Alle Beiträge von Lisa Lemken

Mit Geschick und Witz ans Ziel

Der erste Versuch, den Kapitän Funny Bone zu überlisten, schlägt fehl.  (v.l.n.r.) Boshana Milkov (Isabella), Xiaoka Hu (Lindoro), Maximilian Haschemi (Funny Bone) und Marvin Zobel (Taddeo) Foto ©Anke Sundermeier / Stage Picture GmbH.
Der erste Versuch, den Kapitän Funny Bone zu überlisten, schlägt fehl. (v.l.n.r.) Boshana Milkov (Isabella), Xiaoka Hu (Lindoro), Maximilian Haschemi (Funny Bone) und Marvin Zobel (Taddeo)
Foto ©Anke Sundermeier / Stage Picture GmbH.

Nach dem „Kleinen Barbier“ 2014 brachte die Junge Oper Dortmund mit der Premiere von „Piraten fluchen nicht“(ab 5 Jahren) am 20. September 2015 abermals eine Kinderoper nach einer Vorlage von Gioacchino Rossini auf ihre kleine Bühne. Johann Casimir Eule und Wiebke Hetmanek verlegten die Handlung von Rossinis „Die Italienerin in Algier“ (Uraufführung 1813) unter der Regie von Ronny Jakubaschk kurzerhand auf ein Piratenschiff. Das Piratenthema war wunderbar gewählt, denn am 19. September wird der „Sprich-wie-ein-Pirat-Tag“ gefeiert.

Das Bühnenbild von Vera Koch entführte das junge und jung gebliebene Publikum mit seinem Piratenschiff-Ambiente in eine Welt à la „Fluch der Karibik“. Mit Rutsche, Ausguck mit Piratenflagge, Schifferklavier, Kajüte und drei Öffnungen mit Rettungsringen. Ein Fahrradreifen diente als Steuer und vor der Bühne befanden sich stilisierte Wellen aus Pappe. Auch die Kostüme waren liebevoll ausgesucht. So war Lindoro, der Plankenputzer auf dem Schiff, mit allerlei Putzlappen und Bürsten ausgestattet und der Kapitän trug ein Piratenhut aus einem Nudelsieb. Vielleicht eine Referenz an die „Pastafarianer“, die auch einen starken Piratenbezug haben.

In einem kleinen Orchestergraben befanden sich eine kleine Abordnung der Dortmunder Philharmoniker mit zwei Blasinstrumenten , zwei Streichinstrumenten sowie einem Klavier unter der Leitung von Ingo Martin Stadtmüller. Sie brachten die Musik von Rossini mit viel Gefühl und passend zum Geschehen dar.

Zum Inhalt der Geschichte

Der gefürchtete Piratenkapitän Funny Bone (Maximilian Haschemi) ist zwar Herr der Meere, aber leidet auch seit über 500 Jahren unter einem Fluch. Er muss ständig Fluchen. Er wäre jedoch gerne ein Gentleman, zumal die junge Isabella (Boshana Milkov) zusammen mit ihrem Onkel Taddeo (Marvin Zobel) auf seinem Schiff stranden. Sie suchen Isabellas Verlobten Lindoro (Xiaoke Hu), der als Plankenputzer auf dem Piratenschiff mit Hilfe von Seemann Haly (Hendrik Schörmann), dem Vertrauten von Kapitän Funny Bone, gefangen gehalten wird. Da mit dem Kapitän nicht zu Spaßen ist, müssen die „lausigen Landratten“ schon viel Geschick und List anwenden, um die geplante Piratenhochzeit zu verhindern und den Piratenkapitän von seinem Fluch zu befreien…

Die Sängerin und Die Sänger zeichneten sich neben guten Stimmen durch viel Spaß am Spiel und Humor aus. Schon zu Beginn sorgten Isabella und Taddeo für gute Stimmung, als sie mit einem Schlauchboot quer durch das Publikum sausten. Wie es sich bei einer Kinderoper gehört, wurde das Publikum zum Mitmachen animiert. So sollten sie zum Beispiel dem Onkel Taddeo helfen, seine Prüfung als Kaimakan (Stellvertreter) zu bestehen.

Eine gelungene Premiere, die mit viel Applaus belohnt wurde.

Weitere Termine: Di, 29. September 2015, Mi, 30. September 2015, So, 25. Oktober 2015, Mi, 28. Oktober 2015, Di, 03. November 2015, Mi, 04. November 2015, So, 08. November 2015, So, 15. November 2015, Di, 17. November 2015, Do, 19. November 2015, Di, 24. November 2015, So, 06. Dezember 2015, So, 13. Dezember 2015, Mi, 16. Dezember 2015 und So, 20. Dezember 2015.

Theater ohne Worte

Bettina Zobel, Johanna Weißert und Philip Pelzer spielenj die drei Wesen, die die Welt der Klänge erleben. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Bettina Zobel, Johanna Weißert und Philip Pelzer spielenj die drei Wesen, die die Welt der Klänge erleben. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Mit ihrem Projekt „Als die Musik vom Himmel fiel“ im Kinder-und Jugendtheater Dortmund für die Kleinen (und Großen) ab 3 Jahren experimentieren der Leiter des KJT Andreas Gruhn und Peter Kirschke mit einem Theater ohne Worte, nur mit Klang. Die Premiere ist am 11.09.2015 um 18 Uhr.

„Die Idee dahinter ist, kleinen Kindern nahe zu bringen, wie es zur Musik kommt. Diese ist nicht bloß alleine im Radio zu hören, sondern kann von ihnen selbst mit Gegenständen des alltäglichen Gebrauchs erzeugt werden“, erklärte Gruhn. Dabei spiele es keine Rolle, ob es sich dabei um eine Kartoffelpresse, eine alte Schreibmaschine, ein gezupftes gespannte Seil oder echte Musikinstrumente handelt. „Es stellt sich die Frage, welche Qualität ein Klang haben kann“, so Gruhn.

Zur Geschichte: Drei vergessene „Wesen“ in einer vergessenen Ecke der Welt haben nur einfache Laute zur Verständigung. So sitzen sie stumm in ihrer stillen Welt, bis eines Tages ein kleiner Würfel vom Himmel fällt. Aus diesem kommen wunderbare Töne, die Haah (ängstlich), Beeh (halb blind) und Fiih (wild) verzaubern. Nach einer Wiederholung dieses wunderbaren Klangerlebnisses verstummt die Musik plötzlich. Nun versuchen die Drei, Geräusche zu erzeugen und aus allen möglichen Gegenständen Instrumente zu bauen. Sie tuten, zupfen und trommeln auf alles was sie finden können. Gemeinsam üben sie hartnäckig so lange, bis sie die zauberhafte Musik aus dem Würfel nachspielen können…

Peter Kirschke, auch bekannt als Regisseur von der Produktion „Ein Freund für Löwe Boltan und Musik und Video der Produktion aus dem letzten Jahr „Ach je die Welt“, ist bei diesem Projekt für die Musik verantwortlich. „Wir wollen mit einer kleinen bezaubernden Melodie den vergangenen Sommer (wieder) ins KJT holen“, verriet Kirschke.

Von großer Bedeutung ist bei dieser Produktion auch die Ausstattung. Die Verantwortliche Sandra Linde erläuterte dazu: „Wir haben als Symbol für eine vergessene Welt irgendwo eine Art Iglu-Zelt als Wohnstätte ausgewählt. Für die drei Wesen wurden extra übergroße Pullover hergestellt. Der Würfel ist ca. 25 cm x 25 cm groß und zwei riesige Rohre, werden von oben ihre Kommentare abgeben. Ein Rohr als „Good Rohr“, das andere als auch mal schimpfendes „Bad Rohr“.

Andreas Gruhn wies auf die Bedeutung dieser Produktion in unsere Zeit mit vielen Flüchtlingen und Menschen mit Migrationshintergrund ohne deutsche Sprachkenntnisse hin.

Die Spieldauer des Stückes ist 40 Minuten.

Die Premiere am 11.09. 2015 ist bereits ausverkauft. Weitere Termine: So, 13. September 2015, So, 20. September 2015, Di, 29. September 2015, Do, 15. Oktober 2015, So, 18. Oktober 2015 und So, 25. Oktober 2015.

Am Mittwoch, den 09. September gibt es um 17:30 Uhr einen Themenabend für Pädagogen. Infos bei der Theaterpädagogin Erika Schmidt-Sulaimon eschmidt@theaterdo.de

Besonders für Kitas geeignet sind die 10 Uhr Termine am 29. September und am 15. Oktober 2015.

Westfalens Wurzeln auf der Spur

Ein Motorrad, wie es für Steherrennen beim Sechs-Tage-Rennen benutzt wurde.
Ein Motorrad, wie es für Steherrennen beim Sechs-Tage-Rennen benutzt wurde.

Zweihundert Jahre Westfalen sind ein guter Anlass für eine große Ausstellung im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte. Rund 800 Exponate werden hier vom 28.08.2015 bis zum 28.02.2016 auf einer Fläche von 1.800 Quadratmetern mit großer Sorgfalt und hohem Aufwand zusammengetragen und platziert. Diese Ausstellung entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und dem westfälischen Heimatbund unter der Schirmherrschaft von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Der Heimatbund feiert zudem in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen.

Bei einer Ausstellung über Westfalen geht es natürlich auch über die Bewohner. Was zeichnet einen Westfalen aus? Ein Heimspiel für Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau. „Wir Westfalen sind für unsere Dickschädel, Bodenständigkeit und Nachhaltigkeit bekannt“, so Sierau.

Auf die Frage nach den preußischen Tugenden der Westfalen ergänzte Harry Kurt Voigtsberger, Präsident der Nordrhein-Westfalen-Stiftung, mit „Bescheidenheit, tiefe Verwurzelung und Sparsamkeit.“ Ob die Westfalen Verwandte der Schwaben sind?

Agrarland und Industriegebiet. Westfalen war schon immer reich von Kontrasten. Matthias Löb, LWL-Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe bemerkte: „Mit dieser Ausstellung gehen wir auf westfälische Identitätssuche. Westfalen war immer ein Land voller Gegensätze und Vielfalt. Daraus schöpfen wir Kraft.“

Die Ausstellung hat drei Schwerpunkte, die sich im Laufe der Zeit verändern. Das erste Territorium steht unter dem Motto „Aufbruch in die Moderne“. Die Eisenbahn, der Bergbau und die Stahlerzeugung sind natürlich sehr bedeutsam gewesen für die weitere Entwicklung Westfalens. Dieser Schwerpunkt wird bis zum 01. November zu sehen sein. Danach wird gewechselt und die „Wasserkraft“ steht im Mittelpunkt, bis sie von der „Toleranz“ abgelöst wird.

Für die Ausstellung wurden Objekte und Relikte zusammengetragen, die Veränderungen zeigen, Meilensteine markieren oder wichtig für die Menschen in Westfalen sind.

Zu dieser Ausstellung gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm. Nähere Informationen unter www.mkk-westfalen.dortmund.de oder www.200jahrewestfalen.jetzt

Einen kleinen Einblick in die Ausstellung bietet dieses Video: [vsw id=“hIosc0VON0c“ source=“youtube“ width=“425″ height=“344″ autoplay=“no“]

Task Force Hamm im Einsatz

Der erste Fall für Kommissar Scholz in seiner neuen Zwangsheimat Hamm. (Cover: © grafit-Verlag)
Der erste Fall für Kommissar Scholz in seiner neuen Zwangsheimat Hamm. (Cover: © grafit-Verlag)

Dirk Schmidt, geboren 1964 in Essen, ist als Autor für Kriminalhörspiele für den WDR den Krimi-Liebhabern sicher ein Begriff. Jetzt hat er die einen Kriminalroman über die liebenswert chaotische Truppe der „Task Force Hamm“ mit dem Titel „Ertränkt, Erhängt, Erschossen“ im grafit-Verlag veröffentlicht.

Hamm ist den Bahnreisenden vermutlich nur deshalb bekannt, weil dort die Züge geteilt werden. Aber was hat die Stadt ansonsten zu bieten? Kommissar Scholz muss es herausfinden, denn, bisher in Köln tätig, wird er wegen seiner Spielsucht und Schulden zu einer Entziehungskur verdonnert und nach Hamm strafversetzt. Wie sich herausstellt, wird diese Stadt als ein Auffangbecken für „Problemfälle“ der Polizei benutzt. So trifft Scholz auf neue Kollegen wie den zu Aggressionen neigenden exzentrischen schwulen Ditters und den etwas tumben Hobby-DJ Latotzke. Der alte Chef Vorderbäumen lässt es eher gemächlich angehen und konzentriert sich auf seine Nebentätigkeit im Möbelbusiness.

Als schließlich ein toter Metzger gefunden wird, der sowohl ertränkt, erhängt und erschossen wurde, ist die Begeisterung für die Ermittlungen zunächst im Team nicht besonders groß. Nur Scholz versucht mit aller Macht, den verzwickten Fall aufzuklären…

In seinem ersten Roman um um die „Task Force Hamm“ gelingt es Schmidt mit viel Empathie die Charaktere in dem Krimi mit viel Liebe zum Detail zu entfalten. So bekommt der Leser einen Einblick in das Gefühlsleben eines Zockers. Die Akteure in Schmidts Buch werden nicht holzschnittartig gezeichnet, sondern werden behutsam in ihrer Vielschichtigkeit und inneren Konflikten dargestellt. Besonders eindrucksvoll gelingt ihm das bei Ditters, der sich am Ende eine schwere Entscheidung trifft, die für sein Leben eine grundlegende, nicht mehr rückgängig zu machende Wendung gibt.

Der Roman ist mit viel trockenem Humor geschrieben, ohne auf die nachdenklichen Töne dazwischen zu verzichten. Er ist kurzweilig zu lesen und hält seinen Spannungsbogen bis zuletzt durch überraschende Wendungen. Dieser Krimi macht Lust auf mehr.

Dirk Schmidt

Task Force Hamm – ertränkt, erhängt, erschossen

205 Seiten, grafit-Verlag, 9,99 €

ISBN 978-3-89425-459-9

auch als e-book erhältlich

Tod im Schatten des Stahlarbeiterstreiks

Die Trilogie über die Pastorin Martha Gerlach handelt diesmal im Stahlarbeitermillieu. (Foto: © emons Verlag)
Die Trilogie über die Pastorin Martha Gerlach handelt diesmal im Stahlarbeitermillieu. (Foto: © emons Verlag)

Nach ihren Ruhr Classic-Krimis „Kohlenstaub“ und „Linienstraße“, die uns ins alte Dortmund der Jahre 1965 und 1968 führte, spielt der neue Retro-Krimi „Tod im Stahlwerk“ von Pfarrerin und Autorin Anne-Kathrin Koppetsch während der aufregenden und turbulenten Zeit der Septemberstreiks bei Hoesch 1969.

Während die Stahlkocher erfolgreich für mehr Lohn streiken, überfährt ein betrunkener Lokführer den Sohn des Betriebsrats. Lokführer und Betriebsrat, einst befreundet, sind zur Zeit nicht gut aufeinander zu sprechen. Der Betriebsrat ist als jemand, der sich „mit den feinen Herren gemein tut“ in Verruf geraten. Wurde Freddy, der Sohn des Betriebsrats, Opfer dieses Streits, oder steckt etwas andres dahinter? Für Pastorin Martha geht es diesmal auf eine emotionale Berg- und Talfahrt.

Die Leser bekommen bei diesem Krimi wieder eine Menge Lokalkolorit aus Dortmund zur Zeit vor dem Strukturwandel und den Lebensumständen einer jungen Pastorin damals mit. Das „Fräulein Pastor“ hatte damals nicht nur einen schweren Stand gegenüber ihren männlichen Kollegen und Vorgesetzten, sondern war immer noch gezwungen, sich zwischen Beruf(ung) und Heirat zu entscheiden. Eine verheiratete Pastorin wurde von der evangelische Kirche auch Ende der 60iger Jahre noch nicht akzeptiert.

Der musisch begabte Sohn des Betriebsrats Freddy bringt in diesem Roman die Pastorin Martha Gerlach emotional gehörig aus dem Gleichgewicht. Um so mehr drücken sie Schuldgefühle nach dessen Tod. Der Reporter Luschinski steht ihr auch dieses Mal wieder als guter Freund und Beschützer zur Seite.

Nach und nach offenbart sich im Krimi familiäre Dramen. Als weitere Ebene spielt das Thema Homosexualität innerhalb der Kirche eine Rolle.

Der Krimi ist spannend aber auch amüsant geschrieben und Leser, die sich in Dortmund auskennen, werden sicher die eine oder andere genannte Örtlichkeit wieder erkennen.

Anne-Kathrin Koppetsch
Tod im Stahlwerk
Ruhr Krimi Classic, emons Verlag
192 Seiten
ISBN 978-3-95451-528-8
Euro 9,90 [D] , 10,20 [AT]

Voll Intensität und Leidenschaft

 Das „Quartet Hawniyaz“ : (v.l.n.r.)  Jazz-Pianist Salman Gambarov, Sängerin Aynur Doğan, Kamancheh-Legende Kayhan Kalhor (Iran) sowie dem kurdischen Tambur-Spieler Cemil Qocgiri. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Das „Quartet Hawniyaz“ : (v.l.n.r.) Jazz-Pianist Salman Gambarov, Sängerin Aynur Doğan, Kamancheh-Legende Kayhan Kalhor (Iran) sowie dem kurdischen Tambur-Spieler Cemil Qocgiri. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Am vorletzten Tag des Klangvokal Festivals bekam das Publikum mit „Songs of Kurdistan“ am 27. Juni 2015 im prall gefülltem Veranstaltungsraum im Dortmunder Jazz-Club Domicil einen besonderen Einblick in die für westliche Hörgewohnheiten ungewöhnliche kurdisch-arabische Weltmusik. Das „Quartet Hawniyaz“ mit der in der kurdischen Musiklandschaft bekannten Sängerin Aynur Doğan, Kamancheh-Legende Kayhan Kalhor (Iran), dem Jazz-Pianisten Salman Gambarov (Aserbaidschan) sowie dem kurdischen Tambur-Spieler Cemil Qocgiri führten die Zuhörerinnen und Zuhörer durch das kulturelle Erbe ihrer Heimatländer.

Erwartungsgemäß lockte das Programm viele Menschen aus der kurdischen Gemeinschaft ins domicil. Das zeigt die große Bekanntheit der Gruppe. Aber auch für die Besucher aus Dortmund, die nicht aus diesem Kulturkreis stammen, lohnte es sich, auf das musikalische Abenteuer einzulassen. Aynur Doğan bot mit ihrer starken Stimme Lieder voller Intensität, Leidenschaft und oft mit einer Portion Melancholie. Es war ein Klagegesang voller Schmerz.

Ihre drei exzellenten instrumentalen Begleiter zogen das Publikum mit in eine fremde Welt. Die Stücke hatten fast schon einen meditativen Sog und gingen fließend ineinander über. Interessant war es für das Publikum, Instrumente kennen zu lernen und akustisch zu erleben, die nicht aus unserem mitteleuropäischen Kulturkreis stammen. So zum Beispiel die Kamancheh, eine Stachelgeige in der iranischen Musik. Kayhan Kalhor spielte mit viel Gefühl auf der Stachelfidel mit einem kleinen einfachen Resonanzkörper und langem dünnen Hals. Wunderbare orientalische Klänge zaubert die von Cemil Qocgiri gespielte und im Orient verbreitete , seit zweitausend Jahren bekannte gezupfte Langhalslaute Tambur. Die Begleitung durch sich wiederholende Klavierklänge des Jazz-Pianisten Salman Gambarov passten gut in das künstlerische Gesamtgefüge.

Als Zugabe für das begeisterte Publikum gab es am Ende noch einen bei vielen kurdischen Gästen bekannten Song zum mitklatschen und mitsingen.

Barocker Zauber in der Reinoldikirche

Ann Hallenberg (weißes Kleid) und Lydia Teuscher (blaues Kleid) gaben ein gefeiertes Konzert zusammen mit den Musikern der Accademia Bizantina mit ihrem Dirigenten Ottavio Dantone (ganz rechts). Foto: © Bülent Kirschbaum
Ann Hallenberg (weißes Kleid) und Lydia Teuscher (blaues Kleid) gaben ein gefeiertes Konzert zusammen mit den Musikern der Accademia Bizantina mit ihrem Dirigenten Ottavio Dantone (ganz rechts). Foto: © Bülent Kirschbaum

Im römischen Palast von Fürst Francesco Maria Ruspoli gaben sich im Jahr 1707 zur Uraufführung von Alessandro Scalattis „Il giardino di Rose“ namhafte barocke Komponisten und Musiker ein Stelldichein. Darunter auch der damals erst 22-jährige Sachse Georg Friedrich Händel. Er wollte das römische Publikum zum Staunen bringen. Damals waren in Italien Opern verboten, und sinnliche, leidenschaftliche (geistliche) Oratorien, die weltliche und klerikale Themen verbanden, beim Publikum beliebt. Händel, obwohl selbst kein Katholik, bediente gekonnt die emotionalen und rituellen religiösen Bedürfnisse.

Im Rahmen des Klangvokal Festivals 2015 brachte Ottavio Dantone (Musikalische Leitung) und sein Ensemble Accademia Bizantina mit Unterstützung der renommierten Schwedin Ann Hallenberg (Mezzosopran) und der jungen Sopranistin Lydia Teschner barocken Zauber in die Reinoldikirche. Ein passender Rahmen mit exzellenter Akustik. Die Vorbereitungen für dieses Konzert waren schon Dienstag gestartet, denn die Musiker, die Sängerinnen und der Dirigent kamen aus unterschiedlichen Orten nach Dortmund.

Die Musiker spielten auf Originalinstrumenten. In der Mitte spielte Dantone auf der Orgel und dem Cembalo. Das Konzert begann mit der bewegenden Marienverehrung von Scarlattis Sinfonie „Il Giardino di Rose“ mit den Arien der Hoffnung, der Buße der Barmherzigkeit. Abwechselnd mit starker Stimme und Emotion von Teschner und Hallenberg. Der Teil schloss mit einem Duett der Barmherzigkeit und Buße der beiden Sängerinnen.

Es folgte als emotionaler Höhepunkt noch Giovanni Ferrandinis „Il pianto di Maria“ mit abwechselnden Rezitativen und sanften, weniger leidenschaftlichen Cavatinen, eine schlichtere Form der Arie. Ann Hallenberg machte die Leiden der Gottesmutter Maria mit ihrer hochemotionalen Gesangs-und Gestaltungskunst für das Publikum spürbar.

Nach einer kurzen Pause ging es mit Georg Friedrich Händels Salve Regina g-Moll HWV 241, Domenico Scarlettis Salve regina A-Dur. Die bewegende Huldigung der „Jungfrau und Königin Maria“ fand einen Höhepunkt mit „Haec est Regina virginum HWV 235 (Dies ist die Königin der Jungfrauen).

Am Ende begeisterten Teschner und Hallenberg mit dem Duett „Dolci chiodi, amate spine“ zwischen Magdalena und Kleophas aus „La Resurrezione“ (Die Auferstehung). Hier ist Magdalena keine reuige Sünderin, sondern mutige Zeugin der Auferstehung Jesu.

Ein gelungener Abend für Freunde der Barockmusik auf hohem Niveau, starken Stimmen und stimmungsvollem Ambiente, der erst nach zwei Zugaben zu Ende ging. Es zeigt sich erneut, dass das Festival Klangvokal ein absolutes Muss für Liebhaber alter Musik ist. Wer Renaissance- und Barockmusik auf hohem Niveau schätzt, kommt an Klangvokal nicht vorbei.

Ausdruckstarke Tortugas

Diskussion beim Mittagessen. (v.l.n.r.) Johannes Hebsacker, Marlon Otte, Dina Wälter sowie im Hintergund ein Teil der Tortugas. (Foto: © ©Björn Hickmann / Stage Picture GmbH)
Diskussion beim Mittagessen. (v.l.n.r.) Johannes Hebsacker, Marlon Otte, Dina Wälter sowie im Hintergund ein Teil der Tortugas. (Foto: © ©Björn Hickmann / Stage Picture GmbH)

Am 13. Juni 2015 gaben die Darsteller des Jugendclubs der Oper Dortmund, die „Tortugas“ dem Publikum mit der Premiere ihrer neuen Produktion „Die Tortugas in ausDruck“, unter der Regie von Alexander Becker in ihren stressigen und von immensem Druck geprägten Alltag.

Beim Eintritt in der Jungen Oper wurde das Publikum von den 14 Tortugas, einheitlich gekleidet in schwarzen Hosen, weißen Hemden und gelbem Schlips in reger Betriebsamkeit empfangen.

Überall an den Wänden, auf dem Boder oder in den Händen der Darsteller waren unzählige Zettel zu sehen, das sollte die ständigen Aufgaben symbolisieren, die noch zu tun sind. In einem kleinen Orchestergraben befand sich die aus sechs Personen bestehende Band des Märkischen Gymnasiums Iserlohns, die die Aufführung mit Gitarren, Keyboards und Schlagzeug musikalisch unterstützten.

Vor Beginn der Produktion muss eine der Darstellerinnen, Nela, gleich auf „Couch“ eines Psychologen und verspätete sich. Danach ging es los mit dem gnadenlosen Wecker am Morgen. Die müden Schüler quälen sich aus dem Betten. Als lustige Einlage bringt ein „Butler“ ihnen ihre Zahnbürsten. In der Schule geht der Druck durch die Lehrerin, gespielt von der zweiten Erwachsenen, schon los. Ein Jahr vor dem Abitur sollen die Schüler auf Leistung geeicht werden. Die verschiedenen Typen in der Klasse, ob Streberin, „Loser“, der Gleichgültige oder Individualist, werden vorgestellt. Nach der Schule geht es in zwei unterschiedliche Elternhäuser zum Essen in die Familie.

Da ist die gutbürgerlicher Familie, wo der Vater mal eben den befreundeten Arzt beim Golfspiel stört, damit dieser ihm bei der Behebung von „Konzentrations- und Aggressions-Problemen“ des Sohnes mit Pillen zur Leistungsoptimierung behilflich ist. Auf der anderen Seite ist da eine prollige Unterschichtenfamilie mit arbeitslosem Vater in Feinrippe-Unterhemd und rauchender Mutter zu sehen. Für deren Sohn kommt ein Austauschjahr im Ausland nicht in Frage. Richtig gekocht wird dort auch nicht. Ehrgeizige Oberschichts-Eltern und sozial benachteiligte Jugendliche die lieber schnell irgendeine Job annehmen sollen, um ihre Eltern zu unterstützen, bilden die beiden Pole.

Auch die wenige Freizeit ist mit Hobbys wie Musik, Ballett, Yoga, Fußball oder Stricken verplant. Als reichte das nicht, gibt es da auch den Druck innerhalb der Freundes-Gruppe. Wer möchte schon gerne zum „Trottel des Abends“ auserkoren werde und ein albernes Käferkostüm tragen? Einer der Darsteller baut seinen Frust und Druck beim „Zocken“ am Computer mit „Ballerspielen“ab. Eindringlich und bedrückend, wie die Leinwand zum „Computerspiel“ wird, in der die Spielfigur rund um den Wasserturm in Dortmund alle seine Mitschüler virtuell erschießt. [Anmerkung des Redaktions-Zockers: Ich finde die Analogie von Egoshootern und Amoklauf etwas ärgerlich. Im 18. Jahrhundert wurde noch vor der Lesesucht(!) gewarnt, dann kamen die Comics und das Fernsehen. Jetzt sind halt Killerspiele im Fadenkreuz.]

Als Ruhe-Geschenk an das Publikum und alle Darsteller wurde dann ein paar Minuten in absoluter Stille geschwiegen.

Am Abend war Party bis zum abwinken angesagt, um den“wahrhaften Moment“ zu erleben. Es folgt der Kater danach. Am Ende zeigt sich, wie wichtig es besonders in dieser reizüberfluteten und hektischen Zeit ist, einen Ort der Ruhe für sich zu finden. Ziel sollte sein, dass es möglichst jedem einzelnen Individuum gelingt, den persönlichen Traum zu leben.

Für die Aufführung wurde passend zur Situation bekannte deutschsprachige Musik aus den Genre Rock, Pop, Rap und Klassik gespielt und gesungen. Das ging von „Kurz die Welt retten“ (Tim Bendzko), über „Ich bin morgens immer müde“ (Trude Herr), „Atemlos“(Helene Fischer), „Vier Wände (Rio Reiser), „Kids“ (Marteria), „54-74-90-2010“ (Sportfreunde Stiller) oder „Fremde“ (Max Herre). Besonders anspruchsvoll war die Arie aus dem dritten Akt des „Rosenkavalier“ (Richard Strauss) zur verrinnenden Zeit., beeindruckend gesungen von Nela Rötzel.

Bei dieser gelungenen Produktion waren viele Gesangs- und schauspielerische Talente zu sehen und zu hören. Ganz große Klasse von allen Beteiligten!

Überzeugen können sie sich davon noch bei den weiteren Vorstellungen:

Mi, 17.0615, 11.00 Uhr

So, 21.06.15 11.00 Uhr

Di, 23.06.15 11.00 Uhr

Do, 25.06.15. 18.00 Uhr

Coming-of-Age Geschichte um Zerrissenheit

 Das Theater Oberhausen zeigte eine Geschichte zweier Freunde nach dem Roman von Finn-Ole Heinrichs. (Foto: ©  2014 Dirk Grobelny)
Das Theater Oberhausen zeigte eine Geschichte zweier Freunde nach dem Roman von Finn-Ole Heinrichs. (Foto: © 2014 Dirk Grobelny)

Als letzter Beitrag im Rahmen des Festivals Unruhr wurde am 6. Juni 2015 im Kinder-und Jugendtheater Dortmund das Stück „Räuberhände“, nach dem Romandebüt von Finn-Ole Heinrichs vom Theater Oberhausen aufgeführt.

Der Erzähler der Geschichte ist Jannik, der mit seinem ungleichem Freud Samuel in Istanbul nach dem Abitur einen Neuanfang starten will. Samuel möchte zudem seinen vermuteten türkischen Vater hier finden. Er ist begeistert von der reizvollen Stadt Istanbul und möchte Janik alles zeigen.
Das Publikum erfährt nebenbei einiges über diese Stadt. Bilder werden einerseits über Videoprojektion oder als Fotos an die Wand geklebt.Orientalische Musik im Hintergrund begleiten die Aufführung atmosphärisch und ein türkischer Straßenhändler fungiert als geschäftstüchtiger Fremdenführer.

Das Publikum steigt mitten in die Geschichte ein, ohne von den Geschehnissen in der Vergangenheit zu wissen. Auf der Bühne steht ein Doppelbett und davor eine weiße Plane, die als Küche und Vorgarten dient.
Dahinter hängen transparente Papierstreifen als Zimmerbegrenzung. Diese werden multifunktional als Leinwand oder Schattenwand genutzt.

Durch Rückblicke bekommen die Zuschauer langsam Einblick in das Beziehungsgeflecht der beiden Freunde und ihrer Familien. Janik kommt aus einem fast schon zu liberalen Elternhaus, die Samuel, den Sohn einer Alkoholkranken, wie ihren Sohn behandelt. Janik sieht enttäuscht, wie seine Eltern Samuel das schenken und geben, was ihm seine leibliche Mutter ihm nicht geben kann.
Die beiden jungen Männer reden zwar viel, aber nicht über die wirklich wichtigen Dinge wichtige und Gefühle.. Was nach einem Verrat von Janik kurz vor ihrer Reise nach Istanbul nicht gesagt wurde, wird bedeutsamer als das, was gesagt wird.
Das Stück ist ein Konglomerat aus Schuldgefühlen, erdruss, Verantwortungsgefühl, Wut und Scham. Die Figur Samuels Mutter Irene wird mit ihren Gefühlen von Frust, Schuld und Wut sowie der Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit und eben ihrer Alkoholsucht deutlich schmerzhaft vor Augen geführt. Der sonst auf sein Äußeres achtende Samuel hat symbolhaft für seine Zerrissenheit Risse in seinen „Räuberhänden“. Als seine Mutter nach einem Alkohol-Rückfall stirbt, trennen sich die Wege der Freunde und die Wände werden von allen Beteiligten eingerissen.

Der kaukasische Kreidekreis der Wahrheit

Der Jugendclub des Theaters Duisburg wagte sich erfolgreich an die Inszenierung von Brechts "kaukasischem Kreidekreis". (Foto: © Theater Duisburg)
Der Jugendclub des Theaters Duisburg wagte sich erfolgreich an die Inszenierung von Brechts „kaukasischem Kreidekreis“. (Foto: © Theater Duisburg)

Im Schauspiel Dortmund wurde am 6. Juni 2015 im Rahmen des Festival Unruhr die Produktion „Der kaukasische Kreidekreis“, Berthod Brechts Spätwerk aus dem amerikanischen Exil, vom Jugendclub „Spieltrieb“ im Theater Duisburg aufgeführt. Da zur Zeit noch das Urheberrecht an diesem Stück gilt, mussten sich die Regisseure Eva Zitta/Michael Steindl und die zahlreichen Darsteller dieser Aufführung natürlich streng an der Vorlage ausrichten. Vor der Aufführung gab es für Interessierte ein professionell angefertigtes Programmheft für das Stück.

Der selbstgerechte Gouverneur Georgi Abaschwili unds eine nur an Macht, Geld und Äußerlichkeiten interessierte Frau müssen nach einer Revolte der Fürsten gegen den Großfürsten und seine Gouverneure aus ihrem Palast fliehen. Abaschwilis Frau lässt ihr Baby Michel einfach alleine zurück. Das Küchenmädchen Grusche hat Mitleid mit dem Kind und nimmt es auf die abenteuerliche Flucht in die nördlichen Berge. Grusche liebt das Kind inzwischen wie ein eigens, da verlangt die berechnende Nattela Abaschwili ihren Sohn Michel wieder zurück. Es kommt zu einer Gerichtsverhandlung, die der Dorfschreiber Azdak leitet. Er fällt seine Entscheidung durch eine Probe: Das Kind wird in die Mitte eines Kreidekreises gelegt und beide Frauen sollen das Kind auf ihre Seite ziehen. Wem das gelingt, sei die wahre Mutter.

Grusche lässt aus Angst um das Kind dessen Hand los. Nattela freut sich schon, dass sie „gewonnen“ hat. Michel wird aber Grusche zugesprochen, die sich wie eine wirkliche Mutter verhalten hat.

Das praktische Bühnenbild mit dunklem Säulen bot für vielseitige Vewendung Raum. Zu Beginn wurde das Publikum mit unter weißen Planen als „Berge“ versteckte Darsteller und dem Gesang der späteren begleitenden Erzählerin in die kaukasische Umgebung eingeführt. Die weitere Aufführung wurde mit vielen Instrumenten, wie zum Beispiel Laute, Trommel, Violine oder Querflöte atmosphärisch unterstützt.

Die Charaktere in der Geschichte und die sozialen Missstände wurden von den Darstellern sensibel und oft humorvoll auf der Bühne umgesetzt.

Es fällt schwer, aus den guten schauspielerischen Leistungen jemanden herauszuheben. Besonders auffällig mit seinem humorvoll-ironischem Spiel war der Darsteller des Richter Azdak, Philipp Keßel.