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Die Walküre – Vater-Tochter-Drama

Was war das für ein Operntag mit Richard Wagners „Walküre“ am 21. Mai 2022. Worauf sollte ich den Fokus lenken? Auf die überzeugende Stéphanie Müther als Brünnhilde? Auf Astrid Kessler und Daniel Frank als Liebes- und Geschwisterpaar Sieglinde und Siegmund? Auf die frische Bearbeitung von Regisseur Peter Konwitschny und Frank Philipp Schlößmann (Bühne und Kostüme)? Oder auf die Musik mit den Dortmunder Philharmonikern unter der Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz? Zusammenfassend kann ich sagen, dass alle Komponenten dazu beigetragen haben, dass der Abend ein sehr gelungener Abend wurde.

Doch eine kleiner Wermutstropfen bleibt. Warum wurde der Dortmunder „Ring“ mit dem zweiten Teil eröffnet? Was ist mit dem „Rheingold“? Ich lese ja auch nicht den zweiten Teil von „Herr der Ringe“ vor dem ersten Teil. Dadurch fehlt mir persönlich der logische Faden. Warum handelt Wotan (Noel Bouley) so „merkwürdig“? Vereinfacht gesagt: Wotan hat beschlossen, dass die Welt nach Gesetzen handelt, an die sich alle halten müssen. Dummerweise auch er. Das hat für das Liebespaar Sieglinde und Siegmund (beide Wotans Kinder) schlimme Folgen. Denn statt der „freien Liebe“, muss Wotan auf die Moralgöttin Fricka (Kai Rüütel) hören, die ausgerechnet auch seine Frau ist. Zumal Sieglinde ihren Ehemann Hunding (Denis Velev) verlassen hat. So muss er der Walküre Brünnhilde, seiner Tochter, widerwillig den Befehl geben, Hunding siegen zu lassen und Siegmund nach Walhalla zu bringen. Doch Brünnhilde lässt sich von Siegmund erbarmen und wird im dritten Akt für ihren Frevel gegenüber Wotan bestraft.

 Stéphanie Müther (Brünnhilde), Noel Bouley (Wotan) (c) Thomas Jauk, Stage Picture
Stéphanie Müther (Brünnhilde), Noel Bouley (Wotan) (c) Thomas Jauk, Stage Picture

Die Geschichte, dass sich Götter oder ähnlich hohe Tiere an ihren eigenen Gesetzen verstricken und böse auf die Nase fallen, ist nicht neu, aber die Wucht und Dramatik, die Richard Wagner in über drei Stunden auf die Bühne bringt, ist bemerkenswert. Vor allem der erste Akt mit Siegmund und Sieglinde ist atemberaubend, als beide erkennen, dass sie Geschwister sind, aber nichts gegen ihre Gefühle tun können und sich ihre gegenseitige Liebe gestehen. Die Dortmunder Philharmoniker und Gabriel Feltz scheinen die „Walküre“ auch zu genießen und kosten jeden Moment musikalisch aus.

Kommen wir zur Inszenierung. Konwitschny und Schlößmann haben ein kleines Faible für Küchen, denn in allen drei Akten steht die Küche im Mittelpunkt. Ist sie im Haus von Hunding noch ziemlich ärmlich, wird sie im Haus von Wotan etwas moderner, bis im dritten Akt eine schöne moderne Küche im Zentrum der Auseinandersetzung zwischen Tochter Brünnhilde und Vater Wotan wird.

Verständlich, denn Wagners „Ring“ ist immer noch eine hochaktuelle Erzählung von der Gier nach Macht und Reichtum bis zum Untergang. Da haben (fake) Wikingerhelme und ähnliches nichts verloren.

Ein großes Lob haben auch die Sängerinnen und Sänger verdient. Vor allem Stéphanie Müther als Brünnhilde. Zunächst fröhlich herumtollend mit ihrem Vater, gegen Ende voller Verzweiflung und Entsetzen nach seinem Urteilsspruch. Jeder im Publikum konnte mit ihr mitfiebern. Großartige Leistung. Nicht zu vergessen Astrid Kessler und Daniel Frank als Sieglinde und Siegmund, die den ersten Akt glänzend gestalteten. Auch Noel Vouley war als Wotan beeindruckend.

Jede Sekunde war ein Erlebnis. Ein Muss, nicht nur für Wagner-Fans.

Sehnsucht – Zweifel – Angst: Lohengrin in der Oper Dortmund

Es war wohl klar, dass Ingo Kerkshofs Inszenierung von Wagners „Lohengrin“ nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen würde. Zusammen mit einem recht spartanischen, aber durchaus effektvollen Bühnenbild macht Kerkhof klar, hier gibt es keine Schwäne oder glänzende Ritter zu sehen. Hier wird eine Geschichte aus dem Blickwinkel von Elsa von Brabant erzählt, die zusammen mit ihrer Rivalin Ortrud um Macht in einer von Männer dominierten Gesellschaft kämpft. Ein Premierenbericht von ars tremonia.

Die Handlung der Oper in Kurzform: Der deutsche König Heinrich sucht in Brabant Hilfe für einen Feldzug gegen die Ungarn. Dabei muss er feststellen, dass der Herzog tot ist und es um die Nachfolge Streit gibt. Friedrich von Telramund, der sich um die beiden Waisen Elsa und Gottfried kümmern sollte, klagt Elsa an, ihren Bruder umgebracht zu haben. Der König lässt ein Gottesurteil anrufen und plötzlich erscheint, von einem Schwan gezogen, Lohengrin, der aber seinen Namen nicht verraten darf. Er besiegt Telramund, aber lässt ihm sein Leben. Elsa und Lohengrin heiraten und Lohengrin verlangt von Elsa das berühmte Versprechen „Nie darfst du mich befragen“. Ortrud, die Frau von Telramund, gelingt es aber, Zweifel in Elsa zu sähen. Und es kommt wie es kommen muss: Elsa fragt voller Angst Lohengrin nach Rang und Namen und er gibt vor dem König sein Geheimnis preis. Danach muss er wieder entschwinden, aber sagt, dass Gottfried der Schwan sei, der ihn gezogen hat und in einem Jahr wieder auftaucht.

Geschichten, Legenden und Mythen über Menschen, die sich (eine Zeitlang) in Tiere verwandeln gibt es in jeder Kultur. In Japan gibt es die Geschichte über einen Kranich, der sich in eine Frau verwandelt und die Geschichte mit Leda und dem Schwan (Zeus) ist sicher bekannt. Kerkhof verquickt in seiner Inszenierung durch Zitate, die auf der Bühne eingeblendet werden, den „Lohengrin“ Mythos mit dem Märchen von „Brüderchen und Schwesterchen“. Im letzteren verwandelt sich der Bruder in ein Reh.

Lohengrin (Daniel Behle) ist ziemlich ratlos, im Hintergrund Elsa (Christina Nilsson). Foto: © Thomas Jauk, Stage Picture
Lohengrin (Daniel Behle) ist ziemlich ratlos, im Hintergrund Elsa (Christina Nilsson). Foto: © Thomas Jauk, Stage Picture

Die große Schwester wird hier zum Mutterersatz und der Bruder zum Kind. Der Sehnsuchtstraum von Elsa nach ihrem Bruder manifestiert sich in der Gestalt von Lohengrin, hier als erwachsener Mann. Ortrud ist das schlechte Gewissen von Elsa, das sie vor dieser verbotenen Liaison warnt. Bevor es aber ernst wird, also die Hochzeitsnacht naht, stellt Elsa Lohengrin die verbotene Frage: Wer bist du wirklich. Lohengrin muss Farbe bekennen und verschwinden. Aus dem Traumbild Lohengrin kann wieder die reale Person Gottfried werden.

Andererseits präsentiert Wagner auch zwei Frauen in seiner Oper, die eine starke Rolle spielen, denn beide wollen an die Macht. So wie Elsa sich nicht zu Seite schieben lassen will, kämpft Ortrud um ihre Position. Dabei tritt sie ihren Mann Friedrich von Telramund durchaus mal in den Hintern, wenn er zu sehr zögert. Interessanterweise sind die Männerrollen in Kerkhofs Inszenierung durchaus nicht die starken Streiter, wie sie zu sein scheinen. Der König Heinrich ist im Streitfall wenig entscheidungsfreudig und lässt lieber ein Gottesurteil ausfechten, Friedrich von Telramund hat erst große Klappe, versteckt sich aber beim kleinsten Widerstand unter dem Rock seiner Frau und Lohengrin setzt mit einen Forderungen Elsa unter Druck statt ihr beizustehen.

Neben einer inhaltlichen Analyse steht natürlich die Musik im Vordergrund. Wagners Musik zu Lohengrin hat auch nach fast 170 Jahren nichts an seiner Kraft verloren. Das Hochzeitslied aus dem 3. Akt ist so populär geworden, dass es fast den Rest in den Schatten stellt. Doch wer sich darauf einlässt, wird feststellen, wie kraftvoll die Musik ist trotz der 3 ½ Stunden. Das ist auch ein Verdienst der Dortmunder Symphoniker unter der Leitung von Gabriel Feltz.

Sehr schön war die Idee, den Chor im Zuschauerraum zu verteilen. Es machte den Eindruck, dass alle Anwesenden ein Teil der Inszenierung wurden. Auch die zusätzlichen Trompeten erklangen aus dem Saal.

Auf der Bühne (Bühnenbild Dirk Becker) wirkte alles etwas farblos. Die Akteure tragen Kleider, die aus Wagners Zeiten stammen, aber niemand trägt etwas farbiges. Das Zimmer von Elsa sieht ärmlich aus, die Einrichtung kann auch aus dem 19. Jahrhundert stammen. Der Außenbereich wird durch einige Stoppeln kenntlich gemacht.

Neben dem Orchester sind natürlich die Sängerinnen und Sänger das wichtigste Element. Leider hat Kerkhof die Protagonisten sehr statisch arrangiert. Es gab kaum schauspielerische Aktionen, außer vielleicht zwischen Ortud und Elsa, ansonsten hätte man alles auch szenisch aufführen können.

Man merkte sofort, dass Morgan Moody besondere Freude an seiner Rolle als Heerrufer des Königs hatte. Souverän sangen Shavleg Armasi (Heinrich der Vogler) und Joachim Goltz (Friedrich von Telramund) ihren Part. Daniel Behle, erschien nicht als glänzender Ritter wie erwähnt, seine Stimme war an diesem Abend aber über jeden Zweifel erhaben.

Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn die Oper „Elsa und Ortrud“ geheißen hätte, denn Christina Nilsson (Elsa) und Stéphanie Müther (Ortrud) gaben den beiden starken Frauen ein ebenso starkes gesangliches Profil.

Ein Abend, der wegen der gewagten Inszenierung sicher nicht jedem gefiel, aber durch Musik und Stimmen zu einem gelungenen Abend beitrug.

Weitere Infos unter www.theaterdo.de

Dramatische Oper um Rache, Macht und Liebe

Die „Chinawochen“ im Opernhaus Dortmund gehen weiter. Nach der Operette „Im Lande des Lächelns“ hatte am Samstag, den 09.02.2019 die dramatisch-lyrische Oper „Turandot“ von Giacomo Puccini (1858 – 1924) unter der Regie von Tomo Sugao seine umjubelte Premiere.Das Libretto der letzten und unvollendeten Oper von Puccini stammte von Giuseppe Adami und Renato Simoni. Musikalisch sensibel begleitet wurde die Aufführung von der Dortmunder Philharmoniker unter der engagierten Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz.

Der Opernchor Theater Dortmund unter der Leitung von Fabio Mancini sowie die Statisterie und Kinderstatisterie Theater Dortmund sorgten für eine berührende und atmosphärische starke „Volks-Begleitung“.

Dem chinesischen Hintergrund der Oper wurde mit einem relativ statischen Bühnenbild mit rot-schwarzer intensiver Farbe an den Wänden und der Decke oder dreigeteilten Kammern mit chinesischen Lampen Rechnung getragen. Für spezielle Effekte und Auftritte ließ sich hinten eine Luke öffnen. Die Kostüme waren fantasievoll und passend für eine Fabel kontrastreich ausgestattet. Glanzvoll bei den Herrschaften am Kaiserpalast und ärmlich für das Volk. Eine besondere Bedeutung bei der Inszenierung zur Unterstreichung der verschiedenen Gemütszustände hatte die Beleuchtung. Ein großes Kompliment an Ralph Jürgens, der für das Licht verantwortlich war.

Die Geschichte der von Rachegelüsten zerfressenen und in sich zurückgezogenen Prinzessin Turandot und deren Öffnung für die Liebe am Ende, eindrucksvoll gespielt und gesungen von Stéphanie Müther, wird kontrastiert durch den starken Charakter der Sklavin Liù . Durch ihre wahrhaftige Liebe für den Werber um Turandot, den tatarischen Prinz Calef, ist sie diejenige, die eigentlich die Veränderung bei der chinesischen Prinzessin bewirkt und ihren „Drachenpanzer“ langsam durchdringt. Mit spielerischer Leidenschaft und Stimmgewalt begeisterten Sae-Kyung Rim (Liù) und Andrea Shin als Calaf in diesen Rollen das Publikum. Überzeugen konnte auch die hier gut bekannte Karl-Heinz Lehner als Timur (entthronter König der Tataren) und Kammersänger Hannes Brock als Altoum (Kaiser von China). Das auf Machterhalt und Rache ausgerichtete autoritäre System wird in seiner Brutalität dargestellt. Die Männer kommen in der Oper eher schlecht weg. Der Prinz Calaf ist kein Held , der nur um seine Liebe kämpft, sondern zuerst jemand, der sich etwas beweisen muss. Er will vor allem Kaiser und als Herrscher von China Macht und ein Reich zurück gewinnen. Dazu opfert er auch seine eigentliche Liebe zu Liù.

Im kalten blauen Mondlicht fühlt sich Turandot (rechts) am wohlsten. Sie zörgert nicht einmal, Liù (links) und Timur (unten) zu foltern, um an den Namen ihres Herausforderers zu kommen. (Foto: © Theater Dortmund)
Im kalten blauen Mondlicht fühlt sich Turandot (rechts) am wohlsten. Sie zörgert nicht einmal, Liù (links) und Timur (unten) zu foltern, um an den Namen ihres Herausforderers zu kommen. (Foto: © Theater Dortmund)

Die Männer, in der Geschichte wirken bis auf Calaf, eher hilflos und auf den Erhalt des Systems gerichtet. Calaf ist dagegen gerissen, und schlägt die Prinzessin am Ende mit ihren eigenen Waffen, indem er ihr selbst ein Rätsel stellt.

Eine besondere Rolle als zynische Komiker spielen die aus der Commedia dell‘ Arte entnommenen Figuren dreier Minister Ping (Morgan Moody), Pong (Sunnyboy Dladla) und Peng (Fritz Steinbrecher). Die drei füllten diese Aufgabe mit viel Sinn für Humor und Stimme gut aus. Sie wollen eigentlich kein Blutvergießen und wünschen sich die „alten Zeiten“ zurück. Sie sind aber ein Teil des Systems und denken nur an ihr Vergnügen. Hier kommen Komik, Groteske und Grausamkeit zusammen.

Beeindruckend inszeniert Regisseur Sugao das Volk. Wie eine geifernde Zombiehorde weidet sie sich am Tod des persischen Prinzen zu beginn und freut sich schon auf das nächste Opfer. Doch das Volk ist eine beeinflussbare Masse, die mal „köpft ihn“ruft, dann wieder Mitleid für einen an den Rätseln der Prinzessin gescheiterten „schönen Prinzen“ hat.

Die Beeinflussung der Menschen durch die sozialen Medien ist heute ungleich größer und unberechenbarer. Das konnte Puccini sich damals natürlich in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen. Die Härte und Extreme und Mechanismen an „Turandot“ sind uns leider auch heute immer noch zu vertraut.

Musikalisch bietet die Oper eine Vielfalt unterschiedlichen Stilen. Melodien aus der aus einer chinesischen Spieldose und dem Buch „Chinese Music“ (Shangai, 1884), emotionale italienische Arien wie die die berührende „Nessun dorma“, oder etwa von Richard Strauss, Claude Debussy sowie Igor Strawinsky musikalisch beeinflusste Passagen. Außerdem setzte Puccini ein nur aus fünf Tönen bestehendes exotisch anmutendes System ein.

Eine Inszenierung mit starken Stimmen, Bildern und Gegensatzpaaren.

Informationen zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de