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Haydns Jahreszeiten als Deutschlandpanorama

Lucian Krasznec (Lukas), Morgan Moody (Simon), Anke Briegel (Hanne) (Foto: ©Thomas M. Jauk / Stage Picture)
Lucian Krasznec (Lukas), Morgan Moody (Simon), Anke Briegel (Hanne) (Foto: ©Thomas M. Jauk / Stage Picture)

Operndirektor Jens-Daniel Herzog wagte sich nach der szenischen Aufführung von „Elias“ erneut an ein Oratorium. Herzog verwandelte „Die Jahreszeiten“ von Joseph Haydn aus einer romantischen Landpartie in ein säkularisiertes Deutschlandpanorama. Von der Kapitulation über das Wirtschaftswunder bis zur Demographieproblematik spannte sich der Zeitbogen. Die Solisten gaben ihr Bestes, aber gegen einen wirklich gut aufgelegten Opernchor hatten sie keine Chance. Ein Premierenbericht vom 27. April.

 

Dass ein Oratorium szenisch aufgeführt wird, ist eine ungewöhnliche Sache. Herzog hatte schon de „Elias“ von Mendelssohn-Bartholdy vor zwei Spielzeiten eine Handlung mitgegeben, die sich aber mehr oder weniger streng an der Vorlage orientierte. Bei den „Jahreszeiten“ von Hadyn geht er noch einen Schritt weiter und verwandelt die stark romantisierende Handlung, die das bäuerliche Leben und die Natur preist, in eine Geschichte der Bundesrepublik. Der Frühling ist die Kapitulation und der Neuaufbau mit Währungsreform, der Sommer wird zur Wirtschaftswunderzeit, der Herbst wird kühler, Ausländerfeindlichkeit wird thematisiert und im Winter verwandelt sich Deutschland durch den demographischen Wandel in ein Altenheim. Was Herzog nicht thematisiert: die Geschichte der DDR, die Wiedervereinigung oder die 68er. Aber es gibt halt nur vier (in manchen Gegenden auch fünf) Jahreszeiten.

 

Herzogs szenische Interpretation zeigt viele beeindruckende Bilder Als der Vorhang nach der Ouvertüre aufgeht, steht zunächst Simon (Morgan Moody) mit einer weißen Fahne schwenkend auf der Bühne. Um ihn herum anscheinend Trümmer, die sich im Laufe als Hanne (Anke Briegel) und Lukas (Lucian Krasznec) sowie der Dortmunder Opernchor entpuppen. Ausstaffiert als Trümmerfrauen und heimkehrende Soldaten singt der Chor dann „Komm, holder Lenz“.

Bei einer Zeitreise durch die Geschichte der Bundesrepublik bliebt es nicht aus, dass die Solisten und der Chor in verschiedene Rollen schlüpfen müssen. Die Mitglieder des Chores waren unter anderem Trümmerfrauen, Stahlarbeiter, Frauen mit Kinderwagen in der Babyboomerzeit, (Ausländer-)Jäger und zum Schluss Senioren im Altenheim.

 

Auch Morgan Moody (Simon) schlüpfte in viele Rollen. Er verkörperte bestimmte Politiker wie Adenauer, Erhard, aber auch jemanden wie Franz Schönhuber. Lucian Krasznec (Lukas) stellte einen amerikanischer Offizier, jungen Bauern, Angestellte und zusammen mit Anke Briegel (Hanne) ein Liebespaar dar. Eine Szene mit den beiden war besonders komisch. Zum Duett „Ihr Schönen aus der Stadt“ wollten sie auf einer Parkbank nett beisammen sein. Auf der nahegelegenen Wiese wurde jedoch kräftig gegrillt, was unser Pärchen natürlich sehr störte.

Anke Briegel spielte zuerst eine Trümmerfrau, die sich einen amerikanischen Offizier schnappt, und zuletzt eine Altenpflegerin im Altenheim „Deutschland“.

 

Die drei Solisten zeigten sich gewohnt von ihrer besten Seite. Da fällte es schon schwer, jemanden herauszuheben. Mit seinem ganz speziellen Gespür für Komik sorgte Krasznec vielleicht noch für ein zusätzliches kleines Sahnehäubchen. Ein Oratorium steht und fällt aber mit dem Chor und der war an diesem Abend einfach in einer herausragenden Form. Nicht nur, dass alle Mitglieder gut singen können, nein, sie haben auch noch kleinere schauspielerische Dinge in die Inszenierung gebracht, so dass es sich lohnt, mehrmals hineinzugehen. Ein großes Lob gilt dem Leiter des Chores Granville Walker.

 

Ich möchte nicht verschweigen, dass eine so radikale und auch säkularisierte Interpretation wie von Jens-Daniel Herzog nicht jedem gefallen hat. Es gab durchaus auch einige Buhrufe, ein Besucher ist lautstark nach dem Frühling gegangen. Die Thematisierung von Frauen, die sich in der Nachkriegszeit den amerikanischen oder englischen Soldaten an den Hals geschmissen haben, um damit ihre Lebensverhältnisse zu verbessern, ist für den einen oder anderen doch harter Tobak, wenn er oder sie ein spätbarockes Stück über die Schönheiten der Landluft erwartet hatte. Sei’s drum. Die Mehrzahl der Besucher spendete Applaus, vor allem musikalisch gab es nichts, aber auch gar nichts auszusetzen. Das ist auch ein Verdienst von Philipp Armbruster und den Dortmunder Philharmonikern.

Der Krieg als großer Entscheider

Pierre (Mark Radjapov) ist angesichts der Toten (Alysson da Rocha Alves) und Verwundeten verzweifelt. (Foto: ©Bettina Stöß / Stage Picture)
Pierre (Mark Radjapov) ist angesichts der Toten (Alysson da Rocha Alves) und Verwundeten verzweifelt. (Foto: ©Bettina Stöß / Stage Picture)

Ist es Zufall, dass die Neuauflage des Balletts „Krieg und Frieden“ von Xin Peng Wang gerade zur 100-jährigen Wiederkehr des Beginns des Ersten Weltkrieges aufgeführt wird? Denn genauso wie in Tolstois Meisterwerk waren die Menschen 1914 zunächst euphorisch, bis sie dann die Schrecken des Krieges am eigenen Leib erfahren mussten. Auch bei den vier Protagonisten Natascha, Lisa, Andreji und Pierre wird der Krieg zum Entscheider über ihr weiteres Schicksal. Ars tremonia war bei der Premiere der Neufassung am 04. April im Opernhaus Dortmund dabei.

 

Mit Monica Fotescu-Uta als Natascha und Mark Radjapov als Andreji waren zwei Akteure dabei, die schon vor sechs Jahren mitgetanzt haben. Damals war das Handlungsballett „Krieg und Frieden“ etwas unerhört Neues auf der Dortmunder Ballettbühne und bedeutete gleichzeitig die Eigenständigkeit des Balletts als eigene Sparte.

 

Das Ballett beginnt mit einem Fest und endet mit einem Totentanz. Auch hier sind Parallelen zu 1914 und 1918 erkennbar. Das „Fin de siècle“ endete in Revolutionen und Chaos. Xin Peng Wang zeigt in seinen Choreografien sehr eindrucksvoll die Schrecken des Krieges und die Verzweiflung der zurückgebliebenen Frauen. Gleich zu Beginn des zweiten Teils tanzen Natascha und Lisa (Jelena-Ana Stupar) ein ergreifendes Duo. Beide Verlassene, dadurch sie sind sich doch sehr ähnlich. Das wird in der Choreographie deutlich. Unterstützt wird das Duo durch die Ergreifende Filmmusik zu „Odna“ (Allein) von Dimitri Schostakowitsch.

 

Drastisch erzählt Xin Peng Wang das Schicksal der Soldaten. Militärischer Zwang, Gewalt und am Ende die Schlacht und der Tod. Pierre (Alysson da Rocha Alves) überlebt zwar, aber mit Schäden an Körper und Seele.

 

Da Rocha Alves tanzt einen Pierre mit all seinen Facetten. Von Hurrapatriotismus bis zum verzweifelten Opfer der Kriegsmaschinerie. Mark Radjapov tanzt den zerrissenen Andreji, der zwischen zwei Frauen steht. Einerseits mit Lisa verheiratet, liebt er eigentlich Natascha. Hier nimmt ihm der Krieg die Entscheidung ab, er fällt.

 

Fotescu-Uta tanzte die erst unbeschwerte Natascha mit kecker Fröhlichkeit, doch wird sie schon bald den Ernst des Lebens kennenlernen. Ergreifend die Abschiedsszene, als sie zusammen mit Lisa (Stupar) Pierre und Andreji in eine ungewissen Zukunft verabschieden müssen.

 

Beim Bühnenbild waren das Auffälligste eine Vielzahl von Haken, an denen Körbe befestigt waren. So entstand ab und zu der Eindruck einer Waschkaue. Sehr effektvoll wurden sie beim erwähnten Duo der beiden Frauen eingesetzt. Zunächst schienen sie wie eine Art von Grenzziehung und Distanz, doch mit der Zeit verschwanden die Körbe und Natascha und Lisa tanzten gemeinsam.

Ein weiteres gelungenes Element bei der Aufführung war das Licht. Als das Corps de Ballett als Soldaten aufmarschiert, scheint es durch die Schattenwirkung, als ob hunderte weitere Menschen mitmarschieren.

 

Die Musik zum Ballett stammt von Dimitri Schostakowitsch. Dabei wurde darauf geachtet, nicht nur die populären Stücke des Komponisten zu nehmen wie beispielsweise die 7. Sinfonie, sondern auch eher unbekannte Werke wie die Filmmusik zu „Odna“. Die Dortmunder Philharmoniker unter Philipp Armbruster zeigten ebenso wie die Tänzer ein souveräne Leistung.

 

„Krieg und Frieden“ ist ein Handlungsballett mit starken Emotionen. Für alle Beteiligten gab es vom Publikum Standing Ovations zum Schluss.

 

Weitere Termine: 13.04.14, 19.04.14, 16.05.14, 28.05.14 und 19.06.14

 

Karten sind noch erhältlich unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27222.

 

Festlich-schwungvolle Operettengala

Die Operette ist tot? Davon konnte am 13. Dezember bei der festlichen Operettengala keine Rede sein oder wie Gastgeber Kammersänger Hannes Brock angesichts des fast ausverkauften Opernhauses zur Begrüßung sagte: „Es sind aber viele zur Trauerfeier gekommen.“ Die Operettengala „Die ganze Welt ist himmelblau“ zeigte, dass die Operette in seinen Facetten sowohl gefühlvoll, temperamentvoll, humorvoll und für die Interpreten äußerst anspruchsvoll ist. Festlich-schwungvolle Operettengala weiterlesen

Beat meets Bratsche

Bei der generalproble im Konzertaus: Beatamines& David Jach mit Dirigent Philipp Armbruster und den Dortmudner Philharmonikern.
Bei der Generalprobe im Konzerthaus: Beatamines& David Jach mit Dirigent Philipp Armbruster und den Dortmunder Philharmonikern.

Einen großartigen Erfolg konnte das 1. Konzert für Junge Leute am 04.11.2013 verbuchen. Die Dortmunder Philharmoniker unter der engagierten Leitung von Philipp Armbruster und Beatamines & David Jach groovten das Konzerthaus mit einer Weltpremieren: Dem Remix von „The Planets“ von Gustav Holst. Wer vorher dachte, Beats und Bratschen vertragen sich nicht, der muss ab Montag umdenken.

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Überlebenskunst unter bedrohlichen Umständen

Müssen ihr "Schtetl" Anatevka letztendlich doch verlassen: Ilse Winkler (Golde), Ks. Hannes Brock (Tevje) (Foto: ©Thomas M. Jauk / Stage Picture)
Müssen ihr „Schtetl“ Anatevka letztendlich doch verlassen: Ilse Winkler (Golde), Ks. Hannes Brock (Tevje)
(Foto: ©Thomas M. Jauk / Stage Picture)

Mit der Premiere von „Anatevka (Fiddler on the Roof)“ am Samstag, den 19. Oktober brachte das Dortmunder Opernhaus eines der erfolgreichsten und meist gezeigten Musicals auf die Bühne. Grundlage für das Buch von Jerry Brock und das Musical sind die Geschichten von Scholem Alejchem.  Überlebenskunst unter bedrohlichen Umständen weiterlesen