Am 24. und 25. Oktober 2020 fand wieder das Hörder Sehfest statt. An 19 Orten wartete Kunst auf die Besuchenden, die sich vom Wetter und den Corona-Regeln nicht abhalten ließen. Eine Premiere gab es auch: ars tremonia besuchte am Sonntag zum ersten Mal das Hörder Sehfest und entdeckte eine Menge Kunst in Ateliers, Gärten und Hinterhöfen. Auf den weg machten sich Michael Lemken und Anja Cord.
Den Beginn machten wir bei Igor Jablunowskii. Er ist professioneller Auftragsmaler und verschönt aber auch Häuserfassaden. Ein eindrucksvolles Beispiel findet man in Huckarde in der sogenannten Eisheiligen-Siedlung. Seine realistischen Gemälde zeigt er auch noch in der Galerie in der Wißstraße. Sein dort ausgestelltes Bild von Greta Thunberg hat für einiges Aufsehen gesorgt.
Gleich daneben befindet sich das Atelier von Karla Christoph. Ihre ausgestellten Arbeiten entstehen ähnlich wie Graffito. Elemente werden am Computer entwickelt und in Schablonen umgewandelt, danach per Hand ausgeschnitten. Letztendlich mit Farbe besprüht. So entstehen eindrucksvolle Bildkompositionen.
Nicht weit weg lag der „Garten der Figuren“. Wie viele es genau sind, könnte die Künstlerin Stefanie Becker selbst nicht sagen. Die Figuren bestehen meist aus Messing oder Beton und bevölkern in unterschiedlicher Größe den Garten. Eine Besonderheit in ihrem Garten sind die Figuren der vier Affen, denn man kennt sie eigentlich nur zu dritt (Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen). Doch es gibt auch noch einen vierten: „Habe keinen Spaß“.
Die Beschränkungen durch Corona haben es leider verhindert, dass die bulgarische Künstlerin Genoveva Gencheva selbst vor Ort sein konnte. Dafür war aber ihre Kunst im Haus Rode zu sehen. Neben Ölbildern wurden auch Aquarelle und Tuschezeichnungen gezeigt. In ihren Arbeiten finden sich abstrakte wie gegenständliche Motive.
Fotografische Arbeiten zeigte Jonathan Zipfel. Seine Motive findet er nicht weit weg, denn die Bebauung rund um den Phoenix-See sind sein Thema. Die Entwicklung „bereitet mir Unbehagen“, so der Künstler. Darüber hinaus präsentierte er kleinformatige Fotos, auf denen er die Gegenständlichkeit durch Makroaufnahmen abstrahierte.
Michael Wienand versucht in seinen 3D-Bildobjekten das Lebensgefühl des Ruhrgebietes einzufangen. Denn für ihn besteht das Ruhrgebiet nicht nur aus Arbeit und Industrie. Im Mittelpunkt steht eher die Eckkneipe und der Kiosk. Beide Orte des Zusammenkommens sind stark gefährdet, nicht nur wegen Corona. Der gelernte Bühnenbauer erschafft aber auch vielschichtige Lebensräume wie beispielsweise ein Studentenzimmer mit einer Vielzahl an liebevollen Details.
Die grafischen Arbeiten von Rita-Maria Schwalgin passen sehr gut zu der ruhigen Ausstellung im „Wohnzimmer im Piepenstock“ und lassen mit der überwiegend Schwarz-Weiß-Kombination sehr eindrücklich die Folgen des Klimawandels erahnen. Gefällte Stämme, kahle Bäume stimmen den Betrachter nachdenklich. Nur ab und zu experimentiert Schwalgin mit Farbflächen. Das Besondere an den grafischen Arbeiten ist, dass sie aus Naturmaterialien geschaffen wurden.
Bunte Farbe in den grauen Corona-Alltag versucht Rüdiger Philipp zu bringen. In der Musikschule Crescendo zeigt er in seiner Reihe „pandemische Lichter“ bunte Aquarelle in leuchtenden Farben.
In den Ateliers an der Schildstraße gab es gleich drei Stationen zu bewundern. Neben den Arbeiten von Matthias Corta und Maureen Brauckmann zeigte der Airbrush-Künstler Thorsten Krüger, was mit der Sprühpistole alles möglich ist. Seine Arbeiten sind vielfältig, farbenfroh und zeugen von handwerklicher Finesse. Die Bildhauerin Christa Bremer beschäftigt sich in ihren Skulpturen mit dem menschlichen Körper, den sie auf die wesentlichen Merkmale reduziert. So entstehen eindrucksvolle Kunstwerke aus Bronze.
Auf unserer vorletzten Station erwartete uns erneut ein Dreierpack. Michael Schulz-Runge, Peka (Peter Krüger) und Susanne Matull zeigten ihre Arbeiten. Susanne Matull beschäftigt sich in ihren Werken oft mit dem Thema Tanz, daher verwendet sie Tüll, Bast und ähnliches, so dass ihre Bilder eine plastische Dimension entwickeln. Michael Schulze-Runge zeigte fotografische Makroaufnahmen von Graffiti und Peka präsentierte neben Porträts, Zeichnungen von Leseratten auch Arbeiten von Emscherlandschaften auf Furnierholz.
Den Abschluss machte ein Besuch beim Atelier von Marc Bühren. Er zeigte überwiegend filigrane Arbeiten, die er mit Hilfe von 3D-Druckern zu eindrucksvollen Gebilden zusammensetzt. So entstehen Objekte, die aus der Natur entlehnt sind, aber auch der Fantasie entspringen.
Wir möchten uns auf jeden Fall bei den Künstlerinnen und Künstlern um Verzeihung bitten, bei denen wir bei der knappen Zeit nicht vorbeischauen konnten. Wir hoffen, das beim nächsten Sehfest nachzuholen. Hoffentlich dann ohne Maske und ständiger Adressangabe.