Postapokalyptische Einsamkeit – György Kurtágs „Fin de Partie“

„Fin de Partie“ – Endspiel. Neben „Warten auf Godot“ wohl das bekannteste Werk von Samuel Beckett. Unvergessen ist auch die Inszenierung von Kay Voges im Dortmunder Schauspielhaus vor über zehn Jahren mit Frank Genser (Clov) und Uwe Schmieder (Hamm), die auf Tournee durch Europa ging.

Bei der Aufführung im Opernhaus Dortmund am 01. März 2024 handelte es sich um die szenische Deutsche Erstaufführung, beziehungsweise Zweit-Inszenierung der Oper des ungarisch-französischen Komponisten György Kurtág. Dabei vertonte Kurtág nicht den kompletten Text, sondern ausgewählte Szenen und Monologe.

Fin de Partie - (v.l.n.r.) Hamm (Frode Olsen), Clov (Morgan Moody) und Nagg Leonardo Cortellazzi (Foto: (c) Thomas M. Jauk)
Fin de Partie – (v.l.n.r.) Hamm (Frode Olsen), Clov (Morgan Moody) und Nagg Leonardo Cortellazzi (Foto: (c) Thomas M. Jauk)

„Fin de Partie“ schrieb Beckett in den 50er Jahren, als die beiden Großmächte USA und UdSSR mit Nuklearwaffen experimentierten. Ironischerweise ist die Gefahr eines Atomkrieges mit dem Ukraine-Krieg nicht geringer geworden, die Dystopie einer Welt, die durch Nuklearwaffen unbewohnbar wird, ist wieder in den Köpfen der Menschen gelangt.

Welche Art von Katastrophe die Menschheit fast vernichtet hat, lässt Becket offen. Hamm (Frode Olsen) ist einer der wenigen Überlebenden in seinem Haus am Meer. Er ist an einem Rollstuhl gefesselt und kann nicht mehr laufen. Sein Diener Clov (Morgan Moody) steht ihm zur Seite, sein Handicap ist, dass er nicht sitzen kann. Hamms Eltern Nell (Ruth Katharina Peeck) und Nagg (Leonardo Cortellazzi) haben keine Beine mehr und werden von Hamm wie Abfall behandelt. Obwohl sie voneinander abhängig sind, machen die Vier sich das Leben schwer. Selbst als Nell stirbt nimmt niemand Notiz. Später im Stück entlässt Hamm Clov, der letztendlich auch gehen will. Zurück bleibt Hamm, der sich seiner Einsamkeit bewusst wird.

Ein absurdes Theaterstück und ein zeitgenössischer Komponist: Wer Mozart-Arien erwartet oder wilde Handlungsstränge, der wird sicher enttäuscht sein, aber der Rest kann sich auf ein intensives Kammerspiel und ein Orchester, das kammmusikartig zusammenspielt, freuen. Denn Kurtág benutzt das große Orchester nicht für überladene Gesten, sondern lässt spannende Kombinationen erklingen, die zu dem Endzeit-Stück passen. Die Musik ist ein klanglicher Minimalismus, der aber in den Monologen manchmal von arien-haften Elementen durchbrochen wird.

So ein besonderes Stück verdient auch eine besondere Inszenierung. Regisseur Ingo Kerkhof lädt die BesucherInnen auf die Bühne. So sitzen alle fast direkt bei den SängerInnen und können beinahe den grünen Rasen betreten, der den Ort der Handlung begrenzt. Erst dahinter befindet sich hinter einem Gaze-Vorhang das Orchester unter der Leitung von Johannes Kalitzke.

Aber im Mittelpunkt stehen die SängerInnen, vor allem Frode Olsen und Morgan Moody, die als Hamm beziehungsweise Clov den größten Anteil haben. Olsen singt und spielt sehr eindringlich den Hausherrn im Rollstuhl, der letztlich erkennen muss, dass die alte hergebrachte Struktur gescheitert ist. Auch Moody spielt die Rolle des Clov, der gefangen ist zwischen Loyalität und Rebellion mit Bravour. Mit Frode Olsen und Leonardo Cortellazzi (Nagg) sind zwei Mitwirkende der Mailänder Uraufführung Teil der szenischen deutschen Erstaufführung an der Oper Dortmund.

„Fin de Partie“ von Kurtág kam nicht umsonst auf den vierten Platz der größten Werke der klassischen Musik des 21. Jahrhunderts bei einer Umfrage der britischen Zeitung „The Guardian“. Daher ist es (nicht nur) für Liebhaber klassischer zeitgenössischer Musik ein Muß.

Weitere Termine finden Sie unter: https://www.theaterdo.de/produktionen/detail/fin-de-partie/

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