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9. Philharmonisches Konzert – Konflikte musikalisch verarbeitet

Wen kann man in Krisen oder Kriegszeiten noch trauen? Wie stellt sich das Individuum dann gegenüber der Gemeinschaft? Welche Wege geht es, und wer sind seine verlässlichen Gefährten?

Bei den drei Komponisten und deren ausgewählten Werken beim 9. Philharmonischen Konzert am 4./5. Juni 2019 konnte das Publikum diese Konflikte musikalisch spüren.

Die Dortmunder Philharmoniker unter der schwungvollen Leitung des niederländischen Dirigenten Antony Hermus nahm sich zunächst den Zyklus „Le Tombeau de Couperin“ von Maurice Ravel (1875 – 1937) vor. Als Verbeugung vor der französischen Barockmusik (Memoria-Komposition) und als Erinnerung an die im 1. Weltkrieg gefallenen Freunde des Komponisten und nach dem Tod seiner Mutter (1917) war es komponiert worden.

Die Komposition ist zum einen vom barocken Geist (etwa beim Menuett) beeinflusst, andererseits von harmonischen und rhythmisch-modernen Klangfarben durchbrochen.

Die einzelnen Sätze sind seinen gefallenen Freunden gewidmet. Nach einem fast pastoralen leichten Beginn blitzt später auch immer wieder eine modernere Harmonik durch. Melancholische und fröhliche Passagen wechseln sich bis zum furiosen Finale ab. Unterschiedliche Instrumente, wie etwa die Oboe, die Trompete oder das Englischhorn, stehen zwischendurch abwechselnd im Mittelpunkt.

Obwohl das folgende Violoncellokonzert des polnische Komponist Witold Lutosławski (1913-1994) in Konfliktreichen politischen Zeiten (Kalter Krieg) musikalisch auch deutlich ein Konfliktverhältnis zwischen Violoncello und Orchester beinhalten, wollte der Komponist es nicht als Allegorie zwischen dem unter den Repressionen durch das sowjetische System leidende und sich am Ende befreiende Individuum sehen.

Das moderne Werk zeichnet sich durch eine klare melodische Komponente und dissonante musikalische Narrative aus. Spektakulär zauberte der Cellist Johannes Moser aus seinem Instrument beeindruckende Klänge. Wie ein Herzklopfen fühlt es sich für das Publikum an, wenn schon zum Auftakt das Solocello mit einem großen Monolog fünfzehn bis zwanzig mal einen einzelnen Ton wiederholt, bis sich eine mehrminütige Solofantasie anschloss.

Dem Interpreten werden auch im weiteren Verlauf Freiheiten eingeräumt, die dem Cellisten viel abverlangen. In die Fantasie fährt der erste harsche Gegenwind durch die Trompeten aufzieht. Es folgen eine Reihe von „Kampfscharmützel“ zwischen Violoncello, einzelne Instrumenten und dem Orchester. Es gibt aber auch immer mal Unterstützung für den Solocellisten. Schlussendlich triumphiert am Ende das Violoncello.

Die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Antony Hermus und dem Solocellisten Johannes Moser. (Foto: © Anneliese Schürer)
Die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Antony Hermus und dem Solocellisten Johannes Moser. (Foto: © Anneliese Schürer)

Nach der Pause stand Felix Mendelssohn Bartholdys (1809 – 1847) 3. Sinfonie a-Moll op. 56, auch die „Schottische“ genannt, auf dem Programm. Sie entstand unter dem Einfluss eine Schottlandreise 1829, die den Komponisten auch nach Holyrood Palace, der ehemaligen Residenz von Königin Maria Stuart (und deren Geschichte) führte. Erst zwölf Jahre später wurde die Sinfonie 1841/1842 fertigt gestellt.

Passend zu Schottland ist auch der dunkel-elegische Anfang mit den tiefen Klängen der Holzbläser, Hörner und Bratschen. Die folgenden bewegenden Themen und Motive werden später furios in einer Art „Sturm“durch die Streicher gebrochen um am Ende wieder düster-elegisch auszuklingen.

Die nächsten Sätze folgen wie aus einem Guss fast ohne Unterbrechung mal tänzerisch ausgelassen, mal kraftvoll elegant. Der vierte und letzte Satz hat teilweise den Charakter eines musikalischen „Schlachtfeldes“, das dann langsam ins Leere läuft. Das Finale ist stark und hymnisch.