Verlorene Jugend – Die Bakchen im Schauspielhaus

Wenn es einen Verlierer in der Dauerkrise gibt, dann sind es die Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Neben Corona-Krise und Ukraine-Krieg existiert weiterhin der Klimawandel und seine Folgen. Gerade die Beschränkungen wegen Corona haben die Jugendlichen stark getroffen. Keine Partys, keine Diskothekenbesuche, Isolation statt mit Kommiliton*innen abhängen. Die Zäsur war gravierend. Und jetzt? In der Ukraine herrscht brutaler Krieg und täglich sterben Menschen, der Klimawandel zeigt immer schneller sein hässliches Gesicht, da bleibt nicht viel Fröhliches?

Das Dortmunder Schauspielhaus widmetet sich dieses Themas und brachte „Bakchen – Die verlorene Generation“ als erste Regiearbeit von Intendantin Julia Wissert in dieser Spielzeit auf die Bühne.

Die Geschichte von Euripides kurz erzählt: Dionysos, der Gott des Rausches, kehrt nach langer Zeit in seine Heimatstadt zurück, aus der er vertrieben wurde. Er sammelt eine Schar von Anhängern (im Original Frauen, in der Dortmunder Inszenierung Jugendliche) und zieht mit ihnen in die Berge. Hier können sie sich unter der Führung von König Pentheus‘ Tochter von den Widersprüchen der Gesellschaft befreien. Doch aus der Idylle wird eine Tragödie.

Julia Wissert inszeniert das Stück ganz im Einfluss von Dionysos. Es wird wild getanzt, rhythmische Bewegungen, stampfende Musik (live gespielt von Yotam Schlezinger), alles scheint in Bewegung. Logisch, dass sich die Tochter von König Pentheus (Valentina Schüler) den Angeboten von Dionysos (Antje Prust) nicht widersetzen kann. Denn ihr Vater (Adi Hrustemović) ist taub und blind für die Sorgen und Probleme seiner Tochter. Einzig Kadmos, (Alexander Darkow), der Vater von Pentheus scheint zu verstehen, was in den jungen Leuten vorgeht, was zu Konflikten mit seinem Sohn führt.

In „Bakchen“ sind neben Euripides noch weitere Texte eingeflossen. Erwähnenswert dabei sind Online-Tagebuchaufzeichnungen von nikxxo auf der Plattform wattpad.com, die von Depression und Suizidgedanken geprägt sind.  In den Texten wird die Unfähigkeit der Eltern deutlich, die ihre Kinder nicht wahrnehmen oder ernstnehmen.

Ein Wort noch zum gelungenen Bühnenbild von Nicole Marianne Wytyczak. Zeigte es zunächst nur ein halbversunkenes Auto entwickelte sich die Bühne später in einen Kontrast zwischen der jugendlichen Idealwelt mit Blumen und der kaputten und zerstörten Welt der Erwachsenen.

Neben den vier Schauspieler*innen gehört ein Lob auch den „Bakchen“: Es waren Physical Theatre Studierende der Folkwang Universität der Künste.

Fazit: Viel Musik, viel Bewegung. Julia Wissert hat den über 2000 Jahre alten Text kräftig entstaubt und ihm eine Erfrischungskur verpasst. Apropos verpassen: Dieses Stück auf keinen Fall.

Termine und Infos: www.theaterdo.de

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