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5. Philharmonische Konzert – Lichtblicke mit Carmen

Zufall oder nicht? Das Akkordeon ist im Januar 2022 das „Instrument des Monats“ in der Musikschule Dortmund und passenderweise stand es auch im Mittelpunkt des 5. Philharmonischen Konzertes am 11. Januar 2022. Ksenija Siderova zeigte den Zuhörern im Konzerthaus, welche klanglichen Möglichkeiten im Akkordeon stecken, eine wahre Botschafterin ihres Instrumentes.

Leider musste das Programm des Philharmonischen Konzertes geändert werden, da die geplanten Werke von Ottorino Resphighi eine volle Orchesterbesetzung fordern und dies wegen des aktuellen Infektionsgeschehens nicht möglich war. Daher wurde die Carmen-Suite von Rodin Schtschedrin als Ersatz gespielt.

Ksenija Siderova zeigte ihr Können am Akkordeon. (Foto: © Dario Acosta)
Ksenija Siderova zeigte ihr Können am Akkordeon. (Foto: © Dario Acosta)

Den Anfang machten die „Vier Jahreszeiten“, aber nicht von Vivaldi, sondern vom Argentinischen Komponisten Astor Piazzolla. Begleitet von Siderova und den Dortmunder Philharmoniker erlebten die Zuhörer ein Jahr in Buenos Aires. Das komplette Stück atmet den Tango und seine synkopischen Rhythmen nehmen uns mit auf eine ferne Reise. Im Gegensatz zu Vivaldi beginnt Piazzolla mit dem Sommer, der in Argentinien heiß ist, sodass die Leidenschaft erst richtig am Abend beginnen kann. Während auch in Südamerika der Herbst und Winter trist und düster wirken, beginnt die Lebensfreude im Frühling von neuem. Es ist sehr erfrischend, Siderova beim Spielen zuzusehen, welche Töne sie dem Akkordeon entlockt. Das ist alles weit entfernt von dem betulichen Volksmusikstigma, dass das Instrument vielleicht noch besitzt.

Nach der Pause kam die Carmen-Suite von Rodin Schtschedrin zu Gehör. Anscheinend hatte der russische Komponist ein Faible für Percussions-Instrumente, denn nicht weniger als fünf Mann aus dem Orchester spielten eine ungeheure Anzahl an kleinen und großen Dingen aus dem Instrumentariums des Schlagwerks. Ob das der Grund war, dass die Suite bei seiner Premiere 1967 in der Sowjetunion nicht gut ankam? Es wurde dem Komponisten vorgeworfen, das Erbe Bizets zu beschmutzen und seine Carmen sei viel zu erotisch. Vielleicht war den Funktionären auch die Idee einer selbstbewussten und selbstbestimmten Frau zu suspekt. Denn in Wirklichkeit erweist Schtschedrin der Musik von Bizet eine große Ehre und egal wie Schtschedrin die Melodien bearbeitet, sie bleiben deutlich erkennbar.

Musikalische Orientfantasien beim 4. Philharmonischen Konzert

Das 4. Philharmonische Konzert im Dortmunder Konzerthaus widmete sich am 07. und 08.12.2021 unter dem Titel „Orient und Okzident“ musikalischen Orientfantasien.

Auf dem Programm stand zunächst das Konzert für Violine und Orchester Nr. 5 A-Dur KV 219 „Türkisches“ von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791) und die Sinfonische Suite op. 35 „Sheherazade“ von Nikolai Rimski-Korsakow (1844 -1908).

Als dynamischer Dirigent für die bestens aufgelegte Dortmunder Philharmoniker agierte Francesco Angelico (GMD des Hessischen Staatstheater Kassel).

Im 18./19. Jahrhundert kam das, was damals als „türkische Musik“ galt und durch kriegerische Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich bekannt wurde gerade groß in Mode. Diese waren gekennzeichnet durch schrille Blasmusik der Militärkapellen, lauten Schlagzeugen und rhythmischen Märschen. Es war aber auch der fremdartige Reiz der orientalischen geheimnisvollen Geschichten, die das europäische Interesse weckte. Ars tremonia war beim Konzert am 07.12.2021 anwesend.

Begeisterte als Solistin beim „Türkischen“ Konzert von Mozart: Arabella Steinbacher. (Foto: © Sammy Hart)
Begeisterte als Solistin beim „Türkischen“ Konzert von Mozart: Arabella Steinbacher. (Foto: © Sammy Hart)

Als Solistin für Mozarts Konzert für Violine und Orchester zeigte die renommierte Arabella Steinbacher ihr vielseitiges Können und Feingefühl an ihrem Instrument.

Gleich nach der Orchestereinleitung kommt dies nach einem überraschenden Allegro aperto („offenen“ Allegro) schon zu Geltung. Auf dem ersten heiteren Satz folgt der ausgreifende melancholische zweite Satz (Adagio) in der seltenen e-Moll Tonart.

Der dritte „türkische“ Rondosatz beginnt mit galantem Menuett-Tempo, wechselt dann aber schnell in romantische Moll. Dann ändert sich der Satz vollständig mit einem derben türkischen Marsch mit starken Akzenten und exotisch anmutender Harmonie. Nach diesen orientalischen Einsprengseln folgt nach einem ausgedehnten Violinsolo das musikalische Geschehen wieder beim Menuetto.

Das Publikum ließ die Gast-Solistin nicht ohne eine Zugabe (Sergej Prokofjew) von der Bühne gehen.

Nach der Pause folgte die Sinfonische Suite op.35 von Rimski-Korsakow. Sheherazade liegen Erzählungen aus der Sammlung „Tausendundeine Nacht“ zugrunde. Dabei geht es um die kluge persische Königin Scheherazade, die mit unterbrochenen spannenden Erzählungen ihren von Frauen enttäuschte Mann am ende besänftigt und sein Vertrauen gewinnt.

Das spiegelt sich auch in den vier Sätzen wider. Das volle Orchester konnte hier von Beginn an sein großes Können zeigen. Es führte das Publikum im ersten Satz „Allegro non troppo – (Das Meer und Sinbads Schiff) in ein wellenartig ansteigenden musikalischen Rausch. Die folgende Sätze sind mal tänzerisch festlich, dann wieder aufbrausend anschwellend. Die Solovioline (Alexander Prushinsky) übernahm (oft in Zusammenarbeit mit der Harfe (Renske Tjoelker) oder den anderen Streichern die „Rolle“ der Sheherazade, während die Bläser, Kontrabässeo der Pauken den „noch nicht besänftigten“ persischen Sultans symbolisierten. Auch die Querflöte, Oboe, Klarinette oder dem Fagott verzauberten das Publikum mit wunderschönen Soli.

Nach dem grandiosen Finale mit Schiffbruch (Sindbads Schiff zerschellt am Magnetberg) und dem am Ende „besänftigten Sultan“ wurden die beteiligten Akteure mit viel Applaus belohnt.

Offertorium – Zweites Philharmonisches Konzert

Ein beeindruckendes Werk, von einer beeindruckenden Frau. Das „Offertorium“, titelgebend für das 2. Philharmonische Konzert im Konzerthaus Dortmund war ein echtes Highlight.

Sofia Gubaidulinas Konzert für Violine und Orchester thematisierte eine Opfergabe. Opfer oder Opfergaben begleiten die Menschen durch alle Kulturen und Religionen. Die Komponistin nahm das Thema regium aus dem Musikalischen Opfer von Johann Sebastian Bachs Musikalischem Opfer als Grundlage für ihr Werk. Ihr Opfer sind die jeweils erste und letzte Note des „regiums“ Nach und nach „verlor“ das Orchester die Noten bis nach vielfachen Schleifen nur ein Ton übrigblieb. Sehr leise und deshalb umso intensiver stand der Ton ein paar Takte im Raum. Von hier aus baute sich das Thema dann wieder auf, bis es wieder vollständig erklang. Linus Roth an der Solovioline spielte virtuos die schwierigen, teils kakofonischen Klangpassagen.

Das Hornsolo bringt den "Lichtstrahl" in die 5. Sinfonie von Tschaikowsky. (Foto: © Sabine Schmidt / pixelio.de)
Das Hornsolo bringt den „Lichtstrahl“ in die 5. Sinfonie von Tschaikowsky. (Foto: © Sabine Schmidt / pixelio.de)

Das Philharmonische Orchester war in voller Besetzung auf der Bühne. Die Streicher bewältigten die schwierige Herausforderung mit Bravour. Die fünf Musiker an den verschiedenen Schlagwerken waren ungewöhnlich viel beschäftigt. Vom leisen Triangelton, bis zum donnernden, ohrenbetäubenden Trommelwirbel waren sie ständig gefordert. Schon in ihrer Zeit in der Sowjetunion interessierte sich Sofia Gubaidulina für Dodekaphonie, Serialismus und Elektronik. Gerade ihre Liebe zum Seriellen zeigt sich in diesem Stück in Schleifen, die das Thema immer wieder einkreisen. Das waren herausfordernde, aber inspirierende 40 Minuten.

Die zweite Hälfte des Abends füllte Tschaikowskys 5. Sinfonie in e-moll. Die vom Komponisten als unzureichend empfunden Sinfonie gilt heute als eines seiner wichtigsten und modernsten Kompositionen. Tschaikowsky bearbeitete in seiner Sinfonie das „Schicksalsthema“. Nach seiner Auffassung musste der Mensch sich seinem Schicksal beugen beziehungsweise war er der Vorsehung ausgeliefert. Dieses Thema zieht sich durch die Sinfonie. Sie beginnt mit einem dunklen Trauermarsch, die Blechbläser symbolisieren durch kurze, laute Einwürfe immer wieder die Macht des Schicksals. Der zweite Satz beginnt ebenfalls getragen mit den Streichern, ein Hornsolo und dazukommende Klarinetten lassen einen Hoffnungsschimmer aufkeimen. In eine beschwingte Walzermelodie verpackt Tschaikowsky sein Schicksalsthema im dritten Satz. Nach der Leichtigkeit folgt erneut eine Hinwendung zum pathetischen Ausgeliefertsein. Mit einer sich ständig steigernden Einsatz der Klangstärke des Orchesters endet das Stück in einem gewaltigen pathetischen Finale. Dirigent des Abends war Leo McFall. Er ist Preisträger des diesjährigen Opus Klassik 2021 in der Kategorie Sinfonische Einspielung/Musik 19. Jahrhundert.

„Gefangen im Netz der Intrige“ Zwei Komponisten aus zwei Jahrhunderten begeisterten das Konzerthaus-Publikum

Star des Konzerts für Klavier und Orchester Nr.2 f-moll war der virtuos spielende Pianist Bernd Glemser. Das Werk von Frédéric Chopin ist im Geist des „Style brilliant“ komponiert. Dies bedeutet, dass das Orchester neben dem Klavier eine zurückgenommene Rolle spielt und das Tasteninstrument in den Mittelpunkt des Konzertes rückt. Hierfür war Glemser genau der Richtige. Der als „ deutscher Klaviermagier“ und Solist von Weltrang bekannte Musiker entwickelte den majestätischen ersten Satz in romantisch melancholischer Anmutung. Die Glissandi perlten in beschwingten Passagen und verführten zum Träumen. Das romantische Larghetto des zweiten Satzes ist eine Liebeserklärung an die von Chopin verehrte Sängerin Konstancja Gladkowska. Das Allegro vivace des dritten Satzes entwickelt sich aus einer melancholischen Stimmung zu einem beschwingten Walzer mit einem fulminanten Finale. Mit anhaltendem Applaus belohnte das Publikum Pianisten und Orchester.

Die wahre Entdeckung des Abends erwartete die Besucher dann nach der Pause. Die Symphonische Serenade B-Dur von Erich Wolfgang Korngold war ein Musikerlebnis von höchster Qualität. Im Programmheft mit „Herbe Nachtmusik“ betitelt folgten die Zuhörer gebannt dem Stück in drei Sätzen. Mitreißend, spannend, von starken Rhythmen voran getrieben, dann wieder sanft dahin gleitend waren Orchester, Dirigent Feltz sowie das Publikum gleichermaßen von der anspruchsvollen Partitur gefordert. Besonders in Erinnerung bleibt der gezupfte Teil des zweiten Satzes.

Bernd Glemser verzückte das Konzertpublikum mit Chopin. (Foto: © Werner Kmetitsch)
Bernd Glemser verzückte das Konzertpublikum mit Chopin. (Foto: © Werner Kmetitsch)

Korngold emigrierte in den 30iger Jahren in die USA. Dort stieg er ins Filmbusiness ein und schrieb Filmmusiken für 18 Hollywoodfilme. Später, unter dem Eindruck des zerstörerischen Weltkrieges und dessen erschütternden Nachwirkungen, schrieb er 1946/47 diese Serenade, die mit diversen starken Dissonanzen spielt. Ein Konzerterlebnis, das man gerne wiederholen möchte.

Der 3. Philharmonische Konzertabend am 10. Und 11. November läuft unter dem Tiel „Orte der Sehnsucht“ mit Werken von Bruch, Tschaikowsky und Mendelson-Bartholdy.

Paris im musikalischen Aufbruch des 20. Jahrhunderts

Im Blickpunkt des 6. Philharmonischen Konzerts am 3. und 4. März 2020 stand Paris, die Stadt der Liebe, Revolution und Kunst auf dem Programm der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Maestro Mario Venzago (Schweiz). Im hiesigen Konzerthaus standen Werke von George Gershwin (1898 – 1937), Alexander Glasunow (1865 – 1936) sowie Igor Strawinsky (1882 – 1971) im Mittelpunkt. Auch das Saxophon als Instrument spielte eine große Rolle.

Paris war in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts für viele Künstler aller Sparten ein aufregender Ort. Nicht nur für Komponisten im Exil wie Glasunow und Stawinsky, sondern auch für längere Besucher wie Gershwin.

Die Kunst- und Musikwelt war im Umbruch und die Einflüsse der modernen avantgardistischen Einflüsse vor allem aus Amerika (etwa der Jazz) auf die ernstere europäische Musiktradition waren vor allem in der französischen Metropole spürbar.

Saxophonist Koryun Asatryan meisterte das "Konzert für Alt-Saxophon und Streichorchester Es-Dur op. 109" von Alexander Glasunow. (Foto: © Jürg Christandl)
Saxophonist Koryun Asatryan meisterte das „Konzert für Alt-Saxophon und Streichorchester Es-Dur op. 109“ von Alexander Glasunow. (Foto: © Jürg Christandl)

Mit seinem „An American in Paris“ (1928) vertonte Gershwin meisterhaft die Eindrücke eines Spaziergängers, der durch Paris flaniert. Ob det Lärm des Autoverkehrs, die Schwingungen der Varietés, Cafés, Stimmengewirr und anderes wird von den Instrumenten des Orchesters musikalisch verdeutlicht. So ist zum Beispiel das Hupen der Autos klar zu vernehmen. Auch Stimmungen wie Freude, Einsamkeit und Heimweh werden wunderbar umgesetzt.

Der russische Komponist Alexander Glasunow war nicht nur seiner Exil-Heimat Paris zugetan, sondern war von der Jazz-Musik und dem Saxophon aus Amerika begeistert.

Für den deutsch-schwedischen Saxophonisten Sigurd Raschèr und seine Musiker komponierte er sein „Konzert für Alt-Saxophon und Streichorchester Es-Dur op. 109“ (Uraufführung 1933). Mit dem Armenier Koryun Asatryan hatte das Konzert einen hervorragenden Saxophonisten für dieses Werke gefunden. Er war den variablen Anforderungen und anspruchsvollen Solopartien jeder Zeit gewachsen. Es zeigt sich bei diesem musikalischen Werk, dass Glasunow ein wahrer Meister der Themenverknüpfung und des Kontrapunkts war.

Nach der Pause stand das eigentlich für das Ballett konzipierte musikalische Arbeit „Petruschka“ (Fassung 1947) von Igor Strawinsky auf dem Programm. Grundlage für diese avantgardistische Komposition bildete ein Jahrmarkt in Sankt Petersburg (Fastnacht). Die drei zum „Leben erwachten“ Holzpuppen sind Petruschka (Kasper oder Narr), der „Mohr“ und die von beiden umgarnte Ballerina.

Jahrmarktstimmung verbreitet unter anderem die Celesta. Zusätzlich sind im Orchester auch zwei Harfen im Einsatz. Das Spektrum der Musik reicht von volkstümlichen Klängen und „hölzerner Walzermusik“ bis hin zu avantgardistischen und der Situation entsprechenden manchmal bizarr wirkenden Tonen. Das die Musik von Petruschka sich wunderbar für das Ballett eignet, ist spürbar.

Wiener Abend beim Philharmonischen Konzert

Im Städteprogramm des Konzerthauses entführten die Dortmunder Philharmoniker im 4. Philharmonisches Konzert ihr Publikum nach Wien. Aus dem vielfältigen Repertoire der mit Wien verbundenen Komponisten fiel die Wahl auf Werke von Johann Strauß (Sohn), Joseph Haydn und Johannes Brahms. Ars tremonia besuchte das Philharmonische Konzert am 22. Januar 2020.

Naheliegend für Musik der Donaumetropole eröffneten die Musiker den Abend mit den „Geschichten aus dem Wienerwald“ von Johann Strauß (Sohn). Der Konzertwalzer, bestehend aus fünf Walzerstücken, nahm das Publikum mit in das vom Tanzen beseelte Wien des 19. Jahrhunderts. Verstärkt wurde diese fröhlich, beschwingte, zeitweilig melancholische Stimmung durch das überzeugende Zithersolo von Wolfgang Hubert.

Für das Konzert für Violoncello und Orchester C-Dur Hob. VIIb:1 von Joseph Haydn verkleinerte sich das Ensemble auf 26 Musiker. Als Solistin des teilweise Barock angelegten Konzertes brillierte die junge niederländische Cellistin Harriet Krijgh.

Die 29-jährige Musikerin ist eine der vielversprechendsten jungen Cellistinnen der Gegenwart. Sie spielte auf einem Violoncello von Giovanni Paolo Maggini aus dem Jahre 1620, das ihr von einem privaten Sammler zur Verfügung gestellt wird.

Zeigte ihr Können beim Konzert für Violoncello und Orchester in C-Dur von Haydn: Harriet Krijgh (Foto: © Marco Borggreve)
Zeigte ihr Können beim Konzert für Violoncello und Orchester in C-Dur von Haydn: Harriet Krijgh (Foto: © Marco Borggreve)

Die einleitende Melodie des ersten Satzes spielte das Orchester mit großer Klarheit, bevor Harriet Krijgh die Melodie aufnimmt. Alle drei Sätze des Werkes kennzeichnete der stetige Wechsel zwischen Soli und Tutti. Die Übergänge gelangen hier fließend. Die schnellen und hoch gespielten Läufe besonders im 2. Satz stellten höchste Ansprüche an die Virtuosität der Solistin, die sie brillant meisterte. Nach anhaltendem Applaus des begeisterten Publikum spielte sie am Mittwoch als Zugabe eine Sarabande von Bach.

Das Klavierquartett g-moll op. 25 von Brahms spielte das Orchester, hier wieder in voller Besetzung, nach einer Orchesterfassung von Arnold Schönberg. Dem wuchtigen Hauptthema des ersten Satzes, folgte ein sanfter, träumerischer zweiter Satz, getragen von Flöten und Oboenklängen. Nach einem etwas getragenen dritten Satz, der zwischenzeitlich durch donnernde Paukenschläge und einem marschähnlichen Rhythmus etwas martialisch daher kam, folgte ein rasanter vierter Satz. Das wild wirbelnde Rondo alla Zingarese verlangte den Musikern und auch dem Dirigenten höchste Aufmerksamkeit und Präzision ab. Das „Presto“ gespielte Stück war ein leidenschaftliches Bekenntnis Johannes Brahms’ zu seiner Begeisterung für ungarische Zigeunermusik und den Cardaskapellen. Durch die hohe Kennerschaft des Werkes von Brahms ist es Schönberg gelungen, aus einem Kammermusikstück ein berauschendes und doch in Teilen auch zartes Orchesterwerk zu schaffen.

Mit Bravour meisterte Dirigent Motonori Kobayashi die Herausforderung seine Musiker durch die so unterschiedlich gearteten Kompositionen zu führen. Im 5. Philharmonischen Konzert am 11. und 12. Februar 2020, geben die Philharmoniker die Messa da Requiem von Guiseppe Verdi.

Ausflug in die deutsche Romantik beim 3. Philharmonischen Konzert

Am 10. und 11. Dezember 2019 entführten uns die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von John Nelson in die Stadt Leipzig. Klar, dass Richard Wagner ein Heimspiel hat. Doch auch der Rheinländer Robert Schuhmann und der Hamburger Johannes Brahms haben Beziehungen in die sächsische Stadt. Eine weitere Gemeinsamkeit: Sie sind alle Komponisten der Romantik.

Der Beginn machte der „Hausherr“ Wagner. Seine Ouvertüre zu „Rienzi“ klang überhaupt nicht nach seinen Spätwerken wie beispielsweise der „Ring“. Und doch gibt es einzelne Elemente – wie die Doppelschläge bei den Streichern – die unter anderem beim „Tannhäuser“ wiederkehren. Ansonsten ist es eine in der „alten Operntradition“ verhaftete Komposition. Was aber nichts Schlechtes heißen soll, im Gegenteil. Die Dortmunder Symphoniker spielten diesen Part mit virtuosem Flair.

Danach folge die 4. Sinfonie von Robert Schuhmann. Ein besonderes Werk, denn alle Sätze gehen ineinander über. Das heißt, es gibt kein großes Atemholen, weder für das Publikum, noch für die Musiker. Auch diese Aufgabe bewältigten die Dortmunder Philharmoniker mit Bravour. Komponiert hatte Schuhmann die Sinfonie bereits 1841, veröffentlicht aber erst 1851. Das Stück ist reich an musikalischen Einfällen und Melodien, die in einem Beziehungsgeflecht zueinander stehen und so die Sinfonie zusammenhalten. Noch kommt in dieser Musik die Traurigkeit Schuhmanns nicht ganz zum Tragen, schließlich beendete er die Komposition zum Geburtstag seiner Frau Clara.

Benedetto Lupo zeigte eine tolle Leistung beim 1. Klavierkonzert von Brahms. (Foto: © Musacchio & Ianniello)
Benedetto Lupo zeigte eine tolle Leistung beim 1. Klavierkonzert von Brahms. (Foto: © Musacchio & Ianniello)

Nach der Pause kam die Zeit des Pianisten Benedetto Lupo. Seine kraftvolle Interpretation vom 1. Klavierkonzert von Johannes Brahms war sicherlich der Höhepunkt des Philharmonischen Konzertes. Besonders beeindruckend war das gute Zusammenspiel sowohl vom Solisten als auch vom Orchester. Von Brahms zu Schuhmann gibt es natürlich eine Verbindung: Clara. Brahms hatte tiefe emotionale Bindungen sowohl zu Robert als auch zu seiner Frau Clara entwickelt. Die durchaus widersprüchlichen Gefühle, die Brahms für Clara empfand, hinterließen eine unerbittliche Spur.

Der erste Satz ist von gewaltigen Ausmaßen. Jeder Zuhörer hat für sich wohl Stellen, die ihm persönlich am besten gefallen. Der unerwartet ruhige Auftritt des Solisten, die Bearbeitung der thematischen Ideen oder das Hornsolo am Ende des Satzes. Das D-Dur-Adagio besticht durch seine meditative Ruhe. Zwischendurch gibt es wunderbare Akzente für das Orchester – beim Einsatz der Holzblasinstrumente oder bei Brahms‘ überraschendem Einsatz der Pauken in den letzten Momenten des zweiten Satzes. Das Finale hat eine schroffe, ja beinahe barocke Dynamik. Gegen Ende beschert uns der Komponist zwei Kadenzen, durch die Brahms den Satz in Richtung Dur steuert und das Konzert zu seinem feurigen Ende kommt.

Sankt Petersburg im Blickpunkt der Dortmunder Philharmoniker

Am 05.11.2019 und 06.11.2019 stand „Sankt Petersburg“ im Mittelpunkt beim 2. Philharmonischen Konzert der Dortmunder Philharmoniker unter der engagierten Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz.

Die russischen Komponisten Sergej Rachmaninow (1873–1943) und Peter Tschaikowsky (1840 – 1893) waren eng und nicht immer ungetrübt mit der Stadt Sankt Petersburg verbunden.

Im Dortmunder Konzerthaus erwartete das Publikum in der ersten Hälfte ein interessantes Experiment.

Fünf „Études-Tableaux“, sogenannte Miniatur-Kompositionen wie Gabriel Feltz sie nannte, von Rachmaninow wurden zunächst einzeln vom renommierten Pianisten Bernd Glemser gespielt, und jeweils danach im Wechsel in einer Orchesterfassung (Ottorino Respigh) von den hiesigen Philharmoniker.

Für die Orchesterfassung hatte Rachmaninow dankbarer Weise für die jeweiligen Miniatur-Kompositionen bezeichnende Titel vorgegeben. Nr. 1 hieß passend „Die See und die Seemöwen.

Genau dieses Bild vermittelte die Musik mit einem harmonisch ruhigen Beginn und den „Turbulenzen“ zwischendurch. Virtuos sehr anspruchsvoll waren die fünf „ Études Tableaux“ nicht allein für den Pianisten, sondern natürlich für ein komplexes musikalisches System wie ein Orchester. Allen Beteiligten wurde viel abverlangt.

Interessant war der Vergleich der beiden Versionen, die eigene Stärken und Möglichkeiten des Pianos und des Orchesters verdeutlichten. Das Ausdrucksstarke Klavierspiel mit individuellen Betonungen auf der einen, und die Klangvielfalt durch die unterschiedlichen Instrumente auf der anderen Seite.

Nr. 2 bot einen temperamentvollen „Volkstanz“ und Nr. 3 einen entschieden gravitätischen „Trauermarsch“. Eine besondere Herausforderung war Nr. 3 „Rotkäppchen und der böse Wolf“ mit seinen rasanten Tempo. Als Abschluss dieses gelungenen Experiments bot Nr. 5 einen „Marsch“ mit eher flotten Volkstanzfest-Atmosphäre.

Virtuosität und eine musikalische Tiefe waren auch für die nach der Pause folgende 1. Sinfonie g-Moll op. 13 „Winterträume“. Es ist eine musikalische Reise durch winterliche Russland im 19. Jahrhundert mit all seinen Freuden, aber auch Härten.

Der erste Satz „Träumerei auf winterlicher Fahrt“ beginnt noch recht träumerisch lyrisch und harmonisch, gesteigert mit einigen furiosen Akkorden. Auf eine wechselhafte und rauere musikalische Fahrt geht es im zweiten Satz „Rauhes Land, Nebelland“. Unbeschwerter und melodisch harmonischer geht es im dritten Satz (Scherzo) weiter. Der letzte Satz fängt mit düsteren Fagott, Klarinette und Flötenklängen an und steigert sich in Folge dynamisch, um dann wieder abzufallen.

Reizvoll ist der Gegensatz zwischen wilden Fugen-Episoden und markanten Hauptthema zum furiosen Finale hin für eine virtuose Schlusssteigerung.

Abschieds-Sinfonie von Gustav Mahler zum Spielzeitende

Wie schon im vergangenem Jahr beendeten die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz die Spielzeit 2018/2019 mit einem großen Werk eines bedeutenden Komponisten.

Auf dem Programm mit dem Titel „Ewige Heimkehr“ stand die 9. Sinfonie D-Dur von Gustav Mahler (1860-1911). Eine musikalisch wegweisende Sinfonie von großer emotionaler Kraft. Das Werk ist streng genommen eigentlich keine Sinfonie in D-Dur, denn im vierten und letzten Satz findet ein Wechsel nach Des-Dur und somit eine bewusste musikalische Abwärtsbewegung zum Ende hin statt.

Abschied spielt allen vier Sätzen eine entscheidende Rolle

Das Besondere dieser 9. und letzten vollendeten Sinfonie ist aber die parallelen Krisen im Privatleben des Komponisten und die gesellschaftlichen Umbrüche wenige Jahre vor dem drohenden Ersten Weltkrieg (1914 -1918). In seinem persönlichen Schicksalsjahr 1907 verstarb Mahlers Tochter Maria Anna mit nur vier Jahren an einer Scharlach-Diphterie-Erkrankung und seine Ehe ging nach und nach in die Brüche. Als ein Arzt bei dem Komponisten auch noch einen schweren Herzklappenfehler diagnostiziert wird klar, dass ihm nicht mehr viel Lebens- und Schaffenszeit bleibt. Hin und her gerissen zwischen Depression und Phasen voll Lebenshunger und Freude, komponierte er rastlos.

In seiner 9. Sinfonie spiegelt sich der wehmütige Blick auf eine vergangene Epoche und das Wissen um die Endlichkeit einerseits, und das musikalische, fast trotzige Aufbäumen auf der anderen Seite. Entgegen der Tradition sind bei dieser Sinfonie der Anfang und Endsatz langsam angesetzt, während die beiden Mittelsätze im schnellen Tempo komponiert. Mahler verfolgt auch hier sein Motto, mit allen vorhandenen technischen Mitteln musikalische eine Welt aufzubauen.

Gabriel Feltz dirigierte die Dortmunder Philharmoniker gewohnt energiegeladen durch Mahlers 9. Sinfonie. (Foto: © Anneliese Schürer)
Gabriel Feltz dirigierte die Dortmunder Philharmoniker gewohnt energiegeladen durch Mahlers 9. Sinfonie. (Foto: © Anneliese Schürer)

Schon der erste Satz lebt von seinen krassen dynamischen Gegensätzen. Nach einem leisen Anfang fast aus dem Nichts, kommt es nach einer längeren Piano-Passage gleich zweimal zu einem großen und wütenden Orchester-Ausbruch. Die kurzen Passagen mit Abbrüchen und Dissonanzen, dem Auf-und Ab, sind Sinnbildhaft für den sehnsüchtigen Blick auf das bisherige Leben und Natur und das verzweifelte Aufbäumen gegen dessen Vergänglichkeit und dem Ende.

Lebendige Mittelsätze

Es folgen zwei furiose und lebendige Mittelsätze, wobei der zweite Satz als ein Tanzsatz „Im Tempo eines gemächlichen Ländlers“ zunächst unbeschwert konzipiert wurde. Besonders die zweite Geige strahlte behagliche Gemütlichkeit aus, um dann mit einem zweiten wilderen Tanz in den dritten Satz über zu leiten, bei der zu Beginn die Oboe für idyllische Gelassenheit sorgt. Doch nur für kurze Zeit, um sich dann allmählich furioser und doppelbödiger zu entwickeln. Der dritte Satz folgt als eine trotzige Rondo-Burleske, um in rasant wechselnden Besetzungen voran zu preschen. Nach einem nur vorläufigen elegischem Mittelteil kehrt die Musik zu einer beinah grimmigen und verbissenen Rekapitulation des Anfangs zurück.

4. Satz – Sehnsuchtsvoller Rückblick

Der vierte Satz ist ein sehnsuchtsvoller Rückblick durch eine elegische weit gestreckte Melodie der Streicher eingeführt. Mit dem Wechsel zu Des-Dur findet nicht nur eine Stimmungsänderung mit der Halbton-Vertiefung im Gegensatz zum Anfang statt, sondern auch eine bemerkenswerte musikalische Abwärtsbewegung. Üblicherweise findet in der Musikgeschichte am Ende einer Sinfonie eine Aufhellung statt. Doch bei Mahler stirbt die Musik nach einem letzten Tutti-Ausbruch ganz langsam wie das Leben.

Die Dortmunder Philharmoniker meisterte die große Herausforderung dieser Sinfonie zusammen mit ihrem Dirigenten mit Bravur und viel Sensibilität und Temperament.

Abschied nehmen hieß es auch von dem langjährigen ersten Bratschisten Roman Nowicki als wichtigen Bestandteil der hiesigen Philharmoniker.

9. Philharmonisches Konzert – Konflikte musikalisch verarbeitet

Wen kann man in Krisen oder Kriegszeiten noch trauen? Wie stellt sich das Individuum dann gegenüber der Gemeinschaft? Welche Wege geht es, und wer sind seine verlässlichen Gefährten?

Bei den drei Komponisten und deren ausgewählten Werken beim 9. Philharmonischen Konzert am 4./5. Juni 2019 konnte das Publikum diese Konflikte musikalisch spüren.

Die Dortmunder Philharmoniker unter der schwungvollen Leitung des niederländischen Dirigenten Antony Hermus nahm sich zunächst den Zyklus „Le Tombeau de Couperin“ von Maurice Ravel (1875 – 1937) vor. Als Verbeugung vor der französischen Barockmusik (Memoria-Komposition) und als Erinnerung an die im 1. Weltkrieg gefallenen Freunde des Komponisten und nach dem Tod seiner Mutter (1917) war es komponiert worden.

Die Komposition ist zum einen vom barocken Geist (etwa beim Menuett) beeinflusst, andererseits von harmonischen und rhythmisch-modernen Klangfarben durchbrochen.

Die einzelnen Sätze sind seinen gefallenen Freunden gewidmet. Nach einem fast pastoralen leichten Beginn blitzt später auch immer wieder eine modernere Harmonik durch. Melancholische und fröhliche Passagen wechseln sich bis zum furiosen Finale ab. Unterschiedliche Instrumente, wie etwa die Oboe, die Trompete oder das Englischhorn, stehen zwischendurch abwechselnd im Mittelpunkt.

Obwohl das folgende Violoncellokonzert des polnische Komponist Witold Lutosławski (1913-1994) in Konfliktreichen politischen Zeiten (Kalter Krieg) musikalisch auch deutlich ein Konfliktverhältnis zwischen Violoncello und Orchester beinhalten, wollte der Komponist es nicht als Allegorie zwischen dem unter den Repressionen durch das sowjetische System leidende und sich am Ende befreiende Individuum sehen.

Das moderne Werk zeichnet sich durch eine klare melodische Komponente und dissonante musikalische Narrative aus. Spektakulär zauberte der Cellist Johannes Moser aus seinem Instrument beeindruckende Klänge. Wie ein Herzklopfen fühlt es sich für das Publikum an, wenn schon zum Auftakt das Solocello mit einem großen Monolog fünfzehn bis zwanzig mal einen einzelnen Ton wiederholt, bis sich eine mehrminütige Solofantasie anschloss.

Dem Interpreten werden auch im weiteren Verlauf Freiheiten eingeräumt, die dem Cellisten viel abverlangen. In die Fantasie fährt der erste harsche Gegenwind durch die Trompeten aufzieht. Es folgen eine Reihe von „Kampfscharmützel“ zwischen Violoncello, einzelne Instrumenten und dem Orchester. Es gibt aber auch immer mal Unterstützung für den Solocellisten. Schlussendlich triumphiert am Ende das Violoncello.

Die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Antony Hermus und dem Solocellisten Johannes Moser. (Foto: © Anneliese Schürer)
Die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Antony Hermus und dem Solocellisten Johannes Moser. (Foto: © Anneliese Schürer)

Nach der Pause stand Felix Mendelssohn Bartholdys (1809 – 1847) 3. Sinfonie a-Moll op. 56, auch die „Schottische“ genannt, auf dem Programm. Sie entstand unter dem Einfluss eine Schottlandreise 1829, die den Komponisten auch nach Holyrood Palace, der ehemaligen Residenz von Königin Maria Stuart (und deren Geschichte) führte. Erst zwölf Jahre später wurde die Sinfonie 1841/1842 fertigt gestellt.

Passend zu Schottland ist auch der dunkel-elegische Anfang mit den tiefen Klängen der Holzbläser, Hörner und Bratschen. Die folgenden bewegenden Themen und Motive werden später furios in einer Art „Sturm“durch die Streicher gebrochen um am Ende wieder düster-elegisch auszuklingen.

Die nächsten Sätze folgen wie aus einem Guss fast ohne Unterbrechung mal tänzerisch ausgelassen, mal kraftvoll elegant. Der vierte und letzte Satz hat teilweise den Charakter eines musikalischen „Schlachtfeldes“, das dann langsam ins Leere läuft. Das Finale ist stark und hymnisch.