Peer Gynt – auf der Suche nach dem Glück

Ein dramatisches Gedicht von Henrik Ibsen mutierte zu einem Ballett, choreographiert von Edward Clug, mit der Musik von Edvard Grieg

Ein Ballettabend auf Weltniveau mit einem phänomenalen Ballettensemble und Standing Ovations. Ein Premierenbericht vom 04. Februar 2023 aus dem Opernhaus Dortmund.

Weil es nordisch war, liebten die Nazis Peer Gynt und machten, weil sie nichts verstanden in ihrem toxischen Männlichkeitswahn, einen Heroen aus einem narzisstischen und zuweilen machiavellistischen Peer Gynt, der am Ende auch noch scheitert an seinen Träumen und skrupellosen Geschäften.

Endlich vereint? Javier Cacheiro Alemán (Peer Gynt) und Daria Suzi (Solveig). (Foto: (c) Leszek Januszewski)
Endlich vereint? Javier Cacheiro Alemán (Peer Gynt) und Daria Suzi (Solveig). (Foto: (c) Leszek Januszewski)

Peer ist ein Prahlhans, Lügner, Tunichtgut und eigentlich ein Muttersöhnchen, das sich artig den Hosenboden von Ase, von Guilia Gemme Manfrotto als Frau des 19.Jh. zurückhaltend dargestellt, versohlen lässt. Ein krasser Gegensatz zu dem toxischen Männerbild des 19.Jahrhundert, dass bis heute nachwirkt und gerade tödlich, dank eines fest im 19.Jahrhundert verankerten Diktators in der Ukraine ausgetobt wird. Javier Cacheiro Alemán tanzt diesen zwiespältigen und fragwürdigen Charakter des Stückes hervorragend. Wie auch das gesamte Ensemble das dramatische Gedicht für den Zuschauer nachvollziehbar, auch ohne Kenntnisse des Textes, tanzend erzählt.

Peer versucht mit aller Gewalt das, dank seines Vaters, verarmte Leben, das er mit seiner Mutter führt, zuerst noch zu kompensieren, jemand zu sein … auch durch einen „Brautdiebstahl“, der fast tödlich hätte enden können, wenn der Tod, getanzt von Guillem Rojo, nicht eingegriffen hätte. Er begegnet der Grüngekleideten, Isabelle Maia, Tochter des Trollkönigs, mit der er ein Kind zeugt, es aber wie zu oft, nicht nur vor unserer Zeit. nicht anerkennt … Er wird von den Trollen gejagt und wieder vom Tod „gerettet“.

Solveig, getanzt von Daria Suzi. ist sie real, oder ist doch eher ein Mythos, das Traumbild des toxischen Herren der Geschichte? Verfängt sich in dem Gespinst von Peer, nachdem der sein Interesse an Ingrid, Paulina Bidzińiska, der gestohlenen Braut, schnell verliert. Auch das ein Symbol für die Machtvorstellungen des Mannes des 19.Jahrhundert und leider ein Paschaverhalten, das heute noch allzu fröhliche Urstände feiert.

Der 2. Akt beginnt musikalisch mit dem bekanntesten Stück aus der Musik Peer Gynt von Edvard Grieg. Peer geht in die Welt, und hier zeigt er sich wieder von seiner durch die Dark Triade befallenen Seite … Solveig zahlt seinen Weltbummel. Der Groschen fällt laut in den Kasten, fast wie der des Ablasshändlers, und Peer gleitet unter dem Gelächter des Publikums in einem Kinderkarussel-Flugzeug in die weite Welt hinaus … und Solveig wartet, ganz artige Frau des 19.Jh, zu Hause.

Peer ist nun im Orient erlebt Peer Reichtum, und wird fingerschnipsend eklig. Nein, nicht Geld verdirbt den Charakter … entweder man hat einen schlechten vorn herein oder einfach kein soziales Koordinatennetz. Amitra, verführerisch getanzt von Giuditta Vitiello, stielt das Vermögen von Peer, der in nun am Tiefpunkt seines Lebens ankommt, in einer Irrenanstalt in Kairo.

Der immerwährende und nagende Wunsch von Peer eine anderer zu sein, als der, der er ist, Sohn eines Bankrotteurs, hat ihn fast um den Verstand gebracht … und wird von den Mitinsassen der Anstalt Malträtiert. Währenddessen medikamentiert Dr. Begriffenfeld, Filip Kvačák, Peer bis er schlussendlich von den Mitpatienten zum König der Anstalt gekrönt wird. Er kann sich nur mit Mühe, sehr schön von Edward Clug choreographiert und Javier Cacheiro Alemán dargestellt, von dieser Krone befreien, gleichsam als er Peer sich nun seiner Wahrheit stellen könnte, oder kann. Die Bilder seiner Vergangenheit gleiten auf der Bühne an ihm vorbei, der Brautraub, die Hochzeitsfeier, die er störte, die Grüne mit seinem Kind, die Trolle … sein Gewissen richtet Peer, was ihn zu Solveig führt, die wartend auf ihn gealtert ist wie er.

Peer erkennt endlich, dass er auf seiner Jagd nach einem anderen Selbst und Leben, seines vergeudet hat, und die, die eigentlich wichtig waren auf seiner rastlosen Flucht und Suche weggeworfen hatte. Die Dinge, die im Leben wirklich zählen … Solveigs Liebe, In ihren Armen findet er endlich seinen Frieden.

Aber ist Solveig nicht zu sehr als archetypisches Weibchen am Herd bei Ibsen angelegt, als Kritik an der Rechtlosigkeit der Frauen im Allgemeinen? Solveig als verzerrtes Traumbild der 19.Jahrhunderts toxischen Männekens, wie meine Grandmère, trotz Jahrgang 1899, emanzipierter als manche Frau von heute, zu toxischen Männern sagte.

Was fanden die Nazis an Peer? Der doch so gar nicht ihrem Zerrbild von Mann entspricht, auch 1867 von Ibsen als Kontrapunkt zu dem Viktorianischen toxischen Model als Kontrast angelegt … Gerade jetzt hat sich eine Partei etabliert mit genau dem alten abgehalfterten Männekensbild, dass wir überwunden glaubten.

Das Dortmunder Publikum war in jedem Fall aber von der Aufführung zu Standing Ovations begeistert und klatschte sich die ganze schlechte Luft aus den Rängen auf die Bühne … wobei die Luft war nicht so verbraucht, denn es kam zu keinen Ausfällen bei der gebührenden Ehrung des Ensembles und der Mitarbeiter, hinter den Kulissen.

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