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Sehnsucht – ein barockes Schwelgen

Am 09. Oktober 2021 feierte „Sehnsucht – ein barockes Pasticcio“ in der Oper Premiere. Mit dem Begriff „Pasticcio“ nennt man einen Zusammenschnitt aus verschiedenen Opern. In diesem Fall wurden überwiegend Arien aus Opern von Händel , aber auch von Purcell oder anderen Komponisten der Barockzeit gespielt.

Um die verschiedenen Arien wurde eine kleine Geschichte gesponnen, in dessen Zentrum ein Mann stand, der von Erinnerungen an die Vergangenheit gequält wird. In der Rolle dieses Mannes sehen wir den Countertenor David DQ Lee, während sein Vergangenheits-Ich vom Sopranist Bruno de Sá dargestellt wird. Warum die geplante Verlobung mit dem Sopran (Sooyeon Lee) nicht zustande kam, wird auf der Bühne in gespielten Rückblenden erzählt. Ob nun seine sexuelle Orientierung den Ausschlag gab, wie bei der „Weihnachtsfeier“ angedeutet wurde oder andere Dinge, jedenfalls bleibt eine Sehnsucht für die eventuell verpassten Chancen. Auch von der Enttäuschung der Eltern musste er sich lösen.

Eine Weihnachtsfeier, die schiefging.  (links Bruno de Sá, rechts Denis Velev) Foto: © Björn Hickmann, Stage Picture
Eine Weihnachtsfeier, die schiefging. (links Bruno de Sá, rechts Denis Velev) Foto: © Björn Hickmann, Stage Picture

Das alles wurde auf der Bühne in opulenter Weise dargestellt. Alle Beteiligten waren Meister ihres Faches und hatten auch sehr viel Freude an der Aufführung. Neben den erwähnten Lees waren noch die Mezzosopranistin Hyona Kim und der Bass Denis Velev zu hören. Doch was Sopranist (ja, ohne „in“) de Sá sang, war enorm beeindruckend. Seine Stimme erreichte Höhen, die unglaublich waren. Dazu noch die Begleitung der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Philipp Armbruster und der Abend war perfekt.

Leider ließ der Zuspruch des Dortmunder Publikums zu wünschen übrig, es bleibt zu hoffen, dass die weiteren Termine besser besucht werden.

Mehr Informationen unter www.theaterdo.de

Der Hetzer – ein modernes Musiktheater mit aktueller Brisanz

Im Opernhaus Dortmund hatte am 26.09.2021 „Der Hetzer“ (Oper in vier Akten) vom Österreicher Bernhard Lang unter der Regie von Kai Anne Schuhmacher seine Uraufführung.

Nein, das war keine der üblichen Opern mit oft harmonischen, emotional-dramatischen Arien, wie es das Publikum kennt. Bernhard Lang nutzt in seiner Komposition Mittel, die in der elektronischen Musik zum Einsatz kommen. Samples werden geloopt, verkürzt und verfremdet. Seine Musik ist von verschiedenen Elementen wie Jazz, Rap, Hip-Hop, Pop-Rock oder aber Barock (Purcell) beeinflusst.

Für die musikalische Leitung von Dirigent Philipp Armbruster und die Dortmunder Philharmoniker eine große Herausforderung. Orchester und Chor spielten nicht live, sondern wurden coronabedingt und als künstlerische Weiterentwicklung vorab aufgenommen. Es wurde zu Playback live gesungen. Die einzelnen Spuren aus den Orchesteraufnahmen des Hetzers wurde gezielt gefiltert und abgemischt und dann im Raum positioniert. Dabei half dem Dirigenten für die schwierige Aufgabe ein Kopfhörer.

Jack Natas (David DQ Lee) beobachtet im Hintergrund, wie die Beziehung zwischen Desirée (Álfheiður Erla Guðmundsdóttir) und Joe Coltello (Mandla Mndebele) kriselt. (Foto: © Thomas Jauk, Stage Picture)
Jack Natas (David DQ Lee) beobachtet im Hintergrund, wie die Beziehung zwischen Desirée (Álfheiður Erla Guðmundsdóttir) und Joe Coltello (Mandla Mndebele) kriselt. (Foto: © Thomas Jauk, Stage Picture)

Die Geschehen auf der Bühne wurde zur emotionalen Verstärkung live von einer Kamera begleitet und auf Leinwände projiziert. Für die eindrucksvollen Video-Projektionen war Stephan Kosmitsch verantwortlich.

Lang hat die bekannte Oper „Otello“ (1887) von Giuseppe Verdi überschrieben und sowohl textlich wie musikalisch in die Jetztzeit transformiert (Text nach William Shakespeare (1564 – 1616) und Arrigo Boito (1842 – 1918)). Zusätzlich wurde er durch standortbezogene Einschübe von Dortmunder Jugendlicher erweitert.

Die Texteinschübe um Bosheit, Liebe und Eifersucht wurden im Rahmen eines Schreibworkshops des Planerladen e. V. (Jugendforum Nordstadt) von jungen Menschen aus unserer Stadt entwickelt. Direkt und aktuell aus unserer Stadtgesellschaft.

Der Rapper IndiRekt und sein Kollege S.Castro brachten die Ergebnisse als Rap eindringlich auf die Bühne.

Als analytisches Werkzeug, um unsere Vorgefassten Meinungen und die Ereignisse auf der Bühne zu überdenken, nutzt der Komponist auch Loops im Text. Außerdem wechselt er während der Aufführung je nach dem vom teils deftiger deutscher, zur romantischem italienisch bis hin zur britischen Sprache. Dabei ist der Verdi-Kontext immer präsent.

Wie der Titel „Der Hetzer“ (hier wegen des Machtaspekts im Polizeimilieu verortet) schon nahe legt, stand bei dieser Inszenierung der intrigante, von rassistischen Vorurteilen und Neid getrieben Bösewicht, hier der kleine Polizeibeamte Jack Natas, im Mittelpunkt. Seine Kleidung wie aus einem SM-Studio hat einen leicht erotischen Touch und mit einem roten Schleier am Hinterkörper wirkt er optisch wie ein „Teufel“. Die Wirkung wird durch den starken Countertenor von David DQ Lee verstärkt.

Er verabscheut den als schwarzen Flüchtling schnell zum Hauptkommissar aufgestiegenen Joe Coltello und will ihn vernichten. Dazu ist ihm jedes Mittel recht. Den Anti-Helden Coltello singt und stellt überzeugend Mandla Mndebele dar.

Natas manipuliert alle Personen nach Belieben. Seine arglosen Kollegen Mark Kessler (Fritz Steinbacher), Rodriguez (Morgan Moody), Erich Berger (Denis Velev) und vor allem Coltello. Da hat es Joes Frau Desirée (Álfheiður Erla Guðmundsdóttir) schwer, ihre Treue zu beweisen und den eifersüchtigen traumatisierten Ehemann zu beruhigen. Er hört Stimmen, die ihn in den Wahnsinn treiben.

Der Opernchor Theater Dortmund unter der Leitung von Fabio Mancini hat hier in ihren weißen, leicht blutverschmierten Brautkleidern ganze Arbeit geleistet. Er fungierte zudem wieder als Volkes stimme. Zum Schluss klärt Desirées Freundin Emily (Hyona Kim) das Spiel des Hetzers auf. Entgegen der Vorurteile wird Coltello nun nicht zum gewalttätigen Mörder, sondern setzt seinem Leben durch Freitod ein Ende. Es gibt für ihn keine Gerechtigkeit.

Ein gerade in der Gegenwart wichtiger theatraler Weckruf gegenüber schnellen Vorurteilen, Rassismus und der Instrumentalisierung von Menschen.

Weiter Vorstellungstermine und Karten unter: www.theaterdo.de oder Tel: 0231/ 50 27 222

Echnaton als lichtgewaltiges Bühnenwerk

Die Oper „Echnaton“ von Philipp Glass unter der Regie von Guiseppe Spota wurde in der Dortmunder Oper als Triumph des Lichtes gefeiert. Beeindrucken konnte auch der Countertenor David DQ Lee, der Opernchor und die Dortmunder Philharmoniker, unter der Leitung von Motonori Kobayashi, die die minimal music von Glass interpretierten. Dazu tanzte das NRW Juniorballett. Ein Premierenbericht vom 24. Mai 2019.

Für die ägyptische Hochkultur war neben dem Nil die lichtspendende Sonne von großer Bedeutung. Doch zunächst ohne vergöttert zu werden. Die Sonne wurde als rechtes Auge von Re gesehen. Doch dann entwickelte sich eine „theologische Revolution“, die mit Amun-Re eine Art Götterkönig an die Spitze setzte. Echnaton, dessen Geburtsname Amenhotep sich noch auf Amun bezieht, setzte Aton als höchsten Gott durch und versuchte die alten Götter auszutilgen, was ihm die Gegnerschaft der Priesterkaste einbrachte.

Kein Wunder, dass sich Philipp Glass mit dieser außergewöhnlichen Person der Weltgeschichte auseinandersetzte, schließlich ist neben Echnaton auch seine Frau Nofretete über ihre Büste bis in unsere heutige Zeit ein Begriff. Glass lässt uns den Pharao in szenenhaften Bildern näher bringen, vom Herrschaftsantritt bis zum Sturz, obwohl der möglicherweise gar nicht stattgefunden hat.

Aber die Oper ist nicht dazu da, ein historisch genaues Ereignis zu rekonstruieren, sie will Gefühle, Musik und starke Bilder präsentieren und das gelang bei der Premiere. Schon der Beginn ist ergreifend, denn wir wohnen der Grablegung von Pharao Amenophis III., Achnatons Vater, bei. Als Mumien verkleidete Tänzer legen den ebenfalls mumifizierten Leichnam zur Ruhe.

Die Herrschaft von Echnaton geht zu Ende. er wird von der Priesterschaft gestürzt. David DQ Lee (Echnaton), NRW-Juniorballett, Chor der Oper Dortmund. (Foto: © Oper Dortmund)
Die Herrschaft von Echnaton geht zu Ende. er wird von der Priesterschaft gestürzt. David DQ Lee (Echnaton), NRW-Juniorballett, Chor der Oper Dortmund. (Foto: © Oper Dortmund)

Der erste Auftritt von Echnaton ist noch in Begleitung von Priestern des Amun, Mut und Chons. Später wird er die Priester gewaltsam aus ihren Tempeln vertreiben und Aton als einzigen Gott einsetzen. Hier war der Countertenor David DQ Lee eine gute Wahl für die Hauptrolle, vor allem sein Lobgesang an Aton am Ende des dritten Satzes war eines der Höhepunkte. Seine Stimme passte auch sehr gut zur ruhigen und fließenden Musik von Philipp Glass, die ähnlich meditativ klang wie bei seiner Oper „Einstein on the beach“ die vor zwei Jahren in Dortmund aufgeführt wurde.

Auch sehr berührend war das Liebesduett zwischen Echnaton und Nofretete (Aytaj Shikhalizada). Als Prister des Amun machte Fritz Steinbacher ebenfalls eine gute Figur wie Claus Dieter Clausnitzer als Chronist.

Das Besondere an „Echnaton“ war die Gesangsprache. Der Chronist erzählte die Geschichte auf Deutsch, die anderen Texte waren auf Ägyptisch, Akkadisch und Aramäisch.

Wenn es um einen Sonnengott geht, dann hat das Licht natürlich eine große Funktion. Und die brachte den Besuchern Bonnie Beecher und Stefan Schmidt näher.

Auch das Bühnenbild von Tatyana van Walsum war effektiv. Durch Höhenverschiebungen entstanden Hierarchieebenen, beispielsweise als Echnatons Vater zu Grabe gelegt wurde, versanken die Akteure in Boden und bei Echnatons Krönung kam das Herrscherpaar von oben herab.

Ein Opernabend der besonderen Art. „Echnaton“ ist sicher zugänglicher als „Einstein on the beach“. Ein lehrreiches Stück über einen Herrscher, der mit seiner Radikalität der Gesellschaft vor den Kopf stieß und nach seinem Tod dem Vergessen anheimfallen sollte. Glass hat ihn mit seinen Stärken und Schwächen auf die Bühne geholt. Das NRW Juniorballett, der Opernchor, die Solisten und die Dortmunder Philharmoniker haben Echnaton wieder eine Stimme gegeben.