So sehr sich Maggy (Marle Wasmuth) auch vor dem digitalen Schmutz schützen möchte, die Facebook-Gärtner (Dortmunder Sprechchor) sind unerbittlich. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Digitale Drecksarbeit für Cleanliness

[fruitful_alert type=“alert-success“]So sehr sich Maggy (Marle Wasmuth) auch vor dem digitalen Schmutz schützen möchte, die Facebook-Gärtner (Dortmunder Sprechchor) sind unerbittlich. (Foto: © Birgit Hupfeld)[/fruitful_alert]

Im Megastore hatte am Samstag, den 03.06.2017 „Nach Manila“ von der Gruppe Laokoon unter der Regie von Moritz Riesewieck seine Uraufführung. Die Gruppe hat sich in den letzten Jahren intensiv mit den sogenannten „Clickarbeitern“ in der 20 Millionen Metropole Manila (Philippinen) beschäftigt und sie auch besuchte.

Sie arbeiten Stunden von Manilas Zentrum entfernt in sauberen, abgeschirmten Großraumbüros in Computerarbeits-Boxen für Outsourcingfirmen im Auftrag eines großen Konzern im Bereich soziale Medien (Facebook). Manila heißt übrigens „Hier gibt es Nilad. Nilad ist eine weißblütige Mangrovenpflanze. Durch die Urbanisierung von Manila ist sie aber im Stadtgebiet verschwunden.

Ähnlich wie die Mangrovenpflanze muss auch der Schmutz aus den sozialen Medien verschwinden. Dafür sind die „Clickarbeiter“ da. Ihr Auftrag ist es, die sozialen Netzwerke wie Instagram, YouTube und andere von brutalen Fotos oder Videos nach einem Kriterienkatalog Inhalten wie Terror, ,Kinderpornografie, Snuff-Videos und anderes als „Content Moderators“ zu reinigen (cleanen). Das streng katholisch ausgerichtete Land bieten scheinbar gute Voraussetzungen für diese Tätigkeit. Präsident Duterte geht gerade in letzter Zeit mit äußerster Härte auch gegen kleine Dealer und ihre Klientel vor. Er schreckt auch nicht davor zurück, sie lynchen zu lassen. Das Motto in den Philippinen lautet: „Cleanliness is next to Godliness“. Die zumeist sehr jungen Menschen müssen nach kurzem Training in wenigen Sekunden entscheiden, „Delete“ oder „Ignore“ für die gezeigten Videos und Fotos.

Riesewieck stellt eine fiktive Autorin , gespielt von Caroline Hanke, mitten in einen auf der Bühne platzierten, recht opulenten Pflanzenwelt. Der „wilde Garten“ symbolisiert Facebook, dass wirkt, als wäre er sich selbst überlassen. Man sieht die Mauer darum nicht und wer im Hintergrund der Bestimmende ist. Der Sprechchor des Dortmunder Schauspiels durchquerten den „Garten“ als gleich gekleidete ordnende Gärtner. Die jungen weiblichen Theaterpartisanen verkörperten mit ihren weißen Kleidern Unschuld und Reinheit.

An den Wänden waren vier große Projektionsleinwände aufgestellt. Das Publikum nimmt mitten auf der Bühne auf Palettenkisten oder Seitenbänken platz. Mitten drin statt nur dabei. Auf der Bühne sind unter anderem auch die blauen Computerarbeits-Boxen mit den Bildschirmen zu sehen. Drei Schauspieler schlüpfen als Erzähler in eine Rolle von unterschiedlichen Typen von „Clickarbeitern“. Sie wurden beim erzählen mit der Kamera begleitet.

Da ist Maggy, deren Geschichte erzählt und extensiv dargestellt von Merle Wasmuth wird. Ihr starker religiöser Hintergrund dient ihr als Hilfe oder Krücke im Umgang mit ihrer traumatisierenden Arbeit. Die dramatischen Folgen dieser Arbeit wird ohne das Publikum mit schlimmsten Gewaltbildern zu schocken, durch die Erzählungen und Darstellungen der Schauspieler eindringlich auf die Bühne gebracht. Maggy zum Beispiel leidet unter schlimmsten Waschzwang und verbraucht Unmengen an Parfüm, um den ekeligen Gestank ihrer Arbeit los zu werden. Sie nimmt nach ihrer Auffassung die „Sünden der Welt“ für alle anderen auf sich, ohne das das gesehen wird. Ein acht bis zwölfstündiger Arbeitstag, wenig Pause, knorpeliges Fleisch in Schaumstoff-Take-Away-Verpackung und Plastikbesteck. Trotz aller Bemühungen hat sie letztendlich keine Chance gegen die Schnecken, die

Nasrim, erzählt und gespielt von Björn Gabriel, ein ein Syrien stammender Clickarbeiter, hoffte auf gut Arbeitschancen und bessere Aussichten als in Europa. Wegen seiner arabischen Sprachkenntnisse hatte er gute Chancen auf den Job. In einer Mischung aus Entsetzten und schützenden Zynismus erzählt er davon, wie ihn die Bilder der Folgen explodierender Bomben eines Selbstmord-Attentätern ihn sexuell erregen und was diese kranke Lust für Folgen für seine Beziehung zu seiner Freundin hat. Er flüchtet sich in Zynismus.

Der dritte Clickarbeiter Dodong (Raafat Daboul), versucht verbissen und hartnäckig, den australischen Pornoring-Chef „Scully“ ausfindig zu machen. „Scully“ steht dabei einerseits für die reale Person Peter Scully, ein Australier, der seit 2015 auf den Philippinen verhaftet wurde, weil er mehrere Kinder missbraucht und die Taten gefilmt hat. Auch ein Mord wird ihm vorgeworfen. Mittlerweile droht im die Todesstrafe.

Aber „Scully“ kann auch für die anderen Personen stehen, die irgendwo auf der Welt Vergewaltigung und Mord filmen und ins Netz stellen. „Irgendwo ist irgendwann immer Nacht“, sagt die Autorin verzweifelt.

Facebook ist in der Diskussion. Beispielsweise soll „Hate Speech“ (Hassreden) stärker bekämpft werden. Doch das sind immer zwei Seiten der Medaillen. Ist es wirklich gut, alles „Schlechte“ fern zu halten anstatt sich mit den (wahren) Ursachen dieses „Bösen“ in und außerhalb von uns auseinander zu setzten. Und wer setzt welche Kriterien?

Im Herbst 2017 erscheint übrigens im dtv Verlag das Buch „Digitale Drecksarbeit. Wie uns Facebook und Co. Von dem Bösen erlösen“. Verfasser: Moritz Riesewieck.

Informationen zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie unter www.theaterdo.de

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