Ars tremonia

SPOT ON, NRW! – Die Freie Szene Film Dortmund e.V. präsentiert ein Kaleidoskop lokaler Kurzfilme

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Am 02.04.2025 brachte das IFFF Dortmund+Köln mit der Sektion „Spot on, NRW!“ sechs Kurzfilme aus der Region auf die Leinwand. Nach der kürzlichen Gründung des Freie Szene Film Dortmund e.V. rückte der Verein die lokale Filmszene der Stadt in den Fokus und präsentierte ein Kurzfilmprogramm im Spannungsfeld zwischen der Suche nach Schutzräumen und dem Erobern neuer Orte. Mit dabei waren Filme von Nicola Gördes & Stella Rossié, Lilith Gosmann, schubert-stegemann & Mirella Drosten, Linda Verweyen, Gina Wenzel und Artiom Zavadovsky.
Unterschiedlichste Ästhetiken und Erzählweisen trafen in dem von Alissa Larkamp kuratierten Programm aufeinander. So vielfältig die Bildsprachen und Zugriffe auf Themen wie Liebe, Macht, Altern, Diversität und weitere waren, so kreisten alle Filme auf ihre Weise um Formen der Rebellion: ein widerständiger Akt, ein abweichendes Lebenskonzept, ein aufmüpfiges Gemälde oder ein ungehorsamer Gedanke.

Rebellion und Reflexion in sechs filmischen Perspektiven

Die Filme Female Walk und Letzte Nacht zeigen beide auf ihre Weise einen Horror des Sozialen. In Female Walk von Lilith Gosmann ist es eine groteske Tischgesellschaft, die in überspitzter Form patriarchale Typen und Verhaltensweisen abbildet. Unabhängig vom Geschlecht der Anwesenden werden an dieser Tafel patriarchale Gesten, Codes und Bewegungsmuster performt. Wie durch ein Vergrößerungsglas nimmt die Kamera diese Typen in den Blick und lässt die alptraumhafte Atmosphäre der geschlossenen Gesellschaft auf das Publikum wirken. Die Protagonistin versucht, diesem Horror zu entfliehen, begibt sich in einen Raum der inneren Reflexion und des individuellen Kampfes gegen die erlebten Zwänge und schafft es schließlich, sich zu ermächtigen.

Filmstill aus dem Film "Mutterstadt" von Mirella Drosten und schubert-stegemann .
Filmstill aus dem Film „Mutterstadt“ von Mirella Drosten und schubert-stegemann .

Ebenfalls im Setting einer geschlossenen Gesellschaft spielt die Kneipenszenerie in Die letzte Nacht von Nicola Gördes & Stella Rossié. Eine verbrauchte Gesellschaft aus gelangweilten, erschöpften, wütenden und einsamen Gestalten begegnet dem Publikum in einer Kamerafahrt durch die Ecken des Lokals. Unklar, ob es sich bei dieser Szenerie um Dystopie oder Realität, um Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft handelt, zeichnen Gördes und Rossié ein Bild einer absurden, abgekämpften und brutalen Welt, die schließlich in ihrer eigenen Dysfunktionalität zugrunde geht.

Der Kurzfilm Mutterstadt von Mirella Drosten und schubert-stegemann präsentiert den Dortmunder Stadtraum als Spiegel des weiblichen Körpers. Die Zuschauer:innen erleben ein Changieren zwischen Bewusstseinsstrom – in dem die Erzählerin durch die Straßen der Stadt sowie durch Erinnerungen vergangener Zeiten wandelt – und surrealem Traum, der zwei gealterte Frauen bei einem morbiden Kaffeekränzchen zeigt. Im Prozess des Alterns, des Verfalls, aber auch der Veränderung treffen sich Materialitäten wie Haut, Stahl, Stein, Staub und Fleisch. Sie transformieren sich, bekommen Risse und Falten und werden zum Archiv der Erinnerung des Eigenen sowie des Kollektiven. Verzerrte Bilder des Stadtraums treffen auf traumartige Sequenzen, in denen Körper, Zeit, Materie und Erinnerung verschmelzen und das Bekannte bis zur Unkenntlichkeit zerrinnt.

Gina Wenzel fächert in Mosaik einen Blick auf eine diverse und multikulturelle Stadtgesellschaft auf. Sie wirft Schlaglichter auf persönliche Geschichten, Gewohnheiten und Leidenschaften der Bewohner:innen der Stadt Dortmund und untermalt die poetischen Narrative durch charakteristische Bilder des öffentlichen Raums. Ein Blick auf erleuchtete Fenster in der Fassade eines Wohnblocks bei Nacht wird zum Sinnbild der individuellen Vielfalt im kollektiven Ganzen.

Linda Verweyen erzählt dem Publikum in LOVE, AGE, POWER unaufgeregt und doch feinfühlig die Liebesgeschichte von Dagmar und Patrick. So gewöhnlich wie die interracial Beziehung der beiden ist, berichten sie von alltäglichen Herausforderungen, Erfahrungen und der Kraft ihrer Verbindung. Begleitet von Bildern der Leichtigkeit und Weite, gibt Verweyen der Selbstverständlichkeit dieser Beziehung Raum und schenkt dem Publikum einen Moment der Hoffnung.

In Confessions of Pia Antonia rückt Artiom Zavadovsky die mittelalte Pia und ihre Kunst in den Fokus. Er besucht die zurückgezogene Dame in ihrem Zuhause inmitten eines kleinbürgerlichen Wohnviertels und lässt sie über einschneidende Erlebnisse und ihr Selbstverständnis des Lebens erzählen. Währenddessen nimmt die Kamera liebevoll ihre Gemälde in den Blick, die voller Rebellion, Provokation und Kraft strotzen und Pias tiefgehende Reflexion der Gesellschaft widerspiegeln. Dieses intime Porträt macht Pia und ihre hinter den Mauern der Spießbürgerlichkeit verborgene Kunst sichtbar.