Eigentlich wäre die Marienkirche in Dortmund der passendere Ort für die Aufführung von Jules Massenets „La vièrge“, denn die Handlung dreht sich um Maria, die Mutter Jesu. Am 24. September wurde das Stück im Rahmen des Festivals Klangvokal in der Reinoldikirche aufgeführt.
Jules Massenets (1842-1912) ist vor allem als Opernkomponist bekannt, „Manon“ ist eines seiner bekanntesten Opern. Doch er schuf auch Oratorien über biblische Figuren wie Maria Magdalena, Eva oder eben Maria.
Wer bei „La vièrge“ eine durchgehende Handlung erwartet, der wurde enttäuscht, denn das Libretto von Charles Grandmougin setzt einzelne Schlaglichter. Die Verkündung, das Festmahl zu Kanaa, Karfreitag und Marias Himmelfahrt sind die vier Themen. Große Soloparts haben außer Maria nur der Erzengel Gabriel, der Rest ist mehr oder weniger Stichwortgeber. Von daher ist es nicht unverständlich, dass das Stück nach seiner Uraufführung 1880 lange nicht Vergessenheit geriet, obwohl das Präludium des vierten Teils („Le dernier sommeil de la vièrge“) heute noch in Konzerten gespielt wird.
Obwohl Massenet ja ein Opernkomponist war, schafft er es in „La vièrge“ bis auf wenige Ausnahmen nicht, einen Spannungsbogen zu erzeugen. Immerhin hat der zweite Teil (Festmahl zu Kanaa) Rhythmik und Dynamik.
Für die Vorlage konnten die Musiker und Sänger nichts, sie machten das beste daraus. Die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Granville Walker, der Philharmonische Chor des Dortmunder Musikvereins und der Opernkinderchor waren ebenso mit Leidenschaft dabei wie die Solokünstler*innen Valentina Stadler, Suzanne Jerosme, Lotte Verstaen, Sungho Kim und Thomas Laske.