Ein Sprechchor-Stück zu Homosexualität im Fußball

Der Dortmunder Sprechchor (mit Fug und Recht das 17. Ensemblemitglied des hiesigen Schauspiels), hat sich in diesem Jahr mit dem Stück „Echte Liebe“ von Regisseurin Laura N. Junghanns und dem Dramaturgen Matthias Seier ein immer noch tabuisiertes Thema ausgewählt. Selbst Jahre nach dem Outing von Thomas Hitzelsberger am Karriereende ist das Bekenntnis zur Homosexualität in diesem „Sport für echte Kerle“ für aktive Fußball-Profis immer noch so gut wie unmöglich. Zu viele Ängste vor der Reaktion der Fans sowie die Furcht vor dem Karriereende machen ein Outing schwierig. Das Stück „Echte Liebe“, ein eng mit dem BVB verbundener Begriffskonstrukt, setzt sich mit diesem immer noch tabuisierten Thema komplex auseinander. Die Premiere war am 29.03.2019 im Studio des Dortmunder Schauspiels.

Auf der Bühne wurden drei Torbögen multifunktional genutzt. Hinter einander gestellt dienten sie zum Beispiel als Eingangtunnel für die Beteiligten. Der Raum auf der Bühne war voll gefüllt mit den 54 beteiligten Sprechchor-Mitgliedern. Diese tragen alle in gelb-schwarz gehaltene Kleidung und Accessoires, die ab je nach Gruppenzugehörigkeit fantasievoll in einzelnen Merkmalen verändert wurden. Die Frauen und Männer des Sprechchors waren nicht nur in ständiger Bewegung und in unterschiedliche Konstellationen auf der Bühne, sie mussten auch ein glaubwürdiges „Sprachrohr“ für die verschiedenen Gruppen und Positionen darstellen.

Einen besonderen Status hatte in „Echte Liebe“ die mit einer Schutzmaske versteckte und allein dastehende Darstellerin des „Anonymen Profis“ aus der dritten Liga (die Quelle war die Internet-Plattform Reddit). Die Texte stammten aber aus mehreren anonymen Quellen homosexueller Fußballern. Sie verdeutlichten die schwierige Situation und das Leiden an der Verheimlichung dieser Personen.

So muss sich ein aktiver homosexueller Fußballer führen - allein im Scheinwerferlicht und um ihn herum die große anonyme Masse. (Foto: Birgit Hupfeld)
So muss sich ein aktiver homosexueller Fußballer führen – allein im Scheinwerferlicht und um ihn herum die große anonyme Masse. (Foto: Birgit Hupfeld)

Eine große Gruppe stellten diejenigen Fans und Lokalpatrioten dar, welche sich nach den „alten Zeiten“ sehnen, wo der Signal Iduna Park noch Westfalenstadion hieß, Fußball noch ein echter Männersport, das Bier noch billiger und die Kommerzialisierung noch nicht so weit fortgeschritten war. Für sie ist Fußball eine Religion und ein Mittel, Frust sowie Druck auf Kosten von Minderheiten abzulassen. Auch die möglichen eigenen homosexuellen Anteil machen sicher einigen Ängste.

Eine mahnende Rolle spielte die Gruppe der sogenannten „Sprecher gegen den Hass“ als Gegenpol. Grundlage bildeten bei ihnen die Texte aus dem Buch „Gegen den Hass“ von der Autorin und Publizistin Carolin Emcke (Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels 2016).

Wie weit verbreitet (verdeckte) Homophobie im Zirkel des Fußballs immer noch ist, zeigen mit dem Beamer kenntlich gemachte, und von Gruppen des Sprechchors gesprochene Zitate von bekannten Größen in dem Geschäft. Dabei waren Aussagen von ehemalige Verteidiger Paul Steiner vom 1.FC Köln, Ulli Hoeneß, Christoph Daum, Oliver Bierhoff und andere wie auch ein internationaler Schauspieler. Für den „Running Gag“ sorgte die Gruppe der „DFB-Anzugträger“, die immer wieder auf ihre „Broschüre“ hinwiesen. Sich am Spielzeitende zu outen, wäre zum Beispiel am günstigsten. Bis zur neuen Saison würde dann Gras über „die Sache“ wachsen.

Atmosphärisch begleitet wurde das Stück mit eingespielten Originaltönen aus dem Stadion. Symbolisch als assoziative Farbe für Homosexualität war eine riesige rosa Schiri-Pfeife auf der Bühne mit dabei und es wurde am Ende ein rosa Teppich ausgerollt.

Gesungen wurde dabei von einer Gruppe das bekannte „You’ll never walk alone“. Das „alone“ wurde zum Schluss vielfach wiederholt. Der „anonyme Profi“ verlässt isoliert langsam die Bühne.

Wer sich fragt, warum sich nicht Profi-Fußballer während ihrer Karriere outen, das eindrucksvolle Ende gab die Antwort. Der Sprechchor bildete eine große anonyme Masse, die im besten Sprech der AfD und der religiösen Extremisten ihre letzte „Männerbastion“ vor dem Sprung ins 21. Jahrhundert verhindern wollen. Für sie ist die Diskussion um homosexuelle Fußballer nur „eine perfide Homo-Propaganda der Perversen-Lobby“. Doch hier kommt auch ein kleiner Kritikpunkt an dem Stück: Nicht alle, die sich gegen den „modernen Fußball“ mit seiner Eventisierung stellen, sind Homophob. Es gibt sicher genügend Kritikpunkte an DFB, UEFA und FIFA, die mehrere Abende füllen könnten. Das Stück ist sicher ein guter Ansatzpunkt, sich weiter mit der Thematik zu befassen.

Weitere Aufführungstermin sind: 06.04.2019 und 20.04.2019 um 20:00 Uhr, am 02.06.2019 um 18:30 Uhr und am 05.07.2019 um 20.00 Uhr.

Weitere Informationen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel. : 0231/ 50 27 222

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