Ars tremonia

Sean Shibe – Gitarrenmusik aus fünf Jahrhunderten

image_print

Am 31. Mai 2023 hieß es wieder „Musik für Freaks“ und zu Gast war Sean Shibe, seines Zeichens Gitarrist und Lautenist. Jetzt werden sich einige fragen, was ist daran jetzt „freakig“. Nun, Shibe spielte im dritten Drittel seines Programmes auf der E-Gitarre. Und die E-Gitarre ist für klassische Musik schon außergewöhnlich. In der zeitgenössischen klassischen Musik wird die E-Gitarre oft als Klangfarbe verwendet, um eine breitere Palette an Klängen und Ausdrucksmöglichkeiten zu erreichen. Sie erzeugt einen charakteristischen Klang, der von den herkömmlichen akustischen Gitarren abweicht. Dieser Klang kann mit verschiedenen elektronischen Effekten und Verstärkungstechniken weiter manipuliert werden, um eine noch größere Vielfalt an Klängen zu erzeugen.

Doch beginnen wir mit dem Anfang. Hier spielte Sean Shibe auf der Laute kurze Stücke von Robert Ballard und Pierre Attaingnant, die den damaligen Zeitgeist einfingen und ähnlich klangen wie die Werke von John Dowland.

Im zweiten Teil stand die akustische Gitarre im Mittelpunkt. Nach einer Bearbeitung von Bachs Präludium und Fuge in Es-Dur wurde die Musik moderner. Mit Thomas Adès, Manuel de Falla, Francis Poulenc und Harrisson Birtwistle stammten alle Komponisten aus dem 20. bzw. 21. Jahrhundert. Der Charakter veränderte sich, rhythmische Figuren und Dissonanzen erklangen.

Doch auch das war nicht das besondere an diesem Konzert. Denn Im Schlussteil spielte Sean Shibe auf der E-Gitarre und benutzte für die gespielten Stücke  Loops und Effektgeräte. Damit erklangen Olivier Messiaens „O sacrum convivium“ und Hildegard von Bingens „O choruscans lux stellarum“ sehr spährisch, fast entrückt. Beeindruckend war Shibe aber in dem Werk „Electric counterpoint“ von Steve Reich, dass durch die Rhythmik an manchen Stellen durch aus den Rock ins Konzerthaus brachte.

Den Schlusspunkt machte „Buddha“ von Julius Eastman. Als Komponist schuf Eastman eine Reihe von Werken, die sich durch ihre repetitive Struktur und minimalistische Ästhetik auszeichneten. Er experimentierte mit Klangfarben, Wiederholungsmustern und Zeitstrukturen, wobei er oft auf die Improvisation als gestalterisches Element zurückgriff. Obwohl Eastman in den 1970er und 1980er Jahren einige Erfolge hatte und mit renommierten Ensembles und Komponisten zusammenarbeitete, geriet er später in finanzielle Schwierigkeiten und litt unter persönlichen Problemen, die zu einem Rückzug aus der Musikszene führten. In den letzten Jahren hat es eine Wiederentdeckung und Neubewertung von Eastmans Werk gegeben. Neue Generationen von Musikern und Musikliebhabern haben sein Werk wieder aufgegriffen und seine Bedeutung in der Avantgarde-Musik erkannt.   Das gelungene Konzert von Sean Shibe machte deutlich, dass die E-Gitarre nicht nur das Standart-Instrument für Pop, Rock oder Metal ist. Die E-Gitarre kann nicht nur bei neuen Kompositionen eingesetzt werden, sondern sie ist auch in der Lage durch die Effekte neue Klangfarben an alten Kompositionen zu erschaffen. Das hat Sean Shibe unter Beweis gestellt.