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Familien gegen Nazis – in der Bredouille

Wie politisch korrekt ist unser Verhalten? Wo stehe ich, wo stehen wir im Einsatz gegen Rechtspopulisten und neonazistische Strömungen die sich überall ausbreiten? Wie verhält sich der Einzelne wenn seine eigenen Privilegien bedroht sind? Wie groß ist die eigene Zivilcourage ausgeprägt?

Mit diesen und vielen ähnlichen, auch teils bis ins absurde getriebene Fragestellungen, setzt sich Familie Altmann in der als Gameshow inszenierten Satire „Familien gegen Nazis“ auseinander. Oft mit witzigen Dialogen, aber dennoch bleibt einem das Lachen manchmal im Halse stecken. Die Premiere ist gleichzeitig die Uraufführung des Stücks. Jedes Familienmitglied spielt für eine Minderheit, wer gewinnt bekommt eine Million, um seine Minderheitengruppe zu unterstützen. Es kämpfen Stiefmutter Simone für die Jüdische Gemeinde, Vater Thomas für das Tierwohl, Luise für die queere Bewegung, Kevin für Behinderte und Ramona für die Flüchtlinge. Schauplatz der Handlung ist eine in Bonbonfarben gehaltene Bühne, auch die Kleidung der Protagonisten changiert in pastelligem Rosa, Hellblau, Gelb und lindgrün oder auch kräftigem Pink..

In der ersten Runde wird gebuzzert. Zuvor bekommen die Kontrahenten unterschiedlich hohes Startkapital zugewiesen. Schon hier zeigt sich eine perfide Bösartigkeit der Spielleitung für jeden unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen zu schaffen. So erhält Simone 5000€ für die in KZs getöteten Menschen mit einem rosa Winkel. Während Vater Thomas für eine Million getötete Kriegspferde auch eine Million gutgeschrieben bekommt.Kevin werden als Vertreter der Behinderten die Arme auf dem Rücken gebunden. Wenn er buzzern will, und das tut er häufig, muss er seine Stirn einsetzen.

Hinreißend sarkastisch führt Lea Annou Reiners als Moderatorin Elisabeth Brock durch die Show. Keine Fragestellung in den einzelnen Spielrunden ist ihr zu absurd, als dass Sie nicht eine Antwort erwartete. Was sind 90 Nazis in einer Ecke? Ein rechter Winkel! „Hahaha“. Wortkreationen wie Nazipan, Heilikopter, Adolfopus sollen herausgefunden werden. Tochter Ramona beginnt zu rebellieren, da sie eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema erwartete hatte. Eine hitzige Diskussion entwickelt sich, in der sich die Familie zerstreitet. Die Spielrunde ist allerdings beendet, alle kriegen sich wieder ein. Bei „Wahrheit oder Pflicht“ wird deutlich wie schnell der Einzelne in ein Dilemma geraten kann. Soll er der Pflicht nachkommen und dafür Punkte einkassieren oder moralisch richtig handeln und dabei verlieren? Wer trägt die Schuld wenn Menschen aus Pflichtgefühl sterben? Der Befehlende/Spielleiter oder die Mitspieler/Mitläufer? Gebe ich im Zweifelsfall mein Gewissen an der Garderobe ab und ziehe mich zur Rechtfertigung meiner Taten auf den „Zwang“ zur Pflichterfüllung zurück?

Verdienter Applaus für die Mitwirkenden von "Familien gegen Nazis". (v.l.n.r.) Berna Celebi, Uwe Rohbeck, Caroline Hanke. Max renft, Alida Bohnen, Annou Reiners, rene und melody von aniYo kore sowie Tobias Hoeft. (Foto: © Anja Cord)
Verdienter Applaus für die Mitwirkenden von „Familien gegen Nazis“. (v.l.n.r.) Berna Celebi, Uwe Rohbeck, Caroline Hanke. Max renft, Alida Bohnen, Annou Reiners, rene und melody von aniYo kore sowie Tobias Hoeft. (Foto: © Anja Cord)

Das Spiel „Galgenmännchen“ stand Pate bei der nächsten Runde. Alle sind in Overalls gekleidet, auf denen Klettstreifen auf den Gliedmaßen angebracht sind. Für jede falsche Antwort wird ein schwarzes Band aufgeklebt. Assoziationen an den Judenstern könnten gewollt sein. Die willkürliche Bewertung der Antworten nimmt Moderatorin Brock vor, schnell ist klar dass sie Ramona nicht gewinnen lassen will. Brock schwingt eine neongelbe Schlinge als Drohung für die Verliererin.

In weiteren Spielszenen gerät die Familie immer wieder an ihre Grenzen. Zerstreitet sich in egoistischen Entscheidungen, zweifelt an sich, kämpft mit verschiedenen Wahrheiten und versucht trotz des Verwirrspiels und der zahlreichen Provokationen, die „richtigen“ Entscheidungen zu treffen und dabei die Familie nicht zu spalten.

Regisseurin Laura N. Junghanns inszenierte mit „Familien gegen Nazis“ ihre vierte Regiearbeit am Dortmunder Theater. Es ist die erste in ihrer Funktion als Leiterin des „Schauspielstudios am Theater Dortmund“ der Kunstuniversität Graz.

In einem Interview antwortet sie auf die Frage warum die Familie im Mittelpunkt des Stückes steht: Sich mit Familie zu beschäftigen, heißt immer auch sich mit dem biologischen und historischen Erbe zu befassen. Daher steht die Familie sinnbildhaft für die Verantwortung und vielleicht auch Last, die jede*r Einzelne in dieser Welt zu tragen hat.

Weitere Termine: 13. Oktober 18.30h, 27. Oktober, 18.30h, 2.November 20h und 27. November 20h. Mehr Informationen unter www.theaterdo.de

Grenzen der Toleranz und was kann politisches Theater bewirken

Im Studio des Schauspiel Dortmund befasst sich ab Sonntag, den 06.10.2019 (Uraufführung) um 18:00 Uhr das Stück „Familien gegen Nazis“ von Laurence Young unter der Regie von Laura N. Junghanns mit einem höchst aktuellem und brisanten Thema. Wie umgehen mit dem wachsenden und zunehmend aggressiver vorgehendem neuen Rechten.

Zum Stück:

Eine Familie, Vater, Stiefmutter und drei bereits erwachsene Kindern gibt alles im Kampf gegen Rechte und Rechtspopulisten. Im Rahmen einer Spielshow haben sie die einmalige Gelegenheit, die 1.000.000 Euro für einen humanitären Projekt ihrer Wahl zu gewinnen. Es steht ihnen die Konfrontation mit verschiedenen Spielen wie etwa „Wahrheit oder Pflicht“, Situationen und Statements bevor. Es geht um eigene Ängste, Verantwortung und einiges mehr. Sind ihre Taten tatsächlich von Bedeutung oder doch nur Gewissensberuhigung? „Die Familie kennt das Format, weiß aber nichts über genaue Inhalte“, verriet die Regisseurin Junghanns im Pressegespräch mit Ars tremonia.

Das Hauptthema hinter der Inszenierung ist der fehlende und notwendige Diskurs und konstruktive Kommunikation in eine gespaltenen Gesellschaft. Das gilt selbstverständlich auch für das Theater. Eine aktive Auseinandersetzung mit diesem Thema ohne erhobenen Zeigefinger ist eine wichtige Zielsetzung..

Die Familie ganz in Bonbon-Farben: (v.l.n.r.) Caroline Hanke, Uwe Rohbeck, Alida Bohnen, Lea Annou, Alida Bohnen, Lea Annou Reiners, Max Ranft und Berna Celebi. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Die Familie ganz in Bonbon-Farben: (v.l.n.r.) Caroline Hanke, Uwe Rohbeck, Alida Bohnen, Lea Annou, Alida Bohnen, Lea Annou Reiners, Max Ranft und Berna Celebi. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Die Texte (und Inszenierung) bewegen sich bewusst auf der Grenze des des Aushaltbaren und loten zudem die Frage aus: „Was darf man auf einer Bühne zeigen und wo liegen da die Grenzen?“

Atmosphärisch unterstützt wird die Vorstellung musikalisch live (auch mit eigens für die Produktion entwickelten Songs) vom Dortmunder Duo AniYo kore (Melody & Rene). Im letzten Jahr war das Duo schon bei „Orlando“ (ebenfalls Regie Laura N. Junghans) mit von der Partie.

Für Live-Video Animationen sorgt der im Schauspiel schon bekannte und erfahrene Tobias Hoeft.

„Es wird eine Bühnenshow geben, die neben dem, was das Publikum von einer solchen erwartet, auch Überraschungen bietet“, so Junghanns.

Die Aufführung dauert ungefähr 1 Stunde und 40 Minuten.

Für die Uraufführung am 06.10.2019 gibt es nur noch wenige Restkarten. Informationen und Karten zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.; 0231/ 50 27 222