Vom Ich zum Wir

„Wohin gehen schwarze Menschen, wenn sie sterben?“ Das Zitat aus dem Stück „Ewigkeit, Ende, und alles, was niemals begann“, der Gemeinschaftsarbeit von TA-NIA, ist eine der Fragen, die bei der Uraufführung des Stückes am 17. März 2023 im Studio gestellt wurden.

Erst einmal irritiert die Frage, denn was macht es für den Tod einen Unterschied, ob er schwarze, gelbe oder weiße Menschen ereilt? Doch die Glaubensvorstellung, was nach dem Tod passiert, variiert. Denn trotz Christianisierung oder Islamisierung ist der Glaube an den Ahnenkult in Afrika immer noch wach.  Der Ahnenkult spielt in vielen afrikanischen Kulturen eine wichtige Rolle und ist oft eng mit dem Glauben an eine spirituelle Welt und der Verehrung von Vorfahren verbunden. 

Dena Abay und Simon Olubowale vor einer Art "Thron". (Foto: (c) Birgit Hupfeld
Dena Abay und Simon Olubowale vor einer Art „Thron“. (Foto: (c) Birgit Hupfeld

Und „Ewigkeit, Ende, und alles, was niemals begann“ ist eine Art von Ritual, das die Transformation eines Menschen durch den Tod in eine Ahnin, in einen Ahnen. Ahnen, wie die Figur der Shi-Shi, werden als Vermittler zwischen der irdischen und der geistigen Welt angesehen, und es wird angenommen, dass sie weiterhin Einfluss auf das Leben ihrer Nachkommen haben können.

Nun gibt es den Ahnenkult nicht nur in Afrika, sondern auch in Asien. Beispielsweise im Schintoismus in Japan. Die Verehrung von Ahnen im Schintoismus beinhaltet oft die Errichtung von Schreinen oder Altären, an denen Ahnenbilder und -relikte aufbewahrt werden. Viele dieser Schreine und Altäre sind eng mit der Geschichte und Tradition der Familie oder Gemeinschaft verbunden, und es wird angenommen, dass sie als Vermittler zwischen den Ahnen und der irdischen Welt dienen.

Das Stück ist eine Form eines Rituals. Wir sehen eine Strohpuppe (die die Leiche symbolisiert und verbrannt wird), zwei Personen, Xo (Dena Abay) und Kofi (Simon Olubowale) halten Trauerreden und Gebete, aber der Frust über den Tod lässt sie verzweifeln. Sie wenden sich an die „Death Doula“ (eine Art Sterbebegleiterin) und Ahnin Shi-Shi, die ihnen erklärt, wie der Tod als Weg zu begreifen ist, um das Leben neu zu gestalten.

Das Stück besteht aus zwei Teilen, die durch eine Pause unterbrochen werden. In dieser Pause konnte man sich einen thematisch passenden Kurzfilm im ehemaligen Institut ansehen.

Insgesamt ist das Stück sehr physisch, viel Bewegung, aber – trotz des eher traurigen Themas „Tod“ – doch sehr vergnüglich. Vor allem, wenn Simon Olubowale als „Kofi“ mit dem Klettband ins Publikum geht und etwas absteckt. Gegen Ende des ersten und zweiten Teils wird das Stück etwas esoterisch, wenn kosmologische Begriffe wie „schwarzes Loch“ in den Ahnenglauben implementiert werden, doch das ist verzeihlich.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Gemeinschaft. In dem Kurzfilm „Alles, was niemals begann“ führt Shi-Shi (Ruby Commey) ein autogenes Training mit uns durch, mit der Botschaft „Aus Ich wird Wir. Ich fühle mich verbunden“. Dieses Denken in Gemeinschaft ist ein Element vieler Kulturen Afrikas. Im südlichen Afrika gibt es dafür den Begriff „Ubuntu“. Die Aufklärung in Europa stellte das Individuum in den Mittelpunkt des Denkens und lehnte die Idee ab, dass eine Person durch ihre soziale oder religiöse Herkunft oder ihre natürlichen Eigenschaften vorbestimmt sei. Dabei kann es passieren, dass ein übertriebenes Streben nach individueller Freiheit und Autonomie ohne Rücksicht auf andere zu egoistischen Verhalten („Ich, ich, ich“) führen kann. Ubuntu hingegen bezieht sich auch auf das Konzept der Verantwortung und des Mitgefühls in einer Gemeinschaft. Wenn jemand in einer Gemeinschaft leidet, betrifft dies alle Mitglieder der Gemeinschaft, und es wird erwartet, dass jeder sich um den betroffenen Menschen kümmert und ihm Hilfe anbietet.

Somit ist „Ewigkeit, Ende und alles, was niemals begann“, eine spannende Reise in die – sicher nicht nur – afrikanische Sichtweise von Leben und Tod. 

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