Alle Beiträge von Michael Lemken

Experimente mit Zeichen und Buchstaben

Ein Exponat aus der Ausstellung, die momentan in "Kunst im Glas" läuft.
Ein Exponat aus der Ausstellung, die momentan in „Kunst im Glas“ läuft.

Bis zum 24. März zeigt die U2_Kulturelle Bildung des Dortmunder U eine Ausstellung mit Kunstobjekten aus dem Projekt „LOOPING“. An diesem Projekt haben Jugendliche und junge Erwachsene von 13 bis 25 Jahren teilgenommen. Begleitet wurde „LOOPING“ von der Künstlerin Dagmar Lippok und dem Kameramann Björn Leonhardt.

 

Hintergrund des Kunstprojektes war die Ausstellung „Moving types“, in der es um das Thema ging, wie Film und Fernsehen mit Buchstaben umgehen. Mit der Hilfe von Lippok und Leonhardt entstanden großformatige Papiere und Folien, aber auch Filmsequenzen, in denen Sprüche und Buchstaben auf dem Dortmunder Bahnhofsvorplatz in Bewegung gesetzt wurde.

 

Das Projekt war ein offenes Angebot, so haben neben Schülerinnen und Schüler auch FSJler, Sozialarbeiter und Studierende von kreativen Fachrichtungen teilgenommen.

 

„Wir haben uns die Frage gestellt ‚Was kann man mit Worten erreichen“, so Lippok. Dabei wurde beispielsweise auch an die Tradition von Dada gedacht, das vor 100 Jahren entstand. „Sehr viel Spaß hatten die Teilnehmer auch an den Performances“, erklärte die Künstlerin.

 

Die Ergebnisse des Projektes werden in der Reihe „Kunst im Glas“ aus der zweiten Etage gezeigt. Diese Reihe möchte Werken junger, nicht professioneller Kreativer eine Plattform geben.

 

Das nächste Projekt auf der U2 steht schon in den Startlöchern: Urban Movements. Hier geht es um Musik und Mode. Mehr Informationen unter www.aufderuzwei.de

Vom WIR zum ICH

Zum Ende werden die Individuen vernetzt. (Foto: ©Hannah Bünemann)
Zum Ende werden die Individuen vernetzt. (Foto: ©Hannah Bünemann)

In der neuen Produktion der Theaterpartisanen „Radikal wirklich“ zeigen die Jugendlichen welche Schwierigkeiten auf dem Weg zum Erwachsenwerden liegen. Liebe und Leid liegen oft eng beieinander. Ars tremonia war auf der Premiere am 16. März 2014 im Studio des Schauspielhauses.

 

Zunächst ist da das WIR, die Gruppe. Alle verstehen sich, alle sind gut drauf, doch zunächst bricht einer aus der Reihe, dann immer mehr. Jeder betont seine Individualität, plötzlich ist es nicht mehr eine Gruppe, sondern eine Ansammlung von Individualisten. So hat jeder eigene Charakteristika, die auch mal in „Ich bin radikal blond“ kumulieren können.

Die Bühne hat etwas von einem Camp, ein Tarnnetz, eine Fahne der Theaterpartisanen, Gymnastikbälle in verschiedenen Farben und Größen dienen als ultimative Requisite. So können sie beispielsweise auch ein Handy sein. Handys und Facebook sind sowieso stets präsent. Beispielsweise wird direkt gefragt: „Dein Status auf Facebook hat sich geändert“.

 

Im Stück, immer wieder unterbrochen von pantomimischen Darstellungen von alltäglichen Handlungen wie beispielsweise Zähneputzen, stehen Probleme um die (erste) Liebe im Zentrum. Sei es, dass jemand auf seinen Märchenprinzen wartet oder ob jemand Probleme mit Frauen hat. Die Jugendlichen spielen einige Szenen wie das Ende einer Beziehung durch ein missglücktes gemeinsames Essen, das Finden einer neuen Liebe oder der dadurch entstandene Trennungsschmerz.

 

Ein wesentliches Element in „Radikal wirklich“ ist ein etwa 10-minütiger Film, der etwas nach zwei Drittel des Stückes gezeigt wird. Hier wird eine fantasievolle, leicht surrealistische Welt geschaffen, mit einigen Elementen aus Shakespeares „Sommernachtstraum“. So wird ein Trank gebraut, mit ganz merkwürdigen Effekten, so taucht beispielsweise ein Einhorn auf. Das erinnert so ein wenig an die Situation, wenn eine Party plötzlich alkoholbedingt aus dem Ruder läuft. Plötzlich hat sich ein Pärchen im Arm, die nach dem aufwachen nichts mehr davon wissen will. „Da ist nichts passiert. Kann auch gar nicht sein.“

 

Zum Schluss werden alle Beteiligten wieder mittels Klebeband in eine Gruppe vereinigt. Jeder ist zwar ein Individuum, hat sich aber mit den anderen vernetzt. Es ist wie ein Spinnengeflecht.

 

Zu der gelungen Aufführung gehörte eine gute Portion Musik, die auf der akustischen Gitarre dargeboten wurden. Von „Folsom Prison Blues“ von Johnny Cash bis hin zu „Little Talks“ von „Of monsters of men“ reichte die musikalische Bandbreite. Dazu passte auch die „Frusthymne“ Ficken und Bier“, die dem Verlassenen zum Trost gesungen wurde.

 

Ein wunderschöner, fast beschwingter Abend mit tollen Darstellerinnen und Darstellern, die von der Regisseurin und Theaterpädagogin Sarah Jasinszczak hervorragend eingestellt wurden: Mit dabei waren Frauke Becker, Mariana Bittermann, Helena Demantowsky, Jost Grünastel, Lisa Heinrich, Nadine Hövelmann, Maximilian Kurth, Finnja Loddenkemper, Merlin Mölders, Rebekka Pattison, Elena Schembecker und Alina Vogt.

 

Es lohnt sich auf den Fall, den Theaterpartisanen zuzusehen. Weitere Möglichkeiten dazu gibt es am 19. und 30. März, 30. April und 11. Mai 2014.

Karten unter www.theaterdo.de oder 0231 5027222.

Ein Plädoyer für die Liebe

Hochkonzentriert bei der Arbeit. Regisseur Erik Petersen und seine Regieassistentin Susann Kalauka bei der öffentlichen Probe.
Hochkonzentriert bei der Arbeit. Regisseur Erik Petersen und seine Regieassistentin Susann Kalauka bei der öffentlichen Probe.

Ab dem 22. März steht „Aschenputtel“ oder italienisch: „La cenerentola“ von Gioacchino Rossini auf dem Programm der Opernbühne Dortmund. Gleichzeitig ist es das Regiedebut von Erik Petersen, der als Regieassistent in den vergangenen Spielzeiten bei verschiedenen Produktionen dabei war. Die Titelrolle der Aschenputtel spielt und singt Ileana Mateescu.

 

Wer kennt es nicht, das Märchen von Aschenputtel? Es gibt auf der ganzen Welt unzählige Varianten, wovon Aschenbrödel und vor allem Cinderella die bekanntesten sind. In der Oper von Rossini selbst kommen keine Märchenelemente wie Feen oder sprechende Tiere: das Märchen erzählt uns, wie es ist, sich in jemanden zu verlieben.

Die Geschichte wird auch modern erzählt, verspricht uns Erik Petersen. „Wir lassen die Figuren erzählen, wie man sich verlieben kann.“ Dabei ist das Aschenputtel trotz aller Erniedrigungen durch ihre Schwestern durchaus selbstbewusst: „Wer mich als Frau haben will, muss mich respektieren“.

 

Neben Ileana Mateescu als Aschenputtel spielen unter anderem noch John Zuckerman (als Don Ramino, Prinz von Salerno), Gerardo Garciacano als (Dandini, Raminos Kammerdiener), Gastsänger Eugenio Leggiadri-Gallani als Don Magnifico sowie Julia Amos und Inga schäfer als Don Magnificos Töchter Tisbe und Clorinda. Christian Sist spielt den Strippenzieher Alidoro, den Erzieher des Prinzen.

 

Die Bühne wird sich in einen Dorfplatz verwandeln und die Kostüme sehen historisch aus, aber ohne aus einer bestimmten Zeit zu kommen. Daher wurden dafür moderne Stoffe benutzt.

 

Ars tremonia führte ein Interview mit dem Regisseur Erik Petersen.[youtuber youtube=’http://www.youtube.com/watch?v=4x0LiBORq0U‘]

 

Termine: Sa, 22. März 2014 (Premiere), So, 30. März 2014, So, 06. April 2014, Fr, 11. April 2014, Mi, 30. April 2014, Do, 22. Mai 2014, So, 01. Juni 2014, Fr, 06. Juni 2014, So, 15. Juni 2014 und Do, 03. Juli 2014.

 

Karten und Infos unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27222.

Abschied ist ein scharfes Schwert

Das 7. Philharmonische Konzert am Dienstag und Mittwoch im Konzerthaus Dortmund stand unter dem Oberbegriff „Abschiednehmen“. In seiner 7. Sinfonie nahm Anton Bruckner Abschied von Richard Wagner, Sergej Rachmaninow überarbeitete sein erstes Klavierkonzert 1917, als er Russland verließ. Geschrieben hat er es schon einige Jahre vorher als Abschlussprüfung. Pianist Joseph Moog spielte den Solopart.

 

Das Konzert für Klavier und Orchester Nr.1 in fis-Moll ist Rachmaninows Frühwerk. Das hört man. Einerseits ist die russische Musik in fast jeder Note vorhanden, Erinnerungen an Tschaikowsky kommen auf, aber man spürt die Eloquenz, die der damals 17-jährige an den Tag legte. Dazu kam mit Joseph Moog ein Interpret, der seine Virtuosität in jedem Tastenschlag unter Beweis stellte. Sein Klavierspiel passte ideal zu dem spätromantischen Werk, im dem Rachmaninow sich ja nicht nur als Komponist, sondern auch als Pianist verewigte. Das Spiel der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz ergänzte sich vortrefflich mit dem Klavierspiel von Moog. Eine Zugabe gab es natürlich auch: Moog spielte eine der Nocturnes von Chopin.

 

Nach der Pause wurde es monumental. Bruckners 7. Sinfonie in E-Dur stand auf dem Programm. In dieser Sinfonie ist alles enthalten, was man an Bruckner mag oder hasst. Der Reichtum an musikalischen Erfindungen und die thematische Eloquenz auf der einen und der Hang zum Maßlosen, zum blendenden Prunk auf der anderen Seite. „Mit Kleinigkeiten hat sich Bruckner nie abgegeben“, stand in einem Nachruf auf den Komponisten aus der „Arbeiter-Zeitung“. Dem kann man vorbehaltlos zustimmen, wenn man die 7. Sinfonie gehört hat. Und so setzte Gabriel Feltz mit seinen Philharmonikern die Segel und fuhr durch das große, weite Bruckner-Meer.

Das Adagio, der zweite Satz, hatte etwas besonderes zu bieten: Wagner-Tuben. Trotz des Namens sind die „Tuben“ eigentlich Hörner und so klingen sie auch. In diesem Satz verarbeitet Bruckner musikalisch die Nachricht vom Tode Wagners. So besitzt dieses langsame, getragene Stück eine deutliche elegische Form. Doch die Wagner Verehrung Bruckners lässt sich in seiner 7. Sinfonie öfters heraushören. Nur kommen in Wagners Musikdramen noch Gesang und das Geschehen auf der Bühne hinzu. Zudem besitzt Wagner trotz seiner tiefen und ernsten Musik immer noch einen kleinen Funken Humor, den er bei seinen Werken einarbeitet.

Feltz und seine Musiker verrichten Höchstarbeit auf hohem Niveau. Am Ende sind nicht nur die Musiker ermattet, sondern auch das Publikum. Nach der Urfassung der 1. Sinfonie in der vergangenen Spielzeit und die Erfahrung von Dienstag, muss ich sagen: Bruckner und ich werden wohl keine Freunde, dabei ist und bleibt das musikalische Genie des Österreichers unbestritten.

Zähle ICH oder entscheidet das WIR?

Zwischen Gruppe und Individuum. Das neue Stück der Theaterpartisanen. (Foto: © Hannah Bünemann)
Zwischen Gruppe und Individuum. Das neue Stück der Theaterpartisanen. (Foto: © Hannah Bünemann)

Die Theaterpartisanen kommen mit einem neuen Stück auf die Bühne: „Radikal wirklich“. Die Premiere am 15. März um 20 Uhr findet im Studio statt.

Am Anfang ist das WIR. Die zwölf Mitglieder des Jugendclubs am Schauspiel Dortmund kommen zunächst als Gruppe für die Bühne. Viele Gemeinsamkeiten, doch im Laufe der Zeit kommen immer stärker die Eigenheiten, Stärken und Schwächen des Einzelnen zu Tage. Denn jeder hat Ängste und Befindlichkeiten. Einer fürchtet sich vor Spinnen, eine andere hat Angst, den Traumprinzen niemals zu begegnen. Das wird auch in den Kostümen zu sehen sein. Sie sind alle sehr ähnlich, doch individuell.

Die Spieler behalten im Stück ihre eigenen Namen und erzählen eine Geschichte. Doch was ist wirklich, was ist erfunden. Vielleicht erzählen sie auch Geschichten, die jemand anderes erfunden hat. „Es geht auch um Veränderungen von Wirklichkeiten“, so Regisseurin und Theaterpädagogin Sarah Jasinszczak. Es wird im dem Stück auch die Frage gestellt. Wovor schämen wir uns eigentlich. Doch keine Angst, es wird niemand bloßgestellt.

In „radikal wirklich“ wird es Musik, Tanz und Video geben. Das Video spielt eine ganz wichtige Rolle im Stück. Es nimmt die Funktion einer Art von Katharsis wahr. Beispielsweise wenn der Charakter erzählt, dass er Angst vor Frauen habe, wacht er nach dem Film in den Armen einer Frau auf.

 

Die zwölf jungen Schauspielerinnen und Schauspieler haben für das Stück einiges an Freizeit geopfert. Denn geprobt wurde zweimal die Woche zu drei Stunden. Der Film hat nochmals extra Zeit gekostet. Das hatte auch sein Gutes. „Wir haben uns sehr gut zusammengefunden“, so Maximilian Kurth, einer der Theaterpartisanen.

Diese Spielbar legt auf

Von Schlager bis Prog-Rock. Songs udn die Geschichten dahinter beleuchten Dramaturg Thorsten Bihegue (links) und Schauspieler Andreas Beck.
Von Schlager bis Prog-Rock. Songs und die Geschichten dahinter beleuchten Dramaturg Thorsten Bihegue (links) und Schauspieler Andreas Beck.

Und zwar Schallplatten. Gut, kein Vinyl, aber wenn es am 14. März 2014 um 22:30 Uhr heißt „Die Welt ist eine Scheibe“ haben die Musikjunkies Andreas Beck (Schauspieler) und Thorsten Bihegue (Dramaturg) ihre Plattenregale durchstöbert.

 

Es geht am Freitagabend auch um Geschichten hinter den Songs, es wird ein Ratespiel geben und Freunde des (ost)deutschen Liedgutes werden von den Schauspielern Uwe Schmieder und Ekkehard Freye bedient.

 

Absurditäten und Skurriles werden sich auf dem mittlerweile elektronischen Plattenspieler ein Stelldichein geben. Thorsten Bihegue möchte auf seiner Ukulele das Lied „Das Leben eines Dramaturgen ist nicht einfach“ zum Besten geben.

 

Das Ende ist offen.  Ob ab 02:00 Uhr Stockhausen auf dem Programm stehen wird? Der Abend scheint für viele Überraschungen offen zu sein.

 

Die Karten kosten nur 5 €.

Frust und Wut des Mittelmaßes

Ziemlich desillusioniert: Michael Kamp als Kontrabassist. Das Bild stammt von einer Fotoprobe.
Ziemlich desillusioniert: Michael Kamp als Kontrabassist. Das Bild stammt von einer Fotoprobe.

Irgendwann bekommt man sogar Mitleid mit dem armen Instrument. Wenn Michael Kamp, als namenloser Kontrabassist, auf sein Instrument verbal einschlägt, es beschimpft, es niedermacht. Was kann der arme Kontrabass dafür, dass „aus ihm kein vernünftiger Ton herauskommt, nur Geräusche“, so der Musiker. Sie werden es vielleicht ahnen, wir sind beim Ein-Personen-Stück „Der Kontrabass“ von Patrick Süskind im Theater im U am 09. März. Michael Kamp ist Mitglied der Theatergruppe Austropott.

 

Dabei fängt das Stück harmonisch an. Michael Kamp, beamteter Musiker in einem städtischen Sinfonieorchester, bereitet sich in seiner fast schalldichten Bühnenwohnung zwischen Laptop und mehrerer Kisten Bergmann-Bier auf seinen Auftritt bei einem anstehenden Konzert von Wagners „Rheingold“ vor. Vollmundig preist er die Vorzüge seines Instruments, einem Kontrabass. Die Zuschauer befinden sich quasi mitten drin in dieser Vorbereitungsphase und sehen zu, wie er sich vorbereitet und anzieht. Dabei fällt auf, dass er sein „Flüssigkeitsverlust“ mit Bier kompensiert, ein wesentlicher Faktor, denn mit mehr Bier wird unser Musiker immer offener und ehrlicher.

 

Warum spielt man überhaupt ein Instrument, dass man nicht liebt? Der Musiker will sich anscheinend an seinen Eltern rächen, die ihn nicht geliebt haben. Seine musische Mutter spielte die zierliche Flöte, da wählte er ein Instrument, dass quasi das genaue Gegenteil ist: Der Kontrabass. Seinen Vater, ein Beamter, wischt er einen aus, indem er als Musiker auch Beamter wird. Mäßig begabt steht er mit seinem Instrument am dritten Pult als „Tutti-Schwein“.

 

Michael Kamp spielt sich im Laufe des Stückes in einen wahren Rausch. Am Anfang war der Kontrabass das Fundament des Orchesters, ja der Musik, ohne den nichts läuft. Selbst Dirigenten sind überbewertet. Dann schlägt die Stimmung nach und nach um. Kann man das Klavier immer noch als Möbel benutzen, so unser Musiker, gibt es bei seinem Instrument keinerlei Hoffnung. „Ein Kontrabass ist mehr, wie soll ich sagen, ein Hindernis als ein Instrument“, entfährt es ihm.

 

Das Stück von Süskind zeigt sehr schön die ambivalente Beziehung, die vielleicht jeder Musiker zu seinem Instrument hat. Erst wird die Wichtigkeit betont, doch wenn man lange genug nach bohrt, kommen auch die hässlichen Seite zum Vorschein. Zudem leidet unser Musiker darüber, dass er im Konzertgeschehen kaum beachtet wird. Während andere Instrumente im Vordergrund stehen, stehen die Kontrabässe am Rand. Diese Zurücksetzung schmerzt ihn. Er wird sehr dünnhäutig. Man drückt sich etwas tiefer in die Sitze, wenn eine erneute Tirade auf das arme Instrument abgefeuert wird.

Dabei wird schnell klar, unser Musiker ist kein Virtuose, er ist Mittelmaß. Er macht seine Mittelmäßigkeit an allem anderen fest, nur nicht an sich selbst. Sein Hass auf alles Virtuose entlädt sich beispielsweise in Beschimpfungen über Wagner und Mozart, um dann wieder in Selbstmitleid zu zerfliessen.

 

Mehrmals im Stück möchte unser Musiker die ganze Sache hinschmeißen, doch etwas hält ihn zurück: Seine unerfüllte Liebe zur Mezzosopranistin Sarah. Hier kommt eine weitere Komponente ins Spiel: das Herz einer Frau mit einem „uncoolen“ Instrument zu gewinnen. Dem Musiker ist eigentlich klar: Die Sängerin braucht eher einen Pianisten, mit dem sie ihre Arien üben kann. Seine Versuche „besonders schön“ zu spielen, wenn sie singt, bleiben unbeachtet. Am Ende des Stückes will er kurz vor Beginn der Premiere von „Rheingold“ laut „Sarah“ rufen. Doch ob er es tut, bleibt letztendlich offen.

 

Michael Kamp zeigt sich spielfreudig, er bringt diese Verletzlichkeit des Musikers, die urplötzlich in Wut umschlagen kann, sehr gut auf die Bühne. Von den vier Stücken des Austropotts ist „Der Kontrabass“ bisher das absolute Highlight.

Ein besonderes Bonbon war der Auftritt von Desirée von Delft als „Sarah“ in einer Art Traumsequenz des Musikers.

 

Wer sich das Stück ansehen möchte, kann dies am 15. März (19:30 Uhr), 29. März (19:30 Uhr) und am 06. April (18 Uhr) tun. Karten und Infos unter www.austropott.de.

 

Es liegt an der Wahrnehmung

Warum bekamen so wenig Frauen den Nelly-Sachs-Preis? Marianne Brentzel forschte nach.
Warum bekamen so wenig Frauen den Nelly-Sachs-Preis? Marianne Brentzel forschte nach.

20 Männer, sieben Frauen: so lautet die Verteilung des Nelly-Sachs-Preises, den die Stadt Dortmund alle zwei Jahre vergibt. Einer der Bedingungen des Literaturpreises ist unter anderemeine Verbesserung der kulturellen Beziehungen zwischen den Völkern. Schriftstellerin Marianne Brentzel stellt in ihrem E-Book „Im Salon der Dichterinnen“ die sieben Preisträgerinnen vor.

 

Ars tremonia fragte in einem Interview nach, warum so wenig Frauen nominiert wurden, was die sieben Frauen verbindet und warum Brentzel den Weg eines E-Books gewählt hat.

 

Das Interview als Podcast: 

 

Marianne Brentzel liest aus ihrem Buch am Montag, den 10. März 2014 um 19:30 Uhr im Studio B der Stadt- und Landesbibliothek.

 

Marianne Brentzel

Im Salon der Dichterinnen
Die Nelly-Sachs-Preisträgerinnen

E-Book, 11,99 €
ISBN 978-3-9816512-1-8

Ein Dilemma für Mittelstandskids

Mal eben noch die Welt retten. Aber wie und wann? Saskia Rademacher, Oliver Seifert, Fatima Talalini, Christoph Stuhlmann und Lucas Franken in "Feiert. Facebooked. Folgt."
Mal eben noch die Welt retten. Aber wie und wann? Saskia Rademacher, Oliver Seifert, Fatima Talalini, Christoph Stuhlmann und Lucas Franken in „Feiert. Facebooked. Folgt.“

Stell‘ dir vor es spielt eine Band und keiner kommt, um sie zu hören. So könnte man das Stück „Feiert, Facebooked, Folgt“ von Holger Schober, das am 07. März 2014 im KJT Premiere hatte, in einem Satz zusammenfassen. Zunächst. Doch was sich wie ein Albtraum anhört, bietet Zeit und Raum für Reflexionen der fünf Musikerinnen und Musiker. Und quasi nebenbei erfahren die Zuschauer einiges über 100 Jahre Protestgeschichte.

 

„Wir sind alles Mittelklasseschlampen“. Der Satz aus dem Stück tut weh, aber trifft eigentlich genau den Punkt. Fünf Söhne und Töchter aus der Mittelschicht, die es – aus welchen Gründen auch immer – in eine gemeinsame Band geschafft haben, zerbrechen sich ihre Mittelschichtköpfchen über die Probleme der Welt. Spielen sie nun „gegen Rechts“ oder für „Save the planet“ oder wofür oder wogegen auch immer. Das Tolle an „Feiert, Facebooked, Folgt“ ist, dass es von Beginn an die typischen Floskeln der politischen Diskurse durch den Kakao zieht. So gehört irgendwann auch „Boykottiert Youporn – rettet die Pornoindustrie“ zu den Forderungen.

„Man müsste mal was machen“ und „Wir sollten…“ waren schöne Floskeln, die zu hören waren und das Dilemma aufzeigten. Wer ist konkret „man“ oder „wir“? So kann jeder die Verantwortung auf die anderen abwälzen. Das wurde im Stück sehr gut rüber gebracht, als alle konkrete Vorschläge machten und auf die Frage, wann damit begonnen werde, kam als Antwort: Morgen, sofort nach dem Aufstehen oder erst später oder noch später oder oder oder…

 

Toll sind auch die fünf Schauspielerinnen und Schauspieler aus dem Jugendclub. Lucas Franken, Saskia Rademacher, Oliver Seifert, Christoph Stuhlmann und Fatima Talalini werfen sich die Bälle zu und spielen mit einer Begeisterung, dass es einfach Freude macht, den Jugendlichen zuzuschauen.

 

Es gab auch reichlich nachdenkliche Momente. Jeder Schauspieler hatte quasi ein Solo, in dem er oder sie eine Protestbewegung vorstellte. Angefangen von Friedrich Muck-Lamberty, einem der sogenannten Inflationsheiligen der 1920er Jahre über die Kommune 1 bis hin zu der katholischen Jugendbewegung. Sicherlich kontrovers: Auch die Hitlerjugend wurde behandelt. Doch nicht in einem positiven Kontext, sondern als Tatsache, dass die Nazis die Jugend zum ersten Mal als politische Kraft gesehen haben. So das Stück. Darüber kann man streiten. Denn auch andere Parteien sahen schon in der Jugend einen entscheidenden Faktor. So wurden beispielsweise die „Falken“, die Jugendorganisation schon 1904 gegründet.

 

Während auf der Bühne Musik gespielt wurde, gaben parallel Videoeinblendungen einer eigens gebildeten Gruppe von jungen und auch älteren Menschen auf lebendige Weise anregende Einblicke in ein Spektrum von moderne Protestaktionen wie etwa „Critical Mass“, eine Aktionsform von Fahrradfahrern, oder „Flashmobs“. Dabei spielten die fünf jungen Schauspielerinnen und Schauspieler die Instrument selbst. Musik von den „Ärzten“ über die Dreigroschenoper bis hin zu „Wir sind Helden“ wurden auf dem „Konzert, zu dem keiner kam“ zum Besten gegeben.

Auch das Bühnenbild mit dem langsam wachsenden Gras („Graswurzelrevolution“ oder wächst vielleicht Gras drüber?) im Hintergrund war passend gewählt.

 

Am Ende gab es für Regisseurinnen Isabel Stahl und Christiane Köck sowie für die fünf Schauspielerinnen und Schauspieler einen Riesenapplaus.

 

Es gibt leider nur vier weitere Aufführungstermine: Sa, den 8.3. 19:00 , So, den 9.3. 19:00 Uhr, Fr, den 14.3. 19:00 Uhr und am So, den 16.3. 19:00 Uhr.

Karten und Infos unter 0231/ 50 27 222 oder www.theaterdo.de

Offene Ateliers stehen in den Startlöchern

Von Seiten des Projektteams kann es losgehen: (v.l.n.r.) Axel Schöber, Elke Niermann (audalis), Astrid Wendelstigh und Anna Maria Reidel.
Von Seiten des Projektteams kann es losgehen: (v.l.n.r.) Axel Schöber, Elke Niermann (audalis), Astrid Wendelstigh und Anna Maria Reidel.

Vor zwei Jahren wurde zum ersten Mal seit langen Jahren wieder ein stadtweites Kunstprojekt organisiert: Die offenen Ateliers. Dank der Beteiligung des Hauptsponsors audalis kann 2014 und 2016 die Veranstaltung erneut über die Bühne gehen. Jetzt liegt der Ball bei den Künstlerinnen und Künstler sowie den Galerien. Sie können sich ab heute anmelden.

 

Als 2012 zum ersten mal die „Offenen Ateliers“ stattfanden, gab es positive Resonanz von Künstlern und Besuchern. In den Ateliers konnten die Besucher den Künstlern hautnah über die Schulter schauen und persönliche Gespräche führen.

 

Für 2014 hofft Organisator Axel Schöber, Galerieinhaber von ART-isotope, auf eine ähnliche Zahl von Künstlern. „Mit 160 bis 180 Künstlern sind wir zufrieden“, so Schöber. Als Anreiz dafür wurde die Anmeldegebühr halbiert. Künstlerinnen und Künstler zahlen 25 € und Galerien 50 €. Die Anmeldung ist ab heute auf der Internetseite www.offene-ateliers-dortmund.de möglich. Die Anmeldefrist ist der 21. März 2014.

 

Doch aus den Erfahrungen von vor zwei Jahren wollen die Veranstalter auch etwas lernen, denn nicht alles lief optimal. „Manche Künstler, die im Außenbereich ihr Atelier haben, beschwerten sich über wenig Besucher“, erzählte Schöber. An der Erreichbarkeit der Außenbezirke wollen die Organisatoren noch arbeiten. Eine Idee wäre, drei bis vier Shuttlebusse einzusetzen, doch diese Pläne hängen von der Finanzierbarkeit ab.

 

2014 wird es keinen Katalog mehr geben, sondern ein 12-seitiges Magazin (DIN A4) sowie eine überarbeitete Webseite, die Themenvorschläge für Routen beinhalten könnte.

 

Die Veranstaltungstermine sind der 24. und der 25. Mai 2014. Samstag wären die Ateliers von 15 bis 22 Uhr offen und am Sonntag von 11 bis 18 Uhr.