Kann man falsche Erinnerungen hervorrufen. Das ist das Thema bei "Memory Alpha". (v.l.n.r.) Friederike Tiefenbacher, Uwe Schmieder, Caroline Hanke und Christian Freund. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Memory Alpha – das fehlbare und manipulierbare Gehirn

Das Gehirn ist die komplexeste Struktur im bekannten Universum. 86 Milliarden Nervenzellen sorgen dafür, dass wir so leben können wie wir es tun, beispielsweise sorgen sie dafür, dass ich gerade diesen Text tippen kann. Für die Verbindung zwischen den Nervenzellen sind Synapsen zuständig. Die Synapsen wiederum sind verantwortlich für unser Gedächtnis. Und unser Gedächtnis ist es, was uns als Menschen ausmacht. Ein Premierenbericht vom 06. April 2018.

Was hat das jetzt alles mit Theater zu tun? Im Stück „Memory Alpha oder die Zeit der Augenzeugen“ dreht sich alles um das Thema Gedächtnis. Das Vergessen von Erinnerungen, das Behalten von Erinnerungen und vor allem das Verändern von Erinnerungen. Wenn das menschliche Gedächtnis fehlbar ist, was ist eigentlich mit dem elektronischen? Vergisst die Cloud? Können elektronische Gedächtnisse manipuliert werden? Die Frage werden sich Menschen in China stellen müssen, denn 2020 will die chinesische Regierung für jeden Chinesen eine Art Scoringsystem einführen. Gute Taten werden mit Pluspunkten belohnt, schlechte Taten zu Punktabzug. Jeder wird auch sehen können, wie viele Punkte sein Nachbar oder Arbeitskollege hat.

Kann man falsche Erinnerungen hervorrufen. Das ist das Thema bei "Memory Alpha". (v.l.n.r.) Friederike Tiefenbacher, Uwe Schmieder, Caroline Hanke und Christian Freund. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Kann man falsche Erinnerungen hervorrufen. Das ist das Thema bei „Memory Alpha“. (v.l.n.r.) Friederike Tiefenbacher, Uwe Schmieder, Caroline Hanke und Christian Freund. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Im Stück dreht sich alles um vier Personen: Dr. Gerd Stein (Uwe Schmieder), Leiter des „Instituts für Digitalität und Erinnerung“, wird in Brüssel von einem Auto zerquetscht, nachdem er vor dem chinesischen Scoringsystem gewarnt hat. Steins Schwester Charlotte (Caroline Hanke) ist eines von wenigen Menschen auf der Erde, die kaum vergessen können. Die Gedächtnisforscherin Prof. Johanna Kleinert (Friederike Tiefenbacher) versucht mit False Memory Experimenten das Gedächtnis ihres Probanden Sebastian Grünfeld (Christian Freund) zu hacken.

Stein lässt sein Gedächtnis die letzten Wochen Revue passieren, um herauszufinden, wer im Auto saß.

Das Stück von Anne-Kathrin Schulz ist kein „Wer-war der Mörder“-Stück, am Ende sind wir genauso ratlos wie Gerd Stein, der blumengeschmückt in das Nichts versinkt. Ed. Hauswirth macht aus dem Stück zwar keine wissenschaftliche Vorlesung, doch während der 90 Minuten lernen die Zuschauer einiges über das menschliche Gehirn. Wie kollektive Erinnerungen entstehen (jeder weiß sicher, wo er sich am 11.09.2001 befand), aber auch wie Erinnerungen durch Experimente gefälscht werden können. Die Bühne ist quasi mit Leinwänden überdacht auf denen Bilder projiziert werden, die vier Schauspielerinnen und Schauspieler tragen dezente Kleidung.

Was bringt die Zukunft? Werden uns gefakte Erinnerungen eingepflanzt wie im Film „Total Recall“ und wir erinnern uns an Dinge, die wir gar nicht getan haben? Werden wir von einem elektronischen Gedächtnis kontrolliert, das sich unsere guten und bösen Taten merkt?

„Memory Alpha“ ist ein gelungenes Stück im besten Sinne des Aufklärungstheaters.

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