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Coming-of-Age Geschichte um Zerrissenheit

 Das Theater Oberhausen zeigte eine Geschichte zweier Freunde nach dem Roman von Finn-Ole Heinrichs. (Foto: ©  2014 Dirk Grobelny)
Das Theater Oberhausen zeigte eine Geschichte zweier Freunde nach dem Roman von Finn-Ole Heinrichs. (Foto: © 2014 Dirk Grobelny)

Als letzter Beitrag im Rahmen des Festivals Unruhr wurde am 6. Juni 2015 im Kinder-und Jugendtheater Dortmund das Stück „Räuberhände“, nach dem Romandebüt von Finn-Ole Heinrichs vom Theater Oberhausen aufgeführt.

Der Erzähler der Geschichte ist Jannik, der mit seinem ungleichem Freud Samuel in Istanbul nach dem Abitur einen Neuanfang starten will. Samuel möchte zudem seinen vermuteten türkischen Vater hier finden. Er ist begeistert von der reizvollen Stadt Istanbul und möchte Janik alles zeigen.
Das Publikum erfährt nebenbei einiges über diese Stadt. Bilder werden einerseits über Videoprojektion oder als Fotos an die Wand geklebt.Orientalische Musik im Hintergrund begleiten die Aufführung atmosphärisch und ein türkischer Straßenhändler fungiert als geschäftstüchtiger Fremdenführer.

Das Publikum steigt mitten in die Geschichte ein, ohne von den Geschehnissen in der Vergangenheit zu wissen. Auf der Bühne steht ein Doppelbett und davor eine weiße Plane, die als Küche und Vorgarten dient.
Dahinter hängen transparente Papierstreifen als Zimmerbegrenzung. Diese werden multifunktional als Leinwand oder Schattenwand genutzt.

Durch Rückblicke bekommen die Zuschauer langsam Einblick in das Beziehungsgeflecht der beiden Freunde und ihrer Familien. Janik kommt aus einem fast schon zu liberalen Elternhaus, die Samuel, den Sohn einer Alkoholkranken, wie ihren Sohn behandelt. Janik sieht enttäuscht, wie seine Eltern Samuel das schenken und geben, was ihm seine leibliche Mutter ihm nicht geben kann.
Die beiden jungen Männer reden zwar viel, aber nicht über die wirklich wichtigen Dinge wichtige und Gefühle.. Was nach einem Verrat von Janik kurz vor ihrer Reise nach Istanbul nicht gesagt wurde, wird bedeutsamer als das, was gesagt wird.
Das Stück ist ein Konglomerat aus Schuldgefühlen, erdruss, Verantwortungsgefühl, Wut und Scham. Die Figur Samuels Mutter Irene wird mit ihren Gefühlen von Frust, Schuld und Wut sowie der Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit und eben ihrer Alkoholsucht deutlich schmerzhaft vor Augen geführt. Der sonst auf sein Äußeres achtende Samuel hat symbolhaft für seine Zerrissenheit Risse in seinen „Räuberhänden“. Als seine Mutter nach einem Alkohol-Rückfall stirbt, trennen sich die Wege der Freunde und die Wände werden von allen Beteiligten eingerissen.

tt#14 7.Tag – Ayşe und Aischylos

Der 7. Tag des NRW-Theatertreffens präsentierte zum zweiten Mal einen Doppelpack. Zunächst zeigte das Theater Münster die „deutschen Ayşe“, ein Theaterstück basierend auf den Erfahrungen der ersten Generation türkischer Einwanderer, die Ende der 60er bzw. Anfang der 70er Jahre nach Deutschland kamen. Danach ging es zum Auswärtsspiel nach Oberhausen. Dort wurde „Die Orestie“ gezeigt.

 

Hinter den drei Geschichten der deutschen Ayşen steckten echte Erfahrungen dreier Frauen. Theater gewordene oral history. Sehr schön war es, als die Schauspielerinnen über ihre Hoffnungen und Vorurteile (Kartoffeln!) über Deutschland sprachen. Man merkte in jedem Wort, wie sehr sich die drei Frauen auf Deutschland freuten. Wie sie Sprachkurse belegten und sich integrieren wollten.

Doch die Enttäuschung lies nicht lange auf sich warten. Statt in eine Großstadt wie Istanbul kam man in die Schwäbische Alb, nach Menden oder nach Beckum. Hier waren die Frauen Fremde in einer Gesellschaft, die absolut kein Interesse an Integration hatte. Ganz im Gegenteil zu den Türkinnen.

 

Das Stück konzentriert sich ganz auf die erste Generation von Türken, die neugierig nach Deutschland gekommen ist. Die Herausforderungen der nachfolgenden Generationen wird nicht thematisiert.

 

Klasse war es, als sich die drei Schauspielerinnen zum Schluss auf Türkisch bei einem imaginären Abwerbungsbüro vorstellten.

 

 

In Oberhausen empfing uns ein beeindruckendes Bühnenbild. Eine Art schwarzer Zauberkasten nahm den größten Raum ein. Nach jeder Szene wurden die Wände herunter gefahren und auf einem Laufband gab es kurze Infos zum nächsten Geschehen. Nach dem Umbau wurden die Wände wieder hoch gefahren.

Der australische Regisseur Simon Stone präsentiert das antike Drama „Die Orestie“ von Aischylos als Art Familiendrama im US-Serienformat. Stone erzählt die Geschichte verkehrt herum und beginnt mit der Ermordung Klytaimnestra durch ihren Sohn Orest. In den weiteren Akten wird die Entstehung des Familiendramas, des „Fluches“ erzählt. Agamemnon erlaubt seiner Tochter Iphigenie den Selbstmord. Die Mutter von Iphigenie, Klytaimnestra, tötet deshalb ihren Mann Agamemnon.

 

Eigentlich wollte Aischylos mit seinem Drama erzählen, wie das System der (Blut-)Rache im antiken Griechenland durch ein Rechtssystem mit Gerichten verändert wurde. So bringt sich orest auch nicht um wie bei Stone, sondern wird vor Gericht gestellt und durchbricht so den kreislauf der Rache.

 

Stone bringt die Geschichte zwar sehr sprachgewaltig in die Moderne, lässt aber meiner Meinung nach den Kern des Dramas außer acht. Zumal ein paar Modernisierung zwar sehr effektvoll sind, so wird Iphigenie nicht geopfert, sondern Agamemnon besorgt ihr Gift für ihren Selbstmord, aber der tödliche Hass von Klytaimnestra auf ihren Mann nicht so ganz verständlich.

 

Was übrig bleibt ist eine sehr freie Interpretation, die in der Sprache der heutigen Zeit abgefasst ist. Smartphones, Google, Blogs und Facebook sind ebenso selbstverständlich wie populäre Serien wie „The Wire“ oder „Braking Bad“. Die Schauspieler machten einen exzellenten Job.