Ars tremonia

Was erschafft ein Werk zum Leben? I am not my body im Künstlerhaus

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Die Aussage „Ich bin nicht mein Körper, ich habe einen Körper“ wirft eine tiefgründige Frage nach Identität und Bewusstsein auf. Ist der Mensch mehr als das, was physisch sichtbar ist? Wissenschaftler würden diese Aussage kritisch betrachten. In den Neurowissenschaften und der Biologie gilt der Körper als untrennbar mit dem Geist verbunden. Das Gehirn als Steuerzentrale ist für Denken, Fühlen und Handeln verantwortlich. Doch wir befinden uns im Dortmunder Künstlerhaus, wo die Ausstellung „I am not my body“ bis zum 16. März acht verschiedene künstlerische Positionen präsentiert.

Rauminstallationen und körperliche Transformationen

Isabella Fürnkäs hat für die Ausstellung eine besondere Raum- und Klanginstallation geschaffen. In einem Netz, das von der Decke hängt, schweben 220 kunstvoll gestaltete Glastropfen. Sobald jemand den Raum betritt, wird ein Klang aktiviert, der sich mit dem Thema „The Desiring Machines“ (auf Deutsch: „die Wunschmaschinen“) beschäftigt. Die Klänge führen die Besucher*innen auf eine imaginäre Reise durch den menschlichen Körper – von seinen Bedürfnissen und Abläufen bis hin zum Kreislauf der Körperflüssigkeiten.

Andrea Knoblochs Zeichnungen zeigen, wie Körper durch Eingriffe und Veränderungen entstellt oder plötzlich verwandelt werden könnten. Hinter der glatten, optimierten Fassade verbirgt sich etwas Unheimliches. Die Zeichnungen sind auf Papier entstanden, das zunächst mechanisch bearbeitet, gefärbt oder durch Reibetechniken verändert wurde. Darauf erscheinen seltsame, aus der Ordnung geratene Wesen, die in undefinierten Räumen gefangen wirken. Diese Werke spiegeln das extreme Bedürfnis des Menschen wider, seinen Körper zu formen und zu kontrollieren – ein Zeichen dafür, wie sehr er sich von der Natur entfernt. Nichts bleibt mehr ein Geheimnis oder wundersam. Doch könnte die Kunst ein Zufluchtsort sein, in dem das Unbekannte und Unergründliche wieder Platz finden?

I am not my body: Was ist die Substanz, die die Menschen belebt?
I am not my body: Was ist die Substanz, die die Menschen belebt?

Das als One-Shot entstandene Video „Earth Rhythms“ (2020) zeigt die Künstlerin Ayumi Paul auf einer Betonfläche stehend, die zum Teil von tropischen Baumgipfeln überragt wird. Während sie mit ihrer Violine in die Rotation der Erde einstimmt, wird der Himmel nach und nach, fast unmerklich, dunkler. Nachdem alles Sichtbare in der Dunkelheit verschwunden ist, klingt das Spiel in den Rhythmen des sich drehenden Planeten weiter.

Zwischen Idee und Wahrnehmung

Jeannette Schnüttgens Kunst bewegt sich zwischen Zeichnung, Skulptur und Installation. Oft beginnt sie mit einer konkreten Idee, einer Erinnerung oder einem besonderen Moment, den sie künstlerisch weiterentwickelt. Für ihre plastischen Werke erstellt sie häufig eine Art Prototyp, den sie dann in verschiedenen Variationen umsetzt. Sozusagen „Übergangsprozesse“. Für das Künstlerhaus Dortmund plant sie eine neue Arbeit, die speziell für diesen Ort geschaffen wird. Dabei beschäftigt sie sich mit Dingen, die nicht greifbar oder nur kurz wahrnehmbar sind. Sie interessiert sich besonders für das Unklare, das Uneindeutige und Übergangszustände, die zwischen verschiedenen Zuständen liegen.

Gegen 5 Uhr morgens ist ihre Zeit: Dann befindet sich Bettina Scholz in einer Art Zwischenraum zwischen Wachen und Schlafen. In dieser Zeit fühlt sie sich besonders frei und füllt ihre Skizzenbücher mit schnell wirkenden Zeichnungen. Die Skizzenbücher präsentiert sie auf Podesten. Damit die Besucher*innen diese Skizzenbücher nicht beschädigen, wird es eine Performance zum Durchblättern geben.

Jessica Maria Toliver arbeitet gerne mit wenigen Materialien und untersucht Gegensätze: etwa zwischen groben, archaischen Formen und zerbrechlicher Feinheit. Dabei interessiert sie besonders, wie das Material auf ihre Eingriffe reagiert. Der Prozess des Entstehens ist für sie genauso wichtig wie das fertige Kunstwerk. Für Toliver hat Papier eine eigene Persönlichkeit: Es ist stark und gleichzeitig empfindlich, aufnahmefähig und überraschend. Sie sieht Papier als lebendiges Material, das mit ihr kommuniziert und sie dazu einlädt, es künstlerisch zu formen. Ihre ausgestellte Arbeit „lichtes Blau“ hat eine Verbindung mit dem Tod ihres Vaters.

Jorinde Voigt beschäftigt sich in ihrer Kunst mit dem, was in uns passiert, wenn wir die Welt wahrnehmen. Sie untersucht dabei Gefühle, Erinnerungen, Vorstellungskraft, sinnliche Erlebnisse sowie natürliche und kulturelle Phänomene. Auch zwischenmenschliche Beziehungen und wissenschaftliche Daten spielen eine Rolle. Seit ihren ersten Arbeiten geht Voigt analytisch vor und betrachtet ihre Themen als etwas, das sich ständig verändert. In den letzten Jahren hat sie ihre Kunst weiterentwickelt und nicht mehr nur gezeichnet, sondern auch mit Malerei, Collagen, Skulpturen, Design und Musik experimentiert.

Der Künstler Thomas Zitzwitz stellt seine Werke in allen Räumen aus. Er ist ein Maler, der mit der Sprühpistole arbeitet. Seine Bilder wirken aus der Ferne körperlich, doch wenn man näherkommt, verflüchtigen sie sich und geben keine klare Form mehr preis.