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Ein katholisches Roadmovie

Entsetzen bei den Ministranten. Der neue Pfarrer war ein Automat. (v.l.n.r.) Erika (Finnja Loddenkemper), Egon  (Thorsten Bihegue) und Lutz (Leon Müller). (Foto: © Birgit Hupfeld)
Entsetzen bei den Ministranten. Der neue Pfarrer war ein Automat. (v.l.n.r.) Erika (Finnja Loddenkemper), Egon
(Thorsten Bihegue) und Lutz (Leon Müller). (Foto: © Birgit Hupfeld)

Absurd und wahnwitzig. Auch die zweite Produktion, „Das Maschinengewehr Gottes“, von Wenzel Storch lässt seinen Besucher Tränen lachen. Dennoch schafft es Storch wie bei „Komm in meinen Wigwam“ seine Figuren nicht bloß zustellen. Die Premiere am 10. Dezember 2015 war ein Riesenerfolg.

Storch machte bei der Besetzung keine Experimente. Die meisten waren schon beim „Wigwam“ dabei, nur Andreas Beck und Julia Schubert ergänzten das Ensemble. Nach dem „traditionellen“ Beginn: Die Zuschauer sind quasi Gemeindemitglieder, die an einem bunten Abend vom Gemeindereferenten (Ekkehard Freye) und Herrn Baldrian (Thorsten Bihegue) über die katholische Abenteuerliteratur aufgeklärt werden. Es gab sie tatsächlich. Ministranten, die Kriminalfälle aufklärten und ähnliches im Groschenheftformat für den echten Katholiken.

Auch die Grundidee des „Maschinengewehr Gottes“ könnte aus der Feder eines der katholischen Krimiautoren sein. Worum geht es? Kaplan Buffo (Heinrich Fischer) verliert seine Kirche in Nesselrode beim Pokern an Bauer Hümpel (Andreas Beck). Die Ministranten Egon (Thorsten Bihegue), Erika (Finnja Loddenkämper) und Lutz (Leon Müller) sind quasi heimatlos und bestellen beim „Christlichen Versandhandel“ einen Pfarrer. Das „Maschinengewehr Gottes“ (Andreas Beck) hat aber eine Fehlfunktion und stellt sich als Automat heraus. Die drei Ministranten unter der Leitung von Oberministrant Egon stellen fest, dass der Automat in Oberschlesien in einem Nonnenkloster gefertigt wurde und begeben sich über das Rote-Beete-Massiv zum Kloster. Hier kommen sie mit Hilfe von Schwester Adelheid (Julia Schubert) hinter dem Geheimnis der Domina (wie die Äbtissin eines Klosters auch genannt wird).

Was wie ein skurriler Traum eines Messdieners klingt, ist von Wenzel Storch liebevoll und mit viel katholischem Hintergrundwissen inszeniert. Die vorökumenische Distanz zwischen Katholiken und Protestanten (das Stück spielt nach dem 2. Vatikanischen Konzil) ist ein Running Gag („Ihr Katholiken dürft ja keine Kohlensäure trinken!“) des Stückes, aber auch kleine Wortspiele wie der „Hostinettenbär“ sorgen dafür, dass dem Publikum die Tränen vor Lachen kommen. Garniert wird das ganze mit christlicher Musik während den kurzen Umbaupausen wie beispielsweise „Morning has broken“ in einer deutschen Version.

Im Stück gibt es verschiedene Anspielungen auf Pater Leppich. Er bekam, an Billy Graham angelehnt, den Titel des „Maschinengewehr Gottes“. Der Automat im Stück spult pausenlos Aussagen aus Leppichs Reden und die Reise der drei Ministranten führt nach Oberschlesien, der Heimat von Pater Leppich.

Natürlich ist es hilfreich, ebenso wie Storch, aus dem katholischen Milieu zu kommen, aber die Spielfreude aller Teilnehmer macht das Stück auch für Evangelen, Juden, Moslems oder Atheisten sehenswert. Um alle die kleinen Gags wirklich zu erleben, sollte man „Das Maschinengewehr Gottes“ auf jeden Fall öfter besuchen. Ein deutliches und lautes „Halleluja“!

Mehr Infos und Termine unter www.theaterdo.de

Ausflug in die katholische Abenteuerliteratur

Die drei Messdiener auf dem Weg durch das Rote-Beete-Gebirge (v.l.n.r.) Leon Müller, Finnja Loddenkämper und Thorsten Bihegue). Foto: ©Edi Szekely.
Die drei Messdiener auf dem Weg durch das Rote-Beete-Gebirge (v.l.n.r.) Leon Müller,
Finnja Loddenkämper und Thorsten Bihegue). Foto: ©Edi Szekely.

Nach dem großen Erfolg von „Komm in meinen Wigwam“ präsentiert Wenzel Storch in dieser Spielzeit mit „Das Maschinengewehr Gottes“ eine Art Road-Movie für das Theater. Die Krimi-Burlesque hat am 10. Dezember um 20 Uhr Premiere.

War der „Wigwam“ noch sehr stark von der katholischen Aufklärungsliteratur und der Figur von Pater Lappan geprägt, ist das „Maschinengewehr Gottes“ eine bizarre, wenn auch vergnügliche Reise durch die katholische Abenteuerliteratur.

Die Geschichte: Kaplan Buffo verliert seine Kirche beim Pokern an Bauer Hümpel, der die Kirche den Erdboden gleichmacht. Im alten Pfarrhaus leben die Ministranten Lutz, Erika und Egon. Die Messdiener bestellen sich im Christlichen Kaufhaus einen neuen Priester. Der Priester ist aber ein um sich schießender Automat, der kurze Zeit später explodiert. In seinem Inneren finden die Ministranten auf einen Orden in Schlesien. Die drei machen sich also Richtung Osten auf. Die dortigen Nonnen vom Orden der barmherzigen Seepferdchen verehren die Meerjungfrau Maria. Haben sie den Automaten gebaut? Steckt Kaplan Buffo dahinter?

Wie schon beim „Wigwam“ spielt Storch sehr stark mit der Begrifflichkeiten der katholischen Lebenskultur, jedoch ohne sie lächerlich zu machen. Das Stück ist wie eine Art „katholisches Groschenheft“, so nennt es Wenzel. Ein wenig inspiriert von einem typischen Bauerntheater, können sich Bühne und Kostüme richtig austoben.

Der größte Teil der Besetzung von „Wigwam“ ist wieder da, ergänzt durch Julia Schubert und Andreas Beck. Hinzu kommen wieder Mitglieder des Jugendclubs „Theaterpartisanen“ und des Sprechchores.

Die Premiere ist ausverkauft, für die zweite Vorstellung am Freitag, dem 11. Dezember gibt es aber noch Restkarten. Weitere Termine und Infos finden Sie unter www.theaterdo.de

Die unglaubliche Reise ins Herz der katholischen Aufklärungsliteratur

Leon Müller, Ekkehard Freye und Mitglieder des Dortmunder Sprechchors (Foto ©Birgit Hupfeld)
Leon Müller, Ekkehard Freye und Mitglieder des Dortmunder Sprechchors (Foto ©Birgit Hupfeld)

Wenzel Storch wollte sein erstes Theaterstück „Komm in meinen Wigwam“ nicht als Satire verstanden haben. Doch der harte Realismus der katholischen Aufklärungs- und Anstandsliteratur der 50er und 60er allein reichte aus, um die Besucher der Premiere am 17. Oktober im Studio ständig zum kichern zu bringen. Es ging um die Werke des späteren Ehrenprälat Bernhard Lutz, der als Autor in seinen Werken eine wahre Pracht von knospenden Blüten und Stengeln zum Lobpreise Gottes wachsen ließ.

Ein Gemeindehaus im Irgendwo. Gut katholisch in lila ausgestattet mit einer Kanzel. Ekkehard Freye gibt eine Art Gemeinderatsvorsitzenden, der durch einen wahrlich bunten Abend führt. Thema ist das Werk von Bernhard Lutz. An seiner Seite sind zwei Ministranten (Maximilian Kurth und Finnja Loddenkemper vom Jugendclub Theaterpartisanen) und ein Wissenschaftler, der von Thorsten Bihegue dargestellt wird. Bihegue ist eigentlich Dramaturg am Haus, doch nach seiner schauspielerischen Leistung am Freitag könnte man problemlos sagen: Das Schauspielensemble hat ein neues Mitglied gewonnen.

Stilecht werden wir in die 50er Jahre geführt, wenn Kaplan Buffo (Heinrich Fischer vom Seniorentheater) mit einem Mädchen (Jana Katharina Lawrence) und einem Jungen (Leon Müller) in zeitgenössischer Kleidung sehen. Auch Lawrence und Müller sind Mitglieder der Theaterpartisanen Buffo dient als eine Art Reinkarnation von Lutz.

Wie sollte es auch anders sein, es wird viel aus den Werken von Lutz und auch teilweise auch anderen katholischen Aufklärungsautoren rezitiert. „Ein fröhlicher Fabulant“ nennt unser Wissenschaftler Lutz einmal. Lutz hat aber nicht nur eine kirchliche Karriere, sondern war im Zweiten Weltkrieg auch Bomberpilot, so dass er auch bei Streitigkeiten durchaus physische Gewalt empfiehlt. Ein kleiner Don Camillo eben.

Die Sprache und vor allem die Metaphern die Lutz benutzt hat, klingt für unsere Ohren 60 Jahre später extrem komisch. Sätze, die vielleicht 1951 noch unschuldig klangen, haben manchmal eine eindeutig zweideutige Konnotation bekommen. Heute denkt kaum jemand bei Titeln wie „Peter legt die Latte höher“ nur an Stabhochsprung. Vor allem nicht, wenn der Junge auf dem Titelbild uns mit dem Hintern (auch Allerwertester genannt) entgegenkommt.

Doch mit blühenden Wiesen und ihren sprießenden Knospen brauchten die Zuschauer nicht nur ihre Phantasie bemühen. Dank der wunderbaren Arbeit von Pia Maria Mackert, die für Bühne und Kostüme zuständig war, erwachten die Stengel plötzlich zum Leben, auch tanzende Nonnen bevölkerten die Bühne. Unter den Kostümen verbargen sich Mitglieder des Dortmunder Sprechchors.

Wenzel Storch, der nach eigenen Angaben katholisch erzogen wurde, hat in „Komm in meinen Wigwam“ (ja, das ist das Lied von Heino und kam auch zu Gehör), eine ganze Menge aufgearbeitet. Seiner Leidenschaft für christlichen Pop und die Kastelruther Spatzen wurde ebenfalls gefrönt. Und natürlich dem Mann ein Denkmal gesetzt, dessen Werke eine weite Verbreitung fanden, der aber heutzutage vergessen ist. Weder im Kirchenlexikon noch bei Wikipedia taucht Bernhard Lutz auf, der mit seinem „poetischen Realismus“ und seinen „sakral-psychedelischen“ Zeichnungen, in der katholischen Sexualmystik der 50er und 60er Jahre führend war. Die 70er Jahre haben in dann weggespült.

Bei aller Ironie und vielen Gelegenheiten zum Schmunzeln ist der ernste Hintergrund angesichts der in den letzten Jahren öffentlich gewordenen Pädophilie-Skandalen in der katholischen Kirche im Hintergrund gegenwärtig. Sieht man von Freye und Bihegue ab, waren nur Laien auf der Bühne, ein Umstand, den Storch durchaus bevorzugt. Alles in allem war es ein gelungener Abend.

Einblicke in die Welt der katholischen Sexualmystik

Wenzel Storch gibt uns Einblicke in die katholische Sexualmystik der 50er und 60er Jahre.
Wenzel Storch gibt uns Einblicke in die katholische Sexualmystik der 50er und 60er Jahre.

„Peter legt die Latte höher“. Nein, das ist kein Titel eines Sexfilmchens aus den 70er Jahren, sondern der Titel eines Buches von Berthold Lutz. Lutz (1923-2013) war päpstlicher Ehrenprälat und hat in den 50er und 60er Jahren viele Aufklärungs- und Anstandsbücher veröffentlicht. Und wer könnte uns in die Welt voll schwellender Stengel und anderen erotischen Blumenmetaphern besser versetzen als Filmemacher Wenzel Storch, der mit „Komm in meinem Wigwam“ in Dortmund sein erstes Theaterstück auf die Beine stellt. Am 17. Oktober ist Premiere.

„Ich hatte mit Theater nix am Hut“, erzählt Storch frei heraus. „Ich fand es blöd und es hatte mich nicht interessiert“. Durch die Arbeiten von Jörg Buttgereit am Theater Dortmund in den vergangenen Jahren hat sich die Meinung des Filmemachers doch gewandelt. Eine Art Meßdiener- und Bauerntheater schwebte Storch vor und er ist nach seinen Worten „naiv an die Sache herangegangen.

Herausgekommen ist ein halbdokumentarisches Stück über Bernhard Lutz, den Oswald Kolle der katholischen Sexualmoral. Es soll ein komisches Werk sein, was aber nicht als Satire angelegt ist. Es nimmt seinen Protagonisten und seine Zeit durchaus ernst.

Zur Geschichte: Kaplan Buffo, der älteste Kaplan des Bistums, unternimmt mit seinen kleinen Freunden eine Pilgerreise in die Welt der christlichen Sexualmystik. Doch nicht genug: Auf der Reise begegnet man unter anderem Heuschrecken, Krokodile und Ordensschwestern.

Obwohl Storch fast ausschließlich mit Laien arbeitet, in dieser Produktion unterstützen ihn Schauspieler Ekkehard Freye, Dramaturg Thorsten Bihegue und die Mitglieder des Jugendclubs „Theaterpartisanen“ sowie Mitglieder des Dortmunder Sprechchors.

Die Premiere und die Vorstellung am 24. Oktober sind bereits ausverkauft. Weitere Termine sind geplant.

Überschwängliche Stengel und andere Blumenerotik.
Überschwängliche Stengel und andere Blumenerotik.