Bis zum 1. Dezember 2024 präsentiert das Künstlerhaus Dortmund eine außergewöhnliche Ausstellung. Unter dem Titel „Vs. Frühwerk“ wird eine aktuelle Arbeit einem Frühwerk gegenübergestellt. Diese Ausstellung bietet einen faszinierenden Einblick in die künstlerische Entwicklung über die Zeit hinweg. Sie zeigt nicht nur den Reifeprozess der Künstler*innen, sondern auch, wie sich Themen, Techniken und der persönliche Ausdruck verändert haben. Kuratiert wurde diese Ausstellung von Cornelius Grau.
Helga Beisheim
Helga Beisheim beschreibt ihre künstlerische Arbeit als stark geprägt von ihrer Umgebung, insbesondere durch den Bergbau und die Baukultur in Langendreer. Ihre Arbeit von 1974 ist ein Beispiel dafür. Später fasziniert sie die Technik des Holz- und Linolschnitts. Diese hat sie über Jahrzehnte hinweg durch verschiedene Variationen von Papier und Farben weiterentwickelt. Ihre Kunst ist von Neugier, Experimentierfreude und spielerischer Umsetzung von Ideen gekennzeichnet, wobei sie unterschiedliche Medien nutzt.
Linus Clostermann
Linus Clostermann ist der jüngste Künstler in der Ausstellung. Sein Frühwerk, eine Wolfsspinne, malte er mit Wasserfarben im Alter von acht Jahren. In seinen aktuellen Arbeiten lässt sich Clostermann von Geschichten aus Horror-, Fantasy- und Science-Fiction-Welten inspirieren. Er schafft Kunstwerke, die sich auf besondere Weise an den Ausstellungsort anpassen.
Der Wandel der Zeit
Ein bemerkenswertes Experiment: In seiner Arbeit „In 10 Minuten“ von 2009 ließ Björn Drenkwitz zehn Darstellerinnen die vergehende Zeit vor der Kamera subjektiv einschätzen und messen. Zehn Jahre später wiederholte er das Projekt mit allen noch verfügbaren Darstellerinnen. Dadurch wurde das subjektive Empfinden der 10 Minuten sichtbar. Auch der Vergleich beider Arbeiten verdeutlicht das Verstreichen eines ganzen Jahrzehnts. Dies zeigt sich besonders in der Veränderung der Gesichter der Darsteller*innen und wirft die Frage auf, ob sich das Zeitempfinden im Laufe eines Lebens verändert.
Alexander Endrullat
Zwischen den beiden Werken von Alexander Endrullat liegen genau zehn Jahre. Dennoch sind sie extrem unterschiedlich. Sein Frühwerk ist ein Ölbild, das cartoonartig wirkt. Für seine aktuelle Arbeit verwendete er Macbooks und Matchbox-Autos. Das Auftauchen eines Autos stellt ein verbindendes Element beider Arbeiten dar. Das Ausprobieren neuer Materialien hilft ihm, Themen unterschiedlich umzusetzen. Besonders spannend findet der Künstler es, die traditionellen Grenzen von Technik und Darstellung zu erweitern. Indem Alexander Endrullat seine Umgebung genau beobachtet, entstehen klare, reduzierte Szenen und Geschichten.
Martin Huidobro
Bei den beiden Arbeiten von Martin Huidobro zeigt sich eine Entwicklung. In beiden Werken (1994 und 2024) geht es um Feuer, jedoch unterschiedlich gestaltet. Huidobro verwendet in seinen Bildern Zeichen und Symbole aus dem Alltag. Dabei vermischt er Malerei, Design, Skulptur und Architektur. Er reduziert Formen und Farben auf das Wesentliche und zeigt, wie man die Welt durch Kunst wahrnehmen kann.

Santiago Isignares
Der Videokünstler Santiago Isignares präsentiert zwei Video-Performances. Er beleuchtet widersprüchliche Aspekte des Lebens, die wir normalerweise unterdrücken oder auslöschen. Dies wird besonders in seinem ersten Video von 2015 deutlich. Isignares möchte mit Humor, Ironie und der Angst, die durch das verspielte Objekt entsteht, zum Nachdenken anregen – durch Bilder, die gleichzeitig grotesk, unheimlich und niedlich wirken.
Analog und digital: Roman Lang
Analog und digital: So könnte man den Unterschied zwischen den Arbeiten von Roman Lang (2013 und 2024) benennen. Während „FEN“ von Fehlern eines analogen Fernsehgerätes inspiriert ist, könnte das neuere „FoA-1“ die Störungen eines digitalen Bildschirms darstellen. Indem Lang Irritationen und Fehler in seine Bildsysteme einbaut, lädt er den Betrachter ein, aktiv zu werden – zum Beispiel eine Lücke im Bild zu füllen. So wird der Betrachter Teil des Kunstwerks.
Jae Jin Park
Nicht nur Katzen sind von Schalten fasziniert: Künstlerin Jae Jin Park beschäftigt sich intensiv mit den Wechselwirkungen von Licht und Raum. In ihrer Arbeit „Lichtraum (Kokon)“ verwendet sie viele kleine Verpackungsschachteln. Diese fallen ihr eines Tages ins Auge. Bei genauerem Hinsehen erkennt sie darin kleine Räume. Jae Jin Park möchte diese versteckten Räume durch Licht sichtbar machen. Ihr Ziel ist es, ein Objekt zu schaffen, das sich ständig mit dem natürlichen Licht verändert. Dabei vergleicht sie diesen Prozess mit dem einer Raupe, die einen Kokon baut, um sich zu verwandeln.
Iwona Rozbiewska
Iwona Rozbiewska lässt sich in ihrer Kunst von Architektur, Design und alltäglichen Erlebnissen inspirieren. Ein zentrales Merkmal ihrer Arbeit ist das künstlerische Experimentieren mit Objekten, Konzepten und Materialien. Ihre Installation „Untitled (The Cemetery)“ aus dem Jahr 2012 vereint Skulptur, Design und Gebrauchsgegenstand. Unterschiedlich geformte, grau gestrichene Körper aus Spanplatten sind zu einer abstrakten Skulptur zusammengesetzt. In späteren Werken greift Rozbiewska Motive wie Spiralen und „Idylle“ auf. Diese erscheinen sowohl als physische Formen als auch als symbolische Themen.
Sigrid Schewior
Sigrid Schewior entwickelt ihre Arbeit im Austausch zwischen traditioneller Kunst und digitalen Technologien. Dabei entsteht ein komplexes Werk, das dem Betrachter ein erweitertes Verständnis der Welt ermöglicht. Während ihrer Studienzeit hat sie Installationen aus Malmaterialien geschaffen. Später konzentrierte sie sich auf Fragen zur Bildrealität und den Unterschied zwischen realem Raum und Flächenraum. So verbindet sie malerische und grafische Eingriffe in ihren Fotoarbeiten.
Zusammenarbeit mit Mannheim: „Two Decks Networkx“
Wer das Künstlerhaus betritt, wird durch eine grüne Wiese aus Fichtenholz begrüßt. Dies ist das Frühwerk von Annette Wesseling aus dem Jahr 1993. Alle Elemente wurden auf die gleiche Weise hergestellt und haben eine ähnliche Form. Gleichzeitig weisen die Holzstücke eine individuelle Vielfalt auf. Das Spätwerk von Annette Wesseling zeigt gefärbte Baumwollstoffe, die der Sonne ausgesetzt waren. Sie spricht vom Reifen der Bilder an der Sonne.
Das Frühwerk von Gitta Witzke aus dem Jahr 1972 ist vom Surrealismus inspiriert. In ihren aktuellen Arbeiten scheint sie von abstrakter Kunst beeinflusst zu sein, doch das ist eine Täuschung. Fore-edge Painting bezeichnet eine versteckte Buchschnittdekoration. Diese wird beim Durchblättern und im geschlossenen Zustand des Buches unsichtbar. Die Malerei zeigt sich nur, wenn man die Blätter zusammenpresst.
Auf der ersten Etage des Künstlerhauses läuft eine weitere Ausstellung parallel. „Two Decks Networkx“ ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Dortmunder Künstlerhaus und dem Alten Güteramt Mannheim. Nachdem Dortmunder Künstler*innen in Mannheim ausgestellt haben, ist „Two Decks Networkx“ sozusagen der Gegenbesuch. Elf Künstler*innen zeigen ihre Arbeiten, die unterschiedlichen Gattungen wie Malerei, Fotografie oder Installation angehören.