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Opus Love – ein Musiktheater über die Liebe

Was haben Sarah Kane, André Gorz und Samuel Beckett gemeinsam? Ihre Texte stehen im Mittelpunkt des Musiktheaters von artscenico namens „Opus Love“, das am 16.10.2020 seine Premiere im Theater im Depot feiert.

In „Gier“ von Sarah Kane geht es unter anderem auch um eine eine Liebesbeziehung, die im Stück „Opus Love“ von Elisabeth Pleß vorgetragen wird. Der zweite Text von André Gorz ist „Brief an D. Geschichte einer Liebe“. Hier schreibt der Autor mit über 80 Jahren einen Liebesbrief an seine ebenso alte Frau. Kurze Zeit später nehmen sich beide das Leben. Der dritte Text von Beckett „Erste Liebe“ handelt von Einsamkeit und die Angst vor Gefühlen.

Mit dabei ist die Schauspielerin Elisabeth Pleß, die bereits in vielen artscenico-Produktionen mitspielte und Sascha von Zambelly. Ein Teil wird nicht vorgetragen, sondern sogar getanzt von Elisa Marschall.

Mit dabei ist auch Elisabeth Pleß, die als Performerin bei "Opus Love" Texte vorträgt. (Foto: © Guntram Walter)
Mit dabei ist auch Elisabeth Pleß, die als Performerin bei „Opus Love“ Texte vorträgt. (Foto: © Guntram Walter)

Wie es sich für ein Musiktheater gehört, gibt es auch Musik. Dafür hat sich Regisseur Rolf Dennemann die Unterstützung von Yoyo Röhm versichert, mit dem er bereits bei verschiedenen Produktionen zusammengearbeitet hat.

Röhm hat verschiedene Musiker für sein kleines kammermusikalisches Theaterorchester gefunden. Mit dabei ist der Schlagzeuger Achim Färber, Cellistin Marie Claire Schlameus und Andreas Dohrmann, der neben Klarinette auch Bassklarinette und Bassflöte spielt. Alle Musiker haben langjährige Erfahrung in unterschiedlichsten Bands und Theaterprojekten sammeln können. Zur Musik verriet Yoyo Röhm nur soviel: Es werden langsame und leise Töne angeschlagen. Die Musik sei eklektizistisch.

Allen Beteiligten ist anzumerken, dass es für sie ein Privileg ist, nach dem Lockdown wieder arbeiten zu dürfen. Die Zuschauer können sich also auf 70 Minuten Musiktheater im Theater im Depot freuen.

Aufführungen gibt es am 16. und am 17. Oktober jeweils um 20 Uhr. Infos zu Karten gibt es unter https://www.artscenico.de/blog/2020/07/29/opus-love/

Premiere von Blutmond unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Am Freitag, den 20.03.2020 um 20:00 Uhr sollte die Premiere „Blutmond“ (About fear and fun, love and loss) von artscenico e.V. im Dortmunder Theater im Depot unter der Regie von Rolf Dennemann „normal“ mit Publikum stattfinden. Der Coronavirus macht einen Strich durch die Rechnung.

Beim Pressegespräch verkündeten die Organisatoren nun, dass die Premiere wie geplant zum Termin unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt werden soll.

Vorgesehen sind eine Videoaufzeichnung und eventuell ein Streaming in den sozialen Medien.

Blutmond (Blue Moon) ist im englischen Sprachgebrauch die Bezeichnung für einen zweiten Vollmond innerhalb eines Monats im gregorianischen Kalender und ein seltenes Ereignis. Eine Metapher für Sehnsüchte. Die Performance spielt assoziativ mit den Themen Angst, Verlust, Unsicherheit aber auch mit Liebe und Spaß. Es geht um Transformationen, Träume und das Leben. Es sollen kleine Bilder im Kopf der Zuschauenden entstehen.

Mit "Blutmond" probiert artscenico andere Wege: Die Premiere wird gestreamt. gespannt sind (v.l.n.r.) Elisabeth Pleß (Performerin), Rolf Dennemann (arscenico), Regieassistentin Maya Porat und Joanna Stanecka (Performerin).
Mit „Blutmond“ probiert artscenico andere Wege: Die Premiere wird gestreamt. gespannt sind (v.l.n.r.) Elisabeth Pleß (Performerin), Rolf Dennemann (arscenico), Regieassistentin Maya Porat und Joanna Stanecka (Performerin).

Die „organisch surreal“ anmutenden Inszenierungen von artscenico passen gut in diese Zeit. Unsere Realität wirkt gerade jetzt surreal unwirklich. Die Inszenierung enthält Elemente aus Tanz, Performance, Video und Musik und fügt sie zu einem Gesamtkonzept zusammen.

Beteiligt sind drei Performerinnen (Elsa Marschall, Elisabeth Pleß, Joanna Scanecka) eine Live-Band (2 Gitarren, Kontrabass, Sängerin) mit Swing und Gypsy-Sol Musik (zum Beispiel „Fly me to the moon). Dazwischen wird es als Kontrast auch brachiale Musik und kurze Texte (etwa von Stanislaw Lem) eingebaut.

Zu spüren ist die Unsicherheit der Situation für alle Beteiligten. Genaue Planungen sind nicht möglich. Positiv ist das Gefühl des Zusammenhalts der Künstler*innen, sowie der Wille von allen, die Widrigkeiten zu meistern und ihre Arbeit zu einem guten Ende zu führen.

Achten Sie auf aktuelle Informationen in den (sozialen) Medien!

artscenico lud zum Meeting 2020

Traditionell lud „artscenico“ unter der Leitung von Rolf Dennemann und seine langjährigen Mitstreiter Matthias Hecht, Elisabeth Pleß, Thomas Kemper, Joanna Stanecka, Chino Monagas, Cynthia Scholz am 28.01.2020 zum diesjährigen Meeting in das Dortmunder Theater im Depot ein.

In diesem Jahr stand das besondere Treffen von Künstlern und Publikum unter dem Motto „Check dein Weltbild“. Sie positionieren sich damit deutlich gegen Hass, rechte Propaganda und Terror. Heimat ist hier kein Kampfbegriff.

Der Musik-Leistungskurs des Max-Planck-Gymnasiums überraschte das Publikum mit ihrer eigenen Interpretation von Franz Schuberts „Der Lindenbaum“ (Winterreisezyklus)

Es wurde in der Folge öfter nachdenklich und besinnlich. Rolf Dennemann las „Das Phänomen“ (1981) von Hanns Dieter Hüsch als eindrucksvolles Statement geben Ausgrenzung.

Wie gewohnt wurde zunächst auf die Produktionen des letzten Jahres wie die „Hinterhof-Trilogie in der Missundestraße (Raum vor Ort), „Choose your Granny“, „Silent City“ oder „Konstellation H2“ (ein Abend über Wohin und Hier) zurück geblickt. Johanna Stanecka und Thomas Kemper boten live eine Kostprobe aus „Konstellation H“.

Einen Ausblick auf die (sicherlich wieder humorvoll-skurrilen) Produktionen 2020 gab es natürlich auch. So kann sich das Publikum am 20./21. März diesen Jahres auf „Blutmond – About fear and fu, love and loss“ mit Live-Band freuen.

Ende Mai gibt es das Projekt „artscenico quasel 2020“ (moderierte Filmübersicht).

 Roman D. Metzner (Akkordeon) und der Countertenor Etienne Walch sorgten für ein musikalisches Highlight an dem Abend. (Foto: © Anja Cord)
Roman D. Metzner (Akkordeon) und der Countertenor Etienne Walch sorgten für ein musikalisches Highlight an dem Abend. (Foto: © Anja Cord)

Spannend wird die für den Oktober 2020 vorgesehenen Produktion „Peer Gynt“ (Henrik Ibsen). Sie wird „Open Air“ in einem Park aufgeführt werden. Musik spielte im weiteren Verlauf eine nicht unbedeutende Rolle.

Direkt vor der Pause gab es als Einspieler „Griechischer Wein“ (Udo Jürgens) mit Text auf der Leinwand. Der zweiten Teil der Performance an diesem Abend brachte mit dem ausgezeichneten Countertenor Etienne Walch, begleitet von Roman D. Metzner am Akkordeon ein großes musikalisches Highlight.

Das Trio Ansambal NAj mit der Sängerin Manuela Weichenrieder, Serge Corteyn (Gitarre, Elektronics) sowie Ludger Schmidt (Cello) sorgten mit ihren jazzig-jiddischen Liedern für Gänsehautmomente.

Eindringlich vorgetragen von Schauspielerin Elisabeth Pleß wurden Kurt Tucholskys bitteres und starkes politisches Gedicht „Rosen auf den Weg gestreut“.

Zum Abschluss gab es noch eine ironisch-witzige „Belobigung“ von artscenico für das ökologisch und politisch sicher vorbildliche Verhalten des Publikums.

Zu Besuch in der stillen Stadt

Nach Bochum kam die „Silent City“, die neue Produktion von artscenico, nach Dortmund ins Theater im Depot. Die Besucher hatten am 06. und 07. September die Gelegenheit, eine Tour durch die unterschiedlichen Ausformungen von Stille zu bekommen und unbekannte Orte des Depots in der nördlichen Innenstadt Dortmunds zu erkunden. Letztlich war nicht alle Still, denn Stille hat unterschiedliche Ausprägungen.

Zu Stille passte nicht eine große laute Menschenmenge, daher bildeten maximal sechs Personen eine Gruppe, die dank eines Führers durch die unterschiedlichen Räume und Situationen geleitet werden.

Der Barraum des Theaters war der Startpunkt und die Gruppen wurden stündlich durchgeführt. Im ersten Raum konnten wir eine Miniaturstadt bewundern, deren Häuser aus Zubehör für Modelleisenbahnen kamen. Stille war angesagt, ebenso wie beim Zeichner Joāo Garcia Miguel, dem unsere Gruppe schweigend bei seiner Arbeit zusah.

Durch einen der beiden regulären Eingänge des Theaters kamen wir zum „Labyrinth“ von Rita Costa. Wohl basierend auf einer Geschichte über eine unsichtbaren Stadt, dessen Bewohner ihre Beziehungen mit einem roten Faden markieren, bis es zu unübersichtlich wird und sie die Stadt verlassen.

Beeindruckend bei "Silent City" war unter anderem Chino Monegas als Indio-Schamane. (Foto: © Guntram Walter)
Beeindruckend bei „Silent City“ war unter anderem Chino Monegas als Indio-Schamane. (Foto: © Guntram Walter)

Auch die Künstlerin spann sich in einem roten Faden ein und befreite sich indem sie ihre Oberbekleidung auszog.

Danach ging es mit ungewöhnlichen Erfahrungen weiter, denn nicht die Lautlosigkeit stand im Mittelpunkt, sondern die Blindheit. Wie eine Gruppe Blinde im Mittelalter wurden wir vom Depot zum nebenliegenden Bunker geführt. Die Räumlichkeiten gehören sicher zu den eindrucksvollen orten. Die Sprüche, noch aus dem Zweiten Weltkrieg, lassen erahnen, welche Schrecken die Menschen damals in den Bombennächten erleiden mussten. Dazu passte die Performance „Burkas to the West“ (Rute Alegria). „Mein Blut ist kein Abfall“ stand auf Slipeinlagen und „Mein Körper ist rein“ war bei arabischer Musik zu lesen. Frauen, die ihre Tage haben, gelten in verschiedenen Religionen als „unrein“. Alegria präsentierte ein beeindruckendes Plädoyer gegen diese Missachtung von Frauen.

Nach einem weiteren Raum im Bunker kamen wir wieder ins Theater zurück und kamen zu einem raum mit einem Waschbecken in der Mitte. Dort spielte Elisabeth Pleß ihren Monolog „Gib’s auf!“ über eine Person, die langsam, aber sicher in den Wahnsinn zu driften scheint. Am Ende öffnete sie die Tür für die Performance von Roger Madueira „Not even in your mother womb“.

Die Reise in den gegenüberliegenden Gebäudeteil begann mit einer Tanzperformance von Greta Garcia und Laura Morales. Die beiden spanischsprachigen Künstlerinnen überzeugten nicht nur mit ihrer Darbietung, sondern auch durch ihre Mimik und ihren Gesang.

Nachdem wir einen Raum mit „toten Instrumenten“ durchquert haben. Gelangten wir an einen länglichen mit Brotkrumen bedeckten Tisch. Hier fand „Dinnervoice“ statt (Anna Hauke, Jose Francisco Veira). Viera sang zu einem Gedicht einer österreichischen Autorei mit einer selbsterarbeiteten Melodie, die an Kunstlieder von Schubert oder Brahms erinnerte.

Danach gelangten wir in den „Garten des emotionalen Gleichgewichts“. Hier begegneten wir Cynthia Scholz, Rodolfo und Salma Parra sowie Chino Monagas. In verschiedenen Rollen. Waren Rodolfo und Salma Parra die Hüter des Zen-Gartens und der rituellen Handwaschung, v erzauberten Cynthia Scholz als Voodoo-Priesterin und Chino Monegas als Indio-Schamane.

Der Abschluss war bedrückend. Beim „Bettsitzer“ (Hans Eckert, Jürgen Dilling) saß man einzeln am Bett eines Sterbenden. Eine sehr emotionale Begegnung mit dem Tod als „endgültige Stille“.

Insgesamt war die Tour durch die „stille Stadt“ eine beeindruckende Erfahrung. Vor allem die stillen Momente im Bunker waren teilweise sehr berührend und verstörend zugleich. Stille muss man aushalten können, jeder muss selbst nach dem eigenen „Sound of silence“ forschen.

Aber auch die Stationen mit „Ton“ waren beeindruckend. Es ist nahezu unmöglich, irgendjemand herauszuheben, da alle Künstlerinnen und Künstler wirklich klasse Leistungen gezeigt haben. Mir persönlich haben Rute Alegria im Bunker und Hans Eckert, Jürgen Dilling einen Tick besser gefallen, da es sehr emotional war. Die eine mit einem gesellschaftlichen Statement, die anderen mit der Begebung mit einem Sterbenden.

Kooperationsprojekt von artscenico zum Thema „Stille“

Die Welt um uns herum wird immer hektischer, lauter und schnelllebiger. Wenig Zeit und Muße zum Innehalten und sich auf die Stille mit all ihren erhellenden, anheimelnden oder manchmal auch bedrückend wirkenden Aspekten einzulassen und dann sie auszuhalten.

Mit einer neuen erweiterten Koproduktion „Silent City“ möchte artscenico unter künstlerischen Leitung von Rolf Dennemann, Hans Dreher (Prinz Regenten Theater) und João Garcia Miguel (Teatro Ibérico/Lissabon) mit einem internationalem Künstlerensemble die BesucherInnen auf eine Expeditionsreise durch inszenierte Räume (25 Stationen) in verschiedenen Versionen (Theater, Tanz, Installation, Projektion, Bilder) rund um das Theater im Depot führen. Das Projekt ist außerdem eine Kooperation mit „Parzelle im Depot“ und dem Depot e.V. Unterstützt wird „Silent City“ unter anderem vom Kulturverband Ruhr und NRW Kultur International.

Rolf Dennemann entführt uns mit artscenico in die "Stille Stadt" (Silent City).
Rolf Dennemann entführt uns mit artscenico in die „Stille Stadt“ (Silent City).

Nach Version I im Bochumer Prinz Regenten Theater, finden die Premieren der Version II im Dortmunder Depot am 06.09.2019 ( Freitag) und am 07.09.219 (Samstag) statt.

Wie Rolf Dennemann beim Pressegespräch verriet, gab es die Idee zum Projekt schon länger und sie bot sich als Kooperationsprojekt mit Gleichgesinnten an. Wichtig ist dabei eine intime Atmosphäre.

Nur für jeweils 6 Personen, jeweils zur vollen Stunde, ist der Zugang möglich.

Der Einlass ist stündlich ab 17:00 bis 21:00 Uhr.

Es wird der gesamte Gebäudekomplex (Depot) für eine Betrachtung des Themas „Stille“ in all seinen dramatischen Zuständen mit verschiedenen künstlerischen Mittel genutzt.

Die BesucherInnen treffen auf Schauspieler, Tänzer, Musiker und Performer, welche stille, theatrale Situationen herstellen, oder aber eine menschenleere Rauminstallation, die fremd gewordene Stille intensiv verkörpert. Die Spanne reicht von geschlossenen Geschichten mit einem Anfang und Ende, bis hin zu abstrakten sowie meditativen Bildern, Tanz oder kaum vernehmbare Musik.

Auf alle Fälle wird es ein individuelles, von jeder Person anders empfundenes Abenteuer für den, der sich darauf einlässt. Ausgangspunkt ist der der Eingangsbereich zum Theater im Depot (Bar).

Achtung: Eine Voranmeldung ist dringend notwendig!

Telefonisch unter 0231/ 9822336 (Anrufbeantworter) oder, per E-Mail: ticket@theaterimdepot.de

Vom Ghetto-Netto zum Vermieter-Gebieter

Der dritte Teil der Nordstadtsaga um den Hinterhof in der Missundestraße 10 trägt den schönen Titel „Soda und Gomera“. Nach „Juckpulver und Hagebuttentee“ (2018) und „Im Tal der fliegenden Messer“ (2017) geht es diesmal mit der Produktion von artscenico in die Zukunft. Hier ist die Nordstadt das hippe Viertel der Republik und die Mietwilligen stehen Schlange. Eine schwere Entscheidung für den Vermieter, der sich als König geriert. Zudem: The Return of the Omas. Ein Premierenbericht vom 13. Juni 2019.

Zurück in die Zukunft – wo andere einen Fluxkompensator brauchen, um in die Vergangenheit zu reisen, reichen Rolf Dennemann, der Kopf hinter artscenico, nur ein paar Papptafeln um von 2017 und 2018 in die Zukunft und wieder zurück zu reisen.

Die altbekannten Gesichter sind wieder dabei: Emmi (Elisabeth Pleß) ist die Frau vom Vermieter (Linus Ebner) und Walla (Thomas Kemper), der als Oma einen mobilen Kiosk mit dem schönen Namen „Wallahalla“ betreibt. Logischerweise gibt es dort Eierlikör in rauen Mengen.

Was tut man/frau nicht alles, um dem Vermieter zu gefallen und die Wohnung zu bekommen. (Foto: © Guntram Walter)
Was tut man/frau nicht alles, um dem Vermieter zu gefallen und die Wohnung zu bekommen. (Foto: © Guntram Walter)

Die Hauptgeschichte spielt im Jahre 2022: Der junge Hausbesitzer weiß nicht, an wen er eine seiner Wohnungen vermieten soll. Die Nordstadt ist so attraktiv geworden, dass die Kandidaten Schlange stehen und an einem „Mietmarathon“ teilnehmen müssen. Walla ist mit seinem mobilen Kietz-Kiosk unterwegs als er seinen alten Kumpel Kalla wiedertrifft, der jahrelang als Maskenverleiher auf Gomera sein karges Leben fristete.

Rolf Dennemann hat hier wieder das aktuelle Thema „Wohnungsnot“ in gewohnt skurril-amüsanter Form aufbereitet. Auch wenn die Nordstadt noch weit weg ist von der Gentrifizierung, in anderen Städten müssen die Mietkandidaten sich quasi nackt machen vor dem „Vermieter-Gebieter“. Schon die kleinste Verfehlung kann das Aus bedeuten. Schwierig ist es auch für einen unerfahrenen Vermieter, der das Haus vererbt bekommt, den oder die richtige Kandidatin zu finden. Es hat ja auch etwas mit Vertrauen zu tun, wem man seine Wohnung vermietet.

Wer es am Ende sein wird, verrate ich nicht, denn das können die Besucher am 21. und 22. Juni 2019 noch selbst herausfinden. Wer also etwas Abstand vom Kirchentag haben möchte und Lust hat sich intelligent und hintergründig zu unterhalten, der sollte gegen 19:30 Uhr nicht an der Missundestraße 10 vorbei gehen. 90 Minuten echte Nordstädter-Hinterhofatmospähre mit überdachter Tribüne.

Soda und Gomera – wenn die Nordstadt zum Hipsterviertel wird

Irgendwann in der Zukunft – also 2022 – verwandelt sich die Nordstadt in ein beliebtes Hipsterviertel, bei dem sogar der Prenzlauer Berg vor Neid erblasst. Das ist zumindest die Ausgangslage von „Soda und Gomera“, dem dritten Stück von Rolf Dennemann, dem Kopf von artscenico, das im Hinterhof der Missundestraße 10 stattfindet. Die Premiere ist am 13. Juni 2019.

Das Stück „Soda und Gomera“ ist im Prinzip der dritte Teil von „Tohuwabohu“ und „Juckpulver und Hagebuttentee“. Nicht nur der Ort ist derselbe, sondern auch die gleichen Hauptakteure machen wieder die Nordstadt unsicher.

Handlungsort: Hinterhof in der Dortmunder Nordstadt. Thema: „Wohnung zu vermieten“- die Reaktionen auf seine Anzeige stürzt den jungen Hausbesitzer in seiner Ambition, menschlich und „politisch korrekt“ zu handeln, geradewegs in die Abgründe seiner Vorurteile und zwingt zur Konfrontation mit sich selbst und der Frage nach Vertrauen. Die Nordstadt ist 2022 zum Hipsterviertel geworden und Menschen aus aller Welt wollen dort hinziehen. Er hat Wohnungen zu vermieten und es melden sich zahlreiche Interessenten mit unterschiedlichsten Hintergründen. Wem kann man vertrauen? Er ringt mit sich und seinen menschlichen Vorstellungen von Zusammenleben. Eine Stimme sagt ihm immer wieder „Achtung! Hier stimmt was nicht!“ Es entsteht Chaos und Verwirrung. Die Wohnungssuchenden werden mit Prüfungen konfrontiert und versuchen mit allen möglichen Tricks, den Zuschlag zu bekommen. Wie schwer wiegt hier Vertrauen und wie wird Vertrauen aufgebaut?

Probenfoto mit Thomas Kemper (Walla), Linus Ebner (Deniz) und Elisabeth Pleß (Emmi). (Foto: © Guntram Walter)
Probenfoto mit Thomas Kemper (Walla), Linus Ebner (Deniz) und Elisabeth Pleß (Emmi). (Foto: © Guntram Walter)

Dennemann hat also ein aktuelles Thema auf die Bühne bzw. den Hinterhof gebracht: Der alltägliche kampf um das Wohnen. Wen darf ich was vermieten und wie finde ich den richtigen Mieter? Es beginnt für jeden potentiellen Mieter ein „Miet-Marathon“ durch verschiedene Räume, bei dem bald alles aus dem Ruder läuft. „Das Wort Chaos wäre eine Untertreibung“, beschreibt Dennemann die Situationen.

Altbekannte Figuren wie Kalla und Walla treten wieder auf und es gibt Rückblicke auf die Vorgängerstücke. Mit dabei sind unter anderem Thomas Kemper, Matthias Hecht, Elisabeth Pleß, Linus Ebner, Asta Nechajute.

Sichern Sie sich Ihren Platz durch Voranmeldung, die Tickets liegen an an der Abendkasse:

orga@artscenico.de und telefonisch unter 0176 63826162

PREMIERE: DONNERSTAG, 13.Juni 2019, 19.30 Uhr

und 14.6., 21./22.6.

Dortmund – Nordstadt – Missundestraße 10 (Hinterhof)

Und 21./22.6. im Kulturprogramm des Ev. Kirchentages

Choose Your Granny – die assoziative Castingshow

Am 30. April 2019 feiert die nächste Produktion von artscenico Premiere im Theater im Depot: „Choose Your Granny“. Eine ganz besondere Castingshow, um die Wahl der „richtigen“ Großmutter. Dass bei Stücken von Mastermind Rolf Dennemann nicht alles glatt über die Bühne geht, sollte regelmäßigen Besuchern von artscenico Produktionen nicht überraschen.

Castingshows sind beliebt. „Deutschland sucht den Superstar“, „Germany‘s next Topmodel“ oder auch simpel „Der Bachelor“, überall wird der oder die ideale Kandidat(in) gesucht. Warum also nicht die ideale Großmutter? Die Zutaten für diesen Abend sind ein Alleinunterhalter (Guido Schlösser), ein junger Moderator (Rodolfo Parra) und einige Grannys, also Großmütter. Die Großmütter stellen sich vor und zeigen ihre Vorzüge. Doch auch Opas haben sich unter die Kandidatinnen gemischt.

Es wäre sicherlich ein langweiliger Abend, wenn nicht einiges aus dem Ruder laufen würde, verspricht Beate Conze, die Produktionsleiterin. Es passieren Sachen, mit denen man nicht rechnet. Daher ist das Stück nicht bis in alle Einzelheiten „durchkomponiert“, es ist eher ein optisches Konzert und bietet viel Platz für freie Assoziationen. Dennoch stehen die Figuren im Mittelpunkt und aus den assoziativen Texten entwickelt sich eine traurige Poesie,

Da hat der Moderator (Rodolfo Parra) aber noch viel Auswahl. Wer wird denn nun die Oma oder der Opa? (Foto: © Guntram Walter)
Da hat der Moderator (Rodolfo Parra) aber noch viel Auswahl. Wer wird denn nun die Oma oder der Opa? (Foto: © Guntram Walter)

Ebenso für artscenico typisch ist die Mischung zwischen Profischauspielern und Laiendarstellern. Mit an Bord ist die Familie um die venezolanische Schauspielerin Cynthia Scholz. Ihr Mann, ihr Sohn und ihre Tochter sind an dieser Produktion beteiligt. Ansonsten stehen Laiendarsteller auf der Bühne, die sich selbst präsentieren.

Das Stück ist sehr musikalisch, nicht nur durch das klassische Bild des Alleinunterhalters, der mit Samba und Schlagern für Stimmung sorgt, sondern auch die Omas selber präsentieren ihre musikalische Seite mit Saxophon oder Blockflöte. Selbstverständlich darf „Oma so lieb“ von Heintje nicht fehlen.

Wer jetzt denkt, die Idee mit der idealen Großmutter ist ja völlig aus der Luft gegriffen, in Dortmund existiert die Initiative „Dortmunder Wunschgroßeltern“. Hier werden Familien mit jungen Kindern und Seniorinnen und Senioren zusammengeführt, sodass vor allem die Kinder die Rolle des Opas oder der Oma kennenlernen können. Denn es kann durchaus passieren, dass die „echten“ Großeltern weiter weg wohnen und ihre Enkel nicht regelmäßig besuchen können. Die Organisatorin der „Wunschgroßeltern“ ist Rosemarie Sauer, die artscenico nicht nur beratend zur Seite stand, sondern auch ins Stück integriert wurde.

Omas und Opas werden übrigens immer noch händeringend gesucht. http://www.muetterzentrum-dortmund.de/Angebote-Projekte/Wunschgrosseltern/139631,1031,139581,-1.aspx

Neben der Premiere am 30. April 2019 um 20 Uhr gibt es weitere Vorstellungen am 01. Mai und AM 30. Juni 2019 jeweils um 18 Uhr im Theater im Depot statt.

Tickets gibt es unter ticket@theaterimdepot.de oder 0231/9822336 (AB).

Poetische Fotografien im Kunstraum

Vom 23. Februar bis zum 12. April 2019 zeigt der Kunstraum in Langen August an der Braunschweiger Straße Fotos von Guntram Walter und Rolf Dennemann unter dem Titel „Laue Luft kommt blau geflossen“.

Der Titel der Ausstellung stammt zwar aus einem Gedicht von Joseph von Eichendorff, doch die Fotografien, die beinahe jede Nische des Kunstraums ausfüllen, spiegeln die jüngeren Projekte von artscenico wider. Seit 2010 begleitet der Fotograf Guntram Walter artscenico und hält eindrucksvolle Impressionen der Inszenierungen fest. Dabei gehen die ausgewählten Fotografien über reine Erinnerungen und Dokumentation hinaus, daher sind sie auch nicht chronologisch aufgehängt. Für etwa 75 Prozent der Bilder ist Walter verantwortlich, die anderen 25 Prozent stammen von Dennemann.

Guntram Walter begleitet die artscenico-Produktionen schon seit 2010.
Guntram Walter begleitet die artscenico-Produktionen schon seit 2010.

Wer die Produktion von Rolf Dennemann, dem Kopf hinter artscenico verfolgt hat, wird häufig ein Dé­jà-vu-Er­leb­nis bekommen. Dennemann und Wagner haben sich bis auf eine Ausnahme auf „Outdoor-Produktionen“ konzentriert, daher sind beispielsweise Bilder aus Litauen, der Nordstadt („Juckpulver und Hagebuttentee“) oder dem Hauptfriedhof („Rehe auf der Lichtung“) zu sehen. Eine Ausnahme ich ein Foto aus der Inszenierung „50 Menschen“, die im Depot stattfand.

Die größte Schwierigkeit bestand sicherlich aus der Auswahl der etwa 5.000 bis 6.000 Fotos. „Das Problem war die Befangenheit vor dem eigenen Spiegel“, formulierte Dennemann das Dilemma. Fotos, die man vor Monaten noch toll fand, fielen plötzlich in der Gunst weit nach hinten. Doch ein Foto hat einen besonderen Platz. Es stammt aus der Produktion „Juckpulver und Hagebuttentee“ und die abgebildeten Personen schauen den eintretenden Besucher an.

Auch wenn es Bilder sind, die Aktionen „draußen“ zeigen, für die Ausstellung wurde ein intimer Raum gesucht, der nicht so flüchtig ist. Da bot sich der Kunstraum idealerweise an. Möglicherweise wird die Ausstellung auch nach Lissabon und/oder Kaunas wandern.

Passend zur Ausstellung gibt es noch ein kleines Rahmenprogramm. So werden Rolf Dennemann und Elisabeth Pleß eine kleine Lesung mit Musik unter dem Titel „Laute und leise Laute mit Gesicht“ geben. Sie findet am 06. April 2019 um 20 Uhr im Kunstraum statt.

Öffnungszeiten Kunstraum

Dienstag bis Freitag 15 bis 19 Uhr

www.langer-august.de

El ojo de Hamlet (Nirgendwo) – eindringliches Theater im Depot

Das Theater im Depot zeigte am Sonntag, den 25.11.2018 die zweite Premiere von Rolf Dennemanns artscenico zum Heimatbegriff, Heimatverlust sowie Flucht oder Verbannung unter dem Titel „El ojo de Hamlet – Nirgendwo“. Regisseurin des Stückes, Cynthia Scholz und der Schauspieler Chino Monagas als Auswanderer aus Venezuela, zeigten, was das bedeutet.

In ihrer Aufführung,zwischen analogem Schauspiel und moderner ironisch-deutlicher Videoprojektion, widmen sie sich teils in deutscher, teils in spanischer Sprache dem Thema Exil in Person des Prinzen Hamlet (Shakespeare) und in zusätzlicher Anlehnung an die „Hamletmaschine“ von Heiner Müller.

Hamlet steht sozusagen stellvertretend für alle Migranten und Flüchtlinge, die unter Schuldgefühlen gegenüber den in ihrer Heimat bleibenden Menschen, einen schwierigen Anpassungsprozess an eine fremde Kultur schaffen müssen. Ein schmerzvoller Prozess. Es bleibt die Hilflosigkeit, seine Wurzeln und Liebsten daheim verlassen zu haben. Die mussten bleiben und konnten nichts dagegen tun.

Symbolisch sitzt „Hamlet“ in einem selbst gebastelten Rollstuhl mit Holzlehne und Rollen von einem Einkaufswagen. In der Hand hält er eine Spieluhr, die eine träumerische Melodie spielt,

Schon zu Beginn fällt sinngemäß der enttäuschte Satz eines frustrierten Menschen: „Das Leben und die Geschichte folgen immer den gleichen Mechanismus. Alles wiederholt sich.“

In verschiedenen Episoden verdeutlichen die eindrucksvollen Videoprojektion die Problem der Migranten. Die analoge Welt verschmilzt mit der Projektion. Wenn etwa die Schauspielerin Cynthia Scholz als Ophelia verzweifelt in dem virtuellen Fluss scheinbar versinkt, oder als virtuelle Ophelia Hamlet Vorwürfe macht, sie verlassen und verraten zu haben.

Die Themen Heimat, Flucht und Zurücklassen wurden von Chino Monagas und Cynthia Scholz in Rahmen von Hamlet präsentiert. (Foto:   © Guntram Walter)
Die Themen Heimat, Flucht und Zurücklassen wurden von Chino Monagas und Cynthia Scholz in Rahmen von Hamlet präsentiert. (Foto: © Guntram Walter)

Der Übergang von der deutschen zur spanischen Sprache geht oft fließend und zeugt von der Zerrissenheit zwischen den Kulturen. Bilder und Gesten, sowie der Ausdruck der Sprache sorgten für Verständnis.

Gerade der deutliche Gegensatz von analoger, fast poetischer Welt und interessanter eindringlicher Bildsprache in Verbindung mit den starken Videoprojektionen machen den Reiz der Aufführung aus.

Die Verzweiflung der Zuflucht suchenden Menschen vor Verfolgung, Krieg und bitterer Armut oder anderen Bedrohungen, wird für das Publikum lebendig vor Augen geführt. Auch die Enttäuschung von den nicht eingehaltenen Versprechungen des „Sozialismus“, etwa in Venezuela, ist unüberhörbar.

Trotz eines gewissen Defätismus hören die Menschen nicht auf, wie im Stück gesagt wird, von einer „besseren Welt zu träumen.