Schlagwort-Archive: Maximilian Kurth

Wer spielt hier wen?

Verstecken hinter Identitäten? Esther Wegelin und Kathrin Remus von den Theaterpartisanen. (Foto: ©Birgit Hupfeld)
Verstecken hinter Identitäten? Esther Wegelin und Kathrin Remus von den Theaterpartisanen. (Foto: ©Birgit Hupfeld)

Wer bin ich und welche Rolle spiele ich? Spiele ich vielleicht sogar mehrere Rollen, was passiert, wenn ich mein Gesicht wechsle? Die Theaterpartisanen erarbeiteten mit Hilfe von Theaterpädagogin Sarah Jasinszczak und Dramaturg Thorsten Bihegue ein Stück namens „Identity“, das am 13. März 2015 im Studio des Schauspielhauses Premiere hatte.

Die insgesamt acht Theaterpartisanen beschäftigten sich in ihrem Stück mit der Frage, was ist eigentlich Identität. Spielt man sich selbst oder spielt man eine Rolle oder vielleicht sogar mehrere? Ist man ständig auf der Suche nach sich selbst und was passiert, wenn man „sich“ gefunden hat?

Nach einer kleinen Vorstellung und „Publikumsbeschimpfung“ – es ging schließlich auch darüber, wie man nicht sein möchte – begann das Stück. Es spielte auf einem Flughafen, die Bühne war in ein kleines Flugterminal umgewandelt worden. Die Theaterpartisanen schlüpften nun in bestimmte Rollen. Das Spektrum reichte von der Englischlehrerin über die Computerexpertin, das Model bis hin zur Studienabbrecherin.

Eine zentrale Rolle in dem Stück spielt der Clown (Jeremias Timoner), der eine Art metaphysische Figur spielte. Neben seinen absurden Seligsprechungen, konfrontierte er die Figuren mit ihrem „Tod“ und fragte sie in Form eines Moderators, ob sie denn im Leben zufrieden oder glücklich gewesen seien. Die Antworten waren unbestimmt, als ob die dargestellten Charaktere nicht so recht wüssten, ob sie denn ihre Ziele erreicht haben.

Die Quintessenz des Stückes ist vielleicht, dass Identität ein Prozess ist, der ständig in Bewegung ist. Oder wie es der Clown im Stück sagte: „Wir sind nichts, wir werden ständig ein Leben lang.“

Zu erleben ist das kleine Stück (Dauer etwa eine Stunde) mit viel Musik noch am 17. und 29. April 2015.

Neben Jeremias Timoner spielten mit: Finnja Loddenkemper, Maximilian Kurth, Mia Reiß, Helena Demantowski, Kathrin Remus, Esther Wegelin und Lara Mohl.

Die unglaubliche Reise ins Herz der katholischen Aufklärungsliteratur

Leon Müller, Ekkehard Freye und Mitglieder des Dortmunder Sprechchors (Foto ©Birgit Hupfeld)
Leon Müller, Ekkehard Freye und Mitglieder des Dortmunder Sprechchors (Foto ©Birgit Hupfeld)

Wenzel Storch wollte sein erstes Theaterstück „Komm in meinen Wigwam“ nicht als Satire verstanden haben. Doch der harte Realismus der katholischen Aufklärungs- und Anstandsliteratur der 50er und 60er allein reichte aus, um die Besucher der Premiere am 17. Oktober im Studio ständig zum kichern zu bringen. Es ging um die Werke des späteren Ehrenprälat Bernhard Lutz, der als Autor in seinen Werken eine wahre Pracht von knospenden Blüten und Stengeln zum Lobpreise Gottes wachsen ließ.

Ein Gemeindehaus im Irgendwo. Gut katholisch in lila ausgestattet mit einer Kanzel. Ekkehard Freye gibt eine Art Gemeinderatsvorsitzenden, der durch einen wahrlich bunten Abend führt. Thema ist das Werk von Bernhard Lutz. An seiner Seite sind zwei Ministranten (Maximilian Kurth und Finnja Loddenkemper vom Jugendclub Theaterpartisanen) und ein Wissenschaftler, der von Thorsten Bihegue dargestellt wird. Bihegue ist eigentlich Dramaturg am Haus, doch nach seiner schauspielerischen Leistung am Freitag könnte man problemlos sagen: Das Schauspielensemble hat ein neues Mitglied gewonnen.

Stilecht werden wir in die 50er Jahre geführt, wenn Kaplan Buffo (Heinrich Fischer vom Seniorentheater) mit einem Mädchen (Jana Katharina Lawrence) und einem Jungen (Leon Müller) in zeitgenössischer Kleidung sehen. Auch Lawrence und Müller sind Mitglieder der Theaterpartisanen Buffo dient als eine Art Reinkarnation von Lutz.

Wie sollte es auch anders sein, es wird viel aus den Werken von Lutz und auch teilweise auch anderen katholischen Aufklärungsautoren rezitiert. „Ein fröhlicher Fabulant“ nennt unser Wissenschaftler Lutz einmal. Lutz hat aber nicht nur eine kirchliche Karriere, sondern war im Zweiten Weltkrieg auch Bomberpilot, so dass er auch bei Streitigkeiten durchaus physische Gewalt empfiehlt. Ein kleiner Don Camillo eben.

Die Sprache und vor allem die Metaphern die Lutz benutzt hat, klingt für unsere Ohren 60 Jahre später extrem komisch. Sätze, die vielleicht 1951 noch unschuldig klangen, haben manchmal eine eindeutig zweideutige Konnotation bekommen. Heute denkt kaum jemand bei Titeln wie „Peter legt die Latte höher“ nur an Stabhochsprung. Vor allem nicht, wenn der Junge auf dem Titelbild uns mit dem Hintern (auch Allerwertester genannt) entgegenkommt.

Doch mit blühenden Wiesen und ihren sprießenden Knospen brauchten die Zuschauer nicht nur ihre Phantasie bemühen. Dank der wunderbaren Arbeit von Pia Maria Mackert, die für Bühne und Kostüme zuständig war, erwachten die Stengel plötzlich zum Leben, auch tanzende Nonnen bevölkerten die Bühne. Unter den Kostümen verbargen sich Mitglieder des Dortmunder Sprechchors.

Wenzel Storch, der nach eigenen Angaben katholisch erzogen wurde, hat in „Komm in meinen Wigwam“ (ja, das ist das Lied von Heino und kam auch zu Gehör), eine ganze Menge aufgearbeitet. Seiner Leidenschaft für christlichen Pop und die Kastelruther Spatzen wurde ebenfalls gefrönt. Und natürlich dem Mann ein Denkmal gesetzt, dessen Werke eine weite Verbreitung fanden, der aber heutzutage vergessen ist. Weder im Kirchenlexikon noch bei Wikipedia taucht Bernhard Lutz auf, der mit seinem „poetischen Realismus“ und seinen „sakral-psychedelischen“ Zeichnungen, in der katholischen Sexualmystik der 50er und 60er Jahre führend war. Die 70er Jahre haben in dann weggespült.

Bei aller Ironie und vielen Gelegenheiten zum Schmunzeln ist der ernste Hintergrund angesichts der in den letzten Jahren öffentlich gewordenen Pädophilie-Skandalen in der katholischen Kirche im Hintergrund gegenwärtig. Sieht man von Freye und Bihegue ab, waren nur Laien auf der Bühne, ein Umstand, den Storch durchaus bevorzugt. Alles in allem war es ein gelungener Abend.

Vom WIR zum ICH

Zum Ende werden die Individuen vernetzt. (Foto: ©Hannah Bünemann)
Zum Ende werden die Individuen vernetzt. (Foto: ©Hannah Bünemann)

In der neuen Produktion der Theaterpartisanen „Radikal wirklich“ zeigen die Jugendlichen welche Schwierigkeiten auf dem Weg zum Erwachsenwerden liegen. Liebe und Leid liegen oft eng beieinander. Ars tremonia war auf der Premiere am 16. März 2014 im Studio des Schauspielhauses.

 

Zunächst ist da das WIR, die Gruppe. Alle verstehen sich, alle sind gut drauf, doch zunächst bricht einer aus der Reihe, dann immer mehr. Jeder betont seine Individualität, plötzlich ist es nicht mehr eine Gruppe, sondern eine Ansammlung von Individualisten. So hat jeder eigene Charakteristika, die auch mal in „Ich bin radikal blond“ kumulieren können.

Die Bühne hat etwas von einem Camp, ein Tarnnetz, eine Fahne der Theaterpartisanen, Gymnastikbälle in verschiedenen Farben und Größen dienen als ultimative Requisite. So können sie beispielsweise auch ein Handy sein. Handys und Facebook sind sowieso stets präsent. Beispielsweise wird direkt gefragt: „Dein Status auf Facebook hat sich geändert“.

 

Im Stück, immer wieder unterbrochen von pantomimischen Darstellungen von alltäglichen Handlungen wie beispielsweise Zähneputzen, stehen Probleme um die (erste) Liebe im Zentrum. Sei es, dass jemand auf seinen Märchenprinzen wartet oder ob jemand Probleme mit Frauen hat. Die Jugendlichen spielen einige Szenen wie das Ende einer Beziehung durch ein missglücktes gemeinsames Essen, das Finden einer neuen Liebe oder der dadurch entstandene Trennungsschmerz.

 

Ein wesentliches Element in „Radikal wirklich“ ist ein etwa 10-minütiger Film, der etwas nach zwei Drittel des Stückes gezeigt wird. Hier wird eine fantasievolle, leicht surrealistische Welt geschaffen, mit einigen Elementen aus Shakespeares „Sommernachtstraum“. So wird ein Trank gebraut, mit ganz merkwürdigen Effekten, so taucht beispielsweise ein Einhorn auf. Das erinnert so ein wenig an die Situation, wenn eine Party plötzlich alkoholbedingt aus dem Ruder läuft. Plötzlich hat sich ein Pärchen im Arm, die nach dem aufwachen nichts mehr davon wissen will. „Da ist nichts passiert. Kann auch gar nicht sein.“

 

Zum Schluss werden alle Beteiligten wieder mittels Klebeband in eine Gruppe vereinigt. Jeder ist zwar ein Individuum, hat sich aber mit den anderen vernetzt. Es ist wie ein Spinnengeflecht.

 

Zu der gelungen Aufführung gehörte eine gute Portion Musik, die auf der akustischen Gitarre dargeboten wurden. Von „Folsom Prison Blues“ von Johnny Cash bis hin zu „Little Talks“ von „Of monsters of men“ reichte die musikalische Bandbreite. Dazu passte auch die „Frusthymne“ Ficken und Bier“, die dem Verlassenen zum Trost gesungen wurde.

 

Ein wunderschöner, fast beschwingter Abend mit tollen Darstellerinnen und Darstellern, die von der Regisseurin und Theaterpädagogin Sarah Jasinszczak hervorragend eingestellt wurden: Mit dabei waren Frauke Becker, Mariana Bittermann, Helena Demantowsky, Jost Grünastel, Lisa Heinrich, Nadine Hövelmann, Maximilian Kurth, Finnja Loddenkemper, Merlin Mölders, Rebekka Pattison, Elena Schembecker und Alina Vogt.

 

Es lohnt sich auf den Fall, den Theaterpartisanen zuzusehen. Weitere Möglichkeiten dazu gibt es am 19. und 30. März, 30. April und 11. Mai 2014.

Karten unter www.theaterdo.de oder 0231 5027222.