Archiv der Kategorie: Frauenfilmfestival

Jurypreis für Satire über patriarchale Stereotypen

Am Sonntagabend endete die 36. Ausgabe des Internationalen Frauenfilmfestivals im domicil mit der feierlichen Preisverleihung.Es war die erste Ausgabe unter Leitung von Maxa Zoller,

Die Jury im Internationalen Spielfilmwettbewerb war besetzt mit Terri Ginsberg (Professorin für Film- und Medienwissenschaften der Universität Kairo), Sheri Hagen (Regisseurin, Autorin, Schauspielerin, Deutschland) und Edima Otuokon (LADIMA-Stiftung zur Förderung von Frauen in Film, TV und Medien, Nigeria). Sie vergab den mit 15.000 Euro dotierten Hauptpreis an die mazedonische Produktion GOD EXISTS, HER NAME IS PETRUNYA von Teona Strugar Mitevska, eine beißende und berührende Satire über eine Gesellschaft voller patriarchaler Stereotypen und fatalem Opportunismus. Das Preisgeld von 15.000 Euro wird zwischen der Regisseurin (5.000 Euro) und dem deutschen Verleih (10.000 Euro) geteilt, um den Vertrieb von Filmen von Regisseurinnen in Deutschland zu fördern. Mitevska nahm den Preis persönlich in Dortmund entgegen.

Jurymitglieder und Gewinnerinnen auf einem gemeinsamen Foto. Beryl Magoko (2.v.l.), Tenoa Strugar Mitevska (3.v.l.), Dr. Maxa Zoller (4.v.l.) und Claire Johnston (5.v.l.). (Foto: © Anja Cord)
Jurymitglieder und Gewinnerinnen auf einem gemeinsamen Foto. Beryl Magoko (2.v.l.), Tenoa Strugar Mitevska (3.v.l.), Dr. Maxa Zoller (4.v.l.) und Claire Johnston (5.v.l.). (Foto: © Anja Cord)

Eine lobende Erwähnung sprach die Jury für die niederländisch-luxemburgische Produktion THE BEAST IN THE JUNGLE unter der Regie von Clara van Gool aus. Darstellerin Claire Johnston zeigte sich sichtlich gerührt über die Auszeichnung, mit der die herausragende filmische Qualität des Films gewürdigt wurde.

Der mit 1.000 Euro dotierte und von der Sparkasse Dortmund gestiftete Publikumspreis ging an Beryl Magokos autobiografischen Dokumentarfilm IN SEARCH, der das Thema Genitalverstümmlung von Frauen als authentische und emotionale Suche in das Innerste einer jungen Frau behandelt. Beryl Magoko nahm den Preis ebenfalls persönlich, gemeinsam mit ihrer Bildgestalterin Jule Katinka Cramer, von Gabriele Kroll als Vertreterin der Sparkasse Dortmund entgegen.

Tag 5 – Internationales Frauenfilmfestival Dortmund / Köln 2019

Am Sonntag wurde in der Schauburg der letzte Beitragsfilm für den Internationalen Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen gezeigt: The Beast in the Jungle der niederländischen Regisseurin Clara van Gool.

The beast in the Jungle

Basierend auf der gleichnamigen Novelle von Henry James erzählt der Film „The Beast in the Jungle“ (NL 2019) die seltsame Liebesgeschichte von John Marcher (Dane Jeremy Hurst) und May Bartram (Sarah Reynolds).

Über die Zeitspanne eines Jahrhunderts treffen sich die Vertrauten an immer neuen Orten zu einer Art Pas de deux. Sie umschmeicheln sich, kommen sich näher, entfernen sich. Es gibt jedoch nie einen wirklichen Kuss oder andere sexuelle Begegnungen. Die professionellen Tänzer bewegen sich durch die Zeiten, tanzen zärtlich und spielerisch miteinander. Eine Art Choreografie führt sie im Duett durch die Geschichte. Sie erinnern sich an ihre Begegnungen, die Geschichte dreht einige Zeitschleifen, poetische Zitate wiederholen sich in den Gedanken der Protagonisten.

Claire Johnston spielte eine Nebenrolle in dem Film und stand nach dem Film den Fragen des Publikums Rede und Antwort. (Foto: © Anja Cord)
Claire Johnston spielte eine Nebenrolle in dem Film und stand nach dem Film den Fragen des Publikums Rede und Antwort. (Foto: © Anja Cord)

Über allem schwebt die lähmende Angst vor dem Unbekannten, dem Etwas, das John noch widerfahren, ihn überwältigen wird. Angst und Panik vor diesem Biest durchzieht das Leben von John und lässt ihn in einer Art Erstarrung oder Trance verhaftet bleiben. Das Leben zieht unerfüllt an ihm vorbei, die Furcht bleibt. Die Beziehung zu May gibt ihm ein Minimum an Halt, doch das auf ihre Kosten. Sie versucht ihm behutsam ihre Liebe zu zeigen, dringt aber nicht zu ihm durch. John bleibt in seiner Furcht verhaftet.

Ein Zitat aus Henry James Novelle lautet: Es war die Wahrheit, glasklar und monströs, dass in all der Zeit, die er gewartet hatte, das Warten selbst sein Schicksal war.

Regisseurin Clara von Gool produziert ihre Filme mit verschieden Choreografen, um den Tanz auf die Leinwand zu bringen. Sie arbeitet experimentell und dokumentarisch, aber auch an Videoinstallationen und für Werbung.

Tag 4 – Internationales Frauenfilmfestival Dortmund / Köln 2019

Das Internationale Frauenfilmfestival präsentierte am vierten Tag das Flüchtlingsdrama „Sempra mio figlio“, das auch über das Schicksal der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan informiert. Danach wurde es Zeit für den Zombiethriller „Endzeit“, der sich im zweiten Teil als Film mit Ökobotschaft wandelte. Greta Thunberg würde der Film und seine Botschaft sicher gefallen.

Sembra mio figlio

Ismail und sein Bruder Hassan sind als Kinder aus Afghanistan vor dem Krieg und den Taliban geflohen und leben jetzt in Italien. Eine kleine Schneiderei sichert den Lebensunterhalt, Ismail verdient mit Übersetzungen in einem Flüchtlingsheim noch etwas dazu. Nach vielen vergeblichen Versuchen und zwanzig Jahre später, erreicht er endlich telefonisch seine Mutter, doch diese erkennt ihn nicht mehr. Seine Mutter wurde wieder verheiratet und der Stiefvater will, dass die Söhne nach Pakistan kommen. Ismail hegt große Sympathien für eine Kollegin bei der Flüchtlingshilfe, sein Stiefvater will ihn aber in Pakistan verheiraten, das lehnt er kategorisch ab.

Die Brüder sind sich nicht einig, ob sie dem neuen Vater trauen können. Tagelang schwelt der Konflikt. Eines Morgens ist Hassan abgereist. Ismail erinnert sich an den Rat seines Vaters: Reise immer einzeln, dann stirbt nur einer, die anderen überleben. Auch Ismail macht sich dann allein auf den Weg. Im Film versinnbildlicht durch die Verwandlung des Gesichts seiner Freundin Nina in das einer Hazara Frau. Dann beginnt eine Reise auf verschlungenen Wegen nach Pakistan. Die Zeitebenen verschwimmen, die Fahrt ist verwirrend und konspirativ. Der Zuschauer bekommt eine Ahnung davon, welchen Strapazen die Flüchtlinge auf ihrem Weg aus den Kriegsgebieten ausgesetzt sind.

Die Flüchtlinge geben ihrer Hoffnung nach Frieden Ausdruck. Sembra mio figlio (R: Costanza Quatriglio, IT/HR/BE 2018)

Auf der Tour trifft Ismail eine Flüchtlingsgruppe seines Volkes der Hazara, die mit Kerzen das Wort „Peace“ vor sich aufgebaut hat. Am Morgen, als Schleuser die Flüchtlinge abtransportiert haben, bleibt nur das in Wachs geschriebene Peace als kleine Spur der Menschen zurück. Ihr Schicksal ist ungewiss.

Das Volk der Hazara erlebte 1890 einen Genozid durch die paschtunische Mehrheit im neu gegründeten Afghanistan. Ihr mongolisches Aussehen und ihre Religion macht sie auch heute noch zu Opfern der Taliban und dem Islamischen Staat.

Ismail findet den am Telefon ausgemachten Treffpunkt. In einem kleinen dunklen Raum stehen mehrerer Frauen zusammen und starren ihn an. Er erzählt leise mit welchen Worten seine Mutter ihn und seinen Bruder damals weggeschickt hat. Dann schauen sich Ismail und die Frauen minutenlang intensiv in die Augen. Tränen fließen da jede von ihnen Kinder verloren hat. Endlich gibt sich die richtige Mutter zu erkennen. Das Ziel der Reise ist erreicht, was weiter geschieht, bleibt am Ende ungewiss.

Regisseurin Constanza Quatriglio berichtet, dass der Film mit zahlreichen Laiendarstellern gedreht wurde, die alle einen Flüchtlingshintergrund hatten. Dies ermöglichte ihnen die Rollen authentisch auszufüllen. Unter den Frauen die das Wiedersehen spielten, war auch die Mutter des Schauspielers Bashir Anhang (Ismail)

(Anja Cord)

Zombie-Thriller mit Ökobotschaft

Der Film „Endzeit“ (D, 2018) von Carolina Hellsgård ist nur auf den ersten Blick ein typischer Zombiefilm. Denn er trägt eine Botschaft vor sich her, die im zweiten Teil des Films endgültig zum Tragen kommt.

„Endzeit“ beginnt genretypisch, im Jahre 2 nach einer Zombieapokalypse, die durch eine Seuche entstanden ist, gibt es nur noch zwei Städte: Weimar und Jena. Während Jena nach einem Gegenmittel forscht, ist Weimar unerbittlich und tötet jeden Infizierten. Vivi und Eva fliehen aus unterschiedlichen Gründen von Weimar und wollen mit einem selbstfahrenden Zug nach Jena. Wie es in solchen Filme so kommt: Der Zug bleibt auf freier Strecke stehen und die beiden Frauen müssen sich durch die Natur nach Jena durchschlagen.

Danach beginnt sich der Film stärker auf die Dämonen der beiden Hauptdarstellerinnen zu konzentrieren. Vivi trägt Schuldgefühle, weil sie ihre kleine Schwester im Stich gelassen hat und Eva, die taffe Frau, flieht vor den Menschen, die sie getötet hat.

Anders als bei vielen Filmen sind die Zombies in "Endzeit" ziemlich gut zu Fuß. Daher müssen Vivi und Eva ordentlich Fersengeld geben.  Endzeit (R: Carolina Hellsgård, DE 2018) © Grown Up Films ZDF - Anke Neugebauer
Anders als bei vielen Filmen sind die Zombies in „Endzeit“ ziemlich gut zu Fuß. Daher müssen Vivi und Eva ordentlich Fersengeld geben. Endzeit (R: Carolina Hellsgård, DE 2018) © Grown Up Films ZDF – Anke Neugebauer

Hellsgård bringt im zweiten teil des Films noch eine weitere Komponente ein. Nicht umsonst sind viele grandiose Naturaufnahmen zu sehen, einmal entdecken die beiden Frauen sogar Giraffen, die aus dem Erfurter Zoo geflohen sind. Flüsse, Wälder, Felder, all das wird in seiner Pracht als Alternative zu den beiden Städten präsentiert. Das geschieht mit Absicht. Denn es taucht die Figur „Die Gärtnerin“ auf, die offensichtlich eine Mischform zwischen Mensch und Pflanzenwesen darstellt. Sie ist die Personifikation von „Mutter Natur“ oder Gaia und enthüllt, dass die Natur den Menschen durch die Seuche auslöschen wollte. Diese Symbiose sei nicht das Ende, sondern der neue Anfang.

In „Endzeit“ sind die Zombies keine Manifestation einer unterprivilegierten Bevölkerung, die sich erhebt, sondern letztendlich die Konsequenz des menschlichen Fehlverhaltens wider die Natur. Durch die Zunahme von multiresistenten Keimen ist es durchaus vorstellbar, dass sich die Menschheit in nicht allzu langer Zeit einem Virus oder einem Bakterium gegenübersieht, das den großteils der Bevölkerung ausrottet. Ähnlich wie es die Pest im 14. Jahrhundert getan hat.

Wer auf viel Blut und menschliche Innereien steht, der wird sicher enttäuscht sein, wer intelligenten Horror mit einer eindringlichen Botschaft mag, sollte sich diesen Film unbedingt ansehen.

(Michael Lemken)

Tag 3 – Internationales Frauenfilmfestival Dortmund / Köln

Ins Rennen um den internationalen Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen ging am 3. Tag des IFFF Dortmund / Köln der brasilianische Film „Los Silencios“ der Regisseurin Beatriz Seigner. Es ist in verschiedener Hinsicht ein bemerkenswerter Film. Für unsere westlich geprägte europäische Sichtweise etwas befremdlich anmutend, lotet er unterschiedliche Grenzerfahrungen aus. Abends wurde der Film „Der Boden unter den Füßen“ von Marie Kreutzer gezeigt. Es ist eine Geschichte zweier unterschiedlicher Schwestern.

Magischer Realismus aus dem Amazonasgebiet.

Es sind zum einen die Grenzen zwischen Brasilien, Kolumbien Peru, aber auch die Übergänge zwischen Lebenden und den Toten sowie Land und Fluss. „Los Silencios“ bewegt sich zwischen Dokumentation und Fiktion, Geistern und Realismus.

Den politisch-gesellschaftlichen Hintergrund bildet der Bürgerkrieg in Kolumbien. Konflikt zwischen Paramilitärs und Guerilla machen die Situation für die Bevölkerung lebensgefährlich und zwingen viele Menschen zur Flucht.

"Los Silencios" (R: Beatriz Seigner, BR 2018) spielt nicht nur im politischen Zwischenreich, sondern auch in dem zwischen Lebenden und Toten.  (© Trigon-Film)
„Los Silencios“ (R: Beatriz Seigner, BR 2018) spielt nicht nur im politischen Zwischenreich, sondern auch in dem zwischen Lebenden und Toten. (© Trigon-Film)

Der erste Zufluchtsort für die Protagonistin Ampora (neben ihrem Ehemann im Film die einzige professionelle Schauspielerin) und ihre Kinder Nuria und Fabio vor den bewaffneten Konflikt ist die auch real existierende Insel „Isla de la Fantasía“. Diese befindet sich mitten im Amazonas im Grenzgebiet von Brasilien, Kolumbien und Peru.

Bis auf die Mutter Ampora und dem Vater in der Geschichte wurden alle anderen Personen von Menschen (Laien) dargestellt, die wirklich auf der Insel wohnen. Sie bekamen erstmals Gelegenheit, „Ihre Geschichte“ zu erzählen. Das sorgte neben den Naturgeräuschen des Amazonas für eine besondere Authentizität.

Der harte Kampf ums Überleben, gegen den Ausverkauf und für Entschädigungen wird lebendig vor Augen geführt. So muss Ampora, die ihren Mann und Tochter im Bürgerkrieg verloren hat, nicht nur um eine Aufenthaltserlaubnis kämpfen, sondern auch darf hoffen, dass die beiden Toten gefunden werden und sie Reparationszahlungen bekommt. Die Ölgesellschaft möchte ihr mit wenig Geld die Klagerechte abkaufen.

Das Publikum erfährt nicht nur aus erster Hand von der Situation der Dorfbewohner, sondern auch über ihr besonderes Verhältnis zu ihren Toten und Geistern. Sie sind in der Gemeinschaft weiter allgegenwärtig. Es gibt neben der wöchentlichen Dorfversammlung auch eine „Versammlung der Geister der Toten“ statt. Hier bekommen sie eine Stimme und ihren Platz in der Gesellschaft zurück.

Auch Ampora geht in ihrem Alltag zunächst so um, als würden die Tochter und ihr Mann noch unter ihnen Leben. Sie spricht zu ihnen und wäscht sogar ihre Tochter. Erst ein Paket mit den gefundenen Überresten der beiden Familienangehörigen bringt die erschütternde Realität ins Haus.

Einiges erfährt man über Riten der Bewohner. Die Totengeister werden mit fluoreszierenden Farben gekennzeichnet, die sich zum Ende hin immer mehr verstärken. (Lisa Lemken)

Eindringliches Geschwisterdrama

Mit „Der Boden unter den Füßen“ gelang der österreichischen Regisseurin Marie Kreutzer ein starker Film. In 109 Minuten erzählt sie die Geschichte zweier Schwestern. Lola ist Unternehmensberaterin und steckt ihre ganze Kraft in ihre Karriere. Sie pendelt zwischen Konferenzen, Büro und anonymen Hotelzimmern. Ihre ältere Schwester Conny leidet an paranoider Schizophrenie, einmal im Jahr geht es ihr besonders schlecht. Dieses Mal begeht sie einen Selbstmordversuch. Hier nimmt die Geschichte Fahrt auf. Conny wird vorübergehend in die Psychiatrie eingewiesen. Jetzt ist Lola mehr gefordert als sie geplant hat. Sie versucht in ihrem streng getakteten Alltag mit den unberechenbaren Anforderungen durch die Krankheit ihrer Schwester klarzukommen, steht kurz vor einem Burn-out. Es zeigt sich wie dicht Aufstieg und Chaos beieinander liegen. Nach mehreren Verwicklungen und Schwierigkeiten nimmt Lola ihre Schwester mit nach Hause. Sie organisiert deren Alltag, sodass sie wieder ihrer Arbeit nachgehen kann. Doch die leichte Entspannung hält nicht lange vor, Conny stürzt sich vom Balkon der Wohnung in den Tod. Lola erleidet einen Nervenzusammenbruch und wird ins Krankenhaus eingeliefert. Sie erhält Antidepressiva verschrieben und ist bei der Beisetzung ihrer Schwester die einzige Hinterbliebene.

Ein Schwesterndrama aus Österreich. "Der Boden unter den Füßen" (R: Marie Kreutzer, AT 2019) © Novotnyfilm - Juhani Zebra
Ein Schwesterndrama aus Österreich. „Der Boden unter den Füßen“ (R: Marie Kreutzer, AT 2019) © Novotnyfilm – Juhani Zebra

Im Interview erzählt Marie Kreutzer, dass der Film autobiografische Züge trägt. Ihre Tante litt ebenfalls an Schizophrenie und als Jugendliche hat sie diese regelmäßig in der Psychiatrie besucht. Sie konnte so auf einige ihr bekannte Gesprächsverläufe zurückgreifen. Zwei extreme Rollenentwürfe stehen sich hier gegenüber. Im Verlauf des Films verschwimmen immer wieder die Grenzen und man fragt sich, welcher der Schwestern eher geholfen werden müsste. Am Ende war die Ältere, Conny an vielen Stellen die Stärkere. Sie setzte die Akzente, während Lola mit der Furcht vor den Auswirkungen der Krankheit auf ihr eigenes Leben kämpfte.

Die Regisseurin Marie Kreutzer im Interview mit Stefanie Görtz (IFFF). (Foto: Anja Cord)
Die Regisseurin Marie Kreutzer im Interview mit Stefanie Görtz (IFFF). (Foto: Anja Cord)

Die schauspielerische Leistung von Pia Hierzegger, die die Conny verkörperte, war beeindruckend. (Anja Cord)

Shorts on wheels – das Frauenfilmfestival unterwegs

Als die Dämmerung langsam in Dunkelheit übergeht, haben sich trotz der niedrigen Temperatur ungefähr achtzig Menschen am Dortmunder U versammelt und sind gespannt auf die nächsten drei Stunden. Im Rahmen des Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund/Köln geht es unter dem Motto „Shorts on Wheels“ mit dem Rad durch die Dortmunder Innenstadt und den Hafen. Raus aus dem Kinosessel, rein in die Stadt, um an ausgewählten Orten auf Hauswänden als alternative Leinwand kurze Filme zu sehen. Zum Marschgepäck gehören ein mobiler Beamer, leistungsstarke Boxen auf einem Cargobike, ein Megafon und gute Laune. Stationen der kreativen Aktion sind das U, das Kreativzentrum an der Speicherstrasse, das Künstlerhaus und der Rekorder.

Thema der Kurzfilme ist der Mikrokosmos Reisen. Schon die Radtour durch die nächtliche Stadt ist ein kleiner Roadtrip, eine große Gruppe Radfahrer nimmt sich den Raum einer Fahrspur, um die einzelnen Stationen des Programms abzufahren. Die Musik des Soundbikes untermalt die Tour mit basslastigem Klang.

Eine Reise beinhaltet die Frage des Transportmittels. Wohin geht es? Großstadt oder ein anderes Land oder sogar das Weltall? Kann man überhaupt Reisen oder sein Land nicht verlassen?

Die Kurzfilme wurden auf Häuserwände projiziert wie hier am Dortmunder U. (Foto: © Anja Cord)
Die Kurzfilme wurden auf Häuserwände projiziert wie hier am Dortmunder U. (Foto: © Anja Cord)

Die fünf gezeigten Filme befassen sich mit diesen Fragestellungen. Der dänische Animationsfilm „Solar Walk“ von Reka Bucsi nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise ins Weltall und den Schöpfungsprozess in einem animierten kosmischen Chaos. Im Hafen gibt es mit „All Inclusive“ von Corinna Schwingruber-Illic einen kurzen Trip auf ein Kreuzfahrtschiff. Mit Witz und Ironie beschreibt die Regisseurin den durchorganisierten Vergnügungswahnsinn an Bord eines Ozeanriesen.

Nächster Halt ist das Künstlerhaus. „Blue Hands“ von Diyala Muir ist ein beeindruckend gezeichneter Animationsfilm. Eine junge Frau erlebt eine abstrakte Reise durch Trauer und Verleugnung. Der zweite hier gezeigte Film ist „Untravel“ von Ana Nedeljkovic und Nikola Majdak. Der Animationsfilm ohne Dialoge zeigt ein Mädchen in einer isolierten Stadt, das noch nie irgendwo hingereist ist. Die Frage ihres Kopfkinos lautet, was wäre, wenn…. ich die Mauern durchbrechen könnte, ….ich die Grenze überschreiten könnte?…Wie könnte die perfekte Welt namens „Ausland“ aussehen?

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von "short on wheels" unterwegs zwischen Dortmunder U und Dortmunder Hafen. (Foto: © Anja Cord)
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von „short on wheels“ unterwegs zwischen Dortmunder U und Dortmunder Hafen. (Foto: © Anja Cord)

Den makaberen Abschluss der Kinotour bildete im Rekorder der Kurzfilm „Tigre“ von Delphine Delgot. Sabine und Natascha befinden sich irgendwo in einem kleinen Kaff im Nirgendwo der französischen Provinz. Sie amüsieren sich mit belanglosem Sex, mit Ausfahrten durch den Wald, und schlagen gemeinsam die Zeit tot. Eines Tages kommt Natascha nicht zu ihrem Treffen, Sabine ist enttäuscht und will sich rächen. Bei der nächsten Zusammenkunft fahren sie durch einen Safaripark. Dort kommt es zum Streit, Natascha springt aus dem Auto, um zu rauchen. Sabine sieht einen Tiger auf Natascha zulaufen, warnt diese aber nicht, sondern fährt weiter. Natascha wird Opfer des hungrigen Raubtiers.

Zum Abschluss gab es noch eine Einladung auf ein gemeinsames Bier im domicil.

Shorts on Wheels findet zum 11. Mal statt und ist eine Kooperation zwischen dem Kurzfilmfestival Köln und Punta Velo. Für die Begleitung auf der Straße waren die Leute der VeloKitchen maßgeblich zuständig.

Tag 2 – Internationales Frauenfilmfestival Dortmund / Köln

Im Rahmen des internationalen Spielfilmwettbewerbs für Regisseurinnen während des IFFF Dortmund / Köln wurde in am 2. Tag des Filmfestivals im Kino Schauburg in Dortmund der Film „The Miseducation of Cameron Post“ (USA) der Amerikanerin mit iranischen Wurzel Desiree Akhavan dem Publikum präsentiert sowie „God Exists, Her Name Is Petrunya“ (MK,BE,SI, HR, FR) aus dem Jahre 2019 von Teona Strugar Mitevska.

Mit Gebeten gegen Homosexualität

Der Film basiert auf dem 2012 erschienenen gleichnamigen Roman, der auf den erschütternden und aufsehen erregenden Berichten des Teenagers Zach Stark (2005 in den USA) über die Zustände in einem Camp für „gefährdete“ Jugendliche, die von ihren „homosexuellen Neigungen“ weg und zum „rechten Weg“ zurückgebracht werden sollten.

Die Geschichte spielt 1993 in Montana (USA). Nach dem frühen Tod ihrer Eltern lebt der Teenager Cameron Post bei erzkonservativen Verwandten. Sie steht auf Frauen und als sie beim Sexspiel mit ihrer Freundin Coley erwischt wird, schicken die Familie sie in das Umerziehungslager mit dem Namen „God‘s Promise“ (Gottes Versprechen). Dort versuchen Reverend Rick und seine Schwester Dr. Lydia Marsh, die Jugendlichen mit emotionaler Erpressung und Misshandlung, dem Schüren von Schuldgefühlen sowie Berieselung mit Jesus-Musik vom falschen Weg „der Sünde“ mit „Gottes Hilfe“ zu „heilen“. Sie werden mit bewusst pathologisierender Absicht werden sie mit SSA (Same Sex Attraktion) genötigt, anhand eines Eisbergs all das zu identifizieren, was sie auf ihren „Abweg“ gebracht hat. Zum Glück findet Cameron zwei „Rebellen“ als verständnisvolle Freunde an dem Ort des Grauens und schafft sich kleine Freiräume.

Dem Horror entkommen. The Miseducation of Cameron Post (R: Desiree Akhavan, USA 2017)
Dem Horror entkommen. The Miseducation of Cameron Post (R: Desiree Akhavan, USA 2017)

Zusammen mit ihnen findet sie nach einem schrecklichen Erlebnis in Folge der dubiosen Therapiemethoden die Kraft, aus dieser Situation auszubrechen. Eindrucksvolle Schauspielerinnen und Schauspieler und eine starke Bildführung machen den Film zu einem eindringlichen Erlebnis.

Homosexuelle zu stigmatisieren und sie als krank anzusehen, ist leider in unserer Zeit kein seltenes Phänomen. Eine große Rolle spielen dabei ultra- religiöse sich christlich nennende Gruppen. Auch bei der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA waren sie mit ihren Stimmen nicht unwesentlich beteiligt.

Petrunya sucht das Glück

Von Glück verfolgt ist unsere Protagonistin Petrunya auf keinen Fall. Sie ist 32 Jahre, lebt bei ihrer Mutter in nordmazedonischen Štip, hat Geschichte studiert und ist arbeitslos. Zudem passt sie optisch nicht in das gängige Frauenbild. Als bei der traditionellen orthodoxen Zeremonie der Priester ein Kreuz in die Fluten des Flusses wirft, Werfen sich alle Männer des Ortes in die Fluten, auch Petrunya, die sogar das Kreuz fängt. Bedeutet dies doch, dass der Fänger ein Jahr lang Glück hat. Doch es gibt einen großen Haken: Es dürfen nur Männer nach dem Kreuz tauchen.

Danach ist in Štip nichts mehr, wie es ist. Die Kirche versucht mithilfe der Polizei Petrunya das Kreuz wegzunehmen und ein Mob wütender Männer macht vor der Polizeistation mobil. Dazu wittert eine Reporterin die Story des Jahres.

Petrunya nutzt die Chance, etwas Glück abzubekommen. God Exists, her Name is Petrunya (R: Teona Strugar Mitevska, MK/BE/SI/HR/FR 2019)
Petrunya nutzt die Chance, etwas Glück abzubekommen. God Exists, her Name is Petrunya (R: Teona Strugar Mitevska, MK/BE/SI/HR/FR 2019)

Das Spannende an dem Film ist nicht so sehr die Kritik an den alten Ritualen der Kirche, sondern der Blick die patriarchale Gesellschaft in der nordmazedonische Provinz. Niemand hinterfragt, warum es Frauen nicht erlaubt ist, hinter dem Kreuz zu schwimmen. Haben sie kein Anrecht darauf, Glück zu haben? Egal, ob man gläubig ist oder nicht.

Auch die Beziehung zwischen Kirche und Staat (Polizei) wird beleuchtet. Petrunya wird auf der Polizeistation festgehalten, obwohl sie nichts verbrochen hat, denn sie hat das geworfene Kreuz „ordnungsgemäß“ gefangen. Modernen Zeiten sei Dank – es gibt sogar Handyvideos davon. Dennoch arbeiten Kirche und Polizei eng zusammen und überschreiten mehrmals die Linie der Legalität.

Hinzu kommt das schwierige Verhältnis zu ihrer Mutter. Ihre Mutter versucht Petrunya bei jeder Gelegenheit schlecht zu machen und ihr jedes Selbstbewusstsein zu nehmen. Nur scheinbar steht sie an der Seite ihrer Tochter.

Doch keine Angst, der Film ist auf keinen Fall deprimierend, denn Schwarz und Weiß gibt es nicht. Der Film ist an vielen Stellen sogar recht lustig, hat ordentlich Balkanflair und am Ende knüpft Petrunya zarte Bande zu einem der netteren Polizisten. Da hat das Kreuz vielleicht schon Glück gebracht.

Eine beeindruckende Leistung von Zorica Nusheva, die die Figur der Petrunya spielt,

Tag 1 – Internationales Frauenfilmfestival Dortmund / Köln 2019

Der erste Tag des Internationalen Frauenfilmfestival Dortmund / Köln 2019 bot in der Kategorie des Spielfilmwettbewerbs für Regisseurinnen am 10.04.2019 im Dortmunder Kino Schauburg um 20:00 Uhr mit „Wajib“ (Verpflichtung) einen Film der Regisseurin Annemarie Jacir ein familiäres Kaleidoskop der palästinensisch-israelischen Problematik. Die Regisseurin lebt wieder in Palästina, hat aber einen US-Pass. Das erlaubt ihr, ohne Probleme nach Israel ein- und ausreisen zu können.

Die Stadt Nazareth ist die größte palästinensische Stadt auf dem Staatsgebiet Israels. Die jüngere Stadt Nazrat-Illit wird hauptsächlich von Juden, während Nazareth in erster Linie von Muslimen und Christen bewohnt ist. In „Wajib“ geht es um die Tradition, die Einladungen zur Hochzeit der Tochter persönlich zu überbringen. Der in Rom lebende Architekt Shadi kommt ohne Begeisterung wegen der Hochzeitsvorbereitungen für seine Schwester Amal für kurze Zeit in seine Heimatstadt Nazareth zurück. Diese hatte er wegen der Schwierigkeiten mit den Israelis und seinem Vater verlassen und lebt zusammen mit seiner der PLO nahestehenden Freundin in Rom. Sein Vater Abu Shadi arangiert sich dagegen mit den Israelis , da er gerne Rektor werden möchte. Nun begleitet er ihn in einem humorvollem urbanen Roadmovie bei der Abgabe der Einladungen.

Interessant ist, dass die beiden von Saleh und Mohammad Bakri gespielt werden, die auch im wahren Leben Sohn und Vater sind. Während der Fahrt brechen zwischen ihnen Konflikt auf politischen, gesellschaftlichen aber auch persönlichen Ebene auf.

Szene aus "Wajib": Vater und Sohn bringen persönlich Einladungen vorbei. Bei den kleinen Geschichten lernt man sehr viel über das tägliche Leben in Nazareth. (Foto: Wajib (R: Annemarie Jacir, PS/FR/DE/CO/NO/QA/AE 2017) © Pyramide Films)
Szene aus „Wajib“: Vater und Sohn bringen persönlich Einladungen vorbei. Bei den kleinen Geschichten lernt man sehr viel über das tägliche Leben in Nazareth. (Foto: Wajib (R: Annemarie Jacir, PS/FR/DE/CO/NO/QA/AE 2017) © Pyramide Films)

Die Mutter, die nur über Telefonate mit ihrem Sohn Shadi im Film vorkommt, spielt eine wichtige Rolle. Sie hatte die Familie früh, vor allem wegen der politischen Verhältnisse, verlassen. Das hat der Vater nicht vergessen und nimmt es ihr immer noch sehr übel. Der Sohn wiederum ist sauer auf seinen Vater, der sich nach seiner Meinung zu sehr anpasst und verbiegt. Das er sehr viel Wert auf die Meinung von Familie und Freunden in seinem Heimatort legt, zeigt sich vor allem, als er seinen Sohn auch einmal als „Arzt“ ausgegeben hat. Aber auch andere Figuren, die nicht im Film zu sehen sind, haben eine wichtige Rolle. Shadis Freundin Nada wird von seinem Vater mehr oder weniger ignoriert, vermutlich weil er Angst vor politischen Repressalien hat. Auch der israelische Freund des Vaters ist nicht im Bild zu sehen. Es bleibt unklar, ob er eine Einladung bekommt oder ob sich Shadi durchgesetzt hat.

Bespitzelung, die fehlende Müllentsorgung und oft Benachteiligung der Palästinenser durch die Israelis wird von Shadi in Nebensätzen oder Seitenblicken angesprochen und gestreift. Das Verhältnis von Israel und Palästina wird mit viel Empathie beschrieben, sowie gleichzeitig das Vater-Sohn-Verhältnis ausgelotet.

Auf der Reise werden kleine Geschichten erzählt. Cousinen wollen den Architekten aus Rom zur Heimkehr „verführen“. Man bekommt kleine humorvolle Einblicke in die verschiedenen Welten der zur Hochzeit eingeladenen Muslime, Christen und Atheisten.

Kleine Schummeleien, doppeldeutige Bemerkungen oder Sticheleien beleben und befeuern dieses bemerkenswerte Roadmovie. Am Ende sitzen Vater und Sohn einträchtig zusammen auf dem Balkon.

Das Internet als Bilderfalle – Internationales Frauenfilmfestival

Das Internationale Frauenfilmfestival ist nicht nur eine Präsentationsfläche für Filme von Frauen, sondern dient auch der Schaffung von Netzwerken. So gehören zur Jury des Internationalen Spielfilmwettbewerbs beispielsweise Edima Otoukon aus Nigeria, die sich mit ihrer „Ladima Stiftung“ für die Förderung von Frauen in der nigerianischen Filmindustrie einsetzt. Das Jurymitglied Sheri Hagen möchte die Sichtbarkeit von Schwarzen in der deutschen Filmwelt vor und hinter der Kamera verbessern.

Regisseurin Eef Hilgers fragt nach den Grenzen im Internet. (Foto: © Anja Cord)
Dortmund Eröffnungspressekonferenz Internationales Frauenfilmfestival Dortmund/Köln 2019 im Dortmunder Rathaus. Eef Hilgers, eine niederländische Regisseurin zeigt ihren Dokumentarfilm Shame/Fame. (Foto: © Anja Cord)

Daneben gibt es ein Schulprogramm, das sich mit dem Thema Internet auseinandersetzt. Passend zum Motto, denn im Internet gibt es besonders viel Täuschung und Maskerade. Ars tremonia hat ein kurzes Interview mit der Regisseurin Eef Hilgers geführt, die ihren Film „Shame/Fame“ zeigt.

Ars tremonia: Können Sie sich kurz vorstellen?

Eef Hilgers: Ich arbeite seit sieben Jahren im Dokumentarfilmbereich. Vor allem Dokumentationen über Jugendliche. Vor sieben Jahren habe ich mein Studium beendet. Mit den Jugenddokumentationen beschäftige ich mich mit dem Verhältnis von Jugendlichen und dem Internet. Darüber hinaus mache ich Kinderfernsehen, aber alles dokumentarisch.

Ars tremonia: Worüber handelt ihr Film Shame/Fame?

Eef Hilgers: Es geht darum wie wir eigentlich mit dem Internet umgehen. Wie wir das Internet nutzen, um zu lachen, weil Menschen dumme Dinge tun. Aber auch, wo die Grenze liegt, bei der es kein Problem ist, darüber zu lachen und wann wird es unpassend. Die Grenze ist im Internet ein wenig verschoben. Ich will herausfinden, wo diese Grenze im Internet liegt.

Bewegender Animationsfilm bei der Eröffnung des 36. Frauenfilmfestivals

Mit dem beeindruckenden Animationsfilm „THE MAN WOMAN CASE“ von Anaïs Caura wurde das Internationale Frauenfilmfestival 2019 in Dortmund eröffnet. Das diesjährige Motto lautet „Bilderfallen: Täuschung, Tarnung, Maskerade“. Zur Eröffnung am Abend im Dortmunder Cinestar sprachen Festivalleiterin Dr. Maxa Zoller, Birgit Jörder (Bürgermeisterin der Stadt Dortmund und Schirmherrin des Festivals), Dr. Martina Gräfin von Bassewitz (Referatsleiterin Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) und Klaus Kaiser (Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW) ihre Grußworte.

Bei der Eröffnungspressekonferenz des Internationalen Frauenfilmfestivals waren zugegen (v.l.n.r.) Festivalleiterin Dr. Maxa Zoller, Regisseurin Anaïs Caura (THE MAN WOMAN CASE), Stefanie Görtz (Pressearbeit), Edima Otoukon (Jurymitglied), Bürgermeisterin Birgit Jörder und Jurymitglied Sheri Hagen. (Foto: © Anja Cord)
Bei der Eröffnungspressekonferenz des Internationalen Frauenfilmfestivals waren zugegen (v.l.n.r.) Festivalleiterin Dr. Maxa Zoller, Regisseurin Anaïs Caura (THE MAN WOMAN CASE), Stefanie Görtz (Pressearbeit), Edima Otoukon (Jurymitglied), Bürgermeisterin Birgit Jörder und Jurymitglied Sheri Hagen. (Foto: © Anja Cord)

Doch zurück zum Hauptfilm „THE MAN WOMAN CASE“. Es ist die wahre Geschichte von Eugene/Eugenia Falleni. Falleni wurde 1875 in Italien als Euginia geboren, wanderte mit ihrer Familie mit zwei Jahren nach Australien. Als Teenager wurde die männliche Seite immer dominanter und sie verwandelte sich in Eugene. Falleni arbeitete als Seemann, dabei wurde ihre Identität entdeckt, sie wurde vergewaltigt und bekam ein Kind, das sie zur Adoption freigab. Später heiratete sie die Witwe Annie Birkitt, die einen Sohn in die Ehe brachte. Als Birkitt entdeckte, dass Falleni ebenfalls eine Frau war, kam es – je nach Lesart – zu einem tödlichen Unfall oder zu einem Mord. Jedenfalls wurde Falleni erst zum Tode verurteilt, dann zu lebenslänglich. 1931 wurde sie freigelassen.

Der Animationsfilm ist frei von digitalen 3-D-Bildern. Er ist hauptsächlich in Schwarz-Weiß, mit wenigen Farbtupfern in Rot oder Blau. Die Machart, die an alte Animationsfilme erinnert, macht vor allem in den surrealen Zwischensequenzen die Zerrissenheit und das Zerfließende im Charakter von Eugene/Euginia deutlich. Dafür bot sich Tinte als Medium besonders gut an.

Frischer Wind beim Internationalen Frauenfilmfestival 2019 in Dortmund

Turnusmäßig hat das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund /Köln (09. – 14.04.2019) in diesem Jahr seinen Hauptsitz in unserer Stadt. Einiges hat sich seit dem Herbst 2018 getan.

Die langjährige engagierte künstlerische Leiterin des IFFF Silke Räbiger, hat den Staffelstab an Dr. Maxa Zoller, die als freie Filmkuratorin, Dozentin für Experimentalfilmgeschichte und Dozentin für zeitgenössische Kunst das Filmprogramm vor allem auch dem jungen Publikum nahe bringen will. Dr. Zoller war zuletzt Lehrbeauftragte an der American University in Kairo, wo sie sechs Jahre lebte.

So wird zum Beispiel auch Musik, tanzbarer Rap, Hiphop und Reggae der aufstrebenden Dortmunder Musikerin TriXstar im Jazzclub domicil mit einem Konzert zu hören sein.

Das Motto des IFFF „Bilderfallen: Täuschung, Tarnung, Maskerade“ ist Programm.

Die Festivalleitung und das Team wollen das Publikum anregen, genauer hinzusehen „Das Trugbild hat eine enorme Kraft“, so Zoller. Für Momente wird das, was wir als Wahrheit bezeichnen, aus den Angeln gehoben. Eine Bilderfalle wird zu einer Störung der Bezüge zu den Dingen an sich. Sie schafft so Raum und Zeit zwischen den Dingen und Körpern, die sich auf einmal frei bewegen können. Doppelungen von Bildern sollen irritieren und schaffen eine surreale Atmosphäre.

Dr. Maxa Zoller ist die neue künstlerische Leiterin des Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund/Köln. Hier in einer der Spielstätten des Festivals, dem Jazzclub domicil. Das Kassenhäuschen aus den 50iger Jahren zeugt von der ehemaligen Kinogeschichte des Ortes. Das Festival läuft in diesem Jahr vom 9. - 14. April 2019. (Foto: © Anja Cord)
Dr. Maxa Zoller ist die neue künstlerische Leiterin des Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund/Köln. Hier in einer der Spielstätten des Festivals, dem Jazzclub domicil. Das Kassenhäuschen aus den 50iger Jahren zeugt von der ehemaligen Kinogeschichte des Ortes. Das Festival läuft in diesem Jahr vom 9. – 14. April 2019. (Foto: © Anja Cord)

Neben den über 100 Filmen aus 32 Ländern, Sonderveranstaltungen wie Radtouren zu verschieden Filmen auf den Fassaden der Stadt, einem trotz der politischen Probleme aufbauend optimistischen Dokumentarfilm über die sudanesische Frauennationalmannschaft (porträtiert von Marwa Zein) im Deutschen Fußballmuseum, Konzerten und mehr auch diesmal wieder 8 Wettbewerbsfilme von nationalen und internationalen Regisseurinnen gezeigt in der Schauburg gezeigt. Das Publikum kann per Stimmabgabe mit entscheiden, wer das ausgelobte Preisgeld als bester Regisseurinnen-Film erhält.

Im Jahr 2019 sind zur Freude der Festivalleitung gleich zwei deutschsprachige Filme im Rennen.

Zum umfangreichen Themenbereichen gehören bei den Filmen die Genader-Problematik, Genitalverstümmlung bei Frauen, deutsche und internationale Geschichte aus verschieden Blickwinkeln oder auch ein religions- kritischer Film aus Mazedonien. Wer dem Horror-Genre zugeneigt ist, kommt zum Beispiel bei dem Film „Endzeit“ auf seine Kosten.

Für Kinder ab 4 Jahren und ihre Familien wird auch am Wochenende ein spezielles Programm angeboten.

Die Vernetzung gewinnt immer mehr an Bedeutung. So ist es erfreulich, das sich neben den zahlreichen Sponsoren und Förderern, immer mehr Spielstätten am IFFF beteiligen. Neu sind neben dem CineStar, der Schauburg, Innogy Forum und dem Kino im U jetzt das Fußballmuseum sowie das domicil dabei.

Das Festival wird programmatisch am 09.04.2019 um 19:00 Uhr im CineStar mit einem ungewöhnlichen, eindringlichen Animationsfilm eröffnet. THE MAN WOMAN CASE von Anaïs Caura erzählt den Gerichtsfall von Eugene/Eugenia Falleni aus Sydney – eine der ersten dokumentierten Transgender-Personen aus dem Jahr 1920. Ein Film von wegweisender künstlerischer Qualität.

Über das umfangreiche Angebot, Termine, Orte und Preise können sie sich schon jetzt über die Webseite: www.frauenfilmfestival.eu einen kleinen vorläufigen Überblick verschaffen.

Nach Ostern können sie dann das aktualisierte Programm abfragen.

Übrigens: Schon vor dem Beginn des Festivals wird man in der Dortmunder Innenstadt auf eigenartige Körperwesen in einem gestrickten Kokon stoßen.

Lassen Sie sich überraschen. Das IFFF kommt so auf alle Fälle mitten in unsere Stadtgesellschaft.