Ars tremonia

Szenische Forschungsreisen

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Ein Ruhepol zwischen Trubel und Kunst

Am zweiten Tag der „Experimental Toppings“ fand parallel im Depot der Nachtflohmarkt statt. Während sich in der Haupthalle die Menschen eng an eng durch die Stände drängten, blieb das Theater im Depot eine Art kleiner Ruhepol – ein Ort für ungewöhnliche und intensive künstlerische Erlebnisse.

Den Auftakt machte Johanna Sowka mit ihrer Performance „time jockey“ im Studio 1. Wie lange dauert die Reise eines Regentropfens von der Wolke bis zum Boden? Oder die rote Ampelphase vor meiner Haustür? Sowka misst Zeit und setzt sprachliche Punkte, die durch entstehende Loops von einer Kakophonie zu einem Rhythmus werden.

Persönliche Begegnungen und historische Spurensuche

Danach folgte eine Vater-Tochter-Produktion mit dem Titel „SPF“. Eine ungewöhnliche, aber sehr aufwändig und gelungen inszenierte Performance. Alina Mathiak, Künstlerin, und ihr Vater, Ralf Mathiak, Chemielaborant, stellten die Frage: Wie können Kunst und Wissenschaft miteinander in Verbindung bleiben?

Alina benutzte ihr altes Labormikroskop, mit dem sie als Kind ihrem Vater nacheifern wollte. Im zweiten Teil leitete ihr Vater Ralf das Geschehen: Die Zuschauer:innen durften verschiedene Sonnencremes testen und bewerten. Schließlich kehrte die Performance zurück zu Alina, die trotz ihrer frühen Kontakte zur Lebenswelt ihres Vaters keinen nachhaltigen Zugang dazu fand, da ihr Interesse schon früh auf die Kunst gerichtet war. Eine stille Frage blieb am Ende: Wie wird sich die Beziehung zu ihrem Vater weiterentwickeln?

Der dritte Beitrag des Abends stammte von der südkoreanischen Künstlerin Hakyung Kang und führte die Zuschauer:innen nach Guryongpo, ihre Heimatstadt. Unter dem Titel „When Nine Dragons Ascended“ setzte sich die Performance mit den kolonialen Spuren auseinander, die das kaiserliche Japan dort hinterlassen hat.

Neben einer „Japanischen Straße“ mit traditioneller Architektur standen die „Haenyeo“ im Fokus – sogenannte Seefrauen, die einst von der Insel Jeju nach Guryongpo kamen und noch heute als Taucherinnen Meeresfrüchte ernten. Doch Klimawandel und Verschmutzung haben die Bedingungen drastisch verändert, sodass mittlerweile vor allem Seeigel gesammelt werden. Viele dieser Taucherinnen sind inzwischen über 70 Jahre alt, doch ihre Arbeit zeugt von ungebrochener Stärke und Resilienz.