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Klangvokal 2019 – Gefühlvolle Bizet-Oper mit starken Stimmen

Mit der konzertanten Oper „Die Perlenfischer“ (Les pêcheurs de perles) von Georges Bizet (1838 – 1875) am 31.05.2019 im Rahmen des Klangvokal Festivals in Dortmund, kamen die Liebhaber der dramatischen und gefühlvollen Oper des 19. Jahrhunderts auf ihre Kosten.

Es war die erste Oper (1863, Libretto von Michel Carré und Eugène Cormon) des französischen Komponisten Bizet, der dann ja besonders durch „Carmen“ berühmt wurde.

Im 19. Jahrhundert hatten viele Menschen Fernweh und Sehnsucht auszuwandern. Je exotischer und weiter, umso besser. Da passte es gut, dass Bizet die Handlung seiner Oper nach Ceylon (heute Sri Lanka) verlegte und mit seiner schwelgerischen Musik untermalte. Exotisches Flair und eine dramatische Dreiecksgeschichte zwischen der Tempelpriesterin Leila, dem Führer der Perlentaucher, und dessen alten Freund aus Jugendtagen Nadir. Beide Männer lieben Leila und kennen sie aus vergangenen Tagen, wo sie ihrer Freundschaft willen auf die Erfüllung verzichteten. Das sind die Zutaten für diese Oper.

Das Publikum im Konzerthaus feierte alle Beteiligten der "Perlenfischer". (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Das Publikum im Konzerthaus feierte alle Beteiligten der „Perlenfischer“. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Unter dem Einfluss des Brahmanismus, muss Leila, während die Perlentaucher ihrer gefährlichen Arbeit nachgehen, verschleiert und keusch auf einem Felsen beten, um die Götter zu besänftigen und der Aktion zu einem Erfolg zu verhelfen. Sie erkennt aber ihre alte Liebe Nadir und bricht ihr Gelübde. Das Drama um Liebe, Freundschaft, Eifersucht und verzicht nimmt seinen Lauf.

Auf der vollen Bühne des Dortmunder Konzerthauses wurde die Handlung tatkräftig vom renommierten WDR Funkhausorchester unter der professionellen Leitung des Dirigenten Friedrich Haider sowie dem starken WDR Rundfunkchor unter Erobert Blank präsentiert.

Die russische Sopranistin Ekaterina Bakanova beherrschte als Leila mit ihrer klaren Stimme nicht nur die schwierigen Koloratur-Klippen, sondern brachte deren Verzweiflung, Liebe und Mut dem Publikum sensibel nah.

Als Vertretung für den erkrankten Francesco Demuro beeindruckte der russische Tenor Sergey Romanosky in der Rolle des Nadir das Publikum mit einer Stimme, die gefühlvoll und kraftvoll zugleich war. Er harmonierte mit seinem Gegenspieler Zurga, stark gesungen von dem in Belgrad geborenen Bariton David Bizic. Der erfahrene französische Bassist Luc Bertin-Hugault übernahm den Part des Ältesten Nourabad als Vollstrecker im Hintergrund. Der Chor symbolisierte das „Volk“, das schnell mit seinem Urteil als aufgebrachte Masse zur Stelle war.

Ein wunderbarer Konzertabend mit der betörenden Musik Bizets.

Klangvokal 2019 – Eine Mixtur der Geschlechterrollen

Ein außergewöhnliches Programm bot das Festival „Klangvokal“ mit dem Abend „Gender Stories“. Begleitet von der Lautten Compagney Berlin unter der Leitung von Wolfgang Katschner sangen Vivica Genaux und Lawrence Zazzo am 30. Mai 2019 im Orchesterzentrum Arien und Duette aus Opern des Barock.

Xerxes ist doch ein Mann und seine Ehefrau Amestris klar weiblich. Also müsste die Singstimme von Xerxes Tenor oder Bass sein. Doch im Barock galten die natürlichen Geschlechterrollen nicht. Frauen tauchten auf der Bühne auf, die Männerkleidung trugen und Tenöre und Bässe spielten noch nicht die große Rolle wie in der Romantik. Das Zeitalter des Barocks war natürlich auch die große Zeit der Kastraten. So konnte ein Kastrat eine Frauenrolle singen, während die Sopranistin den Helden sang.

Begleitet von der Lautten Compagney Berlin unter der Leitung von Wolfgang Katschner (rechts) sangen Vivica Genaux und Lawrence Zazzo Arien aus dem Barock, die mit dem Rollenbild der Geschlechter spielten. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Begleitet von der Lautten Compagney Berlin unter der Leitung von Wolfgang Katschner (rechts) sangen Vivica Genaux und Lawrence Zazzo Arien aus dem Barock, die mit dem Rollenbild der Geschlechter spielten. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Mit der Mezzosopranistin Vivica Genaux und dem Countertenor Lawrence Zazzo hatte das Festival zwei exzellente Sänger, die den Besuchern das barocke Spiel der Geschlechter gesanglich nahebrachten. Eine Auswahl aus bekannten und eher unbekannten Komponisten war die ausgezeichnete Wahl für einen fulminanten barocken Abend.

Auffallend war, wie oft der persische Großkönig Siroe Thema von barocken Opern war. Nicht nur Georg Friedrich Händel, sondern auch Johann Adolf Hasse, Baldassare Galuppi, Georg Christoph Wagenseil oder Tommaso Traetta befassten sich musikalisch mit dem Stoff. Daneben waren sehr viele Stücke von Händel zu hören, was den Abend durchaus zu einem Händel-Abend werden ließ. Zwischen den Gesangsstücken gab es auch immer wieder instrumentale Zwischenspiele, die das musikalische Können der Lautten Compagney unterstrich.

Genaux und Zazzo lieferten mit ihren Stimmen einen gelungenen Abend dramatische Arien und Duette wechselten sich mit eher lyrischen Stücke ab. Eine gehörige Portion barocker Stimmung, die vom begeisterten Publikum mit drei Zugaben belohnt wurden.

Klangvokal 2019 – starke Chorstimmen für Orlando di Lassos „Psalmen Davids“

In der Dortmunder Marienkirche stand im Rahmen des Klangvokal Musikfestivals alte Musik aus der Renaissance auf dem Programm. Das Vocalconsort Berlin, einer der besten und mit ihrem breiten Repertoire flexibelsten Kammerchöre Deutschlands, bot mit den „Psalmen Davids“ von Orlando di Lasso (1532-1594) unter der Regie des niederländischen Dirigenten Daniel Reuss eine Kostprobe ihres Könnens. Gerade erst hat der Chor seinen 15. Geburtstag gefeiert.

Protegiert vom kunstsinnigen und religiösen Herzog von Bayern in München, Albrecht V., hatte

Orlando die Lasso günstige Bedingungen für seine Musik. Über 2.000 Vokalwerke für weltliche und geistliche Anlässe sind Zeugnis für sein umfangreiches Schaffen. Die „Bußpsalmen“ (Psalmi Davidis Pœnitentialis) haben vor allem einen besonderen Platz bei gläubigen Menschen in der Fastenzeit und Karwoche. Es geht um Schuld, Buße und Hoffnung auf Vergebung (Erlösung) durch ein höheres Wesen.

Das Vocalconsort Berlin präsentierten die Bußpsalmen von Orlando di Lasso in der Marienkirche. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Das Vocalconsort Berlin präsentierten die Bußpsalmen von Orlando di Lasso in der Marienkirche. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Das Vocalconsort (8 Männer und 5 Frauen) sang in unterschiedlicher Konstellation (10 bis 13 Personen) aus den „Psalmen Davids“ vier Motetten: Den erste Bußpsalm „Psalmus Primus Poenitentialis“ (Psalm 6) – „Ach Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn“, der zweite Bußpsalm „(Psalm 32) bringt „Die Freude der Buße“ zum Ausdruck. Der dritte Bußpsalm (Psalm 38) beginnt mit den Worten des 1. Bußpsalms und hat das in der Luther-Bibel umschriebene Thema „In schwerer Heimsuchung“. Der siebte Bußpsalm (Psalm 142/143) fleht um Erhörung und Gnade.

Am Schluss folgte der von di Lasso zur Ausschöpfung des kompletten Kreises der acht Modi angeschlossene Lobgesang in Form der Motette „Laudate Dominum“.

Der raffinierte Kammerchor überzeugte nicht nur mit ihren klaren Stimmen, sondern mit auch mit einer perfekten Interpretation des Werkes.

In einem wunderbaren Zusammenklang der unterschiedlichsten Stimmlagen (vom hellem Sopran bis zum tiefen Bass) mit „verschobenen Einsätzen“ der Sängerinnen und Sänger, gelang ein homogener Gesamtklang und am Ende wurden die Stimmen perfekt zusammengeführt.

Ein über zwei Stunden gehendes Klangerlebnis mit fast meditativer Sogkraft.

Klangvokal 2019 – Mitreißender Gospel und Soul in der Pauluskirche

Michelle David sagt von sich sie mache „Musik die Nahrung für die Herzen ist und die Seele streichelt“. Die quirlige Sängerin stand gemeinsam mit der Band „The Gospel Sessions“ auf der Bühne in der Pauluskirche. Sie starteten ein eineinhalbstündiges Feuerwerk aus R Rhythmus und Gesang.

Michelle David stammt aus New York, lebt jedoch seit vielen Jahren in den Niederlanden. Schon in ihrer Kindheit und Jugend gehörte Musik zu ihrem alltäglichen Leben. Calypso, Jazz, Rock, R’n’B und Hip Hop und auch Orgelmusik wechselten sich ab. Sie sang im Gospelchor ihrer Gemeinde, seit sie fünf Jahre alt war. Später besuchte sie die New Yorker High School für darstellende Künste, wo sie zur Sängerin und Tänzerin ausgebildet wurde. Bei einem Engagement für ein Musical tourte sie durch Deutschland und lernte die Niederlande kennen und lieben. Dort traf sie 2011 die Gitarristen Onno Smit und Paul Willemsen die jetzt gemeinsam mit dem Schlagzeuger Toon Omen die Gospel Sessions bilden und mit der Sängerin gemeinsam texten und komponieren.

Michelle David brachte die Pauluskirche zum Tanzen. (Foto: © Anja Cord)
Michelle David brachte die Pauluskirche zum Tanzen. (Foto: © Anja Cord)

Sie produzierten zusammen bis jetzt drei Alben, Songs aus dem Dritten „Michelle David & The Gospel Sessions Vol. 3“ stellten die Musiker im Konzert vor.Verstärkt wurde die Gruppe durch die drei Bläser der „The Jakthorns“ mit Saxophon und Trompete die Band.

Die Musik klingt nicht nach dem traditionellen Gospelsound, sondern ist eine Mischung aus Blues, Soul, Funk und Afro-Beat. Sie ist vielfältig, mal mit basslastiger E-Gitarre, dann zart-schmelzend im Gesang oder voller Energie, wenn die Bläser ihren Einsatz haben, teilweise auch sehr melancholisch. Das Album entstand in einer Zeit, als Michelle Davids Mutter starb und auch sonst nicht alles so glatt lief. Die Arbeit an diesem Projekt half ihr die schwierige Zeit zu bewältigen. Trauer, Schmerz, Hoffnung, Heilung und Inspiration klingen in den Songs mit.

Das Publikum in der vollbesetzten Kirche war begeistert, wenn am Anfang auch noch etwas gebremst. Mit aufmunternden Aufforderungen zum Mitklatschen und Mitsingen gleich zu Beginn des Konzertes schaffte Michelle David es schnell die Zurückhaltung zu durchbrechen und das Publikum tanzte zwischen den Kirchenbänken.

Mit den Liedern God, Get on Bord und My Praise gab es eine wunderbare Zugabe und die Band entließ ihr Publikum euphorisiert in den Abend.

Klangvokal 2019 – Jazz vom Feinsten von Indra Rios-Moore

Im Rahmen des Klangvokal Musikfestivals stand am 23.05.2019 im Dortmunder domicil afroamerikanischer Jazz der New Yorker Künstlerin Indra Rios-Moore auf dem Programm.

Mit ihrem Debütalbum „Heartland“ hatte sie mit ihrer warmen voluminösen Stimme schon weit über die grenzen Amerikas Furore gemacht. Ihr neueste Album heißt „Carry my heart“.

Begleitet wird die Künstlerin instrumental auf hohem Niveau von ihrem dänischen Ehemann Benjamin Traerup am Saxophon, dem Bassisten Thomas Sejthen (Dänemark) und dem norwegischen Schlagzeuger Knut Finsrud.

Die einfühlsame Musik der Kosmopolitin ist zwischen Jazz, Gospel, Folk und Pop angesiedelt. Rios-Moore (und Band) muss man live erleben, um ihre besondere Wirkung und Kraft zu spüren. Sie singt nicht nur mit ihrer starken Stimme, der ganzer Körper „Singt“ praktisch mit und dient als Ausdrucksverstärker.

Indra Rios-Moore und ihre Mitmusiker Benjamin Traerup (Saxophon),  Bassist Thomas Sejthen  und Schlagzeuger Knut Finsrud. (Foto: © Anja Cord)
Indra Rios-Moore und ihre Mitmusiker Benjamin Traerup (Saxophon), Bassist Thomas Sejthen und Schlagzeuger Knut Finsrud. (Foto: © Anja Cord)

Neben eigenen Kompositionen interpretiert sie hauptsächlich Songs von bekannten Künstlern, die auch schon ihre Mutter mochte, auf eine ganz individuelle eindrucksvolle Weise.

Das Programm bot dem Publikum unter anderem Interpretationen von „Damage Done“ (Neil Young), „Money“ (Pink Floyd), „Heroes“ (David Bowie) oder das auf Spanisch gesungene mexikanische Liebeslied „Bésame Mucho“. Mit viel Sensibilität und Wärme dargeboten, aber nicht sentimental.

Nach der Pause durfte auch der Jazz-Klassiker „Summertime“ in einer wunderschönen Version nicht fehlen.

Auf eine eigen sanfte Art ist ihre Musik aber auch ein Statement gegen die aktuelle Politik der US-Regierung unter Donald Trump, bei der die Macht des Geldes der Entmenschlichung Tür und Tore öffnet. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie und Frauenfeindlichkeit und bekommen immer mehr Raum in der politischen und sozialen Realität ihres amerikanischen Heimatlandes.(Leider nicht nur dort).

Auf eine persönliche sanften Art möchte die Künstlerin mit ihren „sanften musikalischen Mitteln“ Mut machen, der Kaltblütigkeit und dem Klima der Furcht durch Liebe und Empathie Widerstand zu leisten.

Das Publikum wurde in ihren Bann gezogen und als Zugabe mit einer berührenden Version von „What a wonderful World“ (Louis Armstrong) entlassen.

Klangvokal 2019 – Wenn Musik verbindet

Das Musikfestival Klangvokal war schon immer ein Mittler zwischen verschiedenen Musikkulturen. Bereits 2015 baute Klangvokal „Brücken“ zwischen den Kontinenten oder war wie 2016 „grenzenlos“. Da passte es natürlich, dass die Organisatoren Jordi Savall für ein Konzert einladen konnten, der mit einem Programm „Hommage an Syrien“ am 19. Mai 2019 im Konzerthaus das gebeutelte Land als Inspirationsquelle für die Musik aus dem Orient. Ein besonderes Erlebnis für die Besucher.

Das Thema Okzident und Orient ist für den spanischen Musikwissenschaftler und Gambisten Jordi Savall nicht neu. Bereits 2006 erschien eine CD mit dem Titel „Orient – Occident“, 2013 brachte er „Orient – Occident II“ heraus. Seine aktuelle Tournee heißt „Hommage an Syrien“. Hierbei spielen in seinem gegründeten Ensemble Hespèrion XXI und dem interkulturellen Ensemble Orpheus XXI musikalische Freunde Musik aus dem jüdischen, muslimischen und christlichen Mittelmeerraum. Mit dabei sind Musiker, die vor dem Krieg in Syrien fliehen mussten.

Neben virtuosen Instrumentalisten hatte Jordi Savall auch gute Gesangssolisten mit nach Dortmund gebracht. Im Vordergrund: Rebal Alkhodari (links) und Waed Bouhassoun. (Foto: © Anja Cord)
Neben virtuosen Instrumentalisten hatte Jordi Savall auch gute Gesangssolisten mit nach Dortmund gebracht. Im Vordergrund: Rebal Alkhodari (links) und Waed Bouhassoun. (Foto: © Anja Cord)

Doch die Musik, die im Konzerthaus erklang, war keinesfalls traurig oder deprimierend. Im Gegenteil: Savall hatte einige Tänze aus der Türkei, Syrien oder Afghanistan im Programm. Fröhliche Lieder wie „Lamuny“, die zum Tanzen animierten und von den Musikerinnen und Musikern erfrischend interpretiert wurden, gab es genügend. Auch melancholische Stücke wie „Ce brun – Hal asmar“, gesungen von der eindrucksvollen Waed Bouhassoun, waren im Programm.

Überhaupt war das Konzert ein Genuss für Freunde der orientalischen Musik. Neben der Oud, waren noch Instrumente wie Duduk, Ney (beides Flötenarten), Sarod und Robab (zwei Saiteninstrumente) zu hören. Natürlich gehörten auch exotische Percussioninstrumente zum Ensemble.

Das musikalische Zentrum des Konzertes war Syrien. Traditionelle Lieder und Tänze aus Damaskus oder Aleppo wurden kombiniert mit Stücken aus Kurdistan, der Türkei oder Nordafrika. Daneben führte uns Savall nach Afghanistan und sogar nach Indien, als der Raga „Muddhu gare yashoda“ erklang. Einen kleinen Ausflug gab es nach Paris. Das Stück „Le Quarte Estampie Royal“ aus dem 13. Jahrhundert zeigte, dass die musikalische Verwandtschaft zwischen dem Osten und dem Westen zu der Zeit noch sehr eng war. Lieder aus dem Kulturkreis der sephardischen Juden rundete das Konzert ab.

Die Spielfreude der über 20 Musikerinnen und Musiker sprang auf das Publikum über. Hier zeigte es sich deutlich, dass die Musik ein verbindendes Element ist, das imstande ist, Brücken zwischen Kulturen zu bauen und ein „Wir“-Gefühl zu stärken. Daher sind solche Konzerte ungemein wichtig.

Klangvokal 2019 – mitreißende Weltmusik aus Kamerun

Sanft und locker beginnen die vier Musiker das Konzert und ziehen mit dem ersten Song die Zuschauer im domicil in ihren Bann. Blick Bassy nimmt mit einer beeindruckend rauchigen Stimme, die bis ins Falsett aufsteigen kann die Zuhörer mit in seine westafrikanische Welt. Begleitet durch Posaune, Trompete, Keyboard und Cello breitet sich eine Mischung aus Melancholie und Freude aus.

Blick Bassy präsentiert im domicil im Rahmen des Musikfestivals Klangvokal sein neues Programm „1958“, die CD dazu ist im März erschienen. Der politisch engagierte Musiker beschäftigt sich in seinen Songs mit der Geschichte Kameruns. Es ist eine Hommage an den Widerstandskämpfer Ruben Um Nyobé, der im September 1958 im Kampf um die Freiheit getötet wurde. Bassy ist der festen Überzeugung, dass sich Kamerun nur weiterentwickeln kann, wenn es seine Wurzeln wieder entdeckt. Für ihn ist die Zeit vor der Kolonialisierung durch Deutsche, Briten und Franzosen genauso wichtig, wie der Befreiungskampf für die Unabhängigkeit Kameruns. Die Texte sind fast ausschließlich in seiner Muttersprache Bassa geschrieben. Er möchte die Sprache so vor dem Aussterben bewahren. In Kamerun gibt es über 270 einzelne Sprachen, die Amtssprachen sind jedoch Französisch und Englisch.

Blick Bassy in der Mitte mit seinen Mitmusikern. (Foto: © Anja Cord)
Blick Bassy in der Mitte mit seinen Mitmusikern. (Foto: © Anja Cord)

Die Musik ist im Gegensatz zu den Inhalten sanft, melancholisch, manchmal kontemplativ, dann wieder mitreißend rhythmisch. Statt auf dem Banjo spielt Bassy in diesem Programm E-Gitarre. Er nennt seinen Stil Afroblues oder Global Blues, eine Mischung aus Latin, Jazz, traditionellen afrikanischen Sounds und souliger Musik. Sie erinnert an die Cajunmusik aus New Orleans, mit Frasierungen, Bläsersätzen und Melodien die zum Tanzen animieren, kraftvoll, irgendwie geerdet.

Mit dem Song Sango Ngando reißt die Band das Publikum von den Stühlen, die Musiker tanzen klatschend und singend über die Bühne und begeistern den fast ausverkauften Saal.

Global Blues aus dem Herzen von Kamerum: Blick Bassy. (Foto: © Anja Cord)
Global Blues aus dem Herzen von Kamerum: Blick Bassy. (Foto: © Anja Cord)

Neben Blick Bassy ist Clément Petit am Cello ein wahrer Künstler. Trommelnd, zupfend und streichend entwickelt er mit seinem Instrument einen rhythmischen Klangteppich für die eingängigen Songs.

Das eineinhalbstündige Programm vergeht wie im Flug, die Konzertbesucher brechen in anhaltenden Applaus aus und werden mit zwei weiteren Liedern als Zugabe belohnt.

Klangvokal 2019 – Mit italienischem Flair ins Festivalvergnügen

Die italienische Operngala war in den vergangenen Jahren der große Abschlusshöhepunkt des Klangvokal-Festivals. Bei gutem Wetter gerne im Westfalenpark an der Seebühne mit Feuerwerk. Im Jahr 2019 startete Klangvokal am 16. Mai im Konzerthaus mit Musik aus italienischen Opern mit der Sopranistin Anna Pirozzi und dem Tenor Teodor Ilincai.

Der überwiegende Teil der Arien und Duette stammen aus den Opern des Verismo. Der Verismo war eine populäre Operngattung zwischen 1890 und 1920 in Italien. Nicht mehr um Götter, Kaiser oder andere hohe Personen sollte sich die Oper drehen, sondern um „gewöhnliche Menschen“. In den überwiegend als Einakter konzipierten Stücke passiert gewöhnlich ein Beziehungsdrama, das schreckliche Konsequenzen nach sich zieht. Die Libretti ähneln ein wenig dem Boulevardjournalismus. Das „Wir“ (ganz nach dem Motto des Festivals) und der gesellschaftliche Kontext spielen eine große Rolle.

Doch der Abend begann mit Guiseppe Verdi. Seine Werke prägen die Opernkultur bis heute. Aus seinem umfangreichen Schaffen erklangen Ausschnitte von „Nabucco“, „Macbeth“ und „Simon Boccanegra“, gespielt von der Neuen Philharmonie Westfalen unter der Leitung von Carlo Montanaro. Hier konnte sich Anna Pirozzi als Lady Macbeth bei „Nel dì della vittoria…“ auszeichnen.

Teodor Ilincai und Anna Pirozzi begeisterten mit ihren Stimmen beim ersten Konzert des Klangvokal-Festivals. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Teodor Ilincai und Anna Pirozzi begeisterten mit ihren Stimmen beim ersten Konzert des Klangvokal-Festivals. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Weiter ging es mit Pietro Mascagni. Sein berühmtestes Werk ist „Cavalleria rusticana“, auf Deutsch „Die Bauernehre“. Im Gegensatz zum Schicksal von Königen oder Völkern geht es in Mascagnis Einakter um eine tödlich endende Dreierbeziehung. Neben dem bekannten „Intermezzo“ zeigten Pirozzi und Ilincai im Duett „Ti qui Santuzza“, dass ihre Stimmen gut harmonierten.

Den schwungvollen Anfang nach der Pause machte Giacomo Puccini und „Tosca“, es folgte Amilcare Ponichielli, dessen Oper „La Gioconda“ zwischen Verdi und dem Verismo beheimatet ist. Die Oper „Pagliacci“ von Ruggero Leoncavalli ist in Deutschland vermutlich bekannter unter dem Namen „Der Bajazzo“. Hier erklang die Arie des Tonio „Vesti la giubba“. Den Schlusspunkt setzte Umberto Giordanos Oper „Andrea Chénier“.

So ein Abend steht und fällt mit den Sängerinnen und Sängern. Mit Anna Pirozzi und Teodor Ilincai hatten die Festivalorganisatoren ein gutes Händchen. Oft erklangen nach den Arien „Bravo“-Rufe und den beiden hat es scheinbar auf der Bühne richtig Spaß gemacht, so das der Funke schnell auf das Publikum übersprang. Mit drei Zugaben wurde der Abend abgeschlossen. Ein erfolgreicher Start in die diesjährige Klangvokal-Spielzeit.

Das „WIR!“ im Mittelpunkt von Klangvokal

Auch beim 11. Klangvokal Musikfestival vom 16. Mai bis zum 16. Juni 2019 bieten Festivaldirektor Torsten Mosgraber und sein Team wieder ein ein facettenreiches und vielseitiges Programm mit Musik aus dem Barock und der Renaissance, Oper, Chormusik, Weltmusik, Jazz, Soul und Pop-Klängen an verschieden Orten in Dortmund. So etwa das Konzerthaus, einige Kirchen, das Freizeitzentrum West und am 14.Juni 2019 Händels Heroien im Industriemuseum Zeche Zollern / Maschinenhalle. Wieder ist es gelungen, herausragende Künstlerinnen und Künstler aus dem In – und Ausland für das Festival zu gewinnen.
Mit dem diesjährigem Motto „WIR!“ ist das Musikfestival wieder einmal ganz nah am Puls der Zeit mit ihrem zunehmenden Nationalismus und kurzsichtigem Egoismus. Dem wollen die Organisatoren bewusst ein positives „WIR!“ musikalisch entgegen setzen.

„ Wir wollen zeigen, dass man gemeinsam erfolgreich sein kann, wenn wir aktiv zusammen arbeiten“, so Mosgraber. Das betrifft alle gesellschaftlichen Bereiche und spiegelt sich auch im Veranstaltungsprogramm wieder. Da spielen persönliche Liebeskonflikte zwischen den verschiedenen Paarungen sowie deren Konflikte mit den gesellschaftlichen Vorgaben und Zwängen bei den musikalischen Programmen in unterschiedlicher Weise eine Rolle.

Los geht es am Donnerstag, den 16.05.2019 im Dortmunder Konzerthaus um 20:00 Uhr mit einer „Italienischen Operngala“. Opernstars wie Anna Pirozzi und Teodor Ilincai verkörpern dann große Liebespaare der Operngeschichte mit hohem Konfliktpotential. Gefährdung von Freundschaft und Liebe durch die Gemeinschaft stehen im Mittelpunkt von Georges Bizets Oper „ Les Pècheur de Perles“ (Die Perlenfischer) am 31.05.2019 (Konzerthaus).

Das Festival Klangvokal entführt wieder in die Welt der gesungenen Töne von der Renaissance bis zum Jazz und zur Weltmusik.
Das Festival Klangvokal entführt wieder in die Welt der gesungenen Töne von der Renaissance bis zum Jazz und zur Weltmusik.

Mit gleich drei Aufführungen wird der Kosmopolit Georg Friedrich Händel, der als Deutscher den italienischen Stil nach London brachte, gefeiert.

Mit „Gender Stories“ im Orchesterzentrum NRW, wo Vivica Genaux (Mezzosopran) und Lawrence Zazzo (Countertenor) ihre geschlechtsspezifischen Rollen während dieses Abends Weise musikalisch tauschen werden. Ein sicher spannendes Erlebnis.

Die konzertante Aufführung von Georg Friedrich Händels „Aggripina“ als Premiere im Orchesterzentrum NRW am 08.06.2019 mit Stardirigent Christophe Rousset mit diesem Politthriller um Erotik und macht wird sicherlich auch ein Highlight. Händels „Heroinen“ kann das Publikum dann am 14.Juni im Industriemuseum Zeche Zollern erleben.

Da besonders das Singen im Chor verbindet, sind natürlich auch wieder Chöre aus dem In- und Ausland zu hören. Der Jugendkonzertchor der Chorakademie Dortmund präsentiert beispielsweise geistliche Musik aus verschiedenen Regionen Europas, während der renommierte Dresdner Kammerchor musikalische „Himmelswelten“ erobert. Das Vocalconsort Berlin lockt dagegen mit raffinierter Vokalpolyphonie der Renaissance von Orlando di Lasso.

Zum Finale stehen mit sage und schreibe 160 Chören zum 11. Festival der Chöre am 15.06.2019 sowie dem weltweit gefeierten Chor des Lettischen Rundfunks zum Abschluss des Musikfestivals als zwei Höhepunkte.

Der Spanische Weltbürger Jordi Savall lädt am 19.05.2019 im Konzerthaus zu einem Klangdialog der Kulturen gemeinsam mit Musiker*innen aus Krisengebieten bei seiner „Hommage an Syrien“.

Freunde des Jazz dürfen sich auf Indra Rios-Moore (USA), die des Gospels auf Michelle Davis (USA) in der Pauluskirche freuen.

Raffinierte (politische) Weltmusik bietet Blick Bassy (Kamerun), Nes (Algerien) sowie Munadjat Yuchieva (Usbekistan) . Ein spezielles Highlight ist der Auftritt von der Soulsängerin Kovac (Niederlande). Sie bietet im FZW am 06.06.2019 „coolen Soul“.

Zum ersten mal wird am 8.05.2019 (14.00 bis 19:00 Uhr) am Dortmunder U von 14:00 bis 16:00 Uhr sowie im Orchesterzentrum von 17:30 & 18:00 Uhr einen Workshop, round Table & Konzert

in Kooperatiom mit der TU Dortmund und der Universität Köln.- Das „WIR“ zählt! (Eintritt frei).

Der Vorverkauf für das Musikfestival startet ab bei Dortmund-Tourismus (Kampstr. 80) bei den Ruhr Nachrichten, an allen bekannten VVK-Stellen sowie im Internet unter www.klangvokal.de .

60.000 Folder und 6.000 Programmbücher sind gedruckt und informieren über das ganze Programm und die Ticketpreise.