Ars tremonia

Quartett – Verführung und Erniedrigung

Man kann dem Dortmunder Opernhaus nur dazu gratulieren, den Mut aufzubringen, „Quartett“ von Luca Francesconi aufzuführen. Kein leichter Stoff, den Ingo Kerkhof da inszeniert. Kein Mozart, kein Verdi, keine Koloraturarien, eine sperrige Musik und eine sperrige Handlung. Denn das Stück des italienischen Komponisten Francesconi basiert auf Heiner Müllers „Quartett“. Müller wiederum bezieht sich auf „Gefährliche Liebschaften“ von Laclos. Das Stück selbst ist in englischer Sprache. Alles klar? Dann hinein ins Vergnügen. Ein Premierenbericht vom 18.04.2019

Heiner Müller hat in seinem „Quartett“ die Figuren von „Gefährliche Liebschaften“ stark reduziert. Bei ihm ist es ein Duell zwischen Marquise Merteuil (Allison Cook) und ihren ehemaligen Geliebten Vicomte Valmont (Christian Bowers). Beide sind sich überdrüssig und versuchen mit Spielen und Verbalerotik noch den letzten Kick im Leben hervor zu zaubern. Dabei tauschen sie mitunter die Rollen, Valmont schlüpft in die Rolle der tugendhaften Madame de Tourvel, die er zu verführen gedenkt und Merteuil spielt Valmont. So schlüpfen die Täter in die Rolle des Opfers. Am Ende vergiftet Merteuil ihren Geliebten Valmont, bevor sie letztendlich auch ein Glas des vergifteten Weins trinkt.

Ein Rollenspiel gehört auch zu den Lustbarleiten zwischen Marquise Merteuil (Allison Cook) und  Vicomte Valmont (Christian Bowers). Zu sehen ist noch Gianna Pellarin als Merteuils Zofe. Foto:  ©Thomas Jauk, Stage Picture
Ein Rollenspiel gehört auch zu den Lustbarleiten zwischen Marquise Merteuil (Allison Cook) und Vicomte Valmont (Christian Bowers). Zu sehen ist noch Gianna Pellarin als Merteuils Zofe. Foto: ©Thomas Jauk, Stage

In der Musik von Francesconi merkt der Besucher sofort, dass er Schüler von Stockhausen war. Doch in „Quartett“ geht der Komponist noch einen Schritt weiter und arbeitet mit Raumklängen. So waren Lautsprecher an den Wänden im Zuschauerraum montiert, die einen dreidimensionalen Klangeffekt hervorbrachten. Zudem kamen neben einem Kammerorchester ein sogenanntes Fernorchester zum Einsatz, dessen Klänge per Einspielung zu hören waren. So musste der Dirigent, Philipp Armbruster, sehr genau darauf achten, an welcher Stelle er war und wann das Kammerorchester wieder einsetzte.

Die Partitur erforderte viel von Cook und Bowers. Cook hatte bereits die Uraufführung von „Quartett“ gesungen und sang die kühle und berechnende Marquise in einer beeindruckenden Weise. Ebenfalls viel Applaus bekam Bowers. Das völlig verdient, denn er hatte den schwierigeren Part. Beim Rollentausch musste er Falsett singen, schließlich spielte er ja Madame de Tourvel.

Die Bühne von Anne Neuser war schlicht, aber zweckmäßig: Auf der linken Seite stand ein kleines Sofa, auf dem die beiden Figuren ihre Spielchen durchführten und auf der anderen Seite befand sich eine Trauerweide, die eine Art Garten symbolisierte.

Die Oper ist sehr vielschichtig, denn der Stoff von Heiner Müller bietet immense Möglichkeiten der Interpretation. Es geht um Macht und Beherrschung. Wer ist Täter, wer ist Opfer? Die Musik ist zugegebenermaßen nicht leicht zugänglich. Wer sich aber auf das „Quartett“ einlässt, bekommt ein spannendes Werk mit erstklassigen Musikern und Sängern geboten.

Mehr Informationen gibt es unter www.theaterdo.de.