Abschluss der Zeitinsel Gubaidulina im Konzerthaus Dortmund

Mit dem Konzert für Viola und Orchester (1996) der russischen Komponistin Sofia Gubaidulina (*1931), Sinfonie 16 op.131 von Mieczyslaw Weinberg (1919 – 1996) sowie der „Der Zorn Gottes“ (Gubaidulina 2019) fand am 05.02.2023 im Konzerthaus Dortmund die Zeitinsel zu dieser avantgardistischen russischen Komponistin ihr emotionales Ende.

Für das Konzert stand mit dem renommierten ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter der Leitung des britischen Dirigenten Duncan Ward ein großes Orchester auf der Bühne. Die Solo-Viola wurde von dem hervorragenden französischen Bratschisten Antoine Tamestit einfühlsam und mit viel Ausdruckskraft gespielt.

Gleich bei dem einsetzenden Monolog spielten die Töne D und Es als besondere Reminiszenz an Dimitri Schostakowitsch eine bedeutende Rolle. Die Streicher und Bläse und pochende Pauken sorgten von Beginn an für eine bedrohliche Stimmung.  In dieser Stimmung suchte sich die Bratsche mal vorsichtig ängstlich, mal mutig-verzweifelt vorantreibend, sich seinen musikalischen Weg durch eine unwirkliche Welt ohne Trost und Hoffnung zu bahnen. Es entspinnt sich eine ausdrucksstarke, tief gehend Klangtragödie.

Bratschist Antoine Tamestit und das ORF Radio-Sinfonieorchester. (Foto: (c) Petra Coddington)
Bratschist Antoine Tamestit und das ORF Radio-Sinfonieorchester. (Foto: (c) Petra Coddington)

Am Ende blieb Stille. Ein rührender Moment noch, als Tamestit als Zugabe ein ukrainisches Wiegenlied spielte.

Die folgende Sinfonie Nr. 16 op.131 von dem polnisch-jüdischen Komponisten Mieczyslaw Weinberg war geprägt von den Ängsten vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten und später den Sowjets geprägt. Er war ein Bewunderer von Schostakowitsch, der für ihn auch ein gutes Wort bei den Sowjetstellen einlegt, als er wegen angeblicher „zionistischer Agitation“ 1953 verhaftet wurde. Solche existenzbedrohenden Erlebnisse hatten ihre Auswirkung auf seine Sinfonie.

Der schleppende Anfang des Werks zu einem monotonen Pochen der Pauke wirkt ähnlich bedrohlich wie bei dem Konzert davor. Es fühlte sich an, als würde der Weg zum Schafott führen. Die beklemmende Wucht, mit einsamen, flirrenden, fast flehenden Klängen mit zeitweise schneidenden Ausbrüchen berührt Seele und Herz. Das musikalische Drama endet mit einem Glockenklingen.

Mit dem neuen Werk „Der Zorn Gottes“ nimmt Gubaidulina nicht nur Bezug auf Beethovens Streichquartett op. 135 F-D, das mit den Worten „Muss es sein – es muss sein“ unterlegt ist auseinander.

Sie stellt dem ein trotziges „Ja – es muss!“ entgegen.  Im Angesicht des zunehmenden Hasses in der Welt lässt die gläubige Komponistin musikalisch eindringlich den „Zorn Gottes“ als wütende Mahnung erklingen. Das ganze Orchester mit Tuben, Pauken, Bläsern, Klavier, Flötenklängen, den Streichen werden darin bis zu einem schrillen Höhepunkt (bis zur Schmerzgrenze) im Zusammenspiel eindrucksvoll eingebunden. Den Schlusspunkt setzten wieder die Glockenklänge.

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