Schlagwort-Archive: Wie war ich?

„Wie war ich?“

Über die Gerechtigkeit der Entlohnung

Premiere am 23. Oktober 2021 um 20:00 Uhr im Ringlokschuppen in Mülheim

Im Rahmen des Festivals „szene machen“ hatte ich die Gelegenheit, mir die Proben zu „Wie war ich?“ der Gruppe „I can be your translator“ in Depot in der Immermannstraße anzuschauen. Dabei handelt es sich bei dem Titel um einen Arbeitstitel, denn die Probenschau stellte nur zwei der drei Aufzüge oder besser Aufgaben vor.

Drei der Schauspieler sind Challenged People, dieser englische Begriff gefällt mir weit besser als der deutsche: „Behinderte“. Nicht der Mensch ist behindert, sondern unterliegt besonderen Herausforderungen, er ist challenged.

Die Akteur*innen von „I can be your translator“ bei den offenen Proben im Depot.
Die Akteur*innen von „I can be your translator“ bei den offenen Proben im Depot.

Bei den beiden ersten Aufzüge/Aufgaben, wenn man sich ganz unvoreingenommen dem Stück hingibt, erkennt man, das ein jeder von uns seinen kleinen oder großen Tick hat … drei der Schauspieler, und ich meine dieses POSITIV!, haben halt mehr Ticks und damit Herausforderungen. Und diese meistern sie im Ensemble.

Die über dem Stück stehende Frage ist die nach Gerechtigkeit generell und einer gerechten Bezahlung im Detail … Eine Frage, die sich nicht erst seit der Corona-Pandemie stellt, denn Klatschen zahlt keine Mieten, oder füllt Kühlschänke, die zuweilen sehr gefräßig sein können u8nd in direkter Korrespondenz mit den Kalorien stehen, den in Schränken lebenden Organismen, stehen, die unsere Kleidung jede Nacht ein wenig enger machen.

Wie also ist am Theater eine Bezahlung und im Besonderen diesem Stück gerecht? Woran misst es sich, die Bezahlung, die Gerechtigkeit? Ist es gerecht den challenged Darstellern mehr Applaus zu geben als den nicht challenged?

Der Zuschauer wird bewusst in ein Dilemma gestoßen. Bei jedem Applaus, der hier direkt angefordert wird, wenn das Ensemble an den Bühnenrand tritt, nicht spontan erfolgen soll oder möchte, stellt man sich als selbstkritischer Mensch die Frage: war das gut? Wer war gut? Mittel? Oder gar schlecht? Und warum?

Denn jeder wird einzeln mit Applaus bewertet …

Eine Spielshow? Nein!

Ein Vorführen? Nein!

Ein Experiment? Ja, eines mit Nebeneffekt: Nachdenklichkeit.

Wenn sie also am 23. Oktober sich Neuem stellen mögen, dann bitte nach Mühlheim in den Ringlokschuppen.

Von und mit:
Lis Marie Diehl, Linda Fisahn, Christian Fleck, Julia Hülsken, Lina Jung, Christoph Rodatz, Christian Schöttelndreier, Laurens Wältken
Licht, Raum, Video: Birk-André Hildebrandt
Produktionsleitung: Maren Becker
Dramaturgie: Philipp Schulte
Kostüm: Julia Strauß