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Game of Thrones bei den Merowingern

Es war wild damals, in der Zeit zwischen Antike und Mittelalter, als das Römische Reich verschwand und die neuen germanischen Herrscher erst einmal das Machtvakuum füllen mussten. Die Franken herrschten über den größten Teil des heutigen Frankreichs, Westdeutschland (mit Ausnahme Norddeutschland) sowie dem heutigen Österreich und der Schweiz. Die Merowinger waren ein Herrschergeschlecht, das vom 5. Jahrhundert bis 751 die Königswürde innehatten.

Die Oper „Frédégonde“ spielt in der Zeit, als das Frankenreich in verschiedene Teilreiche aufgesplittet war, wobei die wichtigsten Austrasien und Neustrien waren. Die Oper handelt von den Machtintrigen ebenjener Frédégonde sowie ihrer Erzfeindin Brunhilda. Frédégonde hatte sich von einer Konkubine zur Ehefrau von König Chilperich von Neustrien („Hilpéric“ in der Oper) hochgearbeitet. Brunhilda war mit dem Halbbruder von Chiperich, König Sigibert, verheiratet, dem König von Austrasien. Den ließ Frédégonde ermorden, da er militärisch überlegen war. So gehört der Sieg Hilpéric, der die besiegte Brunhilda nun von seinem Sohn Mérowig in ein Kloster schicken lässt. Doch Mérowig verliebt sich in Brunhilda und die beiden heiraten. Das kann Frédégonde nicht akzeptieren und versucht die beiden zu vernichten.

Kampf zweier Königinnen Anna Sohn (Brunhilda), Hyona Kim (Frédégonde). Foto: © Björn Hickmann, Stage Picture)
Kampf zweier Königinnen Anna Sohn (Brunhilda), Hyona Kim (Frédégonde). Foto: © Björn Hickmann, Stage Picture)

Der Besuch am 27. November 2021 war ein ungewöhnlicher. Denn im Parkett saß niemand, alle Zuschauer mussten in die Logenplätze, denn das Parkett war dem Chor vorbehalten. Darüber hinaus wurde das Geschehen parallel per Film über eine Leinwand gezeigt und auf der Bühne live gesungen. So konnte noch etwas mehr Dramatik aus dem spannenden Stoff geschaffen werden.

Ein wesentliches Merkmal der Inszenierung von Marie-Eve Signeyrole war die Metapher des Schachspiels. Auch wenn den Merowingern Schach vermutlich unbekannt war, es gelangte erst ab dem 9. Jahrhundert ins abendländische Europa, bieten die Züge zwischen Frédégonde und Brunhilda eine willkomene Visualisierung der Intrigen.

Die Oper wurde 1895 aufgeführt und verantwortlich dafür waren nicht nur die beiden Herren Ernest Guiraud und Camille Saint-Saëns, auch Paul Dukas orchestrierte noch einige Skizzen der Oper. Dadurch spürt man natürlich etwas die „Ungleichheit“ in der Musik, doch die Mischung zwischen französischer Romantik und Wagnerisch anmutenden Klängen macht den Reiz aus. Nach nur neun Aufführungen verschwand die Oper, bis die Oper Dortmund den Schatz wieder hob. In den Händen von Motonri Kobayashi und den Dortmunder Philharmonikern konnte die Oper wieder erklingen.

Mag die Inszenierung auch noch so fesselnd sein, bei einer Oper sind natürlich die Stimmen entscheidend. DA hatte Regisseurin Marie-Eve Signeyrole ein gutes Händchen. Hyona Kim (Frédégonde) singt ihre Titelfigur mit kalter entschlossener Skrupellosigkeit, die gnadenlos ihre Ränke schmiedet. Dagegen hat Anna Sohn als „Brunhilda“ auch romantische Szenen mit dem ebenfalls gut aufgelegten Sergey Romanovsky als „Mérowig“.

In den Nebenrollen konnte Dennis Velev als Kleriker Prétextat Akzente setzen, dessen Verzweiflung spürbar wurde, ob er nun zum König Hilperíc oder zu seinem Sohn Mérowig halten soll.

Die Opernfans sollten sich den Mail 2022 vormerken, denn am 07. und am 22. Mai 2022 wird „Frédégonde“ wieder ihre Strippen ziehen und ihre Schachkunst zeigen.

Sehnsucht – ein barockes Schwelgen

Am 09. Oktober 2021 feierte „Sehnsucht – ein barockes Pasticcio“ in der Oper Premiere. Mit dem Begriff „Pasticcio“ nennt man einen Zusammenschnitt aus verschiedenen Opern. In diesem Fall wurden überwiegend Arien aus Opern von Händel , aber auch von Purcell oder anderen Komponisten der Barockzeit gespielt.

Um die verschiedenen Arien wurde eine kleine Geschichte gesponnen, in dessen Zentrum ein Mann stand, der von Erinnerungen an die Vergangenheit gequält wird. In der Rolle dieses Mannes sehen wir den Countertenor David DQ Lee, während sein Vergangenheits-Ich vom Sopranist Bruno de Sá dargestellt wird. Warum die geplante Verlobung mit dem Sopran (Sooyeon Lee) nicht zustande kam, wird auf der Bühne in gespielten Rückblenden erzählt. Ob nun seine sexuelle Orientierung den Ausschlag gab, wie bei der „Weihnachtsfeier“ angedeutet wurde oder andere Dinge, jedenfalls bleibt eine Sehnsucht für die eventuell verpassten Chancen. Auch von der Enttäuschung der Eltern musste er sich lösen.

Eine Weihnachtsfeier, die schiefging.  (links Bruno de Sá, rechts Denis Velev) Foto: © Björn Hickmann, Stage Picture
Eine Weihnachtsfeier, die schiefging. (links Bruno de Sá, rechts Denis Velev) Foto: © Björn Hickmann, Stage Picture

Das alles wurde auf der Bühne in opulenter Weise dargestellt. Alle Beteiligten waren Meister ihres Faches und hatten auch sehr viel Freude an der Aufführung. Neben den erwähnten Lees waren noch die Mezzosopranistin Hyona Kim und der Bass Denis Velev zu hören. Doch was Sopranist (ja, ohne „in“) de Sá sang, war enorm beeindruckend. Seine Stimme erreichte Höhen, die unglaublich waren. Dazu noch die Begleitung der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Philipp Armbruster und der Abend war perfekt.

Leider ließ der Zuspruch des Dortmunder Publikums zu wünschen übrig, es bleibt zu hoffen, dass die weiteren Termine besser besucht werden.

Mehr Informationen unter www.theaterdo.de

Neverland – Junge Oper mit behutsamer Adaption von Wagners Lohengrin

Im Rahmen des Wagner-Kosmos der Oper Dortmund mit der Premiere von „Lohengrin“ startete die Junge Oper schon vorher ( Premiere 26.10.2019) mit „Neverland“ einer speziellen Adaption der Romantischen Oper (auch) für Jugendliche ab 12 Jahre.

Frei nach Richard Wagners (1813 – 1883) Lohengrin entstand dieses Werk in der Fassung von Francesco Damiani und Alvaro Schoeck. Musikalisch sensibel begleitet wurde die Aufführung von einer kleineren Gruppe von Bläsern und Streichern der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Satomi Nishi.

Mit Fritz Steinbacher (Lohengrin), Irina Simmes (Elsa), Hyona Kim (Ortrud) und Mandla Mndebele (Friedrich) hatte man starke Stimmen mit an Bord. Sie konnten hier ihr vielseitiges Können unter Beweis stellen. Ob mit Stimme oder Gestik, alle zeigten vollen Einsatz und konnten überzeugen.

Wie bringt man jungen Menschen den komplexen Stoff mit seinem mythologischen und historischem Hintergrund sowie die Musik dieses ambivalenten Komponisten näher? Wie einen Einstieg und ersten Zugang schaffen?

Dramatik auf der Bühne bei Neverland: Irina Simmes (Elsa), Fritz Steinbacher (Lohengrin), Hyona Kim (Ortrud). Foto: © Theater Dortmund
Dramatik auf der Bühne bei Neverland: Irina Simmes (Elsa), Fritz Steinbacher (Lohengrin), Hyona Kim (Ortrud). Foto: © Theater Dortmund

Die Inszenierung versucht dies durch die hauptsächliche Konzentration auf das große Frageverbot im Lohengrin: „Nie sollst du mich befragen…“. Ist es aus heutiger Sicht klug, in einer Beziehung (nicht nur) als Frau seine Zweifel zu äußern? Sind Geheimnisse nicht Gift für eine Beziehung?

Lohengrin trägt ein Geheimnis mit sich herum, das er seiner Liebe Elsa, die sich nichts mehr als eine ungetrübte Zweisamkeit und eheliches Lebensglück wünscht, nicht offenbaren darf. Sein Lebenskonstrukt gerät sonst aus den Fugen. Ortrud und Friedrich sehen die Beziehung skeptisch, haben aber auch ihre eigenen Geheimnisse. Ist Lohengrin etwa eine Schwindler und Betrüger? Sie helfen Elsa, sich durch selbständiges Denken von ihren romantischen Träumen zu befreien und die Frage nach seinem Geheimnis (Name und Art) zu stellen. Es muss tragisch enden.

Die Grals-Mythologie, der historische Hintergrund und andere Begebenheiten aus dem Original-Lohengrin werden eher symbolhaft angedeutet.

Eine besondere Eindringlichkeit der Aufführung lag in der Nähe des Publikums zum Geschehen in der Jungen Oper. Diese wurde von zwei Seiten bestuhlt. In der Mitte ein mit Kunstrasen umrahmter Graben. Die Delegation der Bläser saß auf Stühlen am Rand, die Streicher mitten im Graben. Auch Lohengrin lag zunächst auf einem Liegestuhl im Graben. Ein Symbol für seine eingeschlossene „geheimnisvolle Welt“.

Der Schwan, der im Lohengrin eine wichtige mythische Rolle spielt, taucht symbolhaft an der Seite einer Holzbank, und am Schluss als künstlicher Schwanenkopf in der Hand des Friedrich auf. Der Brautschleier wurde dramaturgisch geschickt vielfältig als Symbol genutzt.

Die Adaption folgt sowohl musikalisch wie textlich dem Original in drei Akten und bietet so einen Einstieg in das monumentale Werk von Wagner mit einer heutigen Perspektive. Das durchkomponierte Musikdrama bietet so einiges an Facetten. Das Vorspiel am Anfang vermittelt mit seinen leisen sphärischen Streicherklängen die Aura des Grals. Später wechselt die musikalische Stimmung je nach Handlung von dramatisch bis romantisch.

Die Motive „Nie sollst du mich befragen…“ und „Treulich gefreit…“ (Symbol für die Hochzeitsträume) ziehen sich ähnlich einem roter Faden durch die Musik.

Da der gesungene deutsche Text nicht übertitelt wurde, konnte man diesen trotz klarem Gesang nicht genau verfolgen.

Es ist durchaus ratsam, sich vorher doch genauer mit dem Original-Lohengrin und allen Hintergründen zu befassen.Vielleicht sollte es eine Anregung gerade für die Jugendlichen sein, sich damit auseinander zu setzen. Das Publikum war jedenfalls von der Leistung der Akteure angetan.

Informationen zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222.

Neustart im Opernhaus Dortmund mit Verdis Aida

Der neue Intendant Heribert Germeshausen der Oper in Dortmund legt in dieser Spielzeit gleich gewaltig mit einem dreitägigen „Opern-Event-Wochenende“ los. Den Anfang machte am 05.10.2018 die Premiere von Giuseppe Verdis (1813 -1901) Oper Aida (Libretto von Antonio Ghislanzoni) unter der Regie von Jacopo Spirei. Das Publikum hatte die gute Gelegenheit, Teile des neuen Ensemble bei dieser Gelegenheit genauer kennen zu lernen.

Die anlässlich des fertig gestellten Suezkanal konzipierte Oper (Uraufführung 1871 Kairo) hat alles, was man für eine italienischen Oper braucht. Zwischenmenschliche Konflikte, ritueller Charakter der Massenszenen für die Opernchöre, den exotischen Hintergrund und spannungsgeladene innere Konflikte für die Sängerinnen und Sänger.

Der brisant aktuelle Hintergrund ergibt sich sich aus dem unheilvollen Einfluss des religiösen Fanatismus (wie auch in unserer Zeit) auf die Politik. Die Handlung spielt im alten Ägypten (Memphis) unter dem Pharao, dessen Politik von den Priester machtvoll beeinflusst wird. Götterglaube wie etwa an Isis (Göttin der Wiedergeburt, Magie und des Todes) oder Ptah („der Bildner“) beherrscht das Land und befeuert den Krieg mit Äthiopien. In diesem politischem Kontext lodern auf mehreren Ebenen die privaten persönlichen Konflikte.

Zur Geschichte: Ägypten befindet sich im religiös forcierten kriegerischen Konflikt mit Äthiopien.

Der ägyptische Feldherr Radamès und die äthiopische Sklavin Aida sind heimlich ineinander verliebt. Dieser wiederum wird von Amneris,der Tochter des ägyptischen Königs geliebt. Dieser fördert mit allen Mittel aus politischen Gründen deren Heirat mit dem zunächst erfolgreichen Feldherrn. Als ob das nicht schon genug Sprengstoff für emotionales Chaos und Konflikte bietet, ist der König von Äthiopien (Amonasro) auch noch der Vater von Aida. Hin und her gerissen zwischen Loyalität zum Vater, dem Heimatland, Macht und Ehre, driftet alles scheinbar unvermeidlich dem finalen „erlösenden Tod“ der beiden Liebenden hin…

Das Bühnenbild ansprechend zwischen Moderne, Jugendstil mit ägyptischen Ornamenten nicht übertrieben pompös angelegt. Die Kostüme der äthiopischen Sklaven waren im Gegensatz zu denen der Herrscher in Orange und mit Kopftuch-Bedeckung in schlichter Schönheit gehalten.

Die entschiedende Situation: Radamès (Hector Sandoval) verrät aus Liebe zu Aida (Elena O'Connor) militärische Geheimnisse an ihren Vater Amonasro (Mandla Mndebele). (Foto: © Oper Dortmund)
Die entschiedende Situation: Radamès (Hector Sandoval) verrät aus Liebe zu Aida (Elena O’Connor) militärische Geheimnisse an ihren Vater Amonasro (Mandla Mndebele). (Foto: © Oper Dortmund)

Auffallend ist, das der König von Ägypten wunderbar ironisch von Denis Velev dargestellt, wie ein Popstar mit dunkler Sonnenbrille, goldenem Jackett und Schuhen inszeniert wurde. Das entspricht seiner auch von Verdi eher als schwach gesehenen Rolle als „Spielball“.

Spielte Kostümbildnerin Sarah Rolke vor allem in der Szene in Amneris‘ Gemächern mit dem Art Deco in den 30er Jahre, wirken vor allem die Priester in ihren Roben wie aus einem „Star Wars“-Film. Die Kombination aus Martialischem und Dekadenten machte die allgemien Spannung sichtbar. Es kann festgestellt werden, das die neuen Ensemble-Mitglieder nicht nur mit ihren Stimmen überzeugen, sondern sich auch als sensibel in der Darstellung der Charaktere und ihren inneren Konflikte gezeigt haben.

Elena O‘Connor stellte die Zerbrechlichkeit von Aida ebenso glaubhaft dar wie ihre Selbstbewusstheit. Ihre kongeniale „Rivalin“ Hyona Kim (Amneris) überzeugte in ihrer Darstellung der Gefühlswandlungen und Entwicklung vor allem im zweiten Teil.

Aber auch die anderen beteiligten Sängerinnen und Sängern wie Hector Sandoval als Radamès, Shavleg Armasi als intriganter Oberpriester Ramfis, Mandla Mndebele als Aidas vater Amonasro, Una Sacerdotessa als Oberpriesterin und auch ein alter bekannter Fritz Steinbacher als Bote füllten ihre Rollen eindrucksvoll aus.

Der Opernchor (Theater Dortmund) und die Statisterie Theater Dortmund zeigte wie immer eine gute Leistung und Spielfreude.

Was wäre die Handlung aber ohne die wunderbare Musik von Verdi? Diese wurde mit viel Gefühl für das richtige Timing von der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz interpretiert. Die Musik war beeinflusst sowohl von Elementen der italienischen, sowie der französischen Oper. Einige orientalische Klänge waren jedoch zwischendurch passend eingefügt. Bekannt dürfte aber wohl vor allem der berühmte Triumph-Marsch der Oper sein.

Ein gelungener Einstand für das neue Team um den Intendanten Germeshausen.

Informationen zu den nächsten Aufführungen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder telefonisch: 0231/ 50 27 222.