Ars tremonia

Leben im Hannibal 2: Ausstellung von Latefa Wiersch im Kunstverein

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Die 1960er- und 1970er-Jahre waren geprägt von starkem Zuzug in die Städte und einem hohen Bedarf an günstigem Wohnraum. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, entstanden zahlreiche Hochhaussiedlungen, häufig in Form von Großwohnanlagen am Stadtrand. Eine dieser Anlagen war der Hannibal 2 in Dortmund-Dorstfeld.

Ein zentraler Gedanke beim Bau solcher Hochhaussiedlungen war, unterschiedliche soziale Schichten unter einem Dach oder in einer Nachbarschaft zu vereinen. Diese sogenannte „soziale Mischung“ sollte einerseits durch verschieden große Wohnungen gefördert werden, die sowohl für einkommensschwächere als auch für einkommensstärkere Haushalte erschwinglich waren. Andererseits sollten Gemeinschaftsräume, Kindergärten und Einkaufsmöglichkeiten die Begegnung zwischen den Bewohnern erleichtern. Doch gerade diese sozialen Treffpunkte fehlten beim Hannibal 2, da sie nie realisiert wurden.

Puppen, Popkultur und Zeitgeschichte

Die Künstlerin Latefa Wiersch verbrachte ihre Kinder- und Jugendjahre im Hannibal 2 und widmete ihm ihre Ausstellung „Hannibal“. Besucherinnen und Besucher erwartet ein beeindruckender Nachbau eines Teils der Hochhausfassade, fast im Maßstab 1:1. Der Raum ist jedoch gefüllt mit Puppen, die postmigrantische Identitäten darstellen. Diese Puppen wirken wie unheimliche Doppelgänger der Künstlerin und ihres sozialen Umfelds – Figuren, die bekannte Elemente der Popkultur mit Bezügen zur Zeitgeschichte verbinden.

Die drei Puppen stehen für die Dortmunder Girlsband "Tic tac Toe", die mit ihren Liedern auch feministische und antirassistische Themen behandelten.
Die drei Puppen von Latefa Wiersch stehen für die Dortmunder Girlgroup „Tic tac Toe“, die mit ihren Liedern auch feministische und antirassistische Themen behandelten.

Besonders eindrucksvoll ist der Nachbau eines Kinderzimmers. Hier sind als Puppen die Mitglieder der Girlgroup „Tic Tac Toe“ zu sehen. Als Kind der 1980er- und 1990er-Jahre – Latefa Wiersch wurde 1982 geboren – war die Dortmunder Band für sie ein prägendes Thema. Auch der mediale Zusammenbruch der Gruppe im Jahr 1997 bleibt unvergessen.

Der Hannibal 2 erlebte ein ähnlich dramatisches Ende. 2017 mussten die Bewohnerinnen und Bewohner ihre Wohnungen wegen Mängeln im Brandschutz innerhalb einer Stunde verlassen. Nach langen Debatten durften einige von ihnen nur kurzzeitig zurückkehren.

Begleitprogramm zur Ausstellung

Parallel zur Ausstellung bietet ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm weitere Einblicke:

  • DO, 23.01., 18 UHR
    Kuratorinnenführung
  • DO, 20.02., 19 UHR
    Filmabend #26: Viola Shafik – Ali im Paradies (My Name Is Not Ali)
  • SA, 22.03., 14–16 UHR
    Erzählspaziergang
  • SA, 12.04., 17 und 18 UHR
    Performance von Latefa Wiersch – Hannibal

Latefa Wiersch – Hannibal

  1. Januar – 13. April 2025

Dortmunder Kunstverein
Rheinische Straße 1
44137 Dortmund