Archiv der Kategorie: Frauenfilmfestival

Beziehungskomödie „all-inklusive“

Einen Beitrag für mehr Toleranz und Offenheit lieferte die Regisseurin Jasmilla Žbanić mit ihrer Komödie „Love Island“ mit ihren Beitragsfilm für den Regiewettbewerb beim Internationalem Frauenfestival 2015.

Grebo (Ermin Bravo) und seine hochschwangere Frau Liliane (Ariane Labed) verbringen ihren Urlaub. Die Idylle wird jedoch gestört, als die verführerische Flora (Ada Condeescu) auftaucht. Grebo fühlt sich zu der attraktiven Tauchlehrerin sofort hingezogen, doch Liliane hat selbst ein Geheimnis, das mit Flora zu tun hat…

Sonne, Sand und Meer. Aus einem Urlaubstrip entwickelt Žbanić eine bunter Beziehungskomödie mit einem durchaus ernstem Hintergrund. Denn Liliane und Flora hatten früher eine Liebesbeziehung. Die Gefühle aller Beteiligten geraten völlig durcheinander. Kombiniert wird dieser Film durch Musik und Tanz, das man in manchen Momenten das Gefühl hat, man sei in einem Bollywood-Film. Žbanić vertraut wie der polnische Beitrag „Body“ auf eine Anzahl skurriler Gäste auf der Ferieninsel. Beispielsweise Francis „Django“ Nero als italienischen Marquis Polesini.

Die Situation auf dem Balkan ist für Homosexuelle noch immer schwierig, mit der leichten Sommerkomödie bricht Žbanić eine Lanze für homosexuelle Menschen und für Toleranz in einer offenen Gesellschaft.

Mutter-Sohn Konflikt in einer Macho-Kultur

Im Spielfilm „Pelo Malo (Bad Hair)“ aus dem Jahr 2013, eine Koproduktion von Venezuela, Peru, Argentinien und Deutschland, gibt die Regisseurin Mariana Rondón Einblicke in eine noch stark von „Machismo“ geprägten geprägten südamerikanischen Gesellschaft in Venezuelas Hauptstadt Caracas. Die Zuschauer erleben ein von Homophobie, Gewalt und Armut bestimmtes Umfeld einer riesigen Plattenbausiedlung.

Die arbeitslos gewordene Marta (Samantha Castillo) lebt mit ihren beiden Söhnen unter beengten Verhältnissen in einer ärmlichen Plattenbausiedlung in Caracas und schlägt sich mühsam durch das Leben. Während ihre Beziehung zu ihrem Baby liebevoll und unkompliziert ist, schafft sie es nicht, sich verständnisvoll mit dem neun Jahre alten Junior (Samuel Lange) auseinander zu setzten.

Der spielt nicht wie die „richtigen Jungen“ Fußball, sondern träumt von glatten Haaren für ein Schülerjahrbuch und einer Karriere als Popstar, wie er es im Fernsehen auf dem Bildschirm täglich zu sehen bekommt. Seine Mutter reagiert zunehmend aggressiv auf seine Vorliebe für das Tanzen und singen. Ihre große Angst ist, dass ihr Sohn, der nur auf der Identitätssuche ist, schwul sein könnte. Wie weit sie geht zeigt sich, dass sie sogar vor den Augen ihres Sohnes mit ihrem ehemaligen Chef schläft, um ihn auf einen“normalen Weg“ zu bringen und sich ihre Arbeit wieder zu sichern. Je mehr Junior verzweifelt um die Liebe und Beachtung seiner Mutter kämpft, desto härter behandelt sie ihn und versucht am Ende, seinen Willen zu brechen.

Die schauspielerische Leistung, vor allem auch des Jungen ist beeindruckend. Leider ist der Film nicht ganz frei von einigen Längen. Der Film kritisiert neben der Homophobie auch den Schönheitswahn der venezolanischen Gesellschaft. Während sich anderswo Menschen für teures Geld extra eine Dauerwelle machen lassen, damit sie „krause Haare“ bekommen, ist Junior mit seiner Haarpracht unglücklich.

Geisterfilm ohne Geister

Schon vor zwei Jahren hat die polnische Regisseurin Małgorzata Szumowska mit dem Film „In the name of…“ den Regiepreis des Internationalen Frauenfilmfestivals gewonnen. 2015 nimmt sie mit der schwarzen Komödie „Body“ teil und zeigt, dass Filme mit herrlich skurrilen Personen nicht nur aus Frankreich kommen.

Die Geschichte von Body: Ein (namenloser) Staatsanwalt, der überwiegend bei Todesfällen zum Tatort gerufen wird, hat Probleme mit seiner magersüchtigen Tochter Olga. Olga trauert um ihre Mutter und ist in einer Therapie bei der Psychologin Anna, die selber Probleme hat. Seit ihr Kind verstorben ist, glaubt sie Kontakt zu Geistern zu haben und fungiert als Medium.

Bitterböse, skurill und dennoch liebevoll. Wie geht das zusammen? Szumowska lässt sich viel Zeit, die besonderen Charaktere vorzustellen, aber ohne sie vorzuführen. Janusz Gajos spielt Olgas Vater mit sehr viel trockenem Humor. Sehr schön sichtbar, als er (vergeblich) versucht, bei Annas Séance ernst zu bleiben. Auch Anna (Maja Ostaszewska) ist sehr skurril. Sie wirkt sehr verhuscht und hat sich in ein Leben mit ihrem riesigen Hund zurückgezogen. Justyna Suwała spielt ebenfalls sehr beeindruckend die magersüchtige Tochter Olga.

Auch wenn in dem Film Türen knarren und plötzlich die Musik angeht, der Film ist kein Gruselfilm, sondern eine Vater-Tochter-Geschichte. Denn beide trauern. Der eine um seine Frau, die andere um ihre Mutter. Aber beide auf unterschiedlichem Wege. Während Olga mit Magersucht reagiert, versucht ihr Vater seine Trauer mit Alkohol zu bekämpfen. Erst der völlig misslungene Versuch, den Geist der Mutter/Ehefrau zu beschwören, zeigt Vater und Tochter, dass sie eine gemeinsame Basis haben.

„Body“ ist auf jeden Fall eines der Highlights beim diesjährigen Regiewettbewerb.

Leben in Zeiten der Revolution

In „Red Rose“, dem Beitragsfilm der iranischen Regisseurin Sepideh Farsi, verknüpft die Proteste gegen die Wahl im Iran 2009 mit einem Kammerspiel zwischen einer jungen Aktivistin und einem älteren desillusionierte Mann, der auf dem Weg ist, den Iran zu verlassen.
Die Figuren in Farsis Film bleiben meiner Meinung nach fremd. Sei es der ausreisewillige Herr Amini, der sich in seiner Wohnung, seiner inneren Emigration, zurück gezogen hat. Aber auch die junge Sara gibt Rätsel auf. Wieso schmeißt sie sich dem doppelt so alten Mann an den Hals? Aus Schutzbedürfnis oder aus Kalkül? Ist sie tatsächlich eine Aktivistin oder vielleicht sogar eine Spionin des Regimes? Trotz der Dramatik auf den Straßen von Teheran fließt der Film wie ein (zu) ruhiger Fluss dahin. Immerhin bekommt der Zuschauer einen kleinen Einblick in das Leben eines Mannes, der ein sehr stark westlich geprägtes Leben führt. Auch das ist eine wichtige Facette, die zeigt, dass der Iran und seine Menschen vielschichtiger sind als oberflächlich angenommen.
Die beiden Hauptdarsteller Javad Djavahery (Herr Amini) und Mina Kavani (Sara) machen ihre Arbeit ordentlich, können aber nicht wirklich Sympathien für ihre Figuren schaffen. Die Nebenfiguren wie beispielsweise Aminis Frau bleiben blass und ein mögliches Konfliktpotential zwischen Aminis Frau und Sara wird nicht weiter verfolgt.
Wer eine Dokumentation über die Proteste nach der iranischen Präsidentschaftswahl erwartet hatte, wird ebenfalls enttäuscht sein, nur kleine Nachrichtenhäppchen erzählen, was rund um die Wohnung von Herrn Amini passiert.

Auf der Suche nach Würde

Der kolumbianische Beitrag „Ella“ beim Regiewettbewerb des Internationalen Frauenfilmfestivals 2015 in Dortmund von Libia Stella Gómez zeigt ein ungeschminktes Bild der Welt in Bogota in Kolumbien. Beim Ansehen des Filmes wird einem deutlich, dass wir hier mit unserem Sozialsystem durchaus im Komfort leben, angesichts der Situation der Protagonisten. Das Baby hat Fieber und soll im Krankenhaus untersucht werden? Erst einmal 40.000 Pesos (etwa 15 €) auf den Tisch legen. Geld, das viele Arme nicht haben.

Im Film „Ella“ geht es um zwei alte Menschen Alcides und Georgina, die in einem Armenviertel in Bogota leben. Eines Tages stirbt Georgina und Alcides muss alleine zurechtkommen. Er will seiner toten Frau ein würdiges Begräbnis verschaffen, muss aber dafür lernen, sein eigenes Leben zu leben. Dabei hilft ihm die 12-jährige Guiselle, die von ihrem Vater misshandelt wird.

Gómez arbeitet mit schwarz-weiß Bildern, so dass der Film wirkt, als käme er aus den 50igern. Ein besonderes Verdienst der Regisseurin ist es, dass die Protagonisten ihre Würde behalten. Denn allzuleicht können Szenen wie der Transport der Leiche durch Alcides auf einem Karren ins Lächerliche abgleiten. Mit Humberto Arango hat Gómez auch eine gute Wahl getroffen, genauso wie die bezaubernde Deisy Marulanda als Guiselle.

Auf der anderen Seite zeigt Gómez ungeschminkt die Gewalt in ihrem Land. In Gegenden, wo ein Menschenleben nicht viel zählt, sind Ermordete keine Schlagzeile wert. Erschütternd die Szene, als eine Mutter ihren Sohn sucht und der Polizist ihr beiläufig sagt, schauen sie mal bei den gefundenen Leichen der vergangenen Nacht, ob er darunter ist.

Der ewige Kreislauf

Der zweite Beitrag im Rennen um den RWE Filmpreis war die japanische Produktion „Still The Water“ von der renommierten Regisseurin Naomi Kawase. Im Gegensatz zu „Eden“ ist „Still The Water“ ein poetisch-philosophischer ruhigerer Spielfilm um den Kreislauf von Leben, Tod und Energie. Wunderschöne Naturaufnahmen und eine sich Zeit nehmende Kameraführung mit sensiblen Nahaufnahmen kennzeichnen diesen Beitrag.

Die Story um den 16-jährige Kaito und seiner Freundin Kyoko, die auf einer Japanischen Insel leben. Kaito wohnt alleine bei seiner Mutter und kann seinen Vater nur ab und zu in Tokyo besuchen. Kyoko lebt dagegen in geordneten Verhältnissen bei ihren beiden Eltern. Ein Schock ist, das ihre Mutter, eine Schamanin, schwer krank ist und bald sterben muss. Für ihren Freud ist dagegen eine große Belastung, dass seine Mutter wechselnde Liebhaber hat. Eine wichtige Rolle für die beiden Jugendlichen, zwischen denen sich eine Liebesgeschichte entwickelt, spielt ein weiser alter Viehzüchter. Zimperlich ist die japanische Produktion nicht. So wird bereit am Anfang (und später noch einmal) in aller Ausführlichkeit das Töten und langsame Ausbluten einer weißen Ziege gezeigt. Nichts für empfindliche Gemüter. Untermalt wird die Geschichte von ruhiger, meditativer Musik.

Der Film gibt einen guten Einblick in die asiatische Mentalität und ist voller Symbolkraft.

Ein nachdenklicher Beitrag über das Leben, Vergänglichkeit und der bleibenden Energie.

Sex, Koks und Techno

Der erste Film, der in diesem Jahr ins Rennen um den mit 15.000 Euro dotierten RWE Filmpreis des Internationalen Frauenfilmfestivals in Dortmund ging, war eine französische Produktion aus dem Jahr 2014 der Regisseurin Mia Hansen-Løve. „Eden“ taucht ein in die Zeit Anfang der 90er Jahre, als die elektronische Musik in Frankreich einen ganz besonderen Boom erlebte.

Das junge DJ-Duo „Cheers“ mit Paul und sein Freund erlangen zunächst einige Erfolge mit ihren Auftritten. Es ist eine wilde Zeit mit Sex, Koks und Techno-Musik. Als Vorbilder dienen ihnen die zwei Freunde, die als „Daft Punk“ eine gewisse Berühmtheit erlangt haben. Der Weg führt bis nach New York. Im Laufe der nächsten Jahre gehen nicht nur Beziehungen in die Brüche, sondern die Einnahmen aus dem Musikgeschäft halten nicht mit dem aufwendigen und teuren Lebenswandel stand. Am Ende erkennt Paul spät, das er nicht nur pleite ist, sondern auch in einer Scheinwelt gelebt hat.

Ein großartiger Soundtrack zieht sich durch den gesamten Film und zieht den Zuhörer mit in die Zeit-Stimmung hinein. Getragen wird „Eden“ auch von dem natürlichen , offenen Spiel der Schauspieler, allen voran Félix de Givry (Paul) und Greta Gerwig (Louise).

Leider hat der Film mit seinen über zwei Stunden Dauer einige Längen (und vorhersehbare Wiederholungen). Ein wenig mehr Tiefgang wäre wünschenswert gewesen. Einige Szenen mit einer gewissen Situationskomik lockerten die Geschichte etwas auf.

Mit dem Film „Inside Llewyn Davis“der Coen-Brüder aus dem Jahr 2012 um den Folk-Musiker Llewyn Davis in den 60er Jahren kommt er sicherlich nicht heran. Trotzdem ist dieser Film ein beeindruckendes Zeitdokument der 90er Jahre.