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Der Widersacher – wenn Lügengerüste in sich zusammenfallen

Im Studio des Dortmunder Schauspiel hatte am Sonntag, den 01.12.2019 „Der Widersacher“ nach dem gleichnamigen, auf einer wahren Begebenheit beruhenden, Roman von Emmanuel Carrère seine Premiere. Regisseur Ed. Hauswirth und Dramaturg Matthias Seier versuchten mit ihrer Inszenierung in die Hintergründe und psychologische Tiefen der realen menschlichen Tragödie eines spektakulären Mordfalls im Jahr 1993 in Frankreich zu blicken.

Manchmal, ganz selten, kann Hochstapelei zum Erfolg führen. Wer kennt nicht die Geschichte des aus dem Gefängnis entlassenen Schuster Voigt, der als „Hauptmann von Köpenick“ zum Held wurde. Doch die meisten Geschichten gehen schlecht aus. Meist enden sie im Gefängnis, aber keine endete so katastrophal wie die von Jean-Claude Romand.

Wie konnte der angeblich als Mitarbeiter in gehobener Position bei der WHO in Genf arbeitende, gutbürgerliche Familienvater Romand zu einem exzessiven Mörder seiner gesamten Familie samt Eltern und Hund werden? Wie konnte er sich über fast zwei Jahrzehnte ein Lügengerüst und Doppelleben aufbauen? Warum hatte keiner in der Familie oder Bekanntenkreis etwas bemerkt? Wieso musste es, von der ersten harmlosen kleinen Lüge angefangen, wie bei einem Kugelstoßpendel zur gewalttätigen Eruption kommen? Wie lange kann man Fassaden und Masken aufrecht erhalten? Die Grenzen zwischen „Real“ und „Fake“ verschwimmen.

Der Stoff ist gerade auch heute höchst aktuell und macht nachdenklich. Wie in der Inszenierung wörtlich ausgesprochen, wird Erfolg für viele Menschen zu einer neuen „Religion“ und gibt ihnen eine Art Daseins-Sinn.

Wie konnte Romand so lange lügen und warum ist keiner vorher misstrauisch geworden? (v.l.n.r.) Marlena Keil, Björn Gabriel, Caroline Hanke, Uwe Rohbeck. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Wie konnte Romand so lange lügen und warum ist keiner vorher misstrauisch geworden? (v.l.n.r.) Marlena Keil, Björn Gabriel, Caroline Hanke, Uwe Rohbeck. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Das Bühnenbild bot einen kleinen Einblick in die zerstörten, durch das nach seinen Taten von Romand in Brand gesetzten Wohnraum. Drei Trennwende im Hintergrund zeigten die verkohlten Überbleibsel des Wohnhauses, und in der Mitte des Raumes war auf schwarzen Sockeln Requisiten (Familenfoto, Geschirr, ein leicht verkohlter Teddybär u.s.w.) Die rechte Wandseite wurde für Videoprojektionen, wie etwa für das Gebäude der WHO oder den Jura-Wald u.a.) oder kurze Hinweise genutzt.

Die sieben Schauspieler*innen auf der Bühne versetzten sich stellvertretend für das Publikum in die beteiligten Personen, und versuchten das scheinbar Unerklärliche fassbar zu machen. Sie ließen die Entwicklungsgeschichte von der Kindheit Romands (und der anderen beteiligten Personen) bis zu der grausamen Tat mit eigenen Bemerkungen dazu Revue passieren, sowie deren möglichen Beweggründe und Persönlichkeitsstruktur zu analysieren.

Uwe Rohbeck spielte dabei sowohl den Part des recherchierenden Schriftsteller Emmanuel Carrère und am Ende den des Mörders Jean-Claude Romand (als in seiner Angst der Aufdeckung gefangenen Bär).

Alida Bohnen, Berna Celebi und Maximilian Ranft (Schauspiel studierende aus Graz) übernahmen den Part, der sich auf die Studentenjahre bezog oder den der Kinder von Romand.

Björn Gabriel, Caroline Hanke, Marlena Keil und Uwe Rohbeck übernahmen die Rollen von Freund Luc und Ehefrau in den Jahren vor und bis zu den Morden. Durch ihre stark gespielte Stellvertreterfunktion wurde es dem Publikum schwer gemacht, sich selbst unbeteiligt ruhig zurückzulehnen.

Unsicherheit, eigene „Widersacher“ (Teufel?) und Lügen, Scham, Ängste wurden ihm vor Augen geführt.

Eindrucksvoll war unter anderem der wütende Ausbruch von Marlena Keil als Florence Romand, die unbedingt eine „guten Auflauf“ aufbacken will, um wenigstens „etwas zu schaffen“. Bezeichnend für die problematische Sicht auf die Frauenrolle. Florene hat schließlich ein Studium der Medizin /Pharmazie abgeschlossen, arbeitet halbtags, hat zwei Kinder erzogen.

Es darf nicht vergessen werden, das vor allem Frauen von häuslicher Gewalt betroffen sind. Wie das Stück auch zeigt, ist das Schweigen und verdrängen ein großes Problem. Ein nachdenklich machendes Stück, das seine lustigen Momente hatte. Besonders, wenn es um die kleinen menschlichen Schwächen ging.

Informationen zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/50-27222.

Memory Alpha – das fehlbare und manipulierbare Gehirn

Das Gehirn ist die komplexeste Struktur im bekannten Universum. 86 Milliarden Nervenzellen sorgen dafür, dass wir so leben können wie wir es tun, beispielsweise sorgen sie dafür, dass ich gerade diesen Text tippen kann. Für die Verbindung zwischen den Nervenzellen sind Synapsen zuständig. Die Synapsen wiederum sind verantwortlich für unser Gedächtnis. Und unser Gedächtnis ist es, was uns als Menschen ausmacht. Ein Premierenbericht vom 06. April 2018.

Was hat das jetzt alles mit Theater zu tun? Im Stück „Memory Alpha oder die Zeit der Augenzeugen“ dreht sich alles um das Thema Gedächtnis. Das Vergessen von Erinnerungen, das Behalten von Erinnerungen und vor allem das Verändern von Erinnerungen. Wenn das menschliche Gedächtnis fehlbar ist, was ist eigentlich mit dem elektronischen? Vergisst die Cloud? Können elektronische Gedächtnisse manipuliert werden? Die Frage werden sich Menschen in China stellen müssen, denn 2020 will die chinesische Regierung für jeden Chinesen eine Art Scoringsystem einführen. Gute Taten werden mit Pluspunkten belohnt, schlechte Taten zu Punktabzug. Jeder wird auch sehen können, wie viele Punkte sein Nachbar oder Arbeitskollege hat.

Kann man falsche Erinnerungen hervorrufen. Das ist das Thema bei "Memory Alpha". (v.l.n.r.) Friederike Tiefenbacher, Uwe Schmieder, Caroline Hanke und Christian Freund. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Kann man falsche Erinnerungen hervorrufen. Das ist das Thema bei „Memory Alpha“. (v.l.n.r.) Friederike Tiefenbacher, Uwe Schmieder, Caroline Hanke und Christian Freund. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Im Stück dreht sich alles um vier Personen: Dr. Gerd Stein (Uwe Schmieder), Leiter des „Instituts für Digitalität und Erinnerung“, wird in Brüssel von einem Auto zerquetscht, nachdem er vor dem chinesischen Scoringsystem gewarnt hat. Steins Schwester Charlotte (Caroline Hanke) ist eines von wenigen Menschen auf der Erde, die kaum vergessen können. Die Gedächtnisforscherin Prof. Johanna Kleinert (Friederike Tiefenbacher) versucht mit False Memory Experimenten das Gedächtnis ihres Probanden Sebastian Grünfeld (Christian Freund) zu hacken.

Stein lässt sein Gedächtnis die letzten Wochen Revue passieren, um herauszufinden, wer im Auto saß.

Das Stück von Anne-Kathrin Schulz ist kein „Wer-war der Mörder“-Stück, am Ende sind wir genauso ratlos wie Gerd Stein, der blumengeschmückt in das Nichts versinkt. Ed. Hauswirth macht aus dem Stück zwar keine wissenschaftliche Vorlesung, doch während der 90 Minuten lernen die Zuschauer einiges über das menschliche Gehirn. Wie kollektive Erinnerungen entstehen (jeder weiß sicher, wo er sich am 11.09.2001 befand), aber auch wie Erinnerungen durch Experimente gefälscht werden können. Die Bühne ist quasi mit Leinwänden überdacht auf denen Bilder projiziert werden, die vier Schauspielerinnen und Schauspieler tragen dezente Kleidung.

Was bringt die Zukunft? Werden uns gefakte Erinnerungen eingepflanzt wie im Film „Total Recall“ und wir erinnern uns an Dinge, die wir gar nicht getan haben? Werden wir von einem elektronischen Gedächtnis kontrolliert, das sich unsere guten und bösen Taten merkt?

„Memory Alpha“ ist ein gelungenes Stück im besten Sinne des Aufklärungstheaters.

Memory Alpha – das trügerische menschliche Gedächtnis

Ein neues Studio-Stück im Dortmunder Schauspiel hat am Freitag, den 06.04.2018 um 20:00 Uhr seine Uraufführung. „Memory Alpha oder die Zeit der Augenzeugen“ von Dramaturgin Anne-Kathrin Schulz ist in einer kollektiven Arbeit mit dem Regisseur Ed. Hauswirth und den beteiligten Schauspielern entstanden. Hauswirth ist Gründungsmitglied und künstlerischer Leiter des zeitgenössischen Volkstheaters im Bahnhof (Graz). Am Schauspiel Dortmund wurde er noch im Megastore 2016 mit der hoch gelobten Stückentwicklung „Die Liebe in Zeiten der Glasfaser“ bekannt.

„Ich bevorzuge die kollektive Arbeitsweise und sehe die Schauspieler als Mitgestalter eines Projekts,“ so der Regisseur. Die aktuelle Aufführung befasst sich mit dem menschliche Gedächtnis und unseren Erinnerungen. Diese sind keine feste Größe, sondern verändern sich mit der Zeit und sind beeinflussbar. Was bedeutet die Fehleranfälligkeit der menschlichen Erinnerung für unser Gefühl von Identität. Was ist, wenn diese mit den ungeahnten Möglichkeiten von elektronischen Gedächtnissen aufeinander treffen?

Kein Scherz, bereit 2020 will die chinesische Regierung ein landesweites Scoring-System, eine Art Super-SCHUFA, in Betrieb nehmen, das das Verhalten jedes Bürgers in allen Bereichen elektronisch erfasst. Diese Daten sollen analysiert und bewertet werden.

Jede Person in China soll soll dann mit einem Punktestand durchs Leben gehen, der seiner momentanen Reputation entspricht. Der Mensch kann je nach Verhalten Punkte gewinnen oder verlieren. Seine Lebenschancen hängen davon ab.

Auf Grundlage des Buches „Das trügerische Gedächtnis“ der deutsch-kanadischen Rechtspsychologin Julia Shaw ist das Stück entwickelt worden. Sie befasste sich experimentell insbesondere mit Erinnerungen und deren Manipulationen.

Memory Alpha - Wenn das Gedächtnis manipuliert werden kann. (V.l.n.r.) Friederike Tiefenbacher, Uwe Schmieder, Caroline Hanke und Christian Freund. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Memory Alpha – Wenn das Gedächtnis manipuliert werden kann. (v.l.n.r.) Friederike Tiefenbacher,Uwe Schmieder, Caroline Hanke und Christian Freund. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Zum Stück: Der Leiter des „Instituts für Digitalität und Gedächtnis“ Dr. Gerd Stein (Uwe Schmieder), wird auf einer Brüsseler Straße von einem Auto zerquetscht. Kurz zuvor hatte er im Europaparlament öffentlich vor der chinesischen Super-SCHUFA gewarnt. Stein begibt sich auf Spurensuche rückwärts nach dem Täter. Knapp zwei Monate vorher experimentierte seine Frau, die Gedächtnisforscherin Johanna Kleinert (Friederike Tiefenbacher), mit der natürlichen Fehleranfälligkeit des menschlichen Gehirns. Im Rahmen einer Studie hackt Kleinert das Gedächtnis des Probanden Sebastian Grünfeld (Christian Freund). Dieser erinnerte sich danach an ein Erlebnis, was es nie gegeben hatte. Dann ist da noch Steins Schwester Charlotte ( Caroline Hanke). Sie ist eine von nur 57 weltweit bekannten Menschen, die schwer vergessen können…

Das Publikum wird, so Anne-Kathrin Schulz, in ein Gedanken und Gedächtniskosmos mitgenommen. Das Studio wir von allen Seiten und von der Decke mit wechselnden assoziativen Erinnerungs-Fotografien versehen. Sie umfassen sowohl das persönliche als „kollektive“ Gedächtnis. Lucas Pleß sorgt für das passende Engineering (Geräusch-Hintergrund).

Die Premiere am 06.04.2018 ist schon ausverkauft.

Für die nächste Vorstellung am 13.04.2018 um 20:00 Uhr gibt es noch Restkarten.

Weitere Informationen und Termine unter www.theaterdo.de

Die Demokratie auf wackeligem Fundament

Kaum gewählt wird der Abgeordnete (Sebastian Kuschmann) von der Basis (Dortmunder Sprechchor) in die Mangel genommen. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Kaum gewählt wird der Abgeordnete (Sebastian Kuschmann) von der Basis (Dortmunder Sprechchor) in die Mangel genommen. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Die Französische Revolution ist die Geburtsstunde des modernen Europas. Das Bürgertum emanzipiert sich gegenüber dem Adel und wird endgültig politische Kraft. Die Ideale „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ verbreiten sich über ganz Europa. Den ersten Schritt zur Revolution machten die Generalstände, die sich 1789 zur Nationalversammlung erklärten, mit dem Ziel Frankreich eine Verfassung zu geben. Mit dem Erwachen des Volkes erwachte auch der Volkszorn. In „Triumph der Freiheit #1“ nach dem ausgezeichneten Theaterstück „Ça ira (1) Fin de Louis (La Revolution #1)“ von Joel Pommerat geht es um die ersten Schritte der bürgerlichen Gesellschaft im Kampf um politische Macht. Ein Premierenbericht vom 16. September 2016.

Dass das Stück von Pommerat 2015 viele Preise in Frankreich abgeräumt hat, ist wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass die Französische Revolution in den Genen der Franzosen verankert ist. Bei uns hier ist das eher ein Thema im Geschichtsunterricht. Je nach Aufmerksamkeit erinnert man sich noch an Namen wie Robespierre oder Danton und die Guillotine. Doch wie hat alles angefangen? Regisseur Ed. Hauswirth und Dramaturg Alexander Kerlin zeigen in ihrer Bearbeitung einen kleinen Politkrimi mit Intrigen, Finten und einem König, der vom Schachspieler zur Schachfigur mutiert. In der Inszenierung steht dabei nicht die historische Exaktheit im Mittelpunkt, sondern die Referenzen auf die Jetztzeit. Und davon gibt es mehr als uns lieb sein kann.

Bereits der Beginn ist hochaktuell: Frankreich ist 1789 so gut wie pleite. Staatsbankrott droht. Der Premierminister (gespielt von Andreas Beck) hat einen revolutionären Plan: Alle sollen sich gleichermaßen an den Staatsfinanzen beteiligen. Das kommt bei den privilegierten Ständen von Klerus und Adel gar nicht gut an. Eine Reichensteuer? Unvorstellbar! Daher verlangt der Adel die Einberufung des Generalstände, die seit über 150 Jahren nicht mehr getagt haben. Die einzelnen Stände sollen fein säuberlich getrennt tagen. Schnell ist den Abgeordneten des dritten Standes (Bürgertum) klar, dass sie nur Staffage sind und keinerlei politische Macht bekommen sollen. Die Unzufriedenheit wächst. Aus die Versammlung der Generalstände wird zur Nationalversammlung erklärt. Auf der Seite des Königs wie auch auf der Seite des Volkes wächst die Radikalität.

Ein Historienstoff im modernen Kostüm. Auch wenn das barocke Element in Kleidung oder Haartracht aufgenommen wurde, es wurde oft mit Ereignissen aus der Jetztzeit kombiniert. Der König (Uwe Rohbeck) wird per Videokonferenz zugeschaltet, bei der Berichterstattung über die Pariser Krawalle läuft ein Nachrichtenticker wie bei N24, die Ansprache des Königs auf dem Smartphone ist eine Reminiszenz auf eine ähnliches Ereignis nach dem Putsch in der Türkei.

Doch im Mittelpunkt des Stückes stehen die Diskussionen bei den Vertretern des Dritten Standes. Schon bald macht sich eine Radikalisierung und Aufspaltung in verschiedene Fraktionen breit, deren Gräben immer tiefer werden. Lefranc (Marlena Keil), ist eine radikale Politikerin, die die

Unzufriedenheit des Volkes schürt und mit geheimen Todeslisten arbeitet. Dem Vertreter Carray (Sebastian Kuschmann) wird Verrat an den Zielen des Volkes vorgeworfen. Er bekommt, auch eine kleine Anspielung, eine Torte ins Gesicht. Der Kampf zwischen Gemäßigten wie Gigart (Uwe Schmieder) und Boberlé (Caroline Hanke) und den radikalen Vertretern verläuft nicht immer starr. Es gibt Koalitionen und Zerwüfnisse je nach Entwicklung der Ereignisse.

Ein weiteres Thema in dem Stück spielt die Flüchtlingsproblematik. Hier sind sie keine Bootsflüchtlinge, sondern ausländische Soldaten, die für die Staatsmacht das aufständische Volk bekämpfen. Die Aufstände werden unter dem bekannten Schlachtruf „Wir sind das Volk“ begleitet. Hier verliert die junge Demokratiebewegung auch ihre Unschuld, indem sie gefangene Soldaten töten lässt.

Ein gelungenes Element im Stück war die Bühne. Sie stand in der Mitte des Raumes und war wie eine riesige rechteckige Wippe. Auf großen Federn gelegen zeigte sie die Fragilität der Demokratiebewegung, der Schritt ließ die Bühne in eine andere Richtung kippen.

Die Schauspieler inklusive des Dortmunder Sprechchors zeigten eine sehr kompakte Vorstellung. Herauszuheben ist Uwe Rohbeck als König, der vom mutmaßlichen Entscheider zum Getriebenen wird und trotz des Mantras „Wir schaffen das schon“ am Ende allein da steht. Ein bitteres Bild zum Schluss, als sich alle Figuren von ihm wegdrehen.

„Triumph der Freiheit“ ist mit Sicherheit mehr politisches Theater als historisches. Historische Genauigkeit stand nicht im Zentrum des Stückes, sondern die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und die haben manchmal erschreckende Parallelen zum Heute. Es lohnt sich, dieses Stück anzusehen, denn es wird nicht nur gezeigt, was passiert, wenn die Büchse der Pandora (Volkszorn) geöffnet wird, sondern auch wie Politik in den Hinterzimmern funktioniert.

Weitere Infos unter www.theaterdo.de

Beziehung in weiter Ferne

Am Anfang ist die Fernbeziehung zwischen Antonia (Julia Schubert) und Tomasz (Peer Oscar Musinowski) noch in bester Ordnung. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Am Anfang ist die Fernbeziehung zwischen Antonia (Julia Schubert) und Tomasz (Peer Oscar Musinowski) noch in bester Ordnung. (Foto: © Birgit Hupfeld)

So wie im richtigen Leben: Im entscheidenden Moment stürzt das Internet ab und man ist offline. Bei der Premiere von „Die Liebe in den Zeiten der Glasfaser“ von Ed. Hauswirth am 25. Februar 2016 im Megastore fiel dann Julia Schubert in der Rolle der Antonia der rettende Kniff ein: Sie ging einfach zur Nachbarin.

Zwei Paare – vier Schicksale. Drei Personen brechen auf zu einem entfernten Ort, nur einer bleibt daheim. Wie funktioniert eine Fernbeziehung? Anscheinend abgeklärt sehen das Wolf-Adam (Uwe Schmieder) und seine Frau Helena (Friederike Tiefenbacher), angespannter ist Tomasz ( Peer Oscar Musinowski), der zuhause bleibt, dafür auf seine Freundin Antonia (Julia Schubert) verzichten muss. Antonia, Studentin der Mediensoziologie, geht für ein Jahr nach Rom, um ein wenig die Welt zu verändern. Ihr Freund Tomasz bleibt und versucht, bei IKEA Karriere zu machen. Wolf-Adam ist Professor für Mediensoziologie (und „Magistervater“ von Antonia) bekommt die Chance für ein Jahr nach Aalborg zu gehen, während seine Frau Helena, für ein internationales Schauspielprojekt nach Breslau geht.

Kann eine Beziehung halten, in der der Partner hunderte Kilometer weit weg ist und die nur mit Hilfe einer Software namens Skype aufrecht gehalten wird? Hauswirth ist da eher skeptisch und obwohl das Stück sehr viele komödiantische Elemente hat, gehen die beiden Paare auseinander, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Das Stück dreht sich nicht nur um Skype, sondern es ist auch eine kleine Partneranalyse. Bei Tomasz und Antonia fragt man sich von Anfang an, warum die beiden überhaupt zusammen sind. Tomasz ist relativ einfach strukturiert, er will Karriere bei IKEA machen und versteht davon, was sein Freundin macht, so gut wie nichts. Der Frust über sein Scheitern schlägt schnell in Agression um. Antonia hingegen ist naiv und ichbezogen, sie will die Welt vom Kapitalismus retten, interessiert sich für die Probleme ihres Freundes überhaupt nicht. Mit der Zeit wird klar, dass sie eigentlich in zwei völlig anderen Welten leben.

Bei Helena und Wolf-Adam dreht sich viel um den zweiten Frühling oder die Midlife-Crisis. Das zeigt sich zu Beginn, als Wolf-Adam seinen Seminarzettel vorliest, auf dem nur Frauennamen stehen. Helena kann dadurch kontern, dass sie die einzige Frau unter vierzehn Männern sei. Zwischen Antonia und ihrem Professor läuft auch was. Wolf-Adam kann aber die Einsamkeit in Dänemark nicht verkraften und stirbt.

Das Stück will keine objektive Wahrheit über Fernbeziehungen verkünden. Das wäre auch vermessen. Die beiden Beispiele sind natürlich theatralisch überhöht. Daher sind bei aller Tragik sehr viele komödiantische Elemente enthalten wie der Seitenhieb von Hauswirth auf das moderne Regietheater, die Helena dazu zwingt, eine Vergewaltigungsszene zu simulieren. Auch Antonias erfrischende Naivität sorgt für Lacher.

Die „Liebe in den Zeiten der Glasfaser“ lebt auch durch die guten Darsteller. Oscar Musinowski geht in der Rolle des Tomasz auf und auch Julia Schubert spielt die Antonia mit entwaffnender Naivität. Uwe Schmieder als vergeistigter Professor und Friederike Tiefenbacher als leidgeprüfte Schauspielerin stehen den beiden in Nichts nach. Das Quartett ist ein echter Glücksgriff.

Alle, die schon mal in einer Fernbeziehung gelebt haben oder noch leben, werden einige Elemente wiedererkennen wie beispielsweise den verzweifelten Versuch, durch den Computer Nähe zum Partner zu erzeugen, indem man ihn ins Bett nimmt. Alle anderen, die keine Erfahrungen in Fernbeziehungen haben oder denen es noch bevorsteht, können sich über die Fallstricke informieren.

Letztendlich ist die Tragikomödie von Hauswirth ein vergnügliches, wenn auch tragisches Theaterstück mit tollen Darstellen, das den donnernden Applaus des Publikums mehr als verdient hat.

Infos und Karten unter www.theaterdo.de.