Eine Frau mit Stimme, ein Mann mit Bass und in der Mitte ihr Gast mit Gitarre. Imagine, was die drei auf der Bühne, den Brettern, die nach Shakespeare die Welt bedeuten, zaubern können.
Schon mit ihren ersten Tönen nehmen sie das erwartungsvolle Publikum gefangen. Leise, aber innig singt Nina Dahlmann „Imagine“. Weitere Ohrwürmer folgen in ihrer ganz eigenen Art. „Summertime“ kehrt in das Wohnzimmer im Piepenstock ein, während draußen Nieselwetter herrscht. Aber das bleibt vor der Tür. Innen begleiten Jens Pollheide am Bass und Reynier Mariño das Publikum bis zum Mond und zurück („Fly Me to the Moon“). Die drei gehen immer wieder eigene Wege mit virtuosen Improvisationen, voller sicht- und hörbarer Spielfreude.
Ein Abend voller Virtuosität und Leidenschaft
Reynier Mariño, gebürtiger Kubaner, verleiht dem Abend eine besondere Note mit spanischen und kubanischen Klängen. In seinen Improvisationen mischen sich Flamenco-Elemente mit der Vielfalt seiner musikalischen Herkunft. Nach diesen, vom Publikum mit Zwischenapplaus gewürdigten Ausflügen, kehren die drei Musikerinnen und Musiker zurück zu ihrer Sängerin, um gemeinsam im „Hotel California“ einzuchecken. Der musikalische Himmel wird mit „Sunny“, dessen Text spanische Strophen erhält, weiter bereist. „Cielo“ – Himmel oder auch Schatz – schwingt in den Melodien mit.

Seit etwa einem Jahr spielen die drei Künstlerinnen und Künstler hin und wieder zusammen. Und dieser Abend hätte für viele sicher gern noch länger mit allen dreien weitergehen können. Doch nach diesem ersten Teil verabschieden sich Nina Dahlmann, die unter anderem an der Folkwang Universität und bei renommierten Größen des Jazz studierte, sowie Jens Pollheide, ein namhafter Vertreter der Weltmusikszene, der sich nach diesem Auftritt noch zu einem weiteren Konzert aufmacht.
Die Bühne gehört nun Reynier Mariño allein. Und er füllt sie mit seiner Musik, seiner Energie und seiner Leidenschaft. Flamenco real, kein touristischer Flamenco, erklingt in Klassikern und Eigenkompositionen. Mit Tempo, Witz, Virtuosität und vollem Körpereinsatz nimmt Mariño das Publikum mit. Seine langen Haare fliegen, die Finger gleiten rasant über die Saiten, und das Mikrofon bleibt nicht immer an seinem Platz. Zwischendurch wird die Gitarre zum Rhythmusinstrument, und Mariño zeigt, was alles möglich ist mit Holz und Metall auf einer kleinen Bühne.
Immer wieder erzählt er Geschichten aus seinem Leben und seiner Musik. Er spricht von seiner Leidenschaft fürs Unterrichten, dafür, dass der Flamenco in seiner ursprünglichen und kubanischen Form weiterlebt. Ein Musikstück, das er für seine Schülerinnen und Schüler geschrieben hat, wurde inzwischen zur Musik einer Netflix-Serie. In Kuba läuft derzeit ein Dokumentarfilm über diesen Meister der Gitarre.
Mariño lebt in Kuba und auf den Kanaren, spielt in der halben Welt und mit der halben Welt, darunter auch die Rolling Stones, Keith Richards eingeschlossen. Die beiden lernten sich auf Kuba kennen und musizierten dort zusammen. Obwohl Mariño hoffte, es bleibe bei einem Song – mehr Rocksongs kenne er nicht –, fanden sie offenbar noch weitere Stücke, die sie gemeinsam spielen konnten.
An diesem Abend gibt Reynier Mariño zwei Zugaben, bevor er die Bühne verlässt. Zeit für Smalltalk mit dem Publikum und eine Zigarette bleibt dennoch. Auf dem Heimweg hallt seine Musik bei vielen sicherlich noch lange nach. Imagine.
Wohnzimmer im Piepenstock
Adresse:
Schildstr. 1
44263 Dortmund-Hörde
Programm:
Aktuelle Termine unter marco-jorge-rudolph.de und auf Facebook. Gastgeber Marco Jorge Rudolph, Schauspieler, Sänger und Kulturwirt, sorgt für eine einzigartige Atmosphäre. Zu den Konzerten, die in der Regel freitags und samstags stattfinden, gibt es eine kleine Speisekarte sowie Getränke gegen Entgelt. Gespielt wird auf Hutbasis.
Der Donnerstagabend war ein relativ spontanes Zusatzkonzert, das trotz fehlender Ankündigung rappelvoll war. Es lohnt sich also, auf kurzfristige Hinweise zu achten!
Musik von Reynier Marino auch auf Youtube.