Schlagwort-Archive: A clockwork orange

Mensch oder Uhrwerk?

Es gehört schon eine gewisse Portion Mut dazu, „A clockwork Orange“ als Jugendstück aufzuführen. Für Rada Radojcic und ihre Kulturbrigade hat es sich aber gelohnt. Die Premiere am 05. November 2016 im Theater im Depot war ein gelungenes Beispiel jugendgerechter Umsetzung eines schwierigen Stoffes.

Die Geschichte in Kürze: Alex und die Mitglieder seiner Bande, die Droogs, terrorisieren des Nachts aufgeputscht durch Drogen ihre Umgebung. Sie verprügeln, stehlen und vergewaltigen. Doch einmal geht Alex zu weit und tötet jemanden. Seine Mitstreiter, unzufrieden mit seinen Führungsmethoden, lassen ihn fallen und die Polizei schnappt ihn. Im Gefängnis bekommt er die Chance an einem Regierungsprogramm teilzunehmen. Er soll Übelkeit bekommen, wenn er Gewalt ausüben will. Dadurch sofort wieder aus dem Gefängnis entlassen, kommt er draußen nicht zurecht, denn er bekommt die Gewalt am eigenen Leib zu spüren. Alex bittet ausgerechnet bei dem Schriftsteller um Hilfe, dessen Frau seien Bande vergewaltigt hat. In Folge dessen hat sie sich umgebracht. Vor dem aufgebrachten Schriftsteller springt Alex aus dem Fenster und kommt ins Krankenhaus, wo seine Konditionierung aufgehört hat zu wirken.

Radojcic und ihre Truppe zeigen diese Gewalt in einer sehr choreographierten Form. Hinzu kommt Musik als unterstützendes Element hinzu. Die Regisseurin setzt mehr auf Mimik und Symbolik als auf die realistische Gewaltdarstellen. Zwar ist das Stück erst ab 12 Jahren, aber Jugendliche (und ihre Eltern) brauchen keine Angst zu haben.

Wer Produktionen von den Kulturbrigaden bereits gesehen hat (beispielsweise Alice oder Carmen) erkennt die typische Handschrift von Radojcic wieder. Sehr ausgefeilte Kostüme sind ihr Markenzeichen. So tragen die Droogs Bomberjacken und DocMartins, die typische Melone und karottenorangene Perücken. Bei ihren Gewaltexzessen setzen sie noch eine Maske auf, wie sie der Killer in „Freitag, der 13“ trägt. Dagegen ist das Bühnenbild spärlich. Vier Klappstühle bilden die Milchbar, in der sich Alex und seine Kumpane treffen.

Gewalt ist männlich, oder nicht? Radojcic bürstet auch hier gegen den Strich, denn Alex ist in ihrer Inszenierung weiblich, wie auch zwei Mitglieder der Droogs. Im Zeitalter von Mobbing und Cybergewalt scheinen die Grenzen zwischen den Geschlechtern zu verschwimmen.

Positiv ist auch, dass die Inszenierung komische Elemente bereit hält. Als Alex aus dem Gefängnis zurück nach Hause kommen möchte, stellt sie fest, dass ihr Zimmer von einer Untermieterin belegt ist. Ihre Mutter vergiesst Krokodilstränen („Es tut mir so leid“), ist aber sichtlich erleichtert, als Alex weg ist.

Eine wichtige Rolle in der Inszenierung ist die Musik. Der Musiker Dixon Ra ist live auf der Bühne und unterstützt mitsaxophon und vor allem Schlagzeug die Emotionen der Beteiligten. Natürlich darf Ludwig van Beethoven und seine Neunte Sinfonie nicht fehlen, die per Einspieler zu hören ist.

Darf man einem Menschen mittels Medikation seine Entscheidungsfähigkeit berauben? Bei Burgess ging es noch um das Thema Gewalt und Jugendkriminalität. Doch die Frage ist und bleibt hochaktuell, beispielsweise bei Sexualstraftätern. Soll man einem Pädophilen seinen Trieb durch Medikamente austreiben? Bleibt derjenige noch ein Mensch oder entwickelt er sich zum reinen Uhrwerk (clockwork)? Andererseits: Was ist, wenn die Treibunterdrückung versagt? Diese ethischen Fragen stehen immer noch zur Diskussion und daher bleibt „A clockwork orange“ immer noch aktuell.

Freiheit zu Entscheiden?

Musiker Dixon Ra und Ronahi Kahraman als "Alex". (Foto: © Kulturbrigaden)
Musiker Dixon Ra und Ronahi Kahraman als „Alex“. (Foto: © Kulturbrigaden)

„A clockwork orange“ als Jugendstück? Wer den Film von 1971 von Stanley Kubrick und seine Kontroverse um Gewaltverherrlichung kennt, wird vielleicht die Stirn runzeln. Doch Rada Radojcic, die künstlerische Leiterin und Regisseurin der Kulturbrigaden, die das Stück auf die Bühne bringen, beruhigt. Es wird nach einer Theaterfassung konzipiert, die für Jugendliche geeignet ist. „Zudem ist der Film sehr kunstvoll gemacht. Ich finde ihn weniger brutal, die Gewalt ist eher choreografisch.“ Das kommende Theaterstück ist ab 12 Jahre. Die Premiere ist am 5. November 2016 um 20 Uhr im Theater im Depot.

Das Erstaunliche ist dabei, dass die Jugendlichen der Kulturbrigaden sich diesen Stoff gewünscht haben. Die Figur des Protagonisten Alex mit seiner Kleidung hat es in die Popkultur geschafft. Die Bekanntheit des Films von Kubrik überstrahlt ein wenig das Buch von Anthony Burgess. In Deutschland ist auch die CD/LP „Ein kleines bisschen Horrorschau“ von den „Toten Hosen“ bekannt, vor allem das Lied „Hier kommt Alex“. Das Stück basiert aber weitgehend auf den Film von Kubrick.

Alex, ein Teenager erzählt seine Geschichte selbst: Aus Spaß an der Gewalt verbringen er und seine drei Freunde ihre Zeit damit, wahllos wehrlose Opfer brutal zusammenzuschlagen, auszurauben und, sofern diese Frauen sind, zu vergewaltigen. Alex‘ Freunde lassen ihn aber nach Unstimmigkeiten im Stich. Alex wird wegen Mordes angeklagt und zu 14 Jahren Haft verurteilt. Dort nimmt er an einem neuartigen Experiment teil, bei dem er so konditioniert wird, dass ihm beim Gedanken an Gewalt sofort übel wird. Dummerweise trifft er auf einige seiner Opfer, die die günstige Gelegenheit ausnutzen wollen.

„Gruppen bilden, Mobbing, andere Leute dissen, damit werden die Jugendlichen konfrontiert“, erklärt Radojcic die Aktualität des Stoffes. Es gehe auch um die Frage, was ist das Reizvolle an einer Gang? Und wie schafft man es, da wieder herauszukommen?

Für die Inszenierung hat sich die Regisseurin etwas besonderes einfallen lassen: Alex ist ein Mädchen, gespielt von Ronahi Kahraman. Wichtig war Radojcic, dass die Gewaltszenen für die Jugendlichen auf der Bühne und auch im Zuschauerraum kompatibel sind. „Wir benutzen stark stilisierte Mittel. Die Aggression wird über die Musik erzeugt. Die Schauspieler müssen Hass, Unzufriedenheit über ihre Mimik zum Ausdruck bringen“, so Radojcic.

Musik spielt natürlich auch eine große Rolle. Neben Livemusik von Dixon Ra (Schlagzeug, Saxophon und Klavier) wird natürlich Musik von Beethovens Neunter eingespielt.

Auf die Kostüme kann man – wie bei allen Produktionen der Kulturbrigaden – sehr gespannt sein. Die Droogs (Die Gang von Alex) beispielsweise werden mit Bomberjacken und DocMartens auftreten.

Bei „A Clockwork Orange“ spielen neun Mitglieder der Kulturbrigaden im Alter von 14 bis 24 Jahren mit. Insgesamt sind bei den Kulturbrigaden rund 30 Kinder und Jugendliche aktiv, die sich in zwei Gruppen aufteilen: bis 14 Jahre und über 14 Jahre. Die nächste Produktion wird etwas märchenhafter: „Die Schneekönigin“ und hat wird am 14. und 15. Januar 2017 im Depot zu sehen sein. Mehr Infos über die Arbeit und Theaterkurse der Kulturbrigaden unter www.kulturbrigaden.com