Tag 3: Internationales Frauenfilmfestival Dortmund/Köln 2017

[fruitful_alert type=“alert-success“]Lina (Manal Issa) muss ihr Leben selbst gestalten. (Foto: © Frauenfilmfestival)[/fruitful_alert]

Der französische Beitrag „Peur de rien“ aus dem Jahr 2015 von Danielle Arbid für den Internationalen Wettbewerb für Regisseurinnen und dem Publikumspreis zeigt den ganz persönlichen Blickwinkel einer jungen Libanesin, die in den 1990er Jahren mit einem Studienvisum nach Paris reist.

Lina (Manal Issa) kommt mit gerade mal 18 Jahren in eine ihr fremde Welt nach Paris. Dort stellen sich ihr viele Herausforderungen, die sie alleine meistern muss. Ob sie vor den sexuellen Belästigungen ihres Onkels flieht, Freunde und Hilfe sucht, die Enttäuschung mit ihrem verheirateten Liebhaber verarbeitet, das richtige Studium für sich findet, oder am Ende mit Hilfe eines Anwaltes den Verlust ihrer Aufenthaltsgenehmigung verhindern muss.

Auf ihrem Weg zu einem selbstbestimmten Leben wird sie auch mit Rassismus und Drogen konfrontiert. Nach und nach wird sie immer selbstsicherer und kämpft für ihre Rechte. Eine beeindruckende Protagonistin und ein von der Musik getragenes Zeitporträt mit auch berührenden Momenten. In Zeiten zunehmender Migration ein Beitrag für ein wenig mehr Verständnis.

Facetten brutalistischer Architektur

[fruitful_alert type=“alert-success“]2017_BRUT_Evol_Blocked_Delivery_2_c_Evol_(Foto: ©VG_Bild-Kunst Bonn 2017)[/fruitful_alert]

Zu einer spannenden Ausstellung „Gesellschaft zur Wertschätzung des Brutalismus/ The Brutalism Appreciation Society“ lädt der Hartware MedienKunstVerein (HMKV) in der 3. Etage des Dortmunder U vom 08. April bis zum 24. September 2017 ein.

Mitte der 1950er Jahre entstand vor allem in Großbritannien der radikale Architekturstil des „Brutalismus“. Vorreiter waren unter anderem Le Cobusier oder Alison und Peter Smithson (1949 – 1954). „Brutalismus“ hat hat weniger etwas mit Brutalität zu tun. Der Begriff leitet sich von „béton brut“ (roher Beton), dem französischen Ausdruck für Sichtbeton, ab. Er zeichnet sich durch Sichtbetonwände und freiliegende Baumaterialien wie Stein, Metall und Ziegel aus. Radikale Strukturen und formale Lesbarkeit des Grundrisses, klare Zurschaustellung der Konstruktion und die Wertschätzung der Materialien kennzeichnen diesen Stil.

Ausgangspunkt für diese Ausstellung war die 2007 gegründete Facebook-Gruppe „The Brutalism Appreciation Society (dt. Gesellschaft zur Wertschätzung des Brutalismus)“. Dort versammelten sich die Liebhaber dieses Architekturstils und schickten sich Bilder von brutalistischer Architektur. Die Mitglieder hat sich in den letzten zwei Jahren auf 50.000 verdoppelt. In den letzten Jahren stellte sich vermehrt die Frage: Was machen mit dem bröckelnden alten Betonfassaden? Abreißen oder renovieren?

Die Frage ist durchaus ambivalent. Die Freunde des „Brutalismus“ wollen ihn aus nostalgischen Gründen und wegen seiner futuristisch anmutenden Architektur als allgemeines Kulturgut erhalten. Die Gegner wollen zum Beispiel die „hässlichen Plattenbauten“ und andere Gebäude dieses Stils abreißen.

In der Ausstellung zeigen 21 KünstlerInnen aus 11 verschiedenen Ländern (von Belgien bis USA) Skulpturen, Videos, Videoinstallationen, Klangkunst, Streetart, eine großflächige Graffitiarbeit und Fotografien zum Thema.

Dabei werden nicht nur Gebäude wie etwa Kirchen im Brutalismus-Stil, sondern auch fantasievolle Weiterentwicklungen gezeigt. Außerdem gehen einige Künstler der Frage nach, wie sich vor allem junge Menschen diese spezielle Architektur für sich aneignen. So zum Beispiel mit dem Skateboard.

Die Besucher haben außerdem exklusiv Gelegenheit, die Sprengung eines Betonbaus von innen heraus in einem Zeitraum von 10 Minuten mit zu erleben. Dazu wurde extra ein orange angemalter alter Tragtorreifen mit einer Kamera versehen, die dann alles gefilmt hat.

Die Eröffnung der Ausstellung findet am Freitag, den 7. April 2017 um 19:00 Uhr mit einer Einführung der Kuratorin Dr. Inke Arns und im Beisein vieler Künstler in der 3. Etage des Dortmunder U statt.

Übrigens: Neben den vielen Führungen werden am 20. Mai und am 8. Juli 2017 (jeweils 11:00 – 16:00 Uhr) Exkursionen zu brutalistischen Bauten im Ruhrgebiet angeboten.

Weitere Informationen erhalten Sie unter www.hmkv.de

Info: Vom 7. Oktober 2017 – 25. Februar 2018 findet die Ausstellung SOS- Brutalismus – Rettet die Betonmonster im Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt am Main statt.

Tag zwei beim IFFF Dortmund/Köln 2017 – Klippenspringer aus Marseille

[fruitful_alert type=“alert-success“]Nicht nur in Acapulco, sondern auch in Marseille gibt es Klippenspringer. (Foto: © Frauenfilmfestival)[/fruitful_alert]

Als zweiter Beitrag für den Internationalen Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen ging „Corniche Kennedy“ (2016) der französischen Regisseurin Dominique Cabrera ins Rennen.

Corniche Kennedy“ ist die eindrucksvolle Küstenstraße in Marseille. Der Film zeigt eindrucksvolle sonnendurchflutete Bilder dieser Landschaft am Meer. Es ist aber auch ein Ort vieler Widersprüche. Auf der einen Seite die schönen Villen und Clubs einer gut betuchten Schicht, auf der anderen Seite die sozial abgehängten, oft aus Algerien oder Tunesien stammenden, Armen. Diese leben in den prekären Vierteln der Stadt. Im Sommer springen Jugendliche und junge Erwachsene unter ihnen von den hohen Felsenklippen in die Tiefe des Meeres. Sie gehen das bewusst das tödliche Risiko ein. Neben dem Adrenalinschub treibt sie der Wunsch an, ihre Grenzen und Möglichkeiten in einer für sie gefährlichen und schwierigen Welt auszuloten.

Die in gutbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsene Suzanne lässt sich kurz vor dem Abitur in diese sie faszinierende Welt hineinziehen. Besonders mit Marco und Mehdi freundet sie sich an.

Marco jobbt nebenbei als Chauffeur für eine lokale Drogenbande. Die Polizei ist ihnen auf der Spur. Die ständige Gefahr, geschnappt zu werden und die Zukunft endgültig zu vermasseln, liegt wie ein Damoklesschwert über allem. Die dunkelhäutige Kommissarin versucht in einer Art Sisyphusarbeit, die Jugendlichen aus diesem Drogensumpf und dem Teufelskreis heraus zu bekommen. Gibt es einen Weg der Befreiung?

Dieser Film arbeitet mit sensiblen längeren Kameraeinstallungen und bietet neben stimmungsvollen Landschaftsbildern einen Einblick in eine tief gespaltene Gesellschaft.

Gesellschaftssatire voll britischem Humor

[fruitful_alert type=“alert-success“]Nach hält der äußere Schein. Szenenfoto aus „The Party“. (Foto zur Verfügung gestellt vom Frauenfilmfestival 2017)[/fruitful_alert]

Endlich war es so weit. Das 30. Internationale Frauenfilmfestival Dortmund/Köln (Alles unter Kontrolle) hat seit gestern begonnen.

Mit dem Eröffnungsfilm „The Party“ von Sally Potter, auch im Internationalem Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen im Rennen, wurde die Messlatte schon gleich hoch angelegt. Der schwarz-weiß Film ist eine witzige Gesellschaftskomödie mit einigen nachdenklichen, melancholischen und grotesken Momenten. Sally Potters „The Party“ ist „very british“ im besten Sinne.

Worum es geht: Janet (Kristin), eine ambitioniere Politikerin aus dem linksliberalem Spektrum, möchte ihre Ernennung als Minister mit Mann und Freunden feiern. Schon bald brodelt es gewaltig unter der oberflächlichen schönen Fassade. Alle beteiligten Personen haben so ihre Geheimnisse. Nach und Nach bröckelt die Fassade und alle Personen müssen mit der neuen Situation umgehen.

Es ist ein Vergnügen, den geschliffenen Dialogen voll trockener Pragmatik zuzuhören. Die vielen Nahaufnahmen geben einen wunderbaren Einblick in das Gefühlsleben der Personen. Ein Kompliment an die gut zusammengestellte Schauspielcrew. Mit dabei auch der wunderbare, international bekannte Schauspieler Bruno Ganz. Die Story punktet durch viele Wendungen bis zum Schluss und spannende Charaktere. Gelungen ist auch, die Spannung und Neugierde durch die Anfangsszene, die gleichzeitig auch die Endszene ist beim Publikum zu wecken.

Mehr sei nicht verraten. Selber anschauen lohnt sich!

Szenisches Kaleidoskop der Leidenschaften

[fruitful_alert type=“alert-success“]Kampf um einen Mann: (v.l.nr.) Marlena Keil, Ekkehard Freye, Caroline Hanke, Merle Wasmuth, Sebastian Kuschmann und
Julia Schubert). Foto: © Birgit Hupfeld[/fruitful_alert]

Am Samstag, den 08. April 2017 um 19:30 Uhr im Megastore ist Premiere für Joël Pommerats großes Ensemblestück „Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“ (Deutsch von Isabelle Rivoal) unter der Regie von Paolo Magelli. Der Regisseur ist ist schon durch „Leonce und Lena“ oder zuletzt „Elektra“ in der Dortmunder Theaterszene gut bekannt.

Anders als der Titel vermuten lässt, geht es in diesem Stück nicht um die politische Situation in Korea. Es ist hier ein Synonym für die Unmöglichkeit, beispielsweise die „wahre Liebe“ für die Ewigkeit zu halten. „Das Ziel ist der Weg, und das Ende ist immer eine Niederlage,“ so Magelli. „Das letzte Ende ist der Tod. Unsere Existenz ist Endlich und Leben, Liebe und Leidenschaft auf eine irdische Zeit begrenzt.“

Statt einer geschlossenen Dramaturgie erlebt das Publikum 19 Szenen mit wechselnden Personal. Sie bieten genügend Stoff für zahlreiche große Rollen, die von der Liebe in allen möglichen und unmöglichen Konstellationen handeln,“ erklärte Dramaturg Dirk Baumann. Diese werden in 20 Szenen und über 50 verschiedene Rollen für 10 Schauspieler beleuchtet. Eine große Herausforderungen für das Dortmunder Schauspiel-Ensemble. Erstmals dabei ist das neue Ensemble-Mitglied Christian Freund.

Die Musik für dieses Stück wurde extra vom Musikalischen Leiter des Dortmunder Schauspiels, T.D. Finck von Finckenstein alias Tommy Fincke komponiert.

Pommerat hat das Stück für die große Bühne konzipiert. Das Geschehen auf der Bühne wird nah am Publikum sein. „Auf einer existentialistischen Ebene ist dieses Stück durchaus politisch,“ erläuterte Magelli. Es steht in eine guten Tradition des existentialistischen französischen Theaters und erinnert in den Szenen an große Theaterautoren wie Horváth oder etwa Beckett. Es wechselt die Genres von absurder Komödie mit Leichtigkeit zu einer tief berührender Tragödie.

Die Vorstellung dauert ungefähr 2 Stunden (ohne Pause).

Die Premiere am 08. April 2017 ist schon ausverkauft.

Informationen über weitere Termine erhalten Sie über www.theaterdo.de

Von Nipstern und Wutbürgern

[fruitful_alert type=“alert-success“]Arne Vogelgesang präsentiert die virtuellen Stammtische auf YouTube. (Foto: © Birgit Hupfeld)[/fruitful_alert]

Vergessen Sie Ihre Vorstellungen von glatzköpfigen Nazis in Springerstiefel und Bomberjacke, die bis auf „Ausländer raus“ keinen geraden Satz sagen können.Die neue Rechte ist deutlich eloquenter geworden. Sie kopiert Methoden der Linken und tut auf den ersten Blick, als ob sie „nur“ besorgt seien. Was Arne Vogelgesang auf seiner „Video-Lecture“ mit dem Titel „Flammende Köpfe“ am 01. April im Megastore präsentierte, zeigte eine bunte Mischung rechtsorientierter Menschen, die unterschiedliche Rollen besetzen, aber dennoch im ein klares Ziel haben: Die Deutungshoheit über bestimmte Begriffe wie „Einzelfall“ zu kommen. Ihre Bühne ist das Internet. Hier vor allem YouTube, das sich als ideale Plattform erweist.

Die Reste der gewaltbereiten Nazis findet man vielleicht noch bei de „Hooligans gegen Salafisten“, kurz HoGeSa genannt. Die moderne Rechte hat aber mittlerweile gelernt, dass eine prügelnde SA schlecht für die PR ist und die ist in dieser Zeit besonders wichtig. Gewalt ist nur noch verbal zu hören, daher verstecken sich die Akteure gerne hinter eine Kunstfigur, um zur Not behaupten zu können: „Das habe ich nicht gesagt, das war nur meine Kunstfigur.“ Im Laufe des Abends stellt uns Vogelgesang unterschiedliche Akteure dieses rechten You-Tube-Kosmos vor. Sie alle nehmen eine bestimmte Theaterrolle ein wie die „strenge Haushälterin“ oder die „zu beschützende Jungfrau“ bis hin zum wackeren „veganen Germanen“. Übrigens „vegan“. Dieser Lifestyle ist nicht nur in linken Kreisen beliebt, auch in der rechten Szene ist vegan in. Schamlos werden Aktionen kopiert, die man eher aus dem linken Spektrum kannte, wie Kunstperformances und ähnliches. Statt Glatze und Springerstiefel trägt der hippe Nazis (Nipster) halt Hornbrille und schreibt seine Texte auf einem Mac.

Vogelgesang führt die Zuschauer Schritt für Schritt in die Welt der rechten Szene ein und stellt uns bestimmte Protagonisten vor, die dann später als Avatar auf einer kleinen Projektionswand auftauchen. Er karikiert sie nicht, sondern stellt sie erst einmal in ihrer eigenen Welt vor und präsentiert den Wahnsinn, den sie von sich geben.

Nach diesem Abend hat man die bittere Erkenntnis, dass die Rechten im 21. Jahrhundert angekommen sind. Sie sind hip, benutzen geschickt die neuen Medien und arbeiten genauso wie Linke mit Theaterelementen oder Performances. Es bleibt nichts anderes übrig, als immer genauer hin zuschauen.

Weitere Infos unter www.theaterdo.de