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Eine Frage der Gerechtigkeit – besser ist besser – oder nicht?

Wie bemisst man die Leistung einer Schauspieler*in oder einer Performer*in? Wer mehr Applaus bekommt, bekommt auch mehr Geld? Wäre das gerecht oder öffnet diese Methode nicht noch mehr Missbrauch. Die Theatergruppe „i can be your translator“ fragt in ihrem neuen Stück „besser ist besser“ nach der Gerechtigkeit von Bezahlung. Die Dortmunder Premiere fand am 06. November 2021 im Theater im Depot statt.

Das Besondere an der Theatergruppe „i can be your translator“ ist, dass drei ihrer Mitglieder „challenged people“ sind, wie es mein Kollege Gerd Wüsthoff in der Vorbesprechung nannte und was ich gerne übernehmen will. Denn es geht darum, wie werde ich bewertet, wenn ich bestimmte Aufgaben meistere. Dafür hat sich die Gruppe eine Art Wettkampf ausgedacht. Die Bühne ist grandios gestaltet. Es gibt im hinteren Bereich einen Boxring und passend dazu tragen alle sieben Spieler*innen eine schwarze Boxhose. Dazu hängen oben große Porträts von ihnen als Gelduhr. Das Motto ist klar: Im Topf sind mehrere tausend Euro Abendgage. Es soll nach erbrachter Leistung bewertet werden und das Publikum entscheidet. Das entscheidende Kriterium ist die Lautstärke des Applauses.

Das Ensemble von " i can be your translator" bei den Proben zum Stück.(Foto:© Louisa-Marie Nübel)
Das Ensemble von “ i can be your translator“ bei den Proben zum Stück.(Foto:© Louisa-Marie Nübel)

Neben einer Aufwärmrunde führte der Moderator die Teilnehmer*innen durch zwei Hauptrunden und einer Finalrunde. Dabei wurden Dinge veranstaltet wie Tanzen, Emotionen zeigen (vor Publikum weinen) oder mit einer lachenden Maske am Bühnenrand stehen. Nach jeder Hauptrunde wurde die Lautstärke des Publikumsapplauses für jeden Teilnehmer in Geld umgerechnet.

Was kam heraus? Die drei „challanged“ Mitglieder wurden mit deutlich mehr Geld bedacht und landeten auf den ersten drei Plätzen. Ist das gerecht den anderen vier gegenüber? Gab es einen Mitleidbonus?

Mitnichten, denn ich bin davon überzeugt, dass die Umrechnungen Fake waren und es eigentlich um etwas anderes ging. Denn zum Schluss sagte Linda Fisahn, eine der Spieler*innen, im Nebensatz: „Wenigstens kann ich das Geld behalten, in der Behindertenwerkstatt würden sie mir das wegnehmen“. Wussten Sie, dass der Stundenlohn in einer Behindertenwerkstatt bei 1,35 € liegt („Stern“ vom 23.04.2021)? Das wären 200 € im Monat bei einer Vollzeitstelle. Ist das gerecht?

Daher macht das Stück bei all seiner Komik, die es in sich trägt, auch sehr nachdenklich. Lis Marie Diehl, Linda Fisahn, Christian Fleck, Julia Hülsken, Lina Jung, Christoph Rodatz, Christian Schöttelndreier und Laurens Wältken zeigen wie ungerecht es bei der Bezahlung zugehen kann.

„Wie war ich?“

Über die Gerechtigkeit der Entlohnung

Premiere am 23. Oktober 2021 um 20:00 Uhr im Ringlokschuppen in Mülheim

Im Rahmen des Festivals „szene machen“ hatte ich die Gelegenheit, mir die Proben zu „Wie war ich?“ der Gruppe „I can be your translator“ in Depot in der Immermannstraße anzuschauen. Dabei handelt es sich bei dem Titel um einen Arbeitstitel, denn die Probenschau stellte nur zwei der drei Aufzüge oder besser Aufgaben vor.

Drei der Schauspieler sind Challenged People, dieser englische Begriff gefällt mir weit besser als der deutsche: „Behinderte“. Nicht der Mensch ist behindert, sondern unterliegt besonderen Herausforderungen, er ist challenged.

Die Akteur*innen von „I can be your translator“ bei den offenen Proben im Depot.
Die Akteur*innen von „I can be your translator“ bei den offenen Proben im Depot.

Bei den beiden ersten Aufzüge/Aufgaben, wenn man sich ganz unvoreingenommen dem Stück hingibt, erkennt man, das ein jeder von uns seinen kleinen oder großen Tick hat … drei der Schauspieler, und ich meine dieses POSITIV!, haben halt mehr Ticks und damit Herausforderungen. Und diese meistern sie im Ensemble.

Die über dem Stück stehende Frage ist die nach Gerechtigkeit generell und einer gerechten Bezahlung im Detail … Eine Frage, die sich nicht erst seit der Corona-Pandemie stellt, denn Klatschen zahlt keine Mieten, oder füllt Kühlschänke, die zuweilen sehr gefräßig sein können u8nd in direkter Korrespondenz mit den Kalorien stehen, den in Schränken lebenden Organismen, stehen, die unsere Kleidung jede Nacht ein wenig enger machen.

Wie also ist am Theater eine Bezahlung und im Besonderen diesem Stück gerecht? Woran misst es sich, die Bezahlung, die Gerechtigkeit? Ist es gerecht den challenged Darstellern mehr Applaus zu geben als den nicht challenged?

Der Zuschauer wird bewusst in ein Dilemma gestoßen. Bei jedem Applaus, der hier direkt angefordert wird, wenn das Ensemble an den Bühnenrand tritt, nicht spontan erfolgen soll oder möchte, stellt man sich als selbstkritischer Mensch die Frage: war das gut? Wer war gut? Mittel? Oder gar schlecht? Und warum?

Denn jeder wird einzeln mit Applaus bewertet …

Eine Spielshow? Nein!

Ein Vorführen? Nein!

Ein Experiment? Ja, eines mit Nebeneffekt: Nachdenklichkeit.

Wenn sie also am 23. Oktober sich Neuem stellen mögen, dann bitte nach Mühlheim in den Ringlokschuppen.

Von und mit:
Lis Marie Diehl, Linda Fisahn, Christian Fleck, Julia Hülsken, Lina Jung, Christoph Rodatz, Christian Schöttelndreier, Laurens Wältken
Licht, Raum, Video: Birk-André Hildebrandt
Produktionsleitung: Maren Becker
Dramaturgie: Philipp Schulte
Kostüm: Julia Strauß

Die Relativität der Zeit

Das Ensemble bei der Probe zu "Einstein". (Foto: © Oskar Neubauer)
Das Ensemble bei der Probe zu „Einstein“. (Foto: © Oskar Neubauer)

In Kooperation mit dem Schauspiel Dortmund hatte das inklusive Künstlerkollektiv I CAN BE Your TRANSLATOR mit der Musiktheaterproduktion „Einstein“ am 02.04.2016 Premiere im Studio des Hauses. Unter der künstlerischen Leitung von Lis Marie Diehl und Christoph Rodaz und der fachkundigen Beratung von Prof. Dr. Metin Tolan setzte sich das Künstlerkollektiv, bestehend aus einer gemischten Gruppe von acht Personen mit dem Thema „Relativität und Zeit“ und den Berührungspunkten für unser persönliches Leben auseinander.

Die Gruppe, je nach Behinderung oder eben nicht Behinderung, bieten ganz individuelle Bezüge auf ihrer Suche nach Berührungspunkten von objektiver und subjektiver Zeit. Das Gefühl von Zeit, Raum , Geschwindigkeit und Kommunikation ist ja nicht bei jedem deckungsgleich.

Zu Beginn der Vorstellung sitzen die acht schwarz gekleideten, mit weißen aufgedruckten Zeichen eine gewisse Zeit im Dunklen vor dem Publikum. Jeder der Beteiligten hat einen Kopfhörer, die an den Seiten auf einer Station befestigt waren. Nebelmaschinen werden eingesetzt, und das Publikum kann die Richtung der Nebelteilchen im Scheinwerferlicht verfolgen.

Das Publikum wird vom Kollektiv in die Suche nach Berührungspunkten von objektiver und subjektiver Zeit sowohl mit visuellen, aber auch mit akustischen und musikalischen Mitteln hineingezogen. Vom Piano bis zur Querflöte wurden die verschiedensten Instrumente eingesetzt. Jeder in der Gruppe wurde mit einbezogen. Hinter einem Tisch wurde ein Mischpult bedient. Auch ein Tonbandgerät mit zwei Spulen, mit einem Text von Einstein wurde effektvoll im wahrsten Sinne des Wortes mit „eingebundenen“. Ebenso eindrucksvoll war das zeitversetzte Sprechen des gleichen Textes von den einzelnen Personen und musikalisch das Zusammenführen von klassischer Musik von J.S. Bach und der minimal music von Philip Glass (Metamorphosis)

Mit Humor und Ironie wurde dargestellt, was wäre, wenn ein Zwilling mit Lichtgeschwindigkeit für nur zwei Wochen in das Weltall fliegen würde, und zwei Wochen später zurückfliegt und seinen Zwilling fünfzig Jahre älter wieder trifft. (Zwillingsparadoxon).

Nein , der Humor kam nicht zu kurz. So wurde zum Beispiel im Dunklen in aller Ausführlichkeit erklärt, wie eine „Sofi-Brille“ (Sonnenfinsternis-Brille) do-it-yourself hergestellt wird.

Nach „Displace Marylin Monroe“ wieder eine gelungene Produktion des Künstlerkollektivs, dass durch das harmonische Zusammenwirken dieser sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten und deren Spielfreude gekennzeichnet ist.

Informationen zu weiteren Vorstellungen unter www.theaterdo.de