Nach 2015 und 2018 konnte ich zum dritten Mal das Vokalensemble „The Tallis Scholars“ im Rahmen des Festivals Klangvokal erleben. Und erneut gab es ausgewählte Musik aus der Zeit der Renaissance, wobei sich auch drei modernere Komponisten mit „hineingeschmuggelt“ hatten. Das Konzert fand am 25. Mai 2023 in der Propsteikirche statt.
Das bemerkenswerte an dem Konzert war, dass alle aufgeführten Werke eine heilige Frau im Mittelpunkt hatte. Überwiegend stand Maria, die Mutter Jesu, im Zentrum, Francesco Guerrero widmete Maria Magdalena eine Motette.
Nach Orlando di Lassos „Alma redemptoris mater” war der erste Teil des Konzertes der Missa „Ave maris stella“ von Josquin Desprez gewidmet. Die „Ave maris stella“ ist eine Marienantiphon, eine Hymne an die Jungfrau Maria, und Josquin Desprez basierte seine Messe auf diesem gregorianischen Choral. Die Messe wurde wahrscheinlich um das Jahr 1500 komponiert und ist eines von Josquins bekanntesten Werken. Josquin Desprez schafft eine eindringliche musikalische Darstellung der Verehrung der Jungfrau Maria. Durch den Einsatz verschiedener kompositorischer Techniken wie Imitation, Kontrapunkt und Klangfarbenwechsel erzeugt er eine vielschichtige und emotionale Wirkung. Diese Wirkung wurde von den die Sänger:innen der Tallis Scholars unter der Leitung von Peter Philips in gewohnt hochwertiger Weise erzielt.
Nach der Pause ging es mit Renaissancemusik von Francesco Guerrero weiter. Seine Musik zeichnet sich durch eine ausgeprägte melodische Schönheit, sorgfältige Textausdeutung und ein feines Gespür für Kontrapunkt und Harmonie aus. Danach gab es eine kleine Zeitreise in die Jetztzeit. Der zeitgenössische Komponist Matthew Martin zeichnet sich durch eine moderne Tonsprache und eine sorgfältige Textausdeutung aus. Seine Kompositionen vereinen traditionelle und zeitgenössische Elemente und zeigen eine beeindruckende Beherrschung von Harmonik, Rhythmik und Klangfarben. Auch hier überzeugten die Tallis Scholars ebenso wie beim russischen „Bogoroditse Devo“ von OIgor Strawinsky, der sehr stark auf die russisch-orthodoxe Kirchenmusik in seiner Komposition zurückgreift.
Ein Name durfte bei moderner geistlicher Chormusik natürlich nicht fehlen: Arvo Pärt. Hier erklang „Virgencita“, die an eine Marienerscheinung im 16. Jahrhundert in Mexiko erinnern soll.
Zum Schluss ging es wieder zurück in die Renaissance. Heinrich Isaacs „Virgo prudentissima“ ist ein mehrstimmiges Chorstück, das typisch für die polyphone Musik der Renaissance ist. Die Komposition besteht aus vier oder fünf Stimmen, die in kunstvoller Weise miteinander verwoben sind. Isaac ist durch seine Komposition „Innsbruck, ich muss dich lassen“ bekannt geworden.
Das Konzert hat wieder mal gezeigt: Wer Chormusik aus Renaissance-Zeit liebt, wird an den Tallis Scholars nicht vorbeikommen.