Kammermusik aus düsteren Zeiten

Das 2. Kammerkonzert der Dortmunder Philharmoniker am 28.01.2019 im hiesigen Orchesterzentrum stand unter dem bezeichnenden Titel „Über dem Abgrund der Zeit“. Im Blickpunkt waren hier Werke von drei besondere Komponisten, die in düsteren Kriegs-Zeiten zwischen 1940 und 1944 unter schwierigen Bedingungen entstanden sind.

Vier Meister*innen an ihren Streichinstrumenten von der Dortmunder Philharmoniker wurden von der bekannten Pianistin Tatiana Prushinskaya (seit 2011/2012 Solorepetitorin am Theater Dortmund) bei dem Konzert unterstützt.

Gespielt wurde einmal als Klavier-Solo, und bei anderen Stücken in unterschiedlichen Konstellationen. Beteiligt als Streicher*innen waren Yang Li (Violine). Susanne Schmidt (Violine), Hindenburg Leska (Viola) und Andrei Simion (Violoncello). Sie bewiesen viel musikalisches Einfühlungsvermögen und Virtuosität.

Tragisch ist die Geschichte des zu Anfang vorgetragenen „Trio für Violine, Viola und Violoncello von dem jüdischen Komponisten Gideon Klein (1919 – 1944). Dieses Streichtrio beendete der begabte Komponist am 7. Oktober 1944 im KZ Theresienstadt, wohin er nach der Annektion seiner Heimat Böhmen durch die Nazis deportiert worden war. Zu dem von den deutschen Machthabern zwecks positiver „Image-Darstellung“ für das KZ geduldete Musik-Ensemble unter den Insassen gehörte auch Gideon Klein. Nur wenige Tage nach der Vollendung des Trios, wurde der Komponist nach Auschwitz (Außenlager Fürstengrube) deportiert und starb unmittelbar nach seiner Ankunft unter „ungeklärten Umständen“ in den Kohlengruben. Das Ganze neun Tage vor der Befreiung durch die Alliierten.

Die Musikerinnen und Musiker bei der Probe (v.l.n.r.) Yang Li, Tatiana Prushinskaya, Susanne Schmidt, Hindenburg Leka und Andrei Simion. (Foto: © Dortmunder Philharmoniker)
Die Musikerinnen und Musiker bei der Probe (v.l.n.r.) Yang Li, Tatiana Prushinskaya, Susanne Schmidt, Hindenburg Leka und Andrei Simion. (Foto: © Dortmunder Philharmoniker)

Das ausdrucksstarken Musikstück enthält in seinen drei Sätzen Elemente aus böhmischen Volksliedern in Variationen bis zum virtuosen Finale, das mit einem hohen Schwierigkeitsgrad von Anfang bis Ende in gleichbleibenden, kleinen Notenwerten und schnellen Bewegungen ausgeführt wurde. Einige Dissonanzen unterstrichen die schmerzvolle und teilweise wehmütige Stimmung.

Als zweites standen drei jeweils achtminütige Sätze aus dem Werken des französischen Komponisten Olivier Messiaen (1908 – 1992), der den Winter 1940 im deutschen Kriegsgefangenenlager Görlitz verbrachte. Dort entstanden das „Quartett für das Ende der Zeit“ (Quatuor pour la fin du temps) für Klavier, Violine, Cello und Klarinette. Der fünfte Satz für Cello und Klavier ist der „Lobgesang für die Ewigkeit“, der 8. Satz ein „Lobgesang auf die Unsterblichkeit Jesu“. Wie von Messiaen selbst postuliert, ist es dem Mensch gewordenen Jesu. Der langsame Aufstieg der Geige ins höchste Register symbolisiert für ihn den Aufstieg des Menschen zu Gott. Dabei entwickelt sich einen ungeheure Dynamik zwischen den Instrumenten mit ebenfalls Aufsteigenden, dann aber auch absteigenden Akkorden des Klaviers. Eindrucks voll war das zuerst gespielte, drei Jahre später in Paris entstanden „20 Blicke auf das Jesuskind“ für Klavier, sensibel mit all seinen Dissonanzen von Tatiana Prushinskaya dar gebracht.

Einen speziellen Geschichtsbezug hat auch das nach der Pause zu hörende „Klavierquintett g-Moll op. 57“ von Dimitri Schostakowitsch (1906 – 1975). Es wurde im Sommer 1940, neun Monate bevor Hitler den Pakt mit Stalin brach und seine Truppen in der Sowjetunion einmarschieren ließ.

Unterschwellig ist die Bedrohung in seinem Quintett mit der unterdrückten Dynamik schon zu spüren. Dass sein großes musikalisches Vorbild Johann Sebastian Bach ist, merkt man vor allem am Anfang des Quintetts. Der Komponist bezog hier seine Inspiration aus den harmonischen Spannungsbögen und Präludien von J. S. Bachs. Auch die klare Linienführung des Werkes erinnert an das Vorbild. Jede Note scheint sorgsam berechnet, das lyrische Intermezzo im 4. Satz bildet dabei einen große Ruhepunkt. Typisch für Schostakowitsch die Gebrochenheit der Musik, die eine zu romantischen Überschwang vermeidet.

Ein spezielles Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus nach dem 27.01.2019.

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