlag veröffentlicht.

Hamm ist den Bahnreisenden vermutlich nur deshalb bekannt, weil dort die Züge geteilt werden. Aber was hat die Stadt ansonsten zu bieten? Kommissar Scholz muss es herausfinden, denn, bisher in Köln tätig, wird er wegen seiner Spielsucht und Schulden zu einer Entziehungskur verdonnert und nach Hamm strafversetzt. Wie sich herausstellt, wird diese Stadt als ein Auffangbecken für „Problemfälle“ der Polizei benutzt. So trifft Scholz auf neue Kollegen wie den zu Aggressionen neigenden exzentrischen schwulen Ditters und den etwas tumben Hobby-DJ Latotzke. Der alte Chef Vorderbäumen lässt es eher gemächlich angehen und konzentriert sich auf seine Nebentätigkeit im Möbelbusiness.

Als schließlich ein toter Metzger gefunden wird, der sowohl ertränkt, erhängt und erschossen wurde, ist die Begeisterung für die Ermittlungen zunächst im Team nicht besonders groß. Nur Scholz versucht mit aller Macht, den verzwickten Fall aufzuklären…

In seinem ersten Roman um um die „Task Force Hamm“ gelingt es Schmidt mit viel Empathie die Charaktere in dem Krimi mit viel Liebe zum Detail zu entfalten. So bekommt der Leser einen Einblick in das Gefühlsleben eines Zockers. Die Akteure in Schmidts Buch werden nicht holzschnittartig gezeichnet, sondern werden behutsam in ihrer Vielschichtigkeit und inneren Konflikten dargestellt. Besonders eindrucksvoll gelingt ihm das bei Ditters, der sich am Ende eine schwere Entscheidung trifft, die für sein Leben eine grundlegende, nicht mehr rückgängig zu machende Wendung gibt.

Der Roman ist mit viel trockenem Humor geschrieben, ohne auf die nachdenklichen Töne dazwischen zu verzichten. Er ist kurzweilig zu lesen und hält seinen Spannungsbogen bis zuletzt durch überraschende Wendungen. Dieser Krimi macht Lust auf mehr.

Dirk Schmidt

Task Force Hamm – ertränkt, erhängt, erschossen

205 Seiten, grafit-Verlag, 9,99 €

ISBN 978-3-89425-459-9

auch als e-book erhältlich

Wetten, dass Ihnen das Lachen im Hals stecken bleibt

Bodo Aschenbach (Frank Genser) begrüßt den Kandidaten Bernhard Lotz (Sebastian Kuschmann). (Foto: © Birgit Hupfeld)
Bodo Aschenbach (Frank Genser) begrüßt den Kandidaten Bernhard Lotz (Sebastian Kuschmann). (Foto: © Birgit Hupfeld)

Ausgerechnet am Sonntag, den 23. August 2015 um 19:30 Uhr fand sie statt – die große Wiedergeburt der Samstagabendshow. Die Premiere der „Die Show“ (ja, englisch ausgesprochen!) zeigte, warum es sich lohnt ins Dortmunder Schauspiel zu gehen. Knapp drei Stunden witzige, gefühlvolle, musikalische, verrückte, technisch anspruchsvolle, zynische Unterhaltung. „Die Show“ ist einfach kultverdächtig.

Ok, 2.000 Bewerbungen, um als Kandidat in der nächsten Staffel der „Die Show“ mit zuspielen, wird das Theater Dortmund wohl nicht bekommen. Anders als das Vorbild „Die Millionenshow“ von Wolfgang Menge, die 1970 ausgestrahlt wurde. Dafür war die „Die Show“ doch ein bisschen zu deutlich als Mediensatire erkennbar.

Wie beim „Millionenspiel“ geht es bei der „Die Show“ darum, dass ein Kandidat mehrere Prüfungen zu überstehen hat, bis er eine Millionen Euro erhält. Dabei wird er von drei Leuten alias dem „Kommando“ verfolgt, die am sechsten Tag, der Live-Ausstrahlung der Sendung, sogar die Lizenz zum Töten haben. Lotz muss die ganze Zeit unbewaffnet bleiben.

Hinein also ins Schauspielhaus Dortmund, das sich für die „Die Show“ zum Fernsehstudio wandelt. Was gehört natürlich zu Beginn einer jeden Live-Show? Der Anheizer oder auch „Warm-Upper“ genannt. Carlos Lobo spielte ihn mit einer wahren Freude. Dabei halfen natürlich auch die Fußballergebnisse vom Nachmittag und mit dem BVB als Tabellenführer ging das Klatschen viel leichter.

Das Gewerke des Theaters hatten ganze Arbeit geleistet und zauberten eine beeindruckende Showtreppe im knallen Rot hin, während in der rechten Ecke die Sitzgelegenheiten und sehr aparte Tische (ein Hingucker!) für die Moderation und deren Gäste vorhanden war. Links war die Rezeption und darüber spielte die Band. Aber zur Musik kommen wir später.

Neben dem Kandidaten Bernhard Lotz (Sebastian Kuschmann) ist in einer Fernsehshow natürlich der Moderator das wichtigste Element. Es würde nicht verwundern, wenn für eine eventuelle Neuauflage von „Wetten, dass…“ Frank Genser ins Gespräch gebracht würde, denn seine Darstellung als Moderator Bodo Aschenbach war umwerfend. Ähnlich wie bei den großen Moderatorenvorbildern ist Aschenbach ein König der belanglosen Überleitungen, die von einer Sekunde zu anderen von einem tragischen Beitrag zu einem musikalischen Gast überleiten können. „Wer vor dem Fernseher sitzt, kann jedenfalls nicht gleichzeitig foltern“, kommentiert er eine Szene, in der Kandidat Lotz Schmerzen zugefügt werden. Kuschmann war als gepeinigter Gejagter ziemlich beeindruckend, vor allem gegen Ende, als er völlig verzweifelt war.

Aschenbach wurde Assistentin Ulla zur Seite gestellt, eine Mischung zwischen Sylvie van der Vaart und Michelle Hunzinger. Julia Schubert, mit roter Perücke und holländischem Akzent, spielte ebenfalls großartig. Immer zwischen geheuchelter Anteilnahme und trockenem Zynismus.

Im Mittelpunkt stand natürlich der Kandidat Bernhard Lotz. Dabei hatte Sebastian Kuschmann die meiste Arbeit bereits im Vorfeld hinter sich gebracht, denn die fünf Aufgaben, die Lotz in den Tagen davor absolviert hatte, wurden als Einspieler gezeigt. Erst gegen Ende der Show kam Lotz live auf die Bühne, um die letzte Aufgabe „Silver Bullet“ zu absolvieren, da er sich leider bewaffnet hatte, um gegen das „Kommando“ zu bestehen.

Zu einer Live-Show gehört auch Musik. Die stammt vom neuen musikalischen Leiter des Schauspielhauses, Tommy Finke, der mit seinen Mitstreitern nicht nur die Studioband „Tommy Love and the Smilers“ bildete, sondern auch die Musik für die Stargäste schrieb.

Zu den Stargästen gehörte die umjubelte „Baeby Bengg“, eine J-Pop-Sängerin im Mangastyle und die an Klaus Nomi erinnernde „Brit Bo“. Beide wurden von Eva Verena Müller gesungen. Ein großen Auftritt hatte auch Sebastian Graf als „Johannes Rust“, dem ehemalige DSDS-Sieger und jetzigen Musicalstar, der mit seinem Jesus-Musical Erfolg hat. Der kleine Seitenhieb geht an Alexander Klaws, der in Dortmund ja den Jesus in „Jesus Christ Superstar“ singt.
Bettina Lieder sang den Anastacia-Klon „Slyvia Saint-Nicolas“ ebenso gekonnt wie Julia Schubert einen Song der Assistentin Ulla. Zum Schluß brachte Schubert als Lotzes Freundin „Cindy“ auch eine schräge Sarah-Conner-mäßige Version der deutschen Nationalhymne.

Für diese Produktion haben sich alle im Schauspielhaus sehr ins Zeug gelegt. Das ganze Ensemble war zumindest in kleineren Rollen zu sehen. Köstlich war Ekkehard Freye als Dortmunder Oberbürgermeister, der vor dem Rathaus eine Rede zum Tod der BVB-Hoffnung „Ricardo Gomez de la Hoz“ hielt. De la Hoz (Peer Oscar Musinowski) war als Kollateralschaden vom „Kommando“ erschossen worden. Das Kommando bestand aus Andreas Beck, der den ehemaligen Hells-Angel Bruno Hübner spielte, Bettina Lieder als russische Killerin Natascha Linovskaya und Björn Gabriel, der den leicht irren Howie Bozinsky verkörperte. Sehr schräg war auch Uwe Schmieder als Elisabeth Lotz, die Mutter vom Kandidaten Bernhard.

Die „Die Show“ hat neben ihrer klaren Medienkritik an den Formaten wie „Dschungelcamp“, „Big Brother“ und andere auch eine aktuelle Komponente. Denn Flüchtlinge aus Syrien oder Afrika müssen auch mehrere „Prüfungen“ absolvieren, um letztendlich an ihr Ziel zu gelangen. „Endlich mal ein Flüchtling, zu dem man halten kann“ oder „Dem geht es doch nur ums Geld“ waren die (fiktiven) Zuschauerkommentare zur Situation von Lotz.
Aufs Korn genommen wurde auch die unsäglichen Charity-Aktionen von Prominenten und die deutsche Tierliebe. Als Lotz bei einem Spiel von Hunden gejagt wird und die Tiere verletzt, ist natürlich die Empörung groß. Wegen der Hunde, nicht wegen Lotz.
Kritiker der Sendung werden auch nicht einfach vom Saalschutz abgeführt. Das gibt es bei Moderator Aschenbach nicht, er lässt – wie damals Gottschalk – den Kritiker zu Wort kommen. Oder besser: er lullt ihn mit seinem Geschwafel ein, bis er geht.

Die drei Stunden vergingen fast wie im Flug. Das ist ein großes Verdienst aller Beteiligten und vor allem von Regisseur Kay Voges. Schließlich überzog „Wetten, dass“ auch regelmäßig. Um alle kleinen Feinheiten zu erkennen, sollte man öfter in die „die Show“ gehen. Es lohnt sich vor allem wegen den guten Schauspielern und der tollen Musik. Ein unterhaltsamer, aber auch nachdenklicher Abend. „Die Show“ hat die Messlatte für diese Saison schon ziemlich hoch gesetzt.

Die „Die Show“ ist wieder in Dortmund am 29. August, 13. und 30. September und 12. November 2015.

Triptychen in der Galerie Anschnitt

Der Maler und Illustrator Michael Becker arbeitet gerne mit dem Sujet des Triptychons wie bei den "Die Sieger" (Collage, Acryl auf Leinwand) zu sehen.
Der Maler und Illustrator Michael Becker arbeitet gerne mit dem Sujet des Triptychons wie bei den „Die Sieger“ (Collage, Acryl auf Leinwand) zu sehen.

Bis zum 19. September zeigt das Anschnitt_Atelier in Dortmund-Hombruch die Ausstellung „Mensch, Mensch!“ des Künstlers Michael Becker aus Ostfriesland. Die Öffnungszeiten sind dienstags von 15 bis 20 Uhr und Sonntags von 11 bis 13 Uhr.

Anschnitt_Atelier
Hombrucher Straße 59
44225 Dortmund

 

Schauspiel startet mit Millionenspiel

Der Nachfolger von Gottschalk gefunden? Bodo Aschenbach (Frank Genser) mit seiner Assistentin (Julia Schubert). Foto: © Birgit Hupfeld.
Der Nachfolger von Gottschalk gefunden? Bodo Aschenbach (Frank Genser) mit seiner Assistentin (Julia Schubert). Foto: © Birgit Hupfeld.

„Wetten, dass…“ gibt es ja nicht mehr und wem die Chancen auf die Millionen bei Günther Jauch zu gering sind, der kann, wie Kandidat Bernhard Lotz, sechs Tage überstehen und dann das Geld kassieren. Das Problem bei „Die Show“: am sechsten Tag wird der Kandidat von einer Gruppe gejagt, die ihn töten will. Wer jetzt sagt, Moment, das kenne ich vom „Millionenspiel“ von Wolfgang Menge aus dem Jahre 1970, der hat recht. Das Stück „Die Show“ in einer Inszenierung von Kay Voges, Anne-Kathrin Schulz und Alexander Kerlin orientiert sich an dieser Sendung. Die Premiere ist am 23. August 2015.

„Die Show“ ist eine Gemeinschaftsproduktion des Schauspielhauses im wahrsten Sinne des Wortes. Der Aufwand ist gigantisch, nicht nur bei Bühne und Kostümen. Dem Zuschauer wird die perfekte Showbühne mit Steg und Treppe präsentiert und der Hauptmoderator Bodo Aschenbach (Frank Genser) wird entsprechend eingekleidet.

Doch das Aufwändigste waren die Außenaufnahmen, denn mit kurzen Einspielern wird die Geschichte der fünf vorausgegangenen Tage erzählt, das heißt, welche Prüfungen Lotz bereits absolviert hat. Während der Show gibt es aber auch Live-Schalten.

Zu einer echten Samstagabendshow (auch wenn die Premiere am Sonntag ist) gehört natürlich Musik. Der neue musikalische Leiter, Tommy Finke, tritt nicht nur mit einer eigenen Band „Tommy Love and the Smilers“ live auf, sondern hat für die Stargäste (u.a. Baeby Bengg und Brit Bo gespielt und gesungen von Eva Verena Müller) auch die Musik geschrieben. Einen kleinen humorigen Seitenhieb auf die Oper Dortmund und Alexander Klaws gibt es auch. Es tritt nämlich in „Die Show“ ein ehemaliger DSDS-Kandidat auf, der mittlerweile in Musicals singt und der einen großen Erfolg mit einem Jesus-Musical hat: Johannes Rust. Der wird aber von Schauspieler Christoph Jöde gespielt.

Natürlich kommt „Die Show“ – wie in der 70er Jahre Version – mit eine deutliche Medienkritik daher. Schließlich kann man den Titel ja auch englisch aussprechen. Neben der Hoffnung, „dass es den Zuschauern Spaß macht“, wie Regisseur Kay Voges formulierte, geht es um das Dilemma: Während ich mich Wohlfühle, rennt draußen jemand um sein Leben und um seine Chance, ein besseres Leben zu führen. In Zeiten von Flüchtlingsströmen ist „Die Show“ sehr aktuell.

Für die Premiere gibt es noch sehr wenige Restkarten, weitere Termine sind: 29. August, 13. und 30. September, 10. Oktober und 12. November.

Buntes Programm zum 2. Dortmunder Roma Kulturfestival

Dieses Plakat weist auf das kommende Festival "Djelem Djelem" hin.
Dieses Plakat weist auf das kommende Festival „Djelem Djelem“ hin.

Nach dem großen Erfolg von „Djelem Djelem“ im vergangenen Jahr findet vom 02. bis 12. September 2015 erneut das große Roma Kulturfestival statt. Dieses Jahr sind weitere Orte zum Depot und dem Nordmarkt hinzugekommen. Das Konzerthaus, das Dietrich-Keuning-Haus oder das Türkische Bildungszentrum.

„Djelem Djelem“, die ersten Worte der Roma-Hymne, ist kein reines Musikfestival, bei der sich die Besucher an der „Gypsy-Musik“ erfreuen können. Für die Organisatoren ist wichtig, dass auch Roma aktiv dabei sind. Miteinander reden statt übereinander. „Empowerment ist wichtig“, so Kulturdezernent Jörg Stüdemann.

Bereits in der erste Veranstaltung „Schubladen“ haben vor allem jugendliche Roma, aber auch andere Migranten eine wichtige Rolle. In richtige Schubladen haben sie Vorurteile über Deutschland gesammelt und hineingesteckt. Erstaunlich ist, wie viele trotz Diskriminierung sehr positiv über Deutschland sprechen, beispielsweise das alle Kinder in die Schule gehen und dass es Tierschutz gibt. Am 02. September 2015 um 18 Uhr im Theater im Depot werden die Ergebnisse präsentiert.

Gegenüber Roma gibt es hartnäckige Vorurteile, davon sind selbst Akademiker nicht gefreit. Für Fachkräfte im kulturellen und pädagogischen Bereich findet am 03. September 2015 von 10 bis 18 Uhr im Theater im Depot eine Fortbildung statt.

Menschen aus der Roma-Community sollen auch zu Wort kommen, statt das ständig über sie geredet wird. Ebenfalls am 03. September findet daher um 19 Uhr in der Auslandsgesellschaft eine Podiumsdiskussion mit fünf jungen Roma-Erwachsenen statt. Moderiert wird das ganze vom WDR-Journalisten Kay Bandermann.

Es ist kein Geheimnis, dass es zwischen Minderheiten auch krachen kann. Daher findet im Türkischen Bildungszentrum am 10. September um 18 Uhr eine Dialogveranstaltung unter dem Motto „Miteinander Reden – Voneinander Lernen“.

Viele Veranstaltungen von „Djelem Djelem“ finden im Theater im Depot statt. Eine ist wie gemalt dafür: Das Jugendmusiktheaterstück „Carmen“ des Jungen Theaters Bubamara unter der Regie von Jens Wachholz und Rada Radojcic wird am 04. September um 20 Uhr Premiere feiern. Dabei wird Bizets berühmte Oper in ein neues, buntes Erscheinungsbild gesteckt.

Ein Filmprogramm ergänzt das Festival. Der Film „Aus dem Leben eines Schrottsammlers“ läuft am 06. September um 19 Uhr im sweetSixteen im Depot. „Die Königin der Stille“ zeigt das Kino im U am 08. September um 19 Uhr und „Cholera Street“ am 09. September um 19 Uhr.

Musik gibt es nicht? Natürlich! Zunächst gibt es HipHop mit Gipsy Mafia, SBK Basemant und Style Revolution am 04. September im Dietrich-Keuning-Haus ab 21 Uhr.

Im Theater im Depot spielt am 05. September 2015 Mustafa Zekirov zeitgenössische Balkan-Musik. Daneben treten weitere Acts auf. Der Eintritt ist frei.

Beim großen Familienfest auf dem Nordmarkt am 06. September gibt es Musik vom Deno Records, Balkan Brass Band und dem „Peligrinii-Chor“ von 14 bis 17 Uhr.

Den musikalischen Höhepunkt haben sich die Organisatoren von „Djelem Djelem“ bis zum Schluss aufgehoben. Denn am 12. September um 20 Uhr tritt die Ikone der Roma-Musik, Esma Redžepova, im Konzerthaus Dortmund auf. Der Eintrittspreis beträgt 29,50 €.