Ars tremonia

Berauscht im Kulturtempel

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Filmkonzert Charlie Chaplin: Goldrausch

 

Das Licht geht an und man möchte das nicht. Nein, bitte kein Saallicht und bitte nicht hinaus ins Tageslicht. Dabei ist das Wetter draußen deutlich besser als im Film.
Eine lange Schlange von Goldsuchern kämpft sich Ende des neunzehnten Jahrhunderts durch Schnee und Sturm in Alaska. Wir sehen „Goldrausch“, der im Juni 1925 in Los Angeles uraufgeführt wurde. Von Charlie Chaplin, der sich ganz allein und munter in seinem Anzug mit Weste und mit der Melone auf dem Kopf als armer Glücksritter auf den Weg durch Berge voll Schnee macht. Am Bären vorbei, den er nicht sieht, denn wenn er sich umdreht, ist dieser gerade in der nächsten Höhle verschwunden. Erste Lacher im Publikum.
Slapstickszenen gibt es so einige im Film, die immer wieder für Erheiterungen sorgen, obwohl die Geschichte in weiten Teilen traurig ist. Der Glücksritter muss Schutz vor dem Sturm suchen und findet eine Hütte. Dort ist er zwar von dem steckbrieflich gesuchten Black Larsen schlecht gelitten, aber eine andere Möglichkeit bleibt nicht. Später stößt noch der glückliche Goldsucher Jim dazu, mit dem er im Verlauf der Geschichte noch einmal zurückkehrt. Die Hütte wird dann an den Abgrund geweht, was mit einem Haus auf der Kippe und zwei Akteuren wieder zu amüsanten Balanceeinlagen animiert.
Ganz wunderbar aber zum Beispiel die berühmte Szene, als das Essen ausgeht und letztlich ein Schuh gekocht, auf dem Teller seziert und verspeist wird. Bis ins kleinste Detail spannend gemacht. Aber auch das ungewöhnliche Essen hält nicht lange vor, der Sturm aber an. Halluzinationen und Verfolgungsjagden sorgen für Action.

"Goldrausch" von Charlie Chaplin im Konzerthaus musikalisch begleitet durch die Dortmunder Philharmoniker. (Foto: (C) Martina Bracke)
„Goldrausch“ von Charlie Chaplin im Konzerthaus musikalisch begleitet durch die Dortmunder Philharmoniker. (Foto: (C) Martina Bracke)


Und bei alledem wenig Zwischentexte, dafür umso mehr Musik, die auf den Gewehrschuss genau erklingt. Die Dortmunder Philharmoniker werden anders als bei konzertanten Aufführungen nicht angeschaut, aber ohne sie wäre das Vergnügen höchstens halb so groß. Es ist ein ganz anderes Erlebnis, in diesem Saal mit vollem Orchester die laufenden Bilder auf großer Leinwand mit einem begeisterten Publikum zu erleben, als vielleicht zu Hause am kleinen Bildschirm.
Der Film ist von 1925, die aktuelle Fassung von 1942, als Charlie Chaplin das Material noch einmal in die Hand nahm, neu schnitt, kürzte und mit einigen Zwischentexten versah. Dem Tonfilm, der zu der Zeit schon Standard war, zollte er allein durch die Filmmusik Tribut, die Max Terrer komponierte, der dafür eine Oscar-Nominierung erhielt.
Und das musikalische Repertoire reicht weiter von actiongeladenen Szenen, menschlichen Abgründen hin zu romantischen Anwandlungen, denn der Tramp, immer noch arm, verliebt sich in eine Animierdame in einer rauen Kneipe. Die Angebetete und andere machen sich lustig, doch er nimmt alles ernst und hat ein besonderes Silvester geplant. Natürlich bleibt er allein, schläft ein und erträumt sich die Feier einschließlich eines ebenfalls berühmten „Brötchentanzes“ – zwei Brötchen, aufgespießt mit Gabeln, tanzen in Chaplin-Manier.
Noch gibt es also kein Happy End. Da sind weitere Verwicklungen nötig, bis der Tramp am Schluss die Melone gegen einen Zylinder tauschen und vom Goldrausch endlich in einen Liebesrausch fallen kann.
Das Publikum, tatsächliche Fans outen sich mit entsprechenden Charlie-Chaplin-T-Shirts, applaudiert ausdauernd und dankt damit insbesondere den Philharmonikern für einen wunderbaren Abend. Anschließend schwebt das Publikum wie auf Wolken ins immer noch helle Tageslicht.

Mehr zu den Dortmunder Philharmonikern unter
www.theaterdo.de
www.konzerthaus-dortmund.de